Hohenklingen - Silvia Götschi - E-Book

Hohenklingen E-Book

Silvia Götschi

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Beschreibung

Ein fesselnder Kriminalroman, der die dunklen Schatten des Zweiten Weltkriegs mit der Gegenwart verwebt. Federicas Mutter Priska kehrt von der Algarve in die Schweiz zurück, um auf Burg Hohenklingen ihre Kunstwerke zu präsentieren. Ihr Freund und Mäzen Donovan Mac Dowell hat die Ausstellung für sie organisiert, doch keiner ahnt, dass ihn ein düsteres Erbe mit Stein am Rhein verbindet. Kurz nach der Vernissage wird er tot aufgefunden. Fede glaubt nicht an einen Unfall und beginnt zusammen mit Max von Wirth und Milagros zu ermitteln, wodurch nicht nur ein brisantes Geheimnis aus der Vergangenheit ans Licht kommt.

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Seitenzahl: 492

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.

© 2025 Emons Verlag GmbH

Cäcilienstraße 48, 50667 Köln

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagmotiv: picture alliance/imageBROKER|Markus Keller

Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer

Umsetzung: Tobias Doetsch

E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck

ISBN 978-3-98707-259-8

Originalausgabe

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Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.

Auge um Auge und die ganze Welt wird blind sein.

Mahatma Gandhi

Die Wölfe überfallen das Lamm im Dunkel der Nacht,doch die Blutspuren haften auf den Steinen im Tal,und das Verbrechen wird für alle sichtbar,wenn die Sonne aufgeht.

Khalil Gibran

Das Meer zog ihn magisch an, die nuancierten Farbtöne des Ozeans, dessen Wellen an den Felsen brachen und weiße Gischtzähne fletschen ließen. Er glaubte, die Brandung zu hören, ein stetiges Rauschen, mal lauter, mal leiser, ununterbrochen.

Oder war es das Tosen in seinen Ohren, die Stimme im Kopf?

Er wankte auf die Wand zu, wehrte sich dagegen, das Gleichgewicht zu verlieren. Er kannte dieses Gefühl. Es war, als ginge er über die Planken eines Schiffes im Sturm. Früher hätte er es sich nicht erlauben dürfen, sich schon am Morgen zu betrinken. Überhaupt Alkohol zu konsumieren.

Seit der Trennung von seiner Frau hatte sich sein Leben verändert. Doch er vermochte nicht zu sagen, ob zum Guten oder zum Schlechten.

Einmal im Leben zu den Anfängen zurückzukehren, etwas wiedergewinnen, was er längst verloren hatte: Das war sein Bestreben. Die Leichtigkeit der Jugend neu erfahren, auch in seinen reiferen Jahren. So sehr hatte er darauf gehofft und deshalb alles geopfert.

Alles, was letztlich seine Biografie ausmachte.

Er hätte es sich gewünscht, von ihr berührt zu werden, von ihren Händen, denen er sowohl Zärtlichkeit als auch Zupacken attestierte. Er hätte sie gern geküsst, ihren Duft eingeatmet, der in ihm in ihrer Präsenz eine nie gekannte Sehnsucht auslöste. Das Begehren, mit ihr endlich eins zu sein.

Er erreichte die Wand, froh darum, sich an etwas festhalten zu können. Das Rauschen war weniger geworden, dafür die Farbe intensiver. Was aus der Ferne wie eine Fotografie auf ihn gewirkt hatte, präsentierte ihm in der Nähe die feinen Pinselstriche. Er hatte einen zu scharfen Blick, als dass es ihm hätte entgehen können.

Von unten drang Gelächter, als er die Schilder neben den Bildern betrachtete. Viel zu tief seien die Preise, hatte jemand gesagt. Wer war es nur? Er suchte in seiner Hosentasche nach den Klebern und griff nach dem Filzstift, den er in der andern mittrug, zögerte, ließ sie wieder los. Nein, er durfte nicht übertreiben.

Ein Luftzug streifte ihn wie der Flügelschlag eines Schmetterlings. Es war Sommer, doch er selbst steckte im Lebensherbst und unternahm gerade alles, um dieser Zeit ein Schnippchen zu schlagen. Eine neue Aufgabe, die ihn unentbehrlich machte, ein Auftrag, dem er allein Rechnung trug.

Irgendwo fiel eine Tür ins Schloss. Er wandte sich nicht um, schenkte dem Bild weiter seine Aufmerksamkeit. Es passte so gar nicht an diesen Ort, die ganze Serie in diesem Raum prägte sich ihm falsch ein. Die historischen Mauern und die eigenwillige künstlerische Umsetzung eines Meeres, das sich weit weg von hier in einem anderen Leben befand.

Er hätte die Leinwand geküsst, um einen Hauch ihrer Arbeit einzuatmen, den Geruch ihrer Farben, wenn sie selbst ihm verwehrt blieb.

