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Reiseberichte gibt es viele; deswegen schreibe ich auch kein Buch darüber, jedenfalls keines im üblichen Sinn! Ich beschreibe hier einen Teil meiner Abenteuer, die auf ganz bestimmte Weise eine Prägung besitzen: Jeder dieser Abenteuerberichte enthält zumindest eine außergewöhnliche Begebung, die wohl nicht jedem Urlauber zuteil wird; bei mir sind solche Dinge aber zu einem gewissen 'Standard' geworden! Schon in jungen Jahren, bei den ersten Ausflügen übers Wochenende, stellten sich 'Pleiten, Pech und Pannen' ein, die sich in meinen Beschreibungen oft lustig anhören: eine von mir so gewollte Art des Erzählens, obwohl diese Erlebnisse zur Tatzeit ganz sicher nicht lustig waren. . . Hier in diesem zweiten Teil setzen sich die Abenteuer fort, und sie werden auch wieder mit vielen Fotos untermalt; dazu gib es auch eine Menge Informationen über die besuchten Reiseziele.
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Seitenzahl: 358
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Norbert Hufler
Hindernisreisen
Ausgefallene Reiseabenteuer
Teil 2
Wer das erste Buch gelesen hat, was ich sehr ans Herz lege, der haterfahren dürfen, dass ich meine Abenteuer liebe - auch wenn hie und da seltsame Dinge vorkamen, die einen Urlaub erheblich störten. Das ist in diesem zweiten Buch nicht anders, und auch anders ist es nicht, dass ich diese Reisen ebenso genossen habe!
Ihr werdet auch diesmal die Schönheiten genießen können und erfahren, wie sich Land und Leute ‚anfühlen‘, und auch, wie meine Seele reagiert... Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, und ich schreibe auch so: Ohne viele Schnörkel lasse ich mein Bauchgefühl reden, und das hat eine Menge zu sagen!
Viel Spaß wünscht wieder einmal
Norbert Hufler
Einleitung
Inhaltsverzeichnis
Eine kleine Einstimmung auf meine ausgewählten Reiseabenteuer, Teil 2:
Elba
Elba, Tag 1
Elba, Tag 2
Elba, Tag 3
Elba, Tag 4
Elba, Tag 5
Elba, Tag 6
Elba, Tag 7
Elba, Tag 8
Elba, Tag 9
Elba, Tag 10
Elba, Tag 11
Korsika
Vorwort
Korsika, 1. Tag
Korsika, 2. Tag
Korsika, 3. Tag
Korsika, 4. Tag
Korsika, 5. Tag
Korsika, 6. Tag
Korsika, 7. Tag
Korsika, 8. Tag
Korsika, 9. Tag
Korsika, 10. Tag
Korsika, 11. Tag
Korsika, 12. Tag
Korsika, 13. Tag
Korsika, 14. Tag
Korsika, 15. Tag
Korsika, 16. Tag
Korsika, 17. Tag
Korsika, 18. Tag
Gran Canaria
Hinweis
Gran Canaria, Tag 1
Gran Canaria, Tag 2
Gran Canaria, Tag 3
Gran Canaria, Tag 4
Gran Canaria, Tag 5
Gran Canaria, Tag 6
Gran Canaria, Tag 7
Gran Canaria, Tag 8
Gran Canaria, Tag 9
Gran Canaria, Tag 10
Gran Canaria, Tag 11
Gran Canaria, Tag 12
Gran Canaria, Tag 13
Gran Canaria, Tag 14
Gran Canaria, Tag 15
Gran Canaria, Tag 16
Gran Canaria, Epilog:
Rund um den Pilsensee
Wo liegt dieser Pilsensee?
Pilsensee, Vorwort
Pilsensee, Tag 1
Pilsensee, Tag 2
Pilsensee, Tag 3
Pilsensee, Tag 4
Pilsensee, Tag 5
Pilsensee, Tag 6
Pilsensee, Tag 7
Pilsensee, Tag 8
Pilsensee, Tag 9
Pilsensee, Tag 10
Pilsensee, Tag 11
Pilsensee, Tag 12
Pilsensee, Epilog
Zum Schluss
Reise 7
… Der Sonnenaufgang ist nicht einer der schlechtesten, ich lasse mir den frischen Seewind und den Eindruck des Unwirklichen, des Ungewissen, des Angespannten, schlicht: des Abenteuers durch die langen Haare und die empfangsbereite Seele wehen. …
Reise 8
… Völlig fertig kam ich um 19 Uhr im Tropica an. Fast unfähig, vom Motorrad zu steigen, beherrschte mich nur noch ein Gedanke: raus aus den Klamotten und ab ins Warme! …
Reise 9
… rechtzeitig vor der Flut durchqueren wir wieder die Grotte zu unserem Steinstrand zurück, wo unsere Moppeds oben auf uns warteten; etwas später wäre das wohl nicht mehr möglich gewesen, da dann die Höhle unter Wasser gestanden hätte. …
Reise 10
… Aus dem Jeep, den ich natürlich nicht abgedeckt hatte, floss das Wasser aus dem Fußraum aus der Tür, als ich sie öffnete. Erstaunlicherweise hatten Radio und Boxen den Wassermassen getrotzt und funktionierten einwandfrei! Seltsam, aber erfreulich. …
Ein Abenteuer, bei dem es diesmal äußerst heftig wurde! 28. August bis 7. September 1990
Teilnehmer:
Ein Renault Kombi (das ist ein Auto) und Hufi (das bin ich, mal wieder, ohne den offenbar nichts geht…)
Die Markierung auf dem obigen Bild zeigt mein "Feriendomizil", im Hintergrund ist die Toscana des italienischen Festlandes zu erkennen
Dienstag, 28.08.1990
10 Uhr 30: Abfahrt aus Ludwigshafen.
Eigentlich wollte ich ja schon früher los, aber ich habe gemerkt, dass ich beim Packen am Vorabend mal wieder etwas neben mir stand und die Hälfte vergessen hatte. Und die andere Hälfte musste ich wieder auspacken, weil ich entschied, dass es zu viel war oder einfach nur das Falsche... Da so etwas aber zu meinen üblichen chaotischen Urlaubsvorbereitungen gehört, machte ich mir deswegen keine unnötigen Gedanken; das wäre nur weitere Zeitverschwendung gewesen.
10 Uhr 50: Die erste Freude! Vier Kilometer Stau. Nur noch rund 1.100 Kilometer bis Elba.
11 Uhr 30: Jetzt schon hinter der Autobahn-Abzweigung Basel-Stuttgart – (ich hab sogar die richtige Abzweigung gewählt! Und das bei meiner sprichwörtlichen ‘Freundschaft’ mit Autobahnen…) – neue Freude: Stau bis zum Stillstand.
