Hoffnung auf Leben jenseits des Todes - Wolf Dietrich Berner - E-Book

Hoffnung auf Leben jenseits des Todes E-Book

Wolf Dietrich Berner

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Beschreibung

Vorträge und Predigten zum Thema Tod und Jenseitserwartungen im Christentum und den Weltreligionen Dr. theol. Wolf Dietrich Berner (1946-2021) wurde im Fach Religionswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen promoviert. Er wirkte als Gemeindepastor in Dransfeld (1974-1987), als Beauftragter für den Lektoren- und Prädikantendienst der Landeskirche Hannovers (1987-1995) und als Superintendent des Kirchenkreises Bleckede (1995-2009).

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Unserer Familie in Dankbarkeit gewidmet

Inhalt

Vorwort

Leben jenseits der Todesgrenze – Antworten verschiedener Religionen

Jenseitsvorstellungen und Hoffnung nach biblischer Überlieferung

Nahtoderfahrungen – ein Thema auch für Theologie und Kirche?

Gott der Lebenden: Auferstehung der Toten und unsterbliche Seele? Markus 12,18-27

Predigt am Karfreitag Durch die Krise des Glaubens gehen (Matthäus 27,31-56)

„Der mit-leidende Gott“

Predigt am Ewigkeitssonntag Lied: „Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand“ (EG 533)

Bild: Gottes Hand

Predigt am Ewigkeitssonntag Psalm 126

Bild: Saat und Ernte

Predigt am Ewigkeitssonntag Johannes 14,1-6

Bild: Verschiedene Wohnungen in Gottes Haus

Osterpredigt Auferstehen zu verwandeltem Leben (1. Korinther 15,(12-18)19-28)

Biblische Botschaft und Nahtoderfahrungen

Osterpredigt Erst spät erkennen, nicht allein zu sein (Lukas 24,13-35)

Der Auferstandene in verwandelter Gestalt

Vorwort

Die Vorträge und Predigten sind in den Jahren von 1995 bis 2020 entstanden, aber inzwischen überarbeitet und ergänzt. Zu verschiedenen Zeiten verfasst, überschneiden sich die einzelnen Beiträge darum inhaltlich an manchen Stellen.

Das Thema „Hoffnung auf Leben jenseits des Todes“ hat mich schon lange Zeit beschäftigt. Verstärkt sah ich mich damit konfrontiert, nachdem meine schwere, unheilbare Krebserkrankung im Oktober 2020 diagnostiziert worden war. In den letzten Monaten habe ich dann an den Texten verstärkt gearbeitet und das Buch fertiggestellt.

Diese Aufgabe konnte mir sehr helfen, die Folgen der Krankheit zu tragen und mich zugleich auf die letzte Wegstrecke meines irdischen Lebens einzustellen.

Besonders danke ich meiner Frau Annelore und unseren beiden Kindern, die sich liebevoll um mich kümmern. Mein Dank gilt auch Verwandten, Freunden und Bekannten, die mich in dieser Lebenslage begleiten.

Ich will mich tragen lassen von der Hoffnung, die in meinem Konfirmationsspruch zum Ausdruck kommt: „Jesus Christus spricht: ‚Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben.‘1“

Dabei ist mir in den letzten Monaten das „Wort vom Kreuz“2 mit dem Bild vom gekreuzigten Jesus Christus sehr nahegekommen. Es ist die Karfreitags-Botschaft vom mit-leidenden Gott. In der Predigt „Durch die Krise des Glaubens gehen“ (S. 93ff.) soll das verdeutlicht werden. Diese Botschaft kann dazu führen, die „Warum-Frage“ – „warum muss ich an dieser schweren Krankheit leiden?“ – schließlich zu überwinden. Nach meiner persönlichen Erfahrung lässt das „Wort vom Kreuz“ ein Gottesbild deutlich werden, das auch sehr bitteren Lebenserfahrungen standhält.