Er ging rückwärts, um das Gemälde noch einmal mit all seiner Aussagekraft auf sich einwirken zu lassen. Es gewann an Tiefe, an Dimensionalität, und er wusste, das Beste lag noch vor ihm. Vielleicht, ja vielleicht würde sie ihn einmal lieben können.

Er drehte sich um, betrat hinter einer Glastür den Balkon, sah hinüber zu einem Wald, dessen Äste und Blätter im Wind tanzten. Er warf einen Blick hinunter, der Burgmauer entlang, er lehnte sich über die Brüstung und fühlte sich frei. Denn er war so voller Zuversicht auf das Kommende.

Wieder fiel eine Tür zu, und aus dem Flügelschlag des Schmetterlings entstand ein Orkan.

Er traf ihn mit großer Wucht. Seine Beine verloren den Boden, als wäre er von jemandem aufgehoben worden. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, einen Schatten zu sehen. Es ging schnell.

Er fiel. Kopfüber. Der Wald kam näher, der Weg unter der Burg. Das Letzte, was ihm durch den Kopf ging, waren nicht die vergangenen Bilder im Zeitraffer, kein Rückwärtserinnern bis zu seiner Geburt, es war vielmehr, das Geschehen aufhalten zu können.

Irgendwann drehte sich sein Körper, als hätte sich die Schwerkraft verschoben.

Er sah die Gestalt über ihm, die ihn über das Geländer gestoßen haben musste.

Aus dem Tagebuch von Klaus Anton Schmid

Purpurfarben weht der Vorhang vor dem Fenster. Über den Dächern dröhnen die Sirenen. Es ist Fliegeralarm, einmal mehr. In der Stube flackern Kerzen. Mutter hat eine Polenta zubereitet, mit Zucker, Zimt und Rosinen, und sie im Holzofen überbacken. Manchmal kocht sie eine Suppe mit den wenigen Zutaten, die der Keller hergibt. Das Brot ist hart.

»Kein Brot ist hart«, belehrt uns die Großmutter, »aber kein Brot ist hart.« Manchmal überkommt sie Traurigkeit, wenn sie an ihren Mann denkt, an meinen Großvater, der an der Spanischen Grippe erkrankt und gestorben ist.

Bevor wir mit der Mahlzeit beginnen, beten wir.

Wir essen schweigend. Denken an Vater, der im Aktivdienst ist. Er bleibt oft wochenlang fern von unserem Zuhause. Manchmal kommt ein Brief, vor Monaten abgestempelt. Zucker, Mehl, Fett, Butter, Fleisch, Brot, Teigwaren und Reis sind rationiert, seit Monaten schon. Auch Kleider und Schuhe können nur mit Hilfe der Rationierungsmarken gekauft werden. Die Marken bleiben oft unbenutzt, weil das Geld für Extravaganzen fehlt. Mutter und Großmutter pflanzen Kartoffeln, Kräuter und Gemüse im Garten hinter dem Haus.

Die Angst ist immer gegenwärtig, besonders bei uns im Grenzgebiet. Mutter weint viel. Ich möchte sie trösten und begreife selbst nicht, was um uns herum geschieht. Ich gehe zur Schule, besuche die vierte Klasse. Als der Krieg begann, war ich gerade mal fünf Jahre alt, und meine Schwester kam zur Welt. Nun ist Mutter wieder schwanger.

»Hört ihr das auch?« Mutter sitzt wie festgeklebt auf ihrem Taburett. Sie hält den Atem an. »Sie sind wieder über uns.«

»Ja«, sagt Großmutter. »Die Alliierten werden den Krieg hoffentlich beenden.«

»Wir sollten in den Keller gehen«, sagt Mutter.

Mit ihrem runden Bauch ist sie nicht mehr so agil wie früher. Eigentlich müsste ich ihr viel mehr Arbeit abnehmen. Ich bin jetzt der Mann im Haus. Aber ich gehe lieber Fußball spielen. An die Sirenen habe ich mich mit der Zeit gewöhnt. Noch nie ist hier etwas geschehen.

Anders in Schaffhausen. Da gingen am 1. April 1944, vor zehn Monaten, Bomben nieder und haben vierzig Menschen das Leben gekostet. An einem fast wolkenlosen Tag. Später wurde von einer der größten Neutralitätsverletzungen gesprochen.

Der Krieg gehört mittlerweile zum Alltag. Die Bombeneinschläge in unserem Nachbarland sind bis zu uns zu hören. Manchmal bebt die Erde ob der Detonationen. Und wenn die Schwadronen von Fliegern über uns auftauchen, öffne ich das Fenster und schaue fasziniert hinauf zum Himmel. Die Alliierten sind da und manchmal auch das Gefühl, es könnte endlich zu Ende gehen, will ich Großmutters Worten glauben.

