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Die Hoffnung auf den Himmel und die Angst vor der Hölle sind mächtige Triebfedern der Weltgeschichte. Bernhard Lang beschreibt anschaulich, wie sich Griechen und Römer, Juden, Christen und Muslime die jenseitigen Welten ausgemalt haben, welche Götter, Menschen, Engel, Dämonen und Teufel sie bevölkern und wie das Leben im Diesseits die Bilder vom Jenseits bestimmt hat. Die naturwissenschaftliche Kritik hat den Jenseitsglauben zurückgedrängt, doch die Sehnsucht, einen geliebten Menschen in einer anderen Welt wiederzusehen, ist weiter lebendig.
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Bernhard Lang
HIMMEL, HÖLLE, PARADIES
Jenseitswelten von der Antike bis heute
C.H.Beck
Was haben Hades, Scheol, Hölle, Himmel und Paradies gemeinsam? Sie liegen im Jenseits, in den großen Gebieten außerhalb der irdischen Wirklichkeit. Für die einen gehören Jenseitswelten und ihre Götter zu den Illusionen vergangener Kulturen, für die anderen stehen sie bis heute im Zentrum religiösen Glaubens. Bernhard Lang erörtert die prominentesten Jenseitswelten der Geschichte, wie sie in den Zeugnissen der klassischen Antike, in Bibel und Koran sowie in der jüdischen, christlichen und islamischen Tradition beschrieben werden. Zur Sprache kommen auch die naturwissenschaftliche Kritik am Jenseitsglauben, Ansätze zu einer jenseitsfreien christlichen Theologie sowie die Sehnsucht, einen geliebten Menschen in einer anderen Welt wiederzusehen. Ob es jenseitige Welten gibt oder nicht, die Vorstellungen von ihnen bewegen die Menschheit seit Jahrtausenden und tun dies bis heute.
Bernhard Lang lehrte als Professor für Altes Testament und Religionswissenschaft in Tübingen, Paderborn, Paris IV (Sorbonne) und St. Andrews. Bei C.H.Beck erschienen von ihm u.a. Erhelle meine Nacht. Die 100 schönsten Gebete der Menschheit (5. Aufl. 2018) sowie Die 101 wichtigsten Fragen. Die Bibel (2013).
Abb. 16. Paradies und Himmel
Abb. 21. Eine Familie feiert ihr Wiedersehen im Himmel
Einführung: Eine kurze Geschichte des Jenseits
Mythos
Dogma
Kritik
I Antike: Vom innerweltlichen zum außerweltlichen Jenseits
1 Tartaros, Limbus und Elysium
Der Götterhimmel: Zeus und die göttliche Weltregierung
Die Unterwelt
2 Oben und unten: Das Jenseits der Philosophen
Platon
Plutarch
Epikur und Lukrez
3 Kulturen der Gewalt, des Rechts und der Reflexion
II Antikes Judentum und frühes Christentum: Himmel, Hölle und Gericht
1 Gottes Himmel und sein Personal
Gott als Besitzer der Welt – und sein Stellvertreter
Die regierenden Götter
Götter mit besonderen Aufgaben
Dienstbare Geister
2 Scheol und Himmel: Das Jenseits der Toten in der Hebräischen Bibel
Die Scheol
Der Himmel
Der Himmel im Buch der Offenbarung
3 Die Hölle im Neuen Testament
Die Vernichtungshölle (nach ägyptischem Vorbild)
Die Hölle der ewigen Pein (nach griechischem Vorbild)
4 Antike Rechtskultur und die Kultur des Hellenismus
III Islam: Der eine Gott und die vielen Himmel
1 Jenseitswelten im Koran
Gott und Engel
Die Hölle
Paradies
2 Dichterische Erkundungen des Jenseits
Das kosmische Rahmenwerk
Die Jenseitsreise des Propheten nach dem «Buch der Leiter Mohammeds»
Al-Ma’arri schickt einen Dichter auf Jenseitsreise
3 Al-Ghazali: Eine Philosophie des Jenseits
4 Prophetie, Erotik und Askese
IV Das Christentum und die Revolutionen des Weltbilds
1 Augustinus: Eine Philosophie des Jenseits
2 Dantes Göttliche Komödie: Eine Jenseitsdichtung
Zwei Tage in der Hölle (Inferno)
Vier Tage auf dem Berg der Läuterung (Purgatorio, Fegfeuer)
Ein Tag im Himmel (Paradiso)
3 Swedenborgs visionäre Erkundung des Jenseits
4 Theologie, Poesie und Naturwissenschaft
V Abschied vom Jenseits?
1 Der Siegeszug des Naturalismus
2 Natur und Gott im Pantheismus
3 Vom Existenzialismus zu einer Theologie ohne Jenseits
Rudolf Bultmann
Gotthold Hasenhüttl
Karl Rahner
Theologie ohne Jenseits
4 Wiedersehen im Himmel?
Dietrich Bonhoeffer
Karl Rahner – Fridolin Stier – Luise Rinser
5 Die Ordnung der Vernunft und die Ordnung des Gefühls
Literatur
I. Antike: Vom innerweltlichen zum außerweltlichen Jenseits
II. Antikes Judentum und frühes Christentum: Himmel, Hölle und Gericht
III. Islam: Der eine Gott und die vielen Himmel
IV. Das Christentum und die Revolutionen des Weltbilds
V. Abschied vom Jenseits?
Bildnachweis
Dank
Abb. 16 Paradies und Himmel.