Dransfeld, im September 2021 Wolf Dietrich Berner

1 Johannes 5,24

2 1. Korinther 1,18

„Leben jenseits der Todesgrenze“ – Antworten verschiedener Religionen

I Einleitung

„Antworten verschiedener Religionen“ lautet mein Thema. Und ich will gleich zum Ausdruck bringen: Die jüdisch-christliche Tradition klammere ich jetzt zunächst aus. Denn daran wollen wir in den nächsten Tagen ausführlicher arbeiten.3

Ich beginne mit einem Zitat aus einem Musical, das uns das Leben osteuropäischer Juden besonders nahebringen kann: Anatevka.

Der Milchmann Tevje wird oft vor Entscheidungen gestellt. Und da beginnt er seine Überlegungen immer wieder mit dem Wort „einerseits“. „Einerseits gilt …“ Und dann folgt: „Andererseits muss ich aber auch berücksichtigen …“ Dies sind für mich klassische Formulierungen geworden. Und anders kann ich heute unser Thema nicht entfalten. Denn es gibt nicht die Antworten der Religionen, d.h. kein geschlossenes System von Erklärungen, sondern: Zu einer lebendigen Überlieferung gehört, dass manchmal verschiedene Antworten innerhalb einer Religion nebeneinanderstehen.

Verschiedene Traditionen berühren sich. Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten – Reiche und Arme – stellen wohl ähnliche, aber nicht unbedingt ganz deckungsgleiche Fragen. Trotzdem lassen sich Schwerpunkte erkennen und darstellen. Doch dabei gilt „Einerseits ist es so!“

Jede Religion, auf die ich gleich zu sprechen komme, ist in sich ein vielgestaltiges Gebilde. Für jeden Bereich wäre eigens ein Experte wichtig. Doch uns geht es jetzt nicht darum, einzelne Religionen jeweils ausführlicher darzustellen, sondern: Schwerpunkte herauszufinden, uns Antworten zu vergegenwärtigen, die uns für unser Thema weiterhelfen.

Dabei müssen wir uns zunächst Folgendes bewusstmachen: Die religionswissenschaftliche Forschung kann wohl aufzeigen, dass sich einzelne Religionen ähneln, ja dass sie sich möglicherweise gegenseitig beeinflusst haben. Aber: Was es heute nicht mehr gibt, das ist ein historisches Ableitungsmodell. Also zu sagen, welches die älteste Religion überhaupt ist; ob am Anfang der Glaube an Geister oder Seelen steht oder der Glaube an einen Gott. Dies zu entscheiden, ist nicht möglich. Die Forscher früherer Generationen haben das versucht und sind damit gescheitert.

Das bedeutet für unsere Fragestellung: Es kann nicht gelingen, die Vorstellung von der unsterblichen Seele historisch eindeutig abzuleiten, also z.B. zu sagen: Das kommt ursprünglich aus Indien und hat sich dann in Europa ausgebreitet. Sondern es wird nur möglich sein, einzelnen Aussagen genauer nachzugehen und Zusammenhänge zu entdecken.

Als gemeinsame Voraussetzung lässt sich dabei angeben: Mit der Religion ist der Glaube an ein Fortleben nach dem Tod verbunden. Das gilt überall.4 Dies spiegelt sich beispielsweise in den Bestattungsformen der Steinzeitmenschen. Dass ein Verstorbener in irgendeiner Weise weiterexistiert, scheint Menschen zunächst selbstverständlich zu sein. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ein Verstorbener den Hinterbliebenen im Traum erscheinen kann. Möglicherweise spielen Nahtoderfahrungen bzw. Transzendenz- oder Transformationserfahrungen dabei ebenfalls eine Rolle. Diese Vermutung legt sich mir heute nahe, wenn ich mir bewusst mache: Berichte über solche Erfahrungen bzw. entsprechende Hinweise gibt es seit Jahrtausenden in den verschiedenen Kulturkreisen.

Als weitere gemeinsame Voraussetzung gilt: Vorstellungen vom Weiterleben nach dem Tod lassen sich nur in Bildern bzw. in Metaphern zum Ausdruck bringen. Ein rationaler Beweis für ein Weiterleben ist bis heute nicht möglich – auch nicht durch Erfahrungen reanimierter Menschen. Dies gilt es sich gerade in unserer Zeit bewusst zu machen.