Aus dem Radio ertönen regelmäßig blecherne Stimmen. Dann müssen wir ruhig sein und dem Sprecher lauschen. Manchmal kehrt Vater vom Aktivdienst zurück, und dann höre ich Mutter noch mehr weinen. Sie tötet dann wieder eines der Kaninchen im Stall. Vater brauche Fleisch, sagt sie.

Ich selbst esse keinen Stallhasen. Ich kann nicht verzehren, was mir in den letzten Tagen und Wochen ans Herz gewachsen ist, auch wenn Mutter sagt, es gehe nicht anders. Ich habe erlebt, wie die Kaninchen zur Welt kamen, als kleine, nackte Wesen. Ich habe sie lieb gewonnen und ihnen Namen gegeben.

Ich hasse diesen Krieg.

EINS

Nur wenn Federica Hardegger sich anstrengte, vernahm sie durch die schallisolierten Fensterfronten die Starts und Landungen der Jets. Im Terminal war es absolut ruhig, sah man von dem Geschwafel der Leute ab. Aber dieses blendete sie aus. Vielmehr war sie damit beschäftigt, wie sie auf das Wiedersehen mit ihrer Mam reagieren sollte. Fede hatte sie jahrelang nicht mehr gesehen, geschweige denn etwas von ihr gehört oder gelesen. Vor einem Jahr ungefähr waren elf Bilder von ihr eingetroffen, den Grund kannte sie nicht. Priska Hardegger war schon früher dafür bekannt gewesen, ein Geheimnis rund um ihre Person zu machen. Sie zog es vor, zu schweigen, wenn Reden verlangt war. Fede hatte ein ambivalentes, wenn nicht ein gestörtes Verhältnis zu ihrer Mam. Es rührte daher, dass sie die Familie zum ersten Mal verlassen hatte, als Fede gerade mal zwölf Jahre alt war. An ihrem siebzehnten Geburtstag war sie dann ganz nach Portugal verschwunden. Erst viel später hatte Fede begriffen, weshalb sie diesen Schritt getan hatte. Aber es hatte bei dem Teenager, der sie gewesen war, schon zu viel Schaden angerichtet. Anstatt sich an die Schulter einer verständnisvollen Mam anlehnen zu können, hatte sie sich mit der Gegenwart des Vaters auseinandersetzen müssen. Doch auch von ihm hätte sie mehr erwartet, als er ihr hatte geben können, vor allem Liebe. Trotzdem hatte sie sich an ihn geklammert. Sie hatte den Halt gebraucht, jemanden, zu dem sie aufschauen konnte, der ihr Vorbild gewesen war. Aber auch Dad hatte ihr den Rücken zugedreht und war nach Stuttgart gezogen, um sich selbst zu verwirklichen.

Fede stammte von narzisstischen Eltern ab. Sie selbst sah sich nicht so, wobei sie auch ihre Macken hatte. Sie hatte aus eigenem Antrieb viel aus ihrem Leben gemacht, behauptete aber, noch immer auf der Suche nach einem Sinn zu sein. Heute war sie dreiundvierzig und hatte sich gegen Kinder entschieden. Ein kluger Entscheid, wenn sie an ihre eigene Kindheit dachte. Sie wäre sicher eine grauenvolle Mutter gewesen. Auch gegen das Heiraten war sie, was Max ihr übel nahm. Er hatte sie jedoch noch nie bedrängt. Dazu war er viel zu anständig.

Fede sah auf die Uhr. Halb acht an diesem Freitagmorgen. In fünf Minuten würde die Maschine aus Frankfurt landen. Mam hatte keinen Direktflug von Faro gewählt. Sie hatte einen Umweg gemacht. Ob sie in Deutschland etwas zu erledigen hatte, wusste Fede nicht. Sie würde auch nicht danach fragen. Kurz und schmerzlos wollte sie das Wiedersehen über sich ergehen lassen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie nicht hier gestanden. Aber Mam hatte es sich gewünscht. War nur zu hoffen, dass sie nicht beabsichtigte, sich auf ihrem Hof im Drachenried niederzulassen und breitzumachen. Mittlerweile hatte Fede den Tierbestand vergrößert. Aus drei Kühen waren fünf geworden, die Hühner und Hähne hielt sie konstant auf zwei Dutzend. Es gab viele Katzen. Diese hatte Fede nicht mehr gezählt, die vermehrten sich wie die Karnickel. Fedes Mitbewohner Chrigi hatte sich endgültig entschieden, bei ihr zu bleiben, was ihr Leben und die Arbeit vereinfachte. Chrigi war im wahrsten Sinn des Wortes ein Glücksfall.

Fede begab sich in die Ankunftshalle, wo die ersten Reisenden eintrafen. Auf der Digitalanzeige war soeben die Meldung über die Ankunft des Airbus A320 der Lufthansa erschienen: landed. Fede atmete auf. Sie hatte sich auf eine lange Wartezeit eingerichtet, sich vorgenommen, irgendwo nach Kaffee zu suchen.