In idyllischer Paradieslandschaft (unten) – der neuen Erde – tummeln sich nackte Menschen und Engel, mehrfach beide in Gemeinschaft, während oben, im Himmel, die Engel Gott preisen. Nach Auffassung von Künstlern und Theologen der Renaissance können die Seligen, wenn sie wollen, zum Himmel emporschweben und sich dem englischen Chor anschließen. Bereits Augustinus könnte sich den Himmel so vorgestellt haben. – Der im 16. Jahrhundert entstandene Stich gibt einen nicht erhaltenen, von Hieronymus Bosch gemalten Altarflügel wieder.
Abb. 21 Eine Familie feiert ihr Wiedersehen im Himmel.
Die Vorlage dieses Stichs entstammt einer unvollendeten Serie von Illustrationen zu John Bunyan, Die Pilgerreise (1678/84). Bunyan lässt die Pilgerreise im Himmel enden, wo die Helden des Romans – das Ehepaar Christian und Christiane – einander wiederfinden. – Stich nach einer Vorlage von William Blake, 1808.
Das Jenseits entstand, als die Götter und die Toten aus dem Lebensraum der Menschen verdrängt wurden. Die frühe Menschheit teilte den eigenen Lebensraum mit Göttern, Geistern und Dämonen, auch mit den Toten. Dann wiesen frühe Denker den Göttern hohe, unzugängliche Berge als Wohnsitz zu, den Toten aber Höhlen und entlegene Schluchten. Solche Randzonen des menschlichen Lebensraums sind frühe Formen des Jenseits. Als Götter und Tote in immer weitere Ferne rückten, in überirdische und unterirdische Welten, bildete sich eine Jenseitsmythologie.
Mythos. Viel Aufmerksamkeit erhielt der Mythos einer jenseitigen Strafe für Verbrecher. Auch die Aussicht auf ein unbeschwertes zweites Leben, zunächst nur Königen und Helden, später aber allen zugänglich, beflügelte die Phantasie. Einmal geschaffen, wurde diese Mythologie zu einem lebendigen Thema, das, ähnlich wie die Begriffe «Gott» und «Seele», die Geschichte des menschlichen Geistes durch die Jahrtausende begleitete und zu bedeutenden kulturellen Leistungen anspornte.
Nichts rechtfertigt, das Jenseits zu verspotten, hat es doch den Menschen jahrtausendelang fasziniert, ihm Trost gespendet sowie Halt und Hoffnung geschenkt. Viele hat es auch bedrückt, erschüttert, in Angst und Schrecken vor jenseitiger Strafe versetzt und so Moral und Rechtsbewusstsein gestützt. Wer von der Existenz einer Höllenstrafe überzeugt ist, kann darauf verzichten, sich für erlittenes Unrecht zu rächen. Die Rache werden die höllischen Plagegeister übernehmen. Sigmund Freud bemerkte dazu: «An der Entwicklung der Religion glaubt man zu erkennen, dass … die Überlassung» der Rache an Gott und Jenseits «der Weg war, auf welchem sich der Mensch von der Herrschaft böser, sozialschädlicher Triebe befreite» (Zwangshandlungen und Religionsübungen, 1907). Freud bewertet die Hölle als kulturell fruchtbare Illusion.
Drei einander widerstrebende Haltungen bestimmten – und bestimmen bis heute – den Umgang mit dem Jenseits: die emotionale Phantasie, die dogmatische Mentalität und der kritische Geist.
Am Anfang steht die emotionale Phantasie; sie bildet die unerschöpfliche Quelle aller Vorstellungen, die sich Menschen über Jenseitswelten machen. Stets frei und ungebunden, lässt sie sich weder von der Dogmatik Vorschriften machen und in eine bestimmte Richtung drängen noch von ernüchternder Kritik beeindrucken und in die Schranken weisen. Älter als Dogmatik und Kritik, wurzelt sie in den tiefen, unbewussten Schichten der Seele. Sie begleitet die Menschheit seit ihren Anfängen, und der Augenblick ihres Verschwindens würde gleichzeitig das Ende des Menschseins bedeuten.
Dogma. Mit der frei schweifenden Phantasie unzufrieden, errichtet die dogmatische Mentalität aus den Bruchstücken mythologischer Überlieferung große Lehrsysteme. Verschiedene kulturell fruchtbare Vorstellungswelten werden in diesem Buch untersucht: die Vorstellungen der griechisch-römischen, der jüdischen und der christlichen Antike, islamische Vorstellungen, wie sie vor allem im Koran niedergelegt sind, sowie die sich wandelnden Jenseitsvorstellungen im Christentum. Altorientalische und altägyptische Anschauungen kommen nur zur Sprache, sofern sie für die behandelten antiken Sichtweisen von Bedeutung sind. Jenseitsvorstellungen in anderen Kulturen und Weltbildern – Hinduismus, Buddhismus, moderne Esoterik – mussten unberücksichtigt bleiben, hätten sie doch den Rahmen der knappen Darstellung gesprengt.