Allerdings möchte ich im Blick auf deutlich dokumentierte Nahtoderfahrungen bzw. Transzendenzerfahrungen heute ergänzen: Diese Schilderungen sind zwar nicht als Beweise zu werten, sie können aber durchaus als Hinweise verstanden werden. Sie machen damit so viel deutlich: Die Wirklichkeit, die wir täglich wahrnehmen, ist noch nicht alles. Da gibt es andere Dimensionen, die uns für gewöhnlich nicht zugänglich sind, aber in bestimmten Situationen erfahrbar werden. Dazu kommt, dass die Quantentheorie das Weltbild der klassischen Physik überwindet und uns im Blick auf das Verhältnis von Geist und Materie neue Einsichten ermöglicht. Das bedeutet: Ein materialistisch-naturalistisches Menschenbild, das alle Hinweise auf ein Leben nach dem Tod für unsinnig erklärt, lässt sich nicht mehr aufrechterhalten.5

Keine Beweise für ein Weiterleben nach dem Tod, keine rational eindeutig definierten Aussagen kann es geben, wohl aber bildhaft ausgedrückte Vorstellungen. Und die sind untrennbar verbunden mit Weisungen für dieses irdische Leben. Die Perspektive für ein Leben jenseits der Todesgrenze prägt auch das Verhalten des Menschen auf dieser Erde. Dieser Zusammenhang soll im Folgenden deutlich werden.

II Antworten einzelner Religionen A: Griechische Religion und Gnosis

Dieser Religion möchte ich mich zunächst ausführlicher zuwenden. Denn hier kann uns vieles deutlich werden. Nicht umsonst sprechen wir davon, dass griechisches Denken uns als Europäer bis heute prägt. Und die Welt der griechischen Mythen und Sagen ist nicht nur für Dichter und Künstler immer wieder faszinierend.

1. Seele (Psyche) und Unterwelt (Hades) beim Dichter Homer

Wer sich mit den beiden großen Dichtungen Homers aus dem 8. Jahrhundert vor Christus beschäftigt, dem wird anschaulich: Das Bild des kraftvollen, tapferen Menschen steht im Vordergrund. Der Dichter besingt in der Ilias und der Odyssee den Weg – das Schicksal – der Helden Griechenlands und Trojas. Und dabei wird zugleich deutlich: Der Tod ist das entsetzliche Ende dieses Lebens. Solange der Mensch Körper ist – von der Seele (Psyche) und seiner Lebenskraft (Thymos) bewegt –, solange er Körper ist und kraftvoll handeln kann: So lange ist er zu loben. So lange ist er als Mensch er selbst.

Doch nach dem Tode erwartet ihn nur noch ein kümmerliches, ja trostloses Dasein in der Unterwelt, im Hades. Die Verstorbenen fristen dort ein Schattendasein im wahrsten Sinne des Wortes.

Im Tod verlässt zunächst der Thymos – die Lebenskraft – den Körper, danach auch die Psyche – die Seele. Als schattenhaftes Abbild des Verstorbenen bewegt sich die Seele in ständiger Unruhe im Hades weiter. Dort existiert dieses Eidolon – dieses Abbild – des Toten, indem es seine Tätigkeit immer wieder verrichtet: aber in sinnlosem Leerlauf, eben kraftlos, ohne etwas bewirken zu können.

Eine furchtbare Vorstellung, so empfinde ich es jedenfalls. Doch zugleich stellt sich mir die Frage: Spiegelt sich darin nicht zugleich eine entsprechende Lebenserfahrung? Kraftlos zu sein, vom Leben abgeschnitten, nur noch ein Schatten seiner selbst – das können doch auch Menschen diesseits der Todesgrenze erfahren: etwa durch eine schwere, unheilbare Krankheit.