Es würde, wenn alles gut lief, bald vorüber sein – die erste Begegnung nach Langem. Wie sie wohl aussehen mochte? Mam hatte es nicht für nötig befunden, ihr ein Foto zu schicken. Eine kurze Message war es gewesen, die vor zwei Tagen im Outlook eingetroffen war. »Federica, deine Mutter kommt zurück. Bitte hole mich auf dem Flughafen ab.« Die Ankunftszeit war angegeben sowie die Fluggesellschaft.

Großer Gott! Fede hätte es auch ignorieren können. Sie hätte nicht hier stehen müssen und mit klopfendem Herzen auf eine Person warten, die ihr so fremd war wie der Südpol.

Priska Hardegger, geborene Studer, hatte Fede als Zwanzigjährige bekommen. Sie war einst die Sekretärin ihres Vaters gewesen, hatte ihn sich geangelt und sich von ihm schwängern lassen, weil sie verliebt gewesen war. Das war Mams Variante. Dad nannte es Samenklau. Sie waren zusammengeblieben. Und doch jeder für sich. Eine Art Wohngemeinschaft, in der jeder seinen Platz hatte und das Nötigste für die Allgemeinheit tat. Auch Fede, die schon früh auf eigenen Beinen gestanden hatte, weil die Situation es verlangte. Ein blitzgescheites Kind war sie gewesen, von einem ihrer Lehrer gefördert, der in ihr Potenzial sah. Auch Dad hatte es bemerkt und alles getan, Fede eine für sie zugeschnittene Ausbildung zu ermöglichen.

Die Reisenden kamen mit vollbepackten Kofferwagen durch den Ausgang. Fede sah sich jeden Einzelnen genau an. Von Mam keine Spur. Hatte sie sich in den Jahren dermaßen verändert, dass Fede sie nicht wiedererkannte? Hatte sie am Ende den Flug verpasst und war nicht in besagter Maschine gesessen? Fede stöhnte innerlich auf. Sie hätte sich doch einen Kaffee besorgen sollen, einen Becher, an dem sie sich hätte festhalten können. Diese Warterei machte sie nervös, zumal sie in der Zeit Geistreicheres hätte erledigen können, als Däumchen zu drehen.

Allmählich lichtete sich der Strom der angekommenen Passagiere. Fede wollte sich schon umdrehen und zu ihrem Austin Mini zurückkehren, als ihr ein überladener Gepäckwagen auffiel, der im Zickzack vom Ausgang her gefahren kam. Dahinter tauchte ein grauer Lockenkopf auf, ein gebräuntes Gesicht mit einer Sonnenbrille, welche die Form eines Schmetterlings hatte. Mam! Ohne jeden Zweifel. Sie trug ein Fransenshirt von der Sorte, die vor dreißig Jahren einmal modern gewesen waren, knielange Jeans mit ausgestelltem Saum und Plateauschuhe. Fede hatte sie in Sekundenschnelle gescannt. Es war nicht die schräge Bekleidung, die sie beunruhigte, sondern die Ladung auf dem Wagen. Der Form zu urteilen nach, handelte es sich um Leinwände, die Mam in mehreren Kartons verstaut haben musste. Deshalb ihr verzögertes Erscheinen. Wahrscheinlich hatte sie die Bilder deklarieren müssen. Fedes erster Gedanke galt der Frage, wie sie die ganze Bagage in ihr Auto brachte. In weiser Voraussicht hatte sie den Gepäckträger auf dem Autodach montiert. Ob dieser reichte, blieb dahingestellt.

»Federica?« Mam hatte sie offenbar entdeckt. Kein Wunder, sie war fast die Einzige, die sich noch in der Ankunftshalle aufhielt. »Federica? Oh, du lieber Himmel, du bist es.« Mam ließ den Wagen stehen und steuerte zielstrebig auf sie zu. »Meine Tochter. Fast hätte ich dich nicht wiedererkannt. Du bist alt geworden.«

Fede, ansonsten schlagfertig und nicht verlegen um passende Revanchen, blieben die Worte im Hals stecken. Sie schluckte leer. Gegenüber ihrer Mam hatte sie Respekt, obwohl es ihr schwerfiel, diesen zu wahren.

»Dreiundvierzig, nicht wahr?« Mam fragte, als wüsste sie es nicht.

Aber mit dieser oder einer ähnlichen Bemerkung hatte Fede rechnen müssen. Von ihrer Bissigkeit und undiplomatischen Art hatte sie nichts verloren. Es schien, als hätten diese im Alter noch zugenommen.

»Ich bin reif für etwas Neues.« Mam strahlte, war ganz auf sich selbst konzentriert. »Ich trete gerade in den nächsten Abschnitt meines Lebens ein.« Auf ihrem Gesicht bildeten sich Schweißperlen.