Stillstand bis 12 Uhr 10, dann Schritt-Tempo eine Viertelstunde lang. Ursache: Lastwagen mit Anhänger umgestürzt, einige viele Kilo Gemüse liegen auf der Fahrbahn verteilt; einige Leute – in Hitze und Stau ungeduldig geworden – klauben Zeugs von der Fahrbahn und genießen den Verzehr am Fahrbahnrand. (Ich auch. Und nicht nur das: etwas Proviant von dieser gesunden Art wandert auf die Rückbank.) Das Autoradio gibt in seiner schlechten Qualität nur verzerrte Musik oder irgendwelche Stauwarnungen durch, die mich überhaupt nicht interessieren - also schalte ich ab.
13 Uhr 30: Pause. Eintönige Fahrt, kein einziger Stau mehr. Hab gerade beschlossen, über Luzern und den Grimselpass zu fahren. Mal sehen, wie weit wir heute noch kommen.
16 Uhr 10: Am Sarner See hinter Luzern vorbeigefahren, hoch oben vor Brüning an einem See Rast gemacht (halbe Stunde), erstes Foto geschossen und gebadet (nackt, weil ich zu faul war, zum Auto zurück zu laufen und sowieso nicht wusste, wo ich die Badehose verpackt hatte.) Ein älteres Urlauberpaar, das sich den See anschauen wollte, hat ganz verdutzt geguckt, als sie mich sonnentrocknend im Kostüme des Adam auf einem kleinen Felsen sitzen sahen!
Badespaß
18 Uhr 10: Rast am Grimsel. Graue, kahle Felsenlandschaft. Trotz des milchig-weißen Lichtes und Wetters sind die drei übereinander liegenden Stauseen recht imposant.
Bevor es wieder abwärts geht, stehe ich kurz in 2.165 Metern Höhe und bestaune einen ganz kleinen See, den es hier oben hat. Und für kleine Jungs gibt's da sogar einige kleine Büsche.
19 Uhr 40: Rüber über den Simplon. Ganz schön kühl da oben! Muss mir einen Pulli anziehen. Die Gegend, vor allem die Straßen, sind völlig leer. Ich denke fast, dass ich auf der falschen Fährte bin, traue aber dann doch meinem Instinkt und fahre weiter.
20 Uhr 00: Tatsächlich erreiche ich Punkt 20 Uhr und bei haargenau Kilometerstand 153.100 die italienische Grenze. (Für Langsamrechner: Das sind genau 528 Kilometer bis hierher und neuneinhalb Stunden.)
21 Uhr 10: So langsam hab ich die Schnauze voll vom Fahren. Ich halte ja schon seit der Grenze die Augen auf, um ein Plätzchen zur Übernachtung zu finden. Aber alles war mir bisher nicht gut genug; ich vertraue auf meinen Instinkt; jedes Mal, wenn ich ein annehmbares Fleckchen entdecke, treibt er mich ein Stück weiter: Es muss doch bestimmt noch etwas Besseres geben! Ich wollte eigentlich schon in Stresa am Lago Maggiore halten, es war mir aber zu schick dort. Zwei Kaffs weiter, ich weiß nicht mehr, wie es hieß, sehe ich eine Pizzeria an einer Ecke. Die Verlockung ist fast übergroß; aber ich gebe doch zuerst meinem Spürsinn nach, hinterher soll der Magen zu seinem Recht kommen. Also: Ich fahre einfach in Richtung See, kreuz und quer durch verwinkelte Straßen und Gassen und Gässchen und stehe plötzlich direkt in einer einsamen, tollen Parkbucht direkt am See! In der Dämmerung kann ich erkennen, dass es so was wie ein Badestrand sein muss. Na also, wer sagt’s denn… Hat mal wieder funktioniert!
22 Uhr: Da die wenigen Gäste sich Zeit lassen und keine Anstalten machen zu verschwinden, genieße ich noch ein wenig das Fernsehprogramm (Tennis: McEnroe gegen Sanchez) und übe dabei mein Sprachverständnis. Überraschung: Zwischendurch kommt ein Werbespot für die deutsche Bundesliga! Ein wenig später mache ich mich auf in Richtung des Badestrandes, den ich in der Dunkelheit und trotz des Zickzack-Kurses, den ich beim ersten Mal fahren musste, sogar sofort wieder finde.
Um 22 Uhr 45 lümmle ich auf dem Beifahrersitz im Auto und höre fetzige Rockmusik bei einer Gute-Nacht-Zigarette. Dann räume ich hinten etwas auf, (der Campingtisch muss raus), und richte mir meinen Schlafplatz im Wagen ein. Am Strand will ich nicht schlafen, ich kann in der Dunkelheit nichts mehr erkennen. Um kurz nach elf krieche ich in meinen Schlafsack, nach 600 Kilometern Fahrt und über 12 Stunden auf Beinen und Rädern.
Mittwoch, 29.08.91
Recht gut geschlafen, bis sieben Uhr. Gar nicht so unbequem hinten im Auto! Duschen am Strand (tatsächlich, denn da stand eine Brause für Badegäste! Kalt, allerdings), Frühstück (letztes belegtes Brötchen von gestern), zwei Fotos schießen und den kurzen Kiesstrand erkunden nehmen fast zwei sehr beschauliche Stunden in Anspruch.
Um 8 Uhr 45 sehe ich nach der Abfahrt das Ortsschild: Melna heißt das Nest.
Melna: Schlafplatz mit Dusche am Badestrand. Zum Lüften aufgehängt mein Schlafsack, Inneres nach Außen.
10 Uhr 40: Nach einer fürchterlich langweiligen Autobahnfahrt (fast zwei Stunden) pausiere ich an einer Raststätte kurz vor Alessandria. Kaufe einige Cola, belegte Brötchen und ein paar Flaschen Wasser. Im Auto ist es ziemlich warm, das Thermometer zeigt 35 Grad an. Trotz geöffnetem rechten Fenster. Danach ist die Autobahn wirklich wunderschön: Ungeheuer kurvenreich ('ne richtige Rennstrecke), aber auch ebenso ungeheuer anstrengend durch die vielen kleinen Tunnels, die zum Teil nicht mal Tunnels sind, sondern in die Bergwände eingeschnittene Trassen, durch Säulen gestützt. Der andauernde Wechsel zwischen hell und dunkel und hell schlaucht ganz hübsch.
Nach dem letzten Dunkel lasse ich unkontrolliert einen Schrei los: Urplötzlich liegt tief unten eine wunderhübsche Stadt, dahinter das Meer. Das Meer! Wie habe ich mich danach gesehnt…
11 Uhr 15: Ich verlasse die Autobahn bei Voltri und zahle 12.500 Lire. Ab jetzt will ich nur noch an der Küste entlang. Irgendwo tanke ich für knapp 2 Mark den Liter, (~ 1 Euro), reiner Horror!
Genua ist eine ganz schlimme Stadt, kaum ein hübsches Fleckchen, jedenfalls anfangs. Gegen Ende wird's aber immer interessanter, es gibt sogar richtige kleine Strände.
Hinter Genua wird's richtig herrlich: Prachtvillen im Kolonialherrenstil, kleine Schlösschen, umsäumt von Pinienhainen und Palmen. Erst jetzt habe ich ein echtes Urlaubsgefühl, ich spüre halt jetzt erst richtig, dass ich ‚woanders’ bin.
Eigentlich, so überlege ich, könnte ich ja hier schon übersetzen nach Elba. Aber mein innerer Zwilling kontert mit dem nicht abzuschlagenden Argument, dass ja der Weg das Ziel ist! Schließlich wollen wir ja etwas erleben... Wie immer!
Recht hat er, absolut, der Innerling... Also weiter!
Der künftige Weg zum Zielort Piombino
Kilometer um Kilometer zieht sich die herrliche Küstenstraße dahin, immer in Richtung La Spezia. Ich hebe richtiggehend ab vor lauter Urlaubsstimmung, singe laut vor mich hin, versuche, die überangenehme Wärme zu genießen (38 Grad im Auto) und die duftenden Meeresbrisen, die genau so heiß durch die Fenster wehen.
14 Uhr 15: Küste ade. Jetzt geht’s ab ins Gebirge, bis nahe an die Baumgrenze. Nach einer Weile ist mir schon ganz schwindlig vom Kurvenfahren. Aber schön ist's, sich mal wieder richtig auszutoben, statt immer nur geradeaus zu gondeln. Irgendwie muss ich daran denken, wie super das mit einem Motorrad gewesen wäre… Leider bin ich schon bald darauf auf der langweiligen Autobahn Richtung Livorno.
15 Uhr 15: Ich verlasse die Autobahn, löhne 8.100 Lire und steuere Pisa an.
Pisa!
Ich gondle 'ne Weile in Pisa rum, kann mich nicht so richtig entscheiden, ob ich soll oder nicht. Ich will ja schließlich heute Abend noch nach Elba übersetzen. Endlich gebe ich nach, ich will ihn doch heute noch sehen: den Turm, den schiefen. Und wenn nicht heute, wann dann? Vielleicht kriege ich nie mehr die Gelegenheit dazu.
Ich gönne mir allerdings nur eine halbe Stunde, und das reicht auch für die Besichtigung. Es ist zwar wirklich interessant, aber auf die Dauer wird es langweilig, immer um die paar Gebäude herumzulaufen. Man wird ja ganz wirr im Kopf bei dem dauernden Wechsel zwischen schrägem Turm und fast gerader Kathedrale...
Ein Wassereis leiste ich mir noch, eine Zigarette wird gedreht, dann hat sich's mit der Turmschau.
Hier die Ergebnisse:
Einschub: An der Schräge des Turmes soll Galiei herausgefunden haben, dass jeder Körper von der Schwerkraft gleichermaßen angezogen wird: Er ließ von der obersten Brüstung zwei Kugeln fallen; eine aus Blei, die andere aus Holz: Beide schlugen gleichzeitig am Boden auf.
Wenn du im Vakuum, wo kein Luftwiderstand einen fallenden Körper bremst, eine Daunenfeder und eine Pistolenkugel gleichzeitig fallen lässt, kommen sie gleichzeitig unten an! Oft wurde das in manchem Physikunterricht mittels einer Vakuumröhre demonstriert.
Du glaubst es nicht?
Dann besuche mal diese Seite: www.youtube.com/watch?v=E43-CfukEgs
(Musst du leider manuell in dein Smartphone einfügen!)
Einschub Ende
16 Uhr 45: ab nach Piombino!! So langsam neigt sich der Tag seinem Ende zu, und ich mich mit ihm....
Im Hafen ist einiges los, aber doch nicht so viel, dass ich erschrecken muss. Wollen die denn alle nach Elba? Ich frage einen urig aussehenden Typ mit 'nem selbst gebauten Wohnmobil mit Kennzeichen D, wohin es denn gehe und wo man hier Karten bekommt. „Nach Korsika, murrt er, und Tickets gibt's dort drüben!“ Sehr erfrischender Bursche. Trotzdem denke ich, dass Korsika bestimmt auch nicht übel wäre, und dass ich ja eigentlich nicht unbedingt nach Elba muss, aber letztendlich bleibe ich doch bei meinem ursprünglichen Vorhaben.
(*Ward gar hier die Idee geboren, die ich zwei Jahre später in Angriff nehmen würde?...*)
Also geh ich nach 'dort drüben' und kaufe ein Billet für morgen, 7 Uhr 20. Ich hab nämlich gerade entschieden, dass es mir zu stressig ist, heute noch rüber zu rutschen, dort noch was zum Futtern suchen zu müssen und obendrein noch 'nen Zeltplatz. Nee, nee! (Was du heute kannst verschieben, lass es morgen doch besorgen! Oder wie war das?)
Irgendwie unzufrieden verschiebe ich meinen Überfahrtsschein im Wert von 43.000 Lire in die Tasche, kaufe eine Packung Menthol-Zigaretten (was Rollmäßiges haben die nicht), trolle mich ins Auto, überlege und zähle meine Moneten. Jetzt habe ich noch 190.000 Mäuse, das sind rund 270 DM. Ha! Das reicht dicke; wenn ich die Rückfahrt und das Benzin in Italien und sonst wo mit einrechne und auch den Zeltplatz, dann kann ich noch zehn Tage leben wie ein (fast-)Fürst. Obwohl, wenn ich's genau bedenke, sind 270 DM fürs fürstliche Leben vielleicht doch nicht fürstlich genug...
Irgendwie schätze ich, dass ich mich gehörig verschätzt habe. Wahrscheinlich habe ich bei der Finanzplanung an den Sizilien-Urlaub gedacht: Der war ja wirklich preiswert. Aber erstens ist das schon vier Jahre her, und zweitens kann man das sowieso nicht vergleichen, weil auf Sizilien die horrenden Benzinkosten wegen Daumenhochhebens oder auch mittels spottbilligen Bus- und Bahnkarten entfallen waren. Aber siehe selbst, falls du den Bericht bis zum Ende durchhältst.
Jetzt sitze ich kurz nach 20 Uhr in einem Straßencafé und trinke 'nen Saft für 3.000 Lire. Wenn ich so weitermache, langt die Knete nie! Auf Elba wird auf Schonkost gesetzt, basta. Und trotzdem würde ich gerne noch was trinken… Das kann ja heiter werden.
Im winzigen Fischereihafen hab ich ein schönes Plätzchen gefunden, das Auto steht jetzt dort und wartet auf mich. Bis etwa 21 Uhr. Da nämlich trudle ich ein, genehmige mir einige Schlucke aus der hübsch warmen Wasserflasche bei ebenfalls unangenehmen 27° Außentemperatur.
Durch rasches Öffnen aller Fenster und Türen kann ich die Hitze auf erträgliche 26° senken, und eigentlich fühle ich mich recht wohl: Das Meer rauscht an die Kaimauern, trägt dabei die herrlich würzige Luft in mein vierrädriges Schlafgemach; direkt neben mir bergen Fischer ihren letzten Fang; die Häuser hinter mir sind diffus erleuchtet, ein Turm steht direkt im Rampenlicht; im Radio läuft ‚While my guitar gently weeps’. Möchtest du es hören? Dann suche danach.
Zwei Caravans haben sich etwas weiter weg von mir niedergelassen, sie stören mich nicht, jedenfalls nicht die Caravans. Das heißt, es stört mich, dass die Besitzer keineswegs so von der Umgebung beeindruckt sind wie ich: Völlig unromantisch fahren sie ihre SAT-Schüsseln aus, fläzen sich in ihre Klappstühle vor den Autos und palavern, was das Mundzeug hält. Wozu haben sie ihre Fernseher an? Ist es die Gegend vielleicht nicht wert, genossen zu werden? Und warum muss man so einen Krach machen? Haben die denn noch nie etwas von Genießen gehört? Banausen.
Egal. Ich widme mich dem Halbmond, der geradewegs durch die Windschutzscheibe zu fallen scheint, genieße eine von einer wunderhübschen Frauenstimme gesungene Version von ‚As tears go by’, untermalt von der rechts rauschenden Brandung. Weit draußen, direkt unter dem Halbmond, leuchtet ein Passagierschiff. Ob es von Elba kommt?
Eigentlich ist alles prima, doch irgendwie fehlt etwas... Dieser Urlaub sollte in erster Linie dazu dienen, meine verlorene Liebe hintenan zu stellen; aber sie schleicht sich gerade in meine Gefühle…
Eines der angelegten Boote nervt fürchterlich. Es ist relativ klein, hat aber einen riesenhohen Segelmast, und dieser gibt bei jeder Schaukelbewegung einen Quietschton von sich, der mir die Zehnägel hoch rollt. Enervierend!
Ahjihh! Eben zieht's herrlich durchs Beifahrerfenster, es kühlt merklich ab auf schlappe 23°. Nur: rechts labert eine italienische Familie, in Klappstühlen um einen winzigen Tisch geschart, mit rund 80 Phon, und zwischendurch machen sie ihre Spasseken auf den Hafenfelsen. Von links aus dem Hafen tönt romantische italienische Musik, nur kann ich wenig davon hören, weil die rechts von mir... Ach ja: Fenster zu! Das war eine großartige Idee. Nur fehlt halt das frische Meereslüftle jetzt... Und viel leiser wird's dadurch auch nicht…
Eben lässt sich ein kaum zehnjähriger Junge links von mir mit einer Angel nieder, die gut doppelt so lang ist wie er selber. (Was hat ein Knirps um diese Zeit noch draußen zu suchen? Immerhin ist es schon 23 Uhr!!) Und jetzt fängt er auch noch an, schrill und laut zu pfeifen! Wenn's wenigstens melodisch wäre, könnte ich mich ja noch damit anfreunden, aber diese falschen Töne rollen mir die Zehnägel wieder herunter und nochmal nach oben.
So bleibt mir nix anderes, als ein Foto von diesem nächtlichen Idyll zu schießen; ich hoffe, dass das klappt, denn schließlich fehlt es doch an einer gewissen Helligkeit, wie es halt nachts so üblich ist. Ich suche nach einer Stütze für die Kamera; aber überall, wo ich etwas finde, ist der Bildausschnitt einfach nicht richtig. Also dann: Füße auseinander, laaangsam ausatmen und bei einer Belichtungszeit von einer langen 15stel Sekunde abdrücken… Und hoffen.
Ergebnis:
Danach kurble ich sämtliche Fenster hoch, wünsche den diversen Lautstärkequellen rings um mich herum die Beulenpest an den Hals (oder zumindest Heiserkeit bis zum nächsten Abend), und haue mich dann hinten im Wagen in die Falle.
Ein Problem plagt mich allerdings noch fürchterlicher: Ich platze bald, denn die Schwüle trieb mir das warme Wasser aus den Flaschen in die Kehle, und dieses will unbedingt wieder ins Freie… Wenn die nicht bald um mich herum verschwinden, dann ist es um mich geschehen! Zum Laufen in irgendeine dunkle Ecke bin ich schon zu abgefüllt, die Bewegung würde mich ganz schön nass aussehen lassen… Ob die leeren Flaschen wohl…?
Ojeoje… Was suchen denn plötzlich die Schweißperlen auf meiner Stirn…?
Nach vielen gefühlten Tagen und Nächten der Folter wird's endlich still auf der einen Seite. Heckklappe hoch und raus – aber gaaanz langsam, sonst… Uff, endlich, nach zwei Metern habe ich das Nirwana knapp vor dem Ufer erreicht… Das werde ich mir für den nächsten Urlaub merken: Einen kleinen, leeren Wassertank aus Plastik, für alle Fälle…
Um kurz nach Mitternacht kann ich mich endlich meiner wohlverdienten Ruhe widmen.
Donnerstag, 30.08.90
Um 6 Uhr 30 ist Feierabend für die Schlafenszeit, also Aufstehenszeit für mich. Und just zu diesem Zeitpunkt spüre ich, dass ich ziemlich neben der Kappe stehe, denn ich bin total übermüdet und unausgeschlafen. Warum? Obwohl ‚schon’ ab 24 Uhr das Remmidemmi da draußen abgenommen hat, (wahrscheinlich ist das idyllische Fleckchen, das ich mir ausgeguckt habe, der Treffpunkt in dem Kaff überhaupt; und überhaupt: was feiern die denn mitten unter der Woche? Haben die keine Arbeit, weil sie morgens nicht raus müssen?), so hat sich doch dann langsam wieder anderes Leben um mich herum eingelebt:
Kaum waren die letzten Töne des spaßigen Spektakels verstummt, so tuckerten andere Töne an der Mole: Die ersten Fischer fischten, oder zumindest fuhren sie hinaus zum Fische fischen, so gegen vier Uhr morgens. Also doch noch einige Leute, die Arbeit haben. Das bedeutet im Klartext: Ärger. Ärger, und noch mal Ärger. Vor lauter Getuckere und Ärgerei bin ich natürlich kaum zum Schlafen gekommen! Was für ein idyllisches Plätzchen… Echt! Ohne das Remmidemmi, die tuckernden Diesel, dem quietschenden Segelmast, die viel zu warme Nacht - und mit einem Dixi-Klo - wär's wirklich ein perfektes Örtchen gewesen. Aber man kann ja nicht alles haben, oder? Schließlich war ich diesmal äußerst komfortabel unterwegs; nicht nur mit Zelt und Rucksack oder dem Motorrad!
Eigentlich hatte ich mir ja vorgenommen, schon um sechs Uhr mit der Fähre überzusetzen, aber da war es noch stockdunkel und ringsum total bewölkt, was meine Laune nicht gerade auf Hochtouren brachte. Aber dann drängt's mich doch, und um sieben Uhr geht's ab nach Portoferraio auf Elba..
Abfahrtshafen Piombino
Ich sitze auf Deck, bugwärts gerichtet (was vorne ist), und bin einfach unheimlich gespannt. Der Sonnenaufgang ist nicht einer der schlechtesten, ich lasse mir den frischen Seewind und den Eindruck des Unwirklichen, des Ungewissen, des Angespannten, schlicht: des Abenteuers! durch die langen Haare und die empfangsbereite Seele wehen:
Bin ich schon da oder noch dort? Bin ich schon dort oder irgendwie noch da? Wo ist denn überhaupt da und dort?
Kurz bevor ich mich zu verlieren drohe, kommen wir ‚dort’ an.
Und ‚dort’ ist: Portoferraio, im Norden Elbas!
Jetzt steigert sich mein Abenteuergefühl noch:
Hey, du kleine Insel! Ich bin da! Was werden wir wohl erleben? Es muss was zu erleben geben, sonst ist ja der ganze Urlaub für die Katz! Schließlich bin ich kein Strandbadetuchlieger, der sich kaum um die Umgebung schert – auch wenn sie aus Wein, Weib und Gesang und Sonne und Sandstrand bestehen würde!
Nö. Dort, wo ich hingehe, muss was los sein: Nicht in Discos oder am Fetenstrand, sondern in der Natur und in meinem Innersten; und zwar eher das Abenteuer der ruhigen Art: intensiv, balsamig, gewiss auch aufregend, erregend; aber still und leise rieselnd, unverletzend. Genesend. Erfrischend. Aufbauend. Neues entdeckend, neue, frische Gefühle erfahrend. Baumelzeit für die Seele…
Die Insel - besser: der Himmel - antwortet aber zu dieser Tageszeit meiner Ankunft immer noch nicht so richtig auf meine sonnenhungrigen Wünsche, er hält sich bedeckt und lässt mich erst mal anhalten und lange mit mir selbst beratschlagen, wohin ich überhaupt fahren soll.
Da dieses hoffentlich entzückende Eiland nicht besonders groß ist, habe ich schnell (innerhalb einer Dreiviertelstunde) meinen Zielort ausgewählt: Capoliveri soll es sein; warum, weiß ich auch nicht. Vielleicht, weil es im Südosten liegt? Oder weil ich in ein Touristencamp namens Morcone fahren will? Oder weil ich einfach nur noch irgendwohin will, um zu erfahren, was es hier überhaupt zu erfahren gibt, und dafür erst einmal ein Basiscamp brauche?
Also: Ab nach Südosten (für Menschen, die nichts mit solchen Angaben anfangen können: Das ist halbrechts unten, weil rechts der Osten ist, den wir ja alle kennen, und Süden dort, wo man gerne zum Bräunen hin fährt, also unten auf eurer gedachten Landkarte oder dem Globus auf eurem Wohnzimmertisch; dabei sind Spanien und Italien sicher einprägsame Hinweise: unten, im Süden!).
Jetzt weiß ich auch wieder, warum ich da runter will: dort soll es einen FKK-Strand geben. Leider komme ich aber etwas zu weit nach Südosten ab, ich finde mich urplötzlich in Porto Azzurro wieder! Das liegt aber nicht daran, dass ich viel zu schnell gefahren bin, sondern dass die Insel so fürchterlich klein ist und ich mich überhaupt nicht an die Maßstäbe auf der Karte gewöhnen kann. Ich dachte, dass mein Ziel viel weiter weg ist und - husch! - war die richtige Abfahrt schon an mir vorbei gerauscht.
Dann hab ich also den Weg nach Capoliveri gesucht und gefunden, und mich dort in der Nähe in dem Campingörtchen Morcone zeltlich niedergelassen. Das mit „in der Nähe“ meine ich wörtlich: Etwa 20 Minuten Fußweg entfernt…
Ja, so klein ist diese Insel: 27 Kilometer Länge, maximale „Dicke“ rechts 18 km! Ein Winzling, auf dem man sich schnell verirren kann.
Ankunft und Fahrt zu meinem Domizil Morcone, im roten Rechteck.
Die hellroten Linien zeigen meine ersten Erkundungen.
Zeltplatz von hoch oben
Capoliveri ist ein fürchterliches Kaff: Ich hatte oft das Gefühl, den Anwohnern direkt ins Wohnzimmer zu fahren, so eng und kurvig sind die Straßen, die diesen Namen gar nicht verdienen. Meist gibt es nicht einmal Gehwege, die Eingangstreppen der Häuser münden direkt in den Rinnstein. Bei Gegenverkehr scheint die Regel zu gelten: Erst mal die Fußgänger beachten, und dann sehen, wie man selber am besten zurande und um die nächste Haarnadelkurve kommt. Und dazu geht's auch noch dauernd bergauf und bergab. Das hier muss das Fegefeuer für einen Radler sein… Aber irgendwie faszinierend ist es!
Kaum hatte ich mein Zeit aufgebaut, da hat mich zuerst die Müdigkeit übermannt und nach zehn Minuten des Dösens dann doch die Neugier auf die Gegend. Außerdem machte ich mir Sorgen wegen meiner Knete, ich hab einfach viel zu wenig mitgenommen (nicht nur, dass ich noch von der Sizilien-Reise vor ein paar Jahren in Bezug auf Billigkeit zu voreingenommen war, ich hatte außerdem die ziemlich stolzen Zeltplatzgebühren überhaupt nicht mit ins Kalkül gezogen, genau so wenig wie die Benzinpreise…); so fasste ich den Beschluss, mir von Vati telegrafisch Geld überweisen zu lassen (darlehenderweise, versteht sich) - oder schon am nächsten Montag wieder abzureisen, damit das Geld wenigstens noch fürs Benzin zur Heimfahrt langt.
Mein gemütliches Eckchen: Im Umkreis von 13 Metern war alles leer!
Bei knapp 40° im Schatten bin ich dann losgelaufen, zuerst in Richtung Strand (das war so gegen halb elf Uhr), und obwohl da nicht besonders viel los war, bin ich dennoch weiter marschiert in Richtung Capoliveri, um eine Bank zu suchen - eine Finanz-Bank natürlich. Außerdem wollte mir der Strand sowieso nicht gefallen, da lagen alle Leute in Textilien herum, und gerade das suchte ich eben nicht!
Nun, da ich ja die Gegend auskundschaften wollte, bin ich halt so nah wie möglich am Meer entlang getrapselt. Aber irgendwann ging der Weg nach oben; und ich hinterher in der Hoffnung, dass das Meer ja irgendwo weitergehen würde. Ich hab's auch von oben ziemlich oft gesehen, auch die Stellen, wo es sich mit dem Land mehr oder weniger hart trifft, aber nirgendwo ging's richtig runter. Dauernd trugen mich meine durch Sandkörner in den Sandalen fast wund gescheuerten Füße in irgendein Privatgelände. Kein Durchgang!
Um mich herum siedend heiß, innen knochentrocken - ich hatte vergessen, Wasser mitzunehmen…
Irgendwann wurde mir die Suche nach dem richtigen - dem ‚ohne-alles-Strand’ - zu bunt und zu durstig, vor allem, weil ich zum x-ten Male einen Weg gegangen bin und dann wieder umkehren musste, weil's nicht mehr weiterging oder wieder mal ein Schild ‚Privat! Kein Durchgang!’ vor meiner neugierigen Nase stand.