Doch zurück zu Homer: Als der tapfere und listenreiche Odysseus auf seiner berühmten Irrfahrt auch die Unterwelt, den Hades, besucht, da begegnet er unter anderem der Seele des gefallenen Achilleus. Wer vorher den Helden Achill erleben hat – wie ein Löwe hat er gekämpft –, der empfindet den Gegensatz besonders krass. Dennoch will Odysseus seinen Respekt vor Achilleus nochmals zum Ausdruck bringen, und darum sagt er:

„Vormals im Leben ehrten wir dich wie einen der Götter, wir Achaier, und nun, da du hier bist, herrschest du mächtig unter den Geistern, drum lass dich den Tod nicht reuen, Achilleus!

Also sprach ich; und drauf antwortete jener und sagte: ‚Preise mir jetzt nicht tröstend den Tod, ruhmvoller Odysseus. Lieber möcht‘ ich fürwahr dem unbegüterten Meier, der nur kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld baun, als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen.“6

Und schon vorher hatte die Psyche Achills den Odysseus mit den Worten begrüßt:

„Welche Kühnheit, herab in die Tiefe zu steigen, wo Tote nichtig und sinnlos wohnen, die Schatten gestorbener Menschen.“7

Und dieses Bild verdichtet sich immer mehr, wenn wir die Begegnung des Odysseus mit den Seelen anderer Verstorbener miterleben: nichtig und sinnlos, ein trostloses Schattendasein!

2. Die Antwort der Mysterienreligionen

Auf diesem Hintergrund wird verständlich, dass die Griechen nach anderen Antworten gesucht haben. Und sie fanden diese zum Beispiel in den Mysterienreligionen. Besonders berühmt geworden sind die Mysterien von Eleusis – nahe bei Athen gelegen.

Hier gab es genau geregelte Handlungen – Rituale –, durch die man sich einweihen lassen konnte. „Es ist nötig, gereinigt zu werden. Es ist entscheidend, umgewandelt zu werden: dem Bereich des Todes schon in diesem Leben zu begegnen. Dann haben wir ein besseres Los im Hades zu erwarten.“ So konnten sich die Menschen damals sagen lassen und sich dann dem geheimnisvollen Ritual unterziehen. Die Arkandisziplin – die strenge Schweigepflicht – ist kennzeichnend für diese und andere spätere Mysterienreligionen. So bildet sich eine Gemeinschaft, die sich damit von anderen – von den Nicht-Eingeweihten – abgrenzt.

Der Dichter Sophokles bringt die Bedeutung und Wirkung der Mysterien von Eleusis folgendermaßen zum Ausdruck:

„Dreimal selig sind jene Sterblichen, die nach der Schau dieser Weihen in den Hades hinabsteigen. Ihnen allein nämlich ist dort Leben beschieden; allen anderen aber widerfährt dort Übles.“8

Dies macht andeutungsweise verständlich, warum die Mysterien von Eleusis tausend Jahre lang ihre große Anziehungskraft bewahren konnten. Im Hades immerhin weiterzuleben, nicht nur ein trostloses Schattendasein zu führen, sondern in der Gemeinschaft der Eingeweihten die Mysterien weiterfeiern zu können: Das ist ein Ziel, das sich anzustreben lohnt.

Allerdings: Hier ist nicht von einer Rückkehr der Psyche die Rede; keine Seelenwanderung als Rückkehr in dieses irdische Leben. Sondern: Der einzelne Mensch setzt das Leben in der Unterwelt, im Hades, fort – unter annehmbaren Bedingungen.

3. Die Orphiker und der Philosoph Platon

Doch seit dem 6. vorchristlichen Jahrhundert breitet sich noch eine andere Bewegung in Griechenland aus. Und diese Gemeinschaft der Orphiker9 sollte für eine nachhaltige Akzentverschiebung in der religiösen Vorstellungswelt sorgen.

Orpheus, der bezaubernde Sänger, ist bis heute berühmt. Seine Geschichte – der Mythos der Orphiker – geht zu Herzen, rührt an und endet zugleich besonders brutal: Seine verstorbene Frau Euridike erreicht der Sänger im Hades. Durch sein Leierspiel und seinen Gesang bezaubert er die Wächter der Unterwelt. So gelingt es ihm, seine geliebte Frau mit auf den Rückweg zu nehmen. Doch dann scheitert er, weil er das Verbot übertritt und sich nach Euridike umsieht. So muss die geliebte Frau im Reich der Toten bleiben. Orpheus selbst wird schließlich von „rasenden Frauen“ – den „Mänaden“ – zerrissen.