Dass sie ausgerechnet wieder in ihr Geburtsland zurückkehren wollte, passte nicht zu ihr. Sie hatte die Schweiz schon früher als einengend und die Menschen als kleinkariert empfunden und es jeden wissen lassen, mit dem sie den Weg kreuzte. Fede hatte sie längst durchschaut. Nicht die Schweizer waren das Problem, sondern Mam hatte ein großes mit sich selbst. Ob es sich in den letzten sechsundzwanzig Jahren zum Besseren gewendet hatte, stand in den Sternen. Obwohl, dachte Fede, Mam hatte ihre Träume leben können.

»Nun schau mich nicht so an.« Mam machte Anstalten, Fede zu umarmen. Im letzten Moment sah sie davon ab und reichte ihr bloß die Hand zum Gruß, als würden sich zwei Fremde zum ersten Mal sehen. »Ich bin jetzt dreiundsechzig, wir könnten Schwestern sein.«

»Von der Haarfarbe mal abgesehen«, gab Fede zurück und ließ ihr die Freude.

»Na ja, ich denke, du färbst sie.« Als müsste sie sich vergewissern, auf Fedes Scheitel einen grauen Haaransatz zu sehen, stellte sie sich auf die Zehenspitzen. »Warst du beim Coiffeur?«

Unverschämte Frage. Sprach man so mit jemandem, den man ein halbes Leben lang nicht mehr gesehen hatte?

»Seit Monaten nicht mehr.« Fede hatte das Bedürfnis, gegenzusteuern. Es konnte nicht sein, dass Mam sie dermaßen erniedrigte. Was fiel ihr ein? Sie hatten jahrelang keinen Kontakt gepflegt. Jetzt kam sie daher und tat so, als wären sie sich erst gestern begegnet. »Kann ich dich irgendwohin fahren?« Fede wies auf die eingepackten Leinwände. »Der Transport dürfte zwar etwas schwierig werden. Ich habe nicht mit so viel Gepäck gerechnet.«

»Ja also, wenn du mich so direkt fragst, ich habe mir überlegt, erst einmal zu dir zu kommen, bis ich etwas Passendes gefunden habe. Ich nehme an, du hast noch ein Plätzchen für mich. Im Internet habe ich gesehen, du bietest Zimmer mit Frühstück an.«

»Ich ähm … ja, natürlich. Nur sind diese Zimmer im Moment von den Sommergästen belegt. Ferien auf dem Bauernhof sind en vogue.«

Mam fuhr sich mit den Händen in ihre grauen Locken und nahm endlich ihre Sonnenbrille ab. Ihre von Natur aus dunklen Augen hatten einen silbernen Schimmer angenommen. Fede hätte gern gefragt, ob sie Linsen trage, ließ es dann aber sein. Gleiches sollte man nie mit Gleichem vergelten.

»Es wäre vorerst nur für eine Nacht«, korrigierte Mam. »Morgen bist du mich wieder los. Und was meine Gemälde betrifft, eines davon wird noch heute Abend auf dem Drachenried abgeholt. Mein Lieblingsbild. ›Gut gegen Böse – Der immerwährende Kampf‹. Morgen findet die Vernissage meiner Ausstellung auf der Burg Hohenklingen statt. Es ist unverzeihlich, ich hätte früher anreisen sollen. Aber es ging nicht. Ich hatte vor meinem Flug noch allerhand zu erledigen, den Verkauf meines Hauses an der Algarve, die Auflösung meines Ateliers, der Kunstschule und, und, und …« Sie sprach beinahe ohne Punkt und Komma.

»Du hast eine Ausstellung?« Fede fragte es so dahin.

»Ach, das ist eine lange Geschichte, über die wir uns gern ein andermal unterhalten können. Wo hast du dein Auto?« Mam kehrte zum Gepäckwagen zurück. »Das alles muss rein.«

Fede graute vor dem Anblick. »Wir können es versuchen. Ich habe noch immer Vaters Mini.«

»Diese rote Krücke?« Mam bekam ansatzweise einen Lachanfall, gluckste vor sich hin. »Die müsste in der Zwischenzeit gegen fünfzig Jahre alt sein. Dein Vater hatte den Mini schon, da warst du noch nicht geboren. Ha, dass der noch läuft.«

»Erstaunlicherweise ja. Ich trage Sorge zu ihm, lasse ihn jährlich in der Garage auf Mängel prüfen. Manchmal braucht er ein Ersatzteil. Bislang hatte ich Glück.«

»Hast du wieder einmal etwas von Vater gehört?« Mam schob den Gepäckwagen vor sich her.

»Nein, aber ich habe mich auch nicht bei ihm gemeldet.«

»Sei froh, Männer bringen bloß Ärger.« Mam sah sie kritisch an. »Du bist doch nicht etwa verheiratet, oder?«

»Ich habe zwei Männer«, sagte Fede trocken und dachte an Max und Chrigi.

»Einen für das Bett, den andern für den Haushalt?« Mam lachte.

»So in etwa.« Es hatte keinen Zweck, Mam zu widersprechen.