So wollte ich also auf direktem Wege, mitten durch die Pampa, nach oben, nach Capoliveri, aber auch das gestaltete sich als Hindernisparcour: Überall, wo's schön war, standen Schilder: HALT! STRADA PRIVATA! Ich schwöre, es war sehr oft sehr schön… Und wo das nicht langte, standen auch noch Zäune oder massive Mauern in der Gegend herum. Tja, Reichtum macht einsam.
Also suchte ich die ‚offizielle’ Straße, fand sie, folgte ihr mitsamt der Hitze um mich herum und gelangte schließlich ans Ziel meiner Wünsche: nach Capoliveri. Und dort direkt in eine Art Supermarkt, wo ich eine Botiglia Wasser erstand (für gut zwo Mark die eineinhalb Liter). Nach einer Zigarettenpause waren noch etwa ¼ Liter drinnen in der Flasche, und das hastig Gesoffene wollte mich schon wieder verlassen...
Danach hab ich sogar die Bank gefunden, es war so gegen 14 Uhr. Toll! Nur - die Öffnungszeiten waren 9 Uhr 20 bis 13 Uhr 30... Also bin ich wieder zurück marschiert, diesmal aber auf der regulären Straße.
Capoliveri liegt auf einer terrassenförmigen Anhöhe 127 m über dem Meeresspiegel mit einem herrlichen Blick auf den Golfo di Stella nach Südwesten und den Golfo di Porto Azzurro nach Osten. Das antike Caput Liberum wurde von den Römern gegründet
Irgendwo unterwegs
Punta Nera
Wieder am Zeltplatz angelangt, war ich ziemlich erschöpft, die Füße in den leichten Sandalen waren wund gescheuert von Sand und Dreck, und überhaupt hatte ich überhaupt keine Abenteuerlust mehr.
Aber die Unruhe trieb mich gleich danach schon wieder vorwärts: Rein ins Auto und die Suche nach ‚dem’ Strand fortgesetzt. Pareti, Innamorata, Calone – Sackgassen in Orten, die zwar am Strand endeten, der aber genauso aussah wie der Strand hinter meiner zeltlichen Haustür.
Also suchte ich nach der Route in meinem schlauen Buch, in der Hoffnung, die Costa dei Gabbiani zu finden. Ein Wahnsinnsweg, das! Furztrockenstaubige, durchlöcherte, mit Fallgruben von einem halben Meter Breite und Tiefe übersäte strumpfenge Schotterstraße an den Berghängen entlang. Und keine Menschen- und Tierseele weit und breit.
Aber trotzdem (oder vielleicht gerade deswegen) fühlte ich mich irgendwie sauwohl in dieser Gegend und genoss die herrlichen Ausblicke, vor allem auf die traumhaft schönen kleinen Buchten, zu denen kein einziger Weg hinunter führte – nicht mal die geringste Chance, auf den Füßen irgendwie hinunter zu gelangen: die Hänge zu schroff und steil, die widerborstige Natur in Form von undurchdringlichem, dornigen Gestrüpp bereit, jeden Eindringling abzuwehren. Überhaupt sind die schönsten und einsamsten Strändchen nur per Boot zu erreichen, falls nicht gerade irgendwelche Klippen auch den Zugang vom Meer her versperren. Also im Sinne des Wortes: wirklich einsame paradiesische Buchten!
Trotzdem gab ich nicht auf und verfolgte, wie bei meinem ersten Kundschaftsweg zu Fuß, jede erdenkliche Möglichkeit, einen Zugang zum Meer zu finden. Aber immer wieder: schlicht unmöglich, oder wenn theoretisch möglich, dann: ‚privatissimo’!
Endlich, nachdem ich schon lange irgendeine offizielle Straße verloren und mich nur noch über Trampelpfade durch die pinienüberwachsene, trockene Wildnis gekämpft hatte, stand ich wirklich vor dem Zugang zur ersehnten Bucht: 350 Meter ü.d.M., auf einem Parkplatz vor einem hölzernen Hotelchen. Überall Schilder: Privatgelände! Abfahrt und Einfahrt nur für Eingetragene! Auskunft im Büro im Ort!
Absolute Frechheit; das zwang mich zur Umkehr. Und überhaupt: Auskunft in welchem Ort? Ich hatte doch schon Ewigkeiten keinen mehr gesehen!
Ich also zornig wie ein Wildesel ab durch die Pinien, über Stock und Stein und Feld und Wald und trockene Wiesen, stets über Wege, die diese Bezeichnung überhaupt nicht verdienten, ab und an auch völlig daneben, weil ich überhaupt keinen Ansatz von Weg mehr erkennen konnte. Und immer noch: kein Mensch oder auch nur eine Ahnung davon weit und breit. Stockeinsame Gegend, staubtrocken noch dazu.
Kreuz und quer geht's, rechts und links, geradeaus und viel zu oft auch wieder zurück, weil's nimmer weiterging! Bald wusste ich wirklich nicht mehr, wo ich überhaupt war – ich suchte nur noch einen Weg irgendwie heraus, egal, wo das sein sollte. Vor lauter Pinien, Staub, greller Sonne, ausgetrockneten Pflanzen weit und breit, himmelblauem Himmel und ab und zu einem Blick auf irgendwelches Meer konnte ich nicht mal den Rückweg finden. Also immer weiter durch diese Öde...
Wenn ich mal denke: da geht's raus! dann steht da ein Schild: Einfahrt ins Privatgelände verboten, oder schlichtweg: Ende.
Was, zum Teufel, geht hier eigentlich vor? Wie kommen denn die Besitzer der Grundstücke hierher? Und vor allem: wie wieder weg? Wenn nicht immer wieder die herrliche Aussicht, die herrliche Luft und auch das Gefühl, hier wirklich allein zu sein meine Emotionen beflügeln würden – mir würde es so langsam aber sicher stinken. Und außerdem hab ich Durst, und in meinem Auto herrschen so rund 45°. Und Hunger krieg' ich!
Trotzdem treibt mich meine Entdeckernatur immer weiter vorwärts. Hier oben ist es so trocken, dass ein Hüsteln genügt, um den Staub vom Boden aufzuwirbeln; da kann man sich vorstellen, was die Reifen für einen Wirbel machen! Irgendwann finde ich im Auto eine Plastikflasche, in der rund ein halber Liter Wasser von gestern drin ist, mit einer Vitamintablette aufgepeppt. Das Zeug ist zwar glühend heiß, aber es löst meine klebrige, angeschwollene Zunge vom Gaumen… Nur nicht zu viel trinken, alle paar Kilometer ein Schluck reicht vollkommen. Bei der nächsten Tour muss ich unbedingt an mehr Wasser und Proviant denken.
Proviant? Hab ich nicht noch einen Müsli-Riegel im Handschuhfach? Tatsächlich! Doch von dem Riegel ist nicht mehr viel zu erkennen, es ist eher so was wie ein weicher Fladen, lädt in seiner Aluhülle mehr zum Spielen ein, weil er so flapsig geworden ist in der Hitze; doch der Hunger treibt's rein.
Acht Kilometer später erkenne ich mit Grausen, dass ich mich acht Kilometer umsonst im Schritt-Tempo durch die öde Bergwelt gequält habe: Ich stehe wieder vor dem gesperrten Zugang zur Costa dei Gabbiani und den anderen, bestimmt herrlichen Verborgenheiten! Aber aufgeben? Jammern? Niemals! Jammern tu ich zwar zu Hause bei jedem Wehwehchen, aber hier in der puren Natur kenne ich keine Gnade mit mir…
Wie ich zurück nach Capoliveri gefunden habe, ist mir ein Rätsel. Jedenfalls starte ich von dort einen neuen Versuch, die andere Küste zu erreichen. (Bin ganz schön hart, gelle?): Capo Focardo, Naregno: die üblichen, kleinen Strände. Vor und nach Porto Azzuro mehrere Fehlanzeigen: Straßen enden vor privaten Grundstücken. Wer hätte das gedacht? Ich denke, dass ich mich wundern sollte, dass die hier eigentlich überhaupt noch fremde Leute auf die Insel lassen, wenn die sowieso kaum wo hin dürfen?
Ich suche die Costa Barbarossa, die zwischen Spiaggo Barbarossa und Spiaggo Reale liegen soll, denn dort muss mein gesuchter Strand zu finden sein. Aber es ist nix zu finden!
Über Capo d'Arco fahre ich den Monte Arco hinauf in luftige Höhen (278 Meter), und die Straße endet wo? Genau! An einer Schranke mit einem netten Schild davor: ‚Nur für Befugte, Auskunft in Portoferraio’. Ja spinn ich denn?
Auf dem Rückweg, so gegen 18 Uhr 30, versuche ich noch einen Weg, der hoffnungsvoll ‚Lago’ heißt. Nach 150 Metern macht mich frech ein Schild an: ‚Durchfahrt verboten, Naturschutzgebiet’. Soll ich gleich die Krise kriegen oder erst später?
Von hier oben erspähe ich einen kleinen, dunkelgrünen See, (Lago di Terra Nera, wie ich später herausfinde), vom Meeresufer durch einen 20 Meter breiten Streifen Sandstrand getrennt. Und kein Mensch dort, obwohl es wirklich idyllisch aussieht!
Ich war ja schon einmal auf meinem Fußweg in der Gegend (Punta Nera), aber nicht so hoch, dass ich diesen See entdeckt hätte. Mist, wie kommt man dort hin? Wahrscheinlich über Privatwege...
Wieder auf Meereshöhe finde ich erneut den Spiaggo Barbarossa, aber außer einer kleinen, normalen Badebucht und drei Campingplätzen ist nichts Gescheites zu finden; die Costa Barbarossa schon gar nicht.
In Porto Azzuro lade ich eine Anhalterin ein: Recht hübsch, etwa knapp über zwanzig; wohl geformte Beine lugen unter dem kurzen Röckchen hervor, als sie es sich auf dem Beifahrersitz bequem macht. Aber ich schaue natürlich nicht hin… Jedenfalls nicht auffällig. Sie ist aber etwas zu sehr zurecht gemacht, nicht ‚naturale’ genug, um mich echt zu interessieren. Es entsteht ein schwieriges Gespräch, weil sie außer italienisch kein anderes Wort versteht, und ich bringe alle Sprachen, von denen ich auch nur ein paar Brocken kann, durcheinander; und diese paar Brocken auch noch… Wir müssen einige Male herzlich lachen über diese Konversation!
Ich denke, dass ich noch ein paar Tage brauchen werde, um wieder ein paar vernünftige Sätze auf Italienisch heraus zu bringen. Und heute hab ich bisher so gut wie kein einziges Wort gesprochen! Nicht mal auf Deutsch. Die Kleine will nach Portoferraio, also entlässt sie mich kurz vor Capoliveri in mein weiteres Schicksal.
Für Heute gebe ich die Suche auf, es ist ja auch schon ziemlich spät geworden. Morgen will ich erst einmal zur Bank, und danach sehen wir weiter.
Porto Azuro auf einer Ansichtskarte
Auf dem Campingplatz dusche ich erst mal; kalt, weil warmes Wasser 1.000 Lire die Minute kostet… Danach mache ich mich ans Abendessen, es wird Bami Goreng aufgetischt. Nicht ganz landesgemäß, ich geb's ja zu. Aber die Dose ist noch von zu Hause, und der Inhalt schmeckt.
Während ich so am Futtern bin und den Tag Revue passieren lasse, fällt mir doch Einiges auf:
Erstens, dass ich den ganzen Tag kaum etwas gegessen und getrunken habe. Das ist völlig unnatürlich für mich, denn in heimatlicher Gegend komme ich ja fast um, wenn ich nicht alle zwei Stunden was in den Bauch kriege. Und Wassermangel, so fällt mir ein, soll ja ziemlich üble Folgen haben können, gerade bei der hier herrschenden Hitze.
Zweitens habe ich den Tag über ziemlich oft verbranntes Land gesehen; ob die hier Brandrodung betreiben?
Drittens sind mir häufig kleine Lastwagen aufgefallen, die entweder auf ihrem Rücken oder auf einem Anhänger irgendwelche Tanks durch die Gegend schaukelten. Weintransporte, wie auf Sizilien?
Viertens fällt mir auf, dass ich so komfortabel noch nie gecampt habe: Tolles, neues Zelt mit viel Platz drin, Campingtisch und Klappstuhl, (hatte ich jemals Tisch und Stuhl dabei?), primapraktisches Essgeschirr mit zwei Kochtöpfen, Pfanne, Trinkbecher und Teekessel, und vor allem die selbstaufblasbare Liegematte ist schlichtweg ein Gedicht! Aufgeblasen nur 3 cm dick, Liegegefühl wie auf 15 cm-Schaumstoffbett (weder Stock noch Stein sind zu spüren, echt!), temperaturbeständig von -20 bis +50 ° und dabei irre isolierend von unten, ultraleicht, reiß- und kratzfest, lebenslange Garantie, und - schweineteuer: 120 Mark (~ 60 Euro) hatte ich dafür hingeblättert! Nur schwimmen kann das Wunderding nicht… Dieses Teil habe ich heute noch, im Jahr 2025, wo ich diesen Bericht für ein ebook neu gestalte; da habe ich mal nachgeschaut: Eine vergleichbare Isomatte von Therm-a-Rest kriegst du heute schon für rund 220 Euro. Allerdings mit nur 25 Jahren Garantie statt lebenslang.
Teurer geht übrigens auch…
Fünftens bin ich unglaublich enttäuscht und auch genervt, weil meinem Entdeckerdrang alle Nase lang ein Riegel vorgeschoben wurde: Ich fühle mich in meiner Freiheit eingeschränkt, bin oft stocksauer gewesen und kann mich auch jetzt noch nicht des Gefühls entledigen, dass ich vielleicht besser an die Festlandküste fahren sollte, um dort etwas zu erleben. Hinderlich ist dabei nur, dass ich mir Sorgen wegen meiner Finanzen mache. Und überhaupt: Lässt sich ein Hufi so leicht abschütteln? Dir zeig‘ ich‘s, Winz-Elba! Du wirst dich mir zeigen müssen!
Ich mache noch schnell einen Abstecher in die Nähe der Küste, weil es scheint, als ob das Abendlicht eine Überraschung bereit halten würde. Und tatsächlich werde ich mit diesem traumhaften Blick belohnt, der sich in meine Seele brennt:
Jetzt, nach dem Essen, genieße ich meinen Früchtetee und die Umgebung, während ich am Schreiben bin:
Es ist stockdunkel; aber meine Taschenlampe, die ich so am Zelteingang aufgehängt habe, dass sie mir nicht nur genügend Licht zum Schreiben spendet, sondern auch die Umgebung in ein diffuses, heimeliges Licht taucht, bietet mir ein Bild der fast vollkommenen Idylle:
Links neben mir, am Drahtzaun des Platzes, geben drei eineinhalb Meter hohe Agaven ein schaurig-schönes Bild ab; rechts vom Zelt stehen zwei Eukalypten, deren Füße auch noch etwas Licht abkriegen und irgendwie genauso schaurig-schön wirken; vor mir der Tisch mit dem unaufgeräumten Geschirr macht in dieser Beleuchtung den Eindruck eines Bosch-Gemäldes: Fast teuflisch schielen Teekessel und die stumpfen Enden von Messer und Gabel zu mir herüber; hinter dem Tisch ist gerade noch die niedrige, steinerne Hecke zu erahnen, die ‚mein’ Grundstück zu dem einen Meter tiefer liegenden abgrenzt, das unbesetzt ist. Und direkt hinter diesem Sichtbereich herrscht fast vollkommene Dunkelheit, jedenfalls in horizontaler Richtung. Ein Bild, das geradezu nach einem Bild schreit! Zur Erinnerung nochmal dieses Bild vom Vormittag, das ihr euch jetzt wie beschrieben vorstellen müsst, denn meine Kamera streikt, die Funzel am Zelt ist ihr einfach zu wenig Licht, um diese Herrlichkeit auf Film zu bannen…
Ein Blick nach oben, und mir wird noch ganz anders zumute: Ein Meer von Sternen scheint mich zu beobachten, glitzernde Juwelen auf tiefschwarzem Samt, und sie funkeln, als ob sie mich beglückwünschen wollten; Zikaden zirpen im Konzert zum Funkeln der Sterne, von fern unterlegt mit sanfter Tanzmusik von irgendwo her; ein laues Lüftchen streichelt mein Gesicht, und es bringt mich zu einem kleinen Schauern: Gänsehaut... So viel Intensität durchströmt mich…
Fazit: Ich muss dich weiter erforschen, kleine Elba.
Freitag, 31.8. 1990
Ich bin um sieben Uhr aufgestanden, hab Tee gekocht und drei Müsli-Riegel und ein Hanuta zum Frühstück gegessen. Langsam wird es Zeit, dass ich mal was Vernünftiges zwischen die Beißerchen kriege!
Dann hab das Geschirr geduscht und mich abgewaschen - kalt natürlich, weil warm kostet ja was.
So gegen neun Uhr hab ich mich an den Strand begeben, meine grandiose Liegematte dem spärlichen Publikum vorgeführt, (im Ernst: es guckten wirklich Leute her, als ich das Ding auf den Boden warf und es sich von selbst von einer Rolle zu einer Matte verwandelte!); danach hab ich mich auf eben dieser Matte zur Ruhe begeben und gut zwei Stunden gedöst; der gestrige Tag zollte Tribut.
Der Strand vor dem Zeltplatz, auf einer Postkarte
Aber einfach nur Rumliegen und Nichtstun, das schlaucht, macht dösig und einfach keinen Spaß. Und außerdem wird meine wohlverdiente Ruhe gestört durch immer mehr Menschen, die mein Ruhebedürfnis einfach nicht verstehen: Das Klappern von aufspannenden Sonnenschirmen, Gejohle von begeisterten Kindern, denen das Aufklappen von Sonnenschirmen, Liegestühlen und Kühlboxen voller Limonade ungeheuren Spaß zu bereiten scheint, und überhaupt die ganze Hektik um mich herum geht mir ungeheuer auf den immer noch müden Geist.
Warum können die sich nicht einfach hinfläzen, die Sonne genießen und ihre Klappen halten? Herumtollen kann man doch auch daheim…
Zum Zeichen meiner Verachtung habe ich den kleinen Kiesstrand demonstrativ verlassen und mich zu Fuß nach Capoliveri begeben, geradewegs durch unwegsames Gelände den kleinen Berg hinauf: Das ist eher eine Gegend, in der ich mich wohl fühle!
In der Bank, wo ich mich jetzt schon halbwegs verständlich machen konnte – wenn auch mit Hilfe eines halbwegs englischsprachigen Angestellten – hab ich erfahren, dass ich nach Portoferraio muss, weil es hier kein Telex gibt., mit dem ich Vati mein dringendes Bedürfnis mitteilen könnte. Zugriff auf mein eigenes Konto war damals noch Utopie.
Aus lauter Frust habe ich mir in einem hübschen, kleinen Straßenrestaurant eine Lasagne gegönnt, mit einer extra Portion Artischocken. Sündhaft teuer, (gut sieben Mark) in meiner Situation. Aber ein voller Bauch ist ja auch was wert!
Zurück hangabwärts durch die kleine Wildnis zum Zeltplatz, aber natürlich auf einem anderen Pfad, denn den Weg herauf kannte ich ja schon. Nichts ist langweiliger, als denselben Weg zweimal zu gehen… Und in der Tat wurde ich einige Male überrascht: Zum einen konnte ich schillernde Eidechsen huschen sehen und einmal auch etwas, das so aussah wie ein Kaninchen. Zum anderen wurde ich mal wieder von einem Schild gestoppt: ‚Privateigentum, Weitergehen kostet das Leben’ - oder so ähnlich. Aber das war ja eigentlich keine Überraschung mehr… Die Schilderhersteller auf Elba müssen ein Vermögen verdient haben.
Vor meinem Zelt gibt’s noch eine gemütliche Tee- und Zigarettenpause, bevor ich mich ins Auto bequeme und mich auf den Weg nach Portoferraio mache. Ich denke, da Portoferraio schließlich Elbas Hauptstadt ist, haben die Banken bestimmt länger auf als in diesem Kaff, und so könnte ich auch die Gelegenheit nutzen, auf der Hinfahrt noch mal nach Stränden zu suchen.
Über Ottone bis fast nach Bagnaia: Fast nirgends ein Zugang zum Meer; entweder privat oder zu dicht bewachsen. Wieder zurück, über Le Grotte und S. Giovanni nach Portoferraio. Dort hab ich die im Buch beschrieben Buchten gesucht, aber wie immer nicht gefunden. Seltsames Buch, denke ich; oder seltsame Buchten?