In diesem – im Einzelnen noch viel komplizierteren Mythos – spiegeln sich die Gegensätze besonders krass: Leben und Tod, die Kraft der Musik und die grausame Macht der „Raserei“, der Ekstase.

Entscheidend ist nun: Die Orphiker haben sich den Menschen als geteiltes Wesen vorgestellt, d.h.: Der Mensch besteht aus Seele und Leib. Dabei ist die Psyche – die Seele – nicht mehr das schattenhafte Abbild des Leibes. Sie ist auch kein gleichwertiges Gegenüber, sondern ist der eindeutig wertvollere Teil des Menschen. Nicht die Seele muss nach dem Tod ein Schattendasein führen. Sondern umgekehrt gilt: Der Mensch ist in seinem irdischen Leben wie ein Schatten. Der Körper ist das Gefängnis der Seele: „Soma“ ist „Sema“, „Leib“ ist „Kerker“. Und es kommt darauf an, dass die Seele aus diesem Gefängnis befreit wird.

Das gelingt für kurze Zeit: wenn der Mensch schläft, nämlich im Traum. Dies dürfte heute für Psychologen im Blick auf die Traumdeutung eine interessante Vorstellung sein.

Aber die Befreiung der Seele kann endgültig erst dann gelingen, wenn der Körper stirbt. So ist die Vorstellung von der unsterblichen Seele ausgebildet – und wird die Geistesgeschichte nicht nur in Griechenland entscheidend mitprägen. Damit hängen zusammen:

Die Überzeugung, dass Lohn oder Strafe den Menschen zunächst nach dem Tod im Hades erwarten. Wer sich den Reinigungsriten unterzogen und moralisch rein gelebt hat, nimmt in der Unterwelt an einem Festmahl teil. Andere dagegen müssen Wasser in einem Sieb tragen oder gar im Schlammpfuhl liegen.

Die Vorstellung der Seelenwanderung: Die Seele kehrt nach einer gewissen Zeit – nach neun Jahren – mit einem anderen Körper verbunden in dieses irdische Leben zurück.

Dazu gehört das Verbot, Tiere zu schlachten – vermutlich wegen der Seelenwanderungsvorstellung.

Schließlich gilt: Wer diesen Kreislauf dreimal durchgemacht, sich gereinigt und reingehalten hat, der kommt zur Insel der Seligen. Dort – im Elysion – erlebt er ein glückliches Dasein. Elemente der alten minoischen Religion leben hier weiter.

Diesen Glauben der Orphiker hat Platon aufgenommen, entsprechend mit seiner Philosophie verbunden und damit erst zu einer prägenden Kraft werden lassen. Dabei ist die Akzentverschiebung im Vergleich zur „alten“ griechischen Auffassung nun sehr deutlich: War der Mensch für Homer in seiner körperlichen Gestalt er selbst, so gilt jetzt das Gegenteil: Nur als Psyche, als Seele, kann ein Mensch er selbst sein. Und das heißt für Platon: Gründliches Nachdenken, Philosophieren, hilft ihm, sich zu läutern. Denn die Seele als unsterblicher Teil des Menschen – genauer gesagt: ein Teil dieses Wesenskerns – hat Verbindung mit der Weltseele, mit dem großen Reich der Ideen und Erkenntnis.

Der Körper mit seinen Gefühlen und Trieben ist dagegen ein Hindernis. Er trübt, ja vernebelt diese Erkenntnis. Doch der Philosoph kann den Nebel letztlich durchdringen und seine Seele befreien.

Nach dem Tod gibt es ein Gericht, und das bedeutet zunächst: Lohn oder Strafe für die einzelne Seele in der Unterwelt – bzw. für die Guten, die Frommen, in den reinen Wohnungen an den höchsten Teilen der Erde.