»Ehrlich jetzt? Du betreibst Polyamorie?«

Fede fand es überflüssig, darauf etwas zu erwidern. »Erzähl von deiner Ausstellung.«

»Ha, Ablenkung … du willst es nicht zugeben. In Portugal ist das gang und gäbe, dass die Frau sich mehrere Typen hält.« Sie kicherte. »Na ja, diejenigen, die ich näher kenne. Hast du meine Bilder schon aufgehängt?« Themenwechsel.

»Ich bin noch nicht dazu gekommen.« Fede verschwieg, dass die elf Gemälde bis gestern im Stall gestanden hatten. Als sie sie ins Haus geholt hatte, musste sie sie zuerst von Spinnweben befreien. Mams Vorvermächtnis in Ehren, aber dieser Malstil war ihr zu kitschig, obwohl sie bei der Erstansicht fast ein wenig melancholisch darauf reagiert hatte.

»Du, sag mal, hast du es nicht zu heiß in deinen Jogginghosen? Mir fällt erst jetzt auf, dass du wie im Winter angezogen bist. Draußen herrschen tropische Temperaturen, und du steckst in einer langen Hose und Langarmjacke.« Mam musterte sie skeptisch. »Oder verbirgst du etwas darunter? Wenn ich mir deinen Hals ansehe, könnte es durchwegs sein, dass du tätowiert bist.«

»Erraten.« Fede zog die Augenbrauen hoch. Mam war mühsam. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin tätowiert, und das nicht bescheiden.«

»Ha, Kunst am Körper ist auch eine Kunst. Du hast halt meine Gene.«

Gott bewahre! »Nein, das glaube ich nicht.« Fede hatte keine Ahnung, wie sie mit ihrer Mam umgehen sollte. Sie war ihr so fremd und doch vertraut und spiegelte überdies etwas von ihrem Charakter – chaotisch, wild und seltsam. Nur, und das durfte sie ohne Überheblichkeit meinen, der Intellekt von Mam hinkte ihrem hintennach. Schon Vater hatte sich über Mams Naivität aufgeregt. Dumm war sie nicht gewesen, aber oft sehr blauäugig. »Du hattest eine Schule?«

»Ja, ich habe junge Menschen in Zeichnen und Malen unterrichtet. Mit dem Verkauf meiner Werke und der Kunstakademie konnte ich mich gut über Wasser halten. Aber jetzt habe ich endgültig genug davon.«

Kunstakademie. Das wurde immer besser. Nun gut, vielleicht täuschte sich Fede, was die Fähigkeiten ihrer Mam betraf. Allerdings, wenn Fede sie betrachtete: Die Hippie-Bekleidung, den übertriebenen Hang zum Alternativen, ihre immer noch kindliche Art, die sie selbst im fortgeschrittenen Alter nicht abgelegt hatte, empfand sie als sonderbar. Mam war zumindest sich selbst treu geblieben. Ob ihr Aufenthalt auf dem Drachenried reichen würde, sie näher kennenzulernen? Fede hatte nicht vor, allzu viel Zeit mit ihr zu vergeuden. In den entscheidenden Augenblicken ihres Lebens war Mam nicht präsent gewesen.

»Hast du einen neuen Mann?«, nahm Fede den Faden wieder auf.

»Es ist kompliziert.« Mam senkte die Lider. Fede bemerkte die vielen Falten, die um ihre Augen, Kinn und Nase tanzten. »Sagen wir so, er begleitet mich im Moment durch meinen Lebensabschnitt. Rein platonisch allerdings.«

»Kenne ich ihn?« Eigentlich interessierte es sie nicht. Sie versuchte bloß, den Small Talk aufrecht zu halten.

»Oh nein, warum solltest du ihn kennen? Verstehe ich jetzt nicht. Er ist Amerikaner.«

***

Bis vor einer Woche hatte es während eines Monats fast ununterbrochen geregnet. Rund um den Bauernhof im Drachenried wuchsen die Pflanzen und Bäume so üppig wie schon lange nicht mehr. Alles grünte und blühte, was selbst Max auffiel, der in der Regel für die Natur kaum ein Auge übrighatte. Fede hatte um Mithilfe beim Ausmisten des Stalles gebeten, um sie zu entlasten. Sie könne Christian nicht noch mehr Arbeit aufbürden, als er eh schon erledigte. So hatte es sich Max gegen seinen Willen und fast zwangsläufig zur Gewohnheit gemacht, einmal in der Woche nach dem Rechten zu sehen, damit Christian seinen freien Tag einziehen konnte. Heute war so ein Tag. Max hatte nur nicht damit gerechnet, Fede könnte abwesend sein. Am Morgen hatte er die Kühe melken müssen, notabene von Hand. Fede hatte es ihm beigebracht. Aber was diese Arbeit betraf, hatte Max zwei linke Hände. Sein Fehler. Er hätte mit Fede von Anfang an richtig kommunizieren sollen. Sie erwartete von ihm mehr, als was er in die Beziehung einzubringen imstande war. Vor allem, was ihren Bauernhof betraf.

Und nun das: Fede befand sich auf dem Flughafen Zürich-Kloten, wo sie ihre Mutter abholen musste. Wenn alles gut ging, würden die beiden Frauen in der nächsten halben Stunde hier eintreffen. Fede hatte ihm per WhatsApp mitgeteilt, Priska Hardegger beabsichtige, sich während der ersten Nacht in der Schweiz auf dem Drachenried einzunisten. Max plagten zwiespältige Gefühle. Alles, was Fede über ihre Mutter zu erzählen gewusst hatte, gipfelte darin, sie verspüre keine allzu große Freude über ihre Rückkehr. Zu viel habe sie während ihrer Jugend mit ebendieser Mutter erlebt, zu wenig Schönes, um sie jetzt mit offenen Armen in ihrem Zuhause in Empfang zu nehmen. Max wollte es neutral angehen. Im schlimmsten Fall würde er Milagros ins Drachenried bestellen, da die Frauen schätzungsweise im gleichen Alter waren.

Max brachte die Milch zum Kühltank, der sich im Haus befand. Christian würde sie später zu Joghurt und dergleichen verarbeiten. Max ging zurück und holte die Eier der Hennen aus den Legenestern. Dann nahm er die Schaufel und entfernte den Kuhdung. Er brachte diesen mit Hilfe einer Schubkarre auf den Misthaufen hinter dem Stall und verzettelte in der Folge frisches Heu. Fede war da immer sehr penibel. Perforierte Böden kamen nicht in Frage, und den Dreck mit einem Schlauch wegzuspritzen, davon hielt sie gar nichts. Max ließ ihr die Freude, sich einzumischen brachte nichts.

Am späten Vormittag kurvte Fede mit ihrem voll beladenen Mini auf die Zufahrt vor dem Haus. Der Wagen schwankte bedenklich, bevor sie anhielt und den Motor abstellte. Max traute seinen Augen nicht. Den Gepäckträger überragten flache Pakete. Max musste davon ausgehen, dass dies alles Bilder von Priska Hardegger waren. Eine erste Kostprobe hatte Fede vor einem Jahr erhalten.

Max stellte den Rechen, mit dem er den Vorplatz gereinigt hatte, an die Wand neben der Stalltür. Er strich sich die Hände an seiner Hose ab und harrte der Dinge. Es dauerte eine Weile, bis die Fahrertür aufging und Fede ausstieg. Sie hob kurz den rechten Arm und beeilte sich, auf die Beifahrerseite zu gehen. Sie löste den Sicherheitsgurt. Dann erst verlor sie einen ersten Satz an Max. »Jetlag, Mam ist müde.« Sie lächelte verkrampft.

Jetlag? Max dachte, die Frau sei bloß von Portugal in die Schweiz geflogen. Aber er kannte Fedes giftige Bemerkungen, wenn ihr etwas nicht behagte. Viel Freude über die Ankunft ihrer Mutter schien sie nicht zu haben. Er war mit drei Schritten beim Wagen. »Alles okay?«

Fede verdrehte die Augen. »Darf ich vorstellen? Meine Mam Priska.« Sie wandte sich an ihre Mutter. »Mein Lebens- und Arbeitspartner Max.«

Priska quälte sich aus dem Wagen. »Sehr erfreut. Ich wusste nicht, dass Federica nur einen Freund hat. Sie hat von zwei Männern gesprochen. Schön, Sie kennenzulernen.«

Max sah Fede an, dass sie absolut nicht erpicht war, darauf etwas zu erwidern. Priska war ihm jedoch auf Anhieb sympathisch, vielleicht auch deshalb, weil sie viel Ähnlichkeit mit Fede hatte. Auch wenn das Alter seine untrüglichen Spuren hinterlassen hatte, Priska musste einst eine schöne Frau gewesen sein. Die dunklen Augen, die gelockten grauen Haare, ihre Art zu lachen. Max war es vertraut. Und sie musste wie Fede ein Freigeist sein. Jemand, der sich nicht einengen ließ, der dem Konventionellen auswich und seine eigenen Träume lebte. Und jetzt, kurz vor ihrer Pensionierung, zurück zu den Wurzeln reiste.

»Max!« Fede riss ihn aus seinen Gedanken. »Könntest du mir beim Abladen der Kartons helfen? Ich würde Mam gern ins Haus begleiten. Sie kann in meinem Zimmer schlafen. Das bedingt, dass ich diese Nacht bei dir in Hergiswil verbringe.«

Max’ Herz machte Luftsprünge. Es kam selten vor, dass Fede bei ihm übernachtete. Bislang hatte er seine Wohnung nicht verkauft, hoffte er doch noch immer, Fede würde eines Tages des Jobs als Bäuerin überdrüssig werden. Bislang hatte es nicht den Anschein gemacht. Im Gegenteil, sie expandierte. Im letzten Herbst hatte sie sechs Obstbäume gepflanzt, die im Frühling mit prächtigen Blüten die Umgebung verzauberten und schon jetzt eine Fülle von kleinen Äpfeln und Birnen trugen. »Selbstverständlich.«

Priska musste das Gespräch zwischen Max und Fede mitgehört haben. Sie drehte sich zu ihnen um. »Ich will euch keine Umstände machen. Morgen seid ihr mich wieder los.«

»Nein, nein«, intervenierte Max. »So war das nicht gemeint. Ich freue mich darauf, wenn du uns über dein Leben in Portugal erzählst.«

»Dafür werden wir hoffentlich noch genügend Zeit finden«, erwiderte Priska und holte zwei Koffer von den Rücksitzen des Minis. »Ich muss morgen früh los und nach Stein am Rhein fahren. Für mich ist im Hotel Rheingerbe ein Zimmer reserviert. Am Abend bin ich auf der Burg Hohenklingen. Dort werden meine besten Werke ausgestellt.«

»Die im Karton?«, fragte Max.

Fede warf Max einen zerknirschten Blick zu. Offenbar witterte sie zusätzliche Arbeit.

»Nein, hierbei handelt es sich um Bilder, die keinen Platz mehr fanden. Außer einem …« Priska lachte amüsiert. »Du hast doch nicht etwa gemeint, die elf Bilder von neulich und diejenigen auf dem Autodach sind die einzigen, die ich in all den Jahren gemalt habe.«

»Hätte sein können, dass du einige bereits verkauft hast«, gab Fede schnippisch zurück.

»Ich konnte von der Malerei leben. Das habe ich dir gesagt. Ich habe an der Algarve einige Gemälde verkauft. Nun bin ich in der glücklichen Lage, eine Art Mäzen getroffen zu haben, der mich in den Kreis betuchter Kunstsammler bringt.«

»Deshalb die Vernissage.« Fede hob die Augenbrauen. »Und, sind wir auch eingeladen?« Bei der Sache war sie nicht.

Priska stellte die Koffer auf den Boden, zog die Griffe aus der Verankerung und versuchte, über die Kieselsteine zu gehen. »Klar. Ich rechne damit, dass ihr mit mir kommt.«

»Milagros würde sich sicher freuen, dich zu begleiten«, rutschte es Max heraus.

»Wer ist Milagros? Klingt spanisch.« Priska blieb stehen. »Habe ich etwas verpasst?«

»Sie ist Max’ Mutter.« Fede nahm ihrer Mam die Koffer aus der Hand. Es schien, als eilte es ihr, Priska ins Haus zu bringen.

»Ach so.« Priska ging zurück zum Auto und holte den Rest des Gepäcks. »Wohnt sie auch hier?«

»Nein, sie lebt am Brienzersee, hat dort ein Appartement mit direktem Blick auf den See.« Fede öffnete die Haustür und wuchtete die Koffer über die Schwelle.

Max musste an Milagros denken. Noch vor einem Jahr wäre sie fast bereit gewesen, die Zelte im Berner Oberland abzubrechen und nach Appenzell zu ziehen, was sie aber Gott sei Dank nicht in die Tat umgesetzt hatte. Ihren Liebhaber für die Dauer eines Sommers hatte sie in der Zwischenzeit vergessen und ihre Fühler nach Männern mit ähnlichen Interessen, wie sie sie hatte, ausgestreckt. Ihre Worte. Doch bis anhin hatte sie kein Glück gehabt. Sie sei zu alt für eine dauerhafte Beziehung, hatte sie Max anvertraut. Was sie suche, sei ein humorvoller Herr mit Manieren und Grips, einer mit Stil und Freude an Kunst, Kultur und klassischer Musik, einer, der die Werte einer reifen Frau zu schätzen wisse und sich nicht dauernd nach jungem Gemüse umschaue. Einer, der ihr das Wasser reichen könne und bei ihr nicht eine Bleibe suche. Solche Exemplare seien aber rar. Milagros hatte die Messlatte hoch gelegt.

Max war versucht, die distinguierte Milagros mit der weltoffenen Priska zu vergleichen, fand es aber verfrüht. In erster Linie galt es, die beiden Frauen einander bekannt zu machen.

»Wo ist dein Kopf?« Fede holte ihn erneut in die Gegenwart zurück. »Hat meine Mutter dir die Sprache verschlagen?«

»Ich überlege mir gerade, ob wir morgen Zeit für die Vernissage haben. Ich war noch nie in Stein am Rhein. Wir könnten den Besuch mit einem Ausflug zum Rheinfall verbinden.«

»Und wann gedenkst du wieder mal richtig zu arbeiten?«

War zu erwarten gewesen, Fede würde dies ansprechen. Mit den Mandaten in der Detektei konnte er sich knapp über Wasser halten. Die Reserven aus dem letztjährigen Großauftrag waren aufgebraucht. Max