Hinfallen und aufstehen - Heike Mayer - E-Book

Hinfallen und aufstehen E-Book

Heike Mayer

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Beschreibung

Wie konnte mir das nur passieren!? Nur allzu oft fühlen wir uns schuldig, beschämt oder als Opfer, wenn wir an etwas scheitern oder falsche Entscheidungen getroffen haben. Dabei verkennen wir, dass gerade Fehler wertvolle Trittsteine für unsere innere Entwicklung sein können. Die Autorin gibt vielfältige Anregungen, wie wir Fehlerfreundlichkeit, Akzeptanz und Selbstmitgefühl entwickeln können, um letztlich gestärkt aus schmerzlichen Erlebnissen hervorzugehen.

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HEIKE MAYER

Hinfallenundaufstehen

An Fehlern wachsen

Heike Mayer ist Achtsamkeitstrainerin, Seminarleiterin für Stressbewältigung durch Achtsamkeit (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn, Heilpraktikerin für Psychotherapie und Therapeutin für die Arbeit mit inneren Persönlichkeitsanteilen (IFS-Therapie). Im Scorpio-Verlag sind ihre folgenden Bücher erschienen: Achtsam leben; Das seh ich entspannt; Achtsamkeit: Gelassen leben in einer hektischen Welt und NOW: Achtsamkeit, Yoga und Vertrauen ins Leben (gemeinsam mit Karin Furtmeier).

www.achtsamkeitstraining-muenchen.de

Die Fallbeispiele in diesem Buch entstammen realen Begebenheiten. Um die Privatsphäre der Betroffenen zu wahren, wurden persönliche Details verändert.

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

1. eBook-Ausgabe 2019

© 2019 Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München

Umschlaggestaltung:

Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Lektorat: Désirée Schoen

Layout und Satz: Veronika Preisler, München

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-263-7

Alle Rechte vorbehalten

www.scorpio-verlag.de

Inhalt

Einleitung: »Wie konnte das nur passieren!?«

1 Hinfallen dürfen

Fehler sind menschlich

Perfektionismus

Fehlertoleranz entwickeln

Sich Hilfe suchen

2 Anerkennen und trauern

Sich zuwenden statt sich abwenden

Von Schuld zu Reue

Wiedergutmachung: Wege zum Neuanfang

Lernen, was es zu lernen gibt

3 Sich verzeihen und loslassen

Milde mit sich selbst

Selbstmitgefühl entwickeln

Eine Fülle von Umständen

Humor hilft!

4 Aufstehen und weitergehen

Gibt es so etwas wie Fehler überhaupt?

Die Schönheit der Schrammen

Eine spirituelle Dimension

Zum Weiterlesen

Quellenhinweise

Einleitung: »Wie konnte das nur passieren!?«

Fehler geschehen in jedem Leben. Wir tun etwas, von dem wir zutiefst wünschen, wir hätten es nicht getan. Wir schätzen etwas nicht richtig ein und treffen eine Entscheidung, die sich anschließend als falsch oder ungünstig herausstellt und aus der sich negative Konsequenzen für uns oder andere ergeben. Wir scheitern bei einer Aufgabe oder setzen ein Projekt in den Sand. Dass so etwas passiert, ist menschlich und damit normal. Und doch schmerzt es, und es kann schwer sein, eine gute Form des Umgangs damit zu finden.

Unsere Leistungsgesellschaft liebt die Illusion von Kontrolle und Machbarkeit. In der Kultur des Höher, schneller, weiter ist Misserfolg nicht vorgesehen. Wenn wir bei etwas scheitern oder einen Fehler begehen, zumal wenn er schlimme Konsequenzen hat, ist die Fassungslosigkeit groß. Das hätte nicht passieren dürfen! Entsprechend massiv sind Scham und Schuldgefühle (oder aber das Gefühl, Opfer von Ungerechtigkeit geworden zu sein). Manchmal entsteht die Überzeugung, man werde nie wieder auf die Beine kommen oder sich das Geschehene nie verzeihen können.

Andere wiederum reißen sich zusammen und versuchen, das Erlebte möglichst schnell abzuschütteln. Sie tun, was viele wohlmeinende Mitmenschen (oder Ratgeber-Autoren) empfehlen: »Vergiss die Vergangenheit. Du musst jetzt einfach nach vorn schauen.« Doch weder depressives Versinken in der Überzeugung »Ich bin schuld und ein Versager« noch das Verdrängen des Schmerzes sind sinnvoll.

Stattdessen gibt es die Möglichkeit, Schicksalsschläge, begangene Fehler oder falsche Entscheidungen als Trittsteine für innere Entwicklung zu nutzen. Wir können Schritt für Schritt Enttäuschung, Kummer oder Schmerz verarbeiten und zurück in unsere Würde und Kraft finden. Doch dafür braucht es die Fähigkeit, das Erlebte ganz zu akzeptieren, zu betrauern und sich (oder anderen) zu verzeihen – und, wo angebracht, Schaden wiedergutzumachen. Wer Selbstverantwortung übernimmt, kann aus der Opferrolle und Schuldfalle aussteigen und durch diese Erfahrung neues Vertrauen ins Leben entwickeln und eine Kraft in sich spüren, von der er oder sie vorher nichts ahnte.

Letztlich geht es darum zu erkennen, dass unser Wert als Mensch nicht davon abhängt, was wir leisten, und dass wir nicht perfekt sein müssen. Wir dürfen hinfallen. Dieses Buch zeigt anhand von realen Beispielen – passenderweise nennt man diese ja Fall-Beispiele –, wie es möglich ist, sogar gestärkt aus solchen Erlebnissen hervorzugehen.

Ihren eigenen Weg finden

Der Grund, warum Sie sich für dieses Thema interessieren, ist notwendigerweise ganz persönlich und individuell, und ebenso unterschiedlich wird die Tragweite oder die emotionale Wucht dessen sein, was Sie erleben oder erlebt haben. Vielleicht haben Sie sehr hohe Ansprüche an Ihre Leistung, und jeder kleine Fehler quält Sie fürchterlich. Oder Sie (oder eine Ihnen nahestehende Person) sind mit einem beruflichen Projekt gescheitert. Vielleicht ist dabei ein Traum geplatzt, oder es fühlt sich so an, als ob Ihre gesamte Existenz unwiederbringlich in Scherben liegt. Möglicherweise haben Sie eine Fehlentscheidung getroffen, die schmerzliche Konsequenzen nur für Ihr eigenes Leben hat. Es könnte aber auch sein, dass Ihr Handeln Auswirkungen auf viele andere Menschen hatte.

Ich kenne Ihre Situation nicht, die Sie hat zu diesem Buch greifen lassen, und auch wenn wir uns das wünschen, so gibt es kein Patentrezept oder die eine Pauschallösung, wie man mit einer Krise umgeht, damit man sie möglichst schnell abschütteln kann. Menschen und ihre Schicksale sind ebenso unterschiedlich wie das, was ihnen in ihren individuellen Lebenssituationen weiterhilft, und Veränderung und Heilung brauchen Zeit. Daher kann es beim Lesen geschehen, dass bestimmte Anregungen für Ihre Situation wenig zutreffend sind oder Sie sich fragen, wie Ihnen das denn bitte schön in Ihrer Lage nützen soll. Lassen Sie sich von den Aspekten inspirieren, die in Ihnen Resonanz erzeugen, und vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl und Ihre innere Weisheit.

Mein Wunsch für die kommenden Seiten ist es, Perspektiven und Möglichkeiten aufzuzeigen, an die Sie bislang vielleicht noch nicht gedacht haben, oder Sie an etwas zu erinnern, was Sie möglicherweise aus dem Blick verloren haben. Mit Geschichten aus verschiedenen Weisheitstraditionen, Anleitungen zur Selbsterforschung und praktischen Übungen möchte ich Sie beim Umgang mit Selbstkritik und bei der Entwicklung von Fehlerfreundlichkeit, Akzeptanz und Selbstmitgefühl unterstützen. Impulse für Verstehen und Verzeihen können helfen, nach schwierigen Erfahrungen wieder aufzustehen, den Staub aus den Kleidern zu klopfen und zuversichtlich und gestärkt weiterzugehen.

Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Gute.

1

Hinfallen dürfen

Vor einigen Jahren war ich mit meinen neuen Rollerskates unterwegs. Ich fahre ehrlich gesagt nicht besonders gut, und als der glatte Gehweg sich in eine kopfsteingepflasterte Ausfahrt verwandelte, reichten meine Technik und Koordination nicht aus, um einen Sturz zu verhindern. Schmerzhaft knallte ich mit dem Steißbein aufs Pflaster. Autsch!

Doch ließ ich mir nicht anmerken, wie weh das Hinfallen getan hatte. Als wäre gar nichts passiert, gab ich meinem Gesicht einen möglichst nonchalanten Ausdruck, rappelte mich rasch auf, stakste wieder auf den Gehweg und lief einfach weiter – obwohl nicht nur mein geprellter Steiß schmerzte, sondern auch die blutig geschrammten Handflächen, mit denen ich versucht hatte, den Sturz abzufangen. Der Radfahrer, der an mir vorbeifuhr, sollte bloß nicht merken, wie peinlich mir das Ganze war.

Vielleicht ist Ihnen eine solche Reaktionsweise vertraut?

Hinfallen. Das sollte mir nicht passieren! Ich habe gewandt und souverän zu sein und nicht hinzufallen, und wenn ich schon hinfalle, dann gilt es, die Schmerzen zu verbergen und weiterzumachen, als sei nichts gewesen. Bloß keine Schwäche zeigen. Bloß keinen Fehler machen. Bloß kein Aufsehen erregen. Bloß keine Unterstützung brauchen. Bloß nicht hilflos sein!

Oft sind es die Botschaften unseres familiären Umfelds, aus der Schule oder den Medien, die uns darin bestärken, die Zähne zusammenzubeißen und weiterzumachen, als sei nichts geschehen.

»Ein Leben, in dem du viele Fehler machst, ist nicht nur ehrenwerter, sondern auch lebenswerter als ein Leben, in dem du gar nichts machst.«

George Bernard Shaw

Die Diktatur des Gelingens

Als Menschen lieben wir Geschichten des Erfolgs. Wir identifizieren uns gern mit Siegern, sei es auf dem Fußballplatz, der Konzertbühne oder dem Unternehmensparkett. Wir werden dafür gelobt, wenn wir etwas erreichen, gute Noten mit nach Hause bringen, die Besten sind. Natürlich möchten auch wir gewinnen, erfolgreich sein und souverän. Das fühlt sich so gut an!

In der Zeit sozialer Netzwerke vergleichen wir uns mehr denn je mit anderen, und entsprechend werden die inneren Ansprüche an uns selbst immer höher und die Kunst der Selbstdarstellung immer perfekter. Die Selfies, die gepostet werden, zeigen Menschen, die glücklich und so gut aussehend wie möglich in Szene gesetzt sind, vor der tollsten Kulisse, am schönsten Strand, beim aufregendsten Event. Auch wenn uns rational vielleicht bewusst ist, dass es sich dabei nicht um den ganz normalen Alltag der Betreffenden handelt, entsteht doch unterschwellig leicht der Eindruck, dass unser Leben im Vergleich dazu ziemlich schlecht abschneidet. Denn heute sind es nicht nur die Topmodels, die scheinbar schon morgens strahlend schön aus dem Bett aufstehen. Schließlich sorgen die Möglichkeiten der Bildbearbeitung in jedem x-beliebigen Handy dafür, dass der Teint auf den weiterverschickten Bildern ein bisschen strahlender und der Himmel ein bisschen blauer wird. Da geht doch noch mehr!

Selbstoptimierung ist gefragt. Wir sollten schlanker, attraktiver und erfolgreicher sein, tollere Sachen erleben, gesünder essen, uns öfter bewegen, und etwas mehr Achtsamkeit täte uns auch gut. Dann, so flüstern die Blogger und Zeitschriftenkolumnistinnen gemeinsam mit den Stimmen in unserem Kopf, wären wir auch erfolgreich. Und glücklich. Wir müssen es eben nur wollen. Wir müssen uns eben etwas mehr anstrengen.

Doch auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen: Wir können nicht alles »machen«. Glück und Zufriedenheit entstehen nicht aufgrund von Erfolg oder gelungenen Inszenierungen, und auch mit noch so viel Willensstärke und Disziplin können wir das Leben nicht kontrollieren, damit alles perfekt läuft.

Wir scheitern.

Wir fallen.

Fehler passieren.

Menschen treffen falsche Entscheidungen.

Dinge gehen schief.

Unbequem, aber wahr.

Fehler sind menschlich

Fehler sind menschlich, und sie gehören zum Leben dazu. Das zu konstatieren ist keine Einladung zu ethischem Fehlverhalten, zu Nachlässigkeit oder einer Haltung, die die Grenzen, die Sicherheit oder das Wohlergehen anderer Menschen missachtet. Es besagt einfach, dass wir uns, auch wenn wir uns noch so anstrengen oder noch so gute Absichten haben, täuschen können. Dass wir falsche Schlüsse ziehen, etwas übersehen oder Umstände eintreten, mit denen wir nicht gerechnet haben. Es bedeutet, dass unter Umständen ein kleiner Lapsus schreckliche Folgen haben kann. Dass wir manchmal unsere Kräfte und Fähigkeiten falsch einschätzen oder unsere Prioritäten anders setzen, als es im Nachhinein betrachtet sinnvoll gewesen wäre. Wir scheitern an einer Aufgabe, erreichen unser Ziel nicht. Das geschieht. Auch wenn wir uns wünschen, es wäre anders – so ist es.

Interessanterweise fällt es gerade den Deutschen schwer, sich das einzugestehen. Der Psychologe Michael Frese verglich die Toleranz für Fehler in 61 Ländern, dabei landete Deutschland auf dem vorletzten Platz, nur noch gefolgt von Singapur.1 All das führt dazu, dass wir uns besonders hierzulande sehr für Fehler schämen, dass wir versuchen, sie vor anderen zu verheimlichen, und uns in Selbstvorwürfen ergehen – und dazu, dass wir Dinge, an denen wir scheitern könnten, oft erst gar nicht versuchen.

Wie die Angst vor dem Scheitern Träume verhindert

Ein Buch schreiben, ein Konzert geben, die eigene Leidenschaft zum Beruf machen – es wäre so schön. Doch was, wenn es nicht hinhaut? Was, wenn ich scheitere, wenn ich mich vor anderen lächerlich mache, wenn ich versage?

Wir leben wie nie zuvor in einer Leistungsgesellschaft. Überall werden uns die Erfolge der anderen präsentiert, wir werden an unserer Performance gemessen und erleben nicht selten, dass Menschen nach Misserfolgen an den Pranger gestellt werden. Die Internetkommentare sind voll von hämischen Kommentaren angesichts von Fehltritten und Peinlichkeiten. Die Gehässigkeit, mit der manche Menschen über einen Fußballspieler nach einem vergeigten Spiel schreiben, den sie gestern noch großartig fanden, lässt mitunter schaudern. »In kaum einem anderen Land der Welt«, befinden die Journalistinnen Stefanie Kara und Claudia Wüstenhagen, »werden Misserfolge so sehr geächtet wie hier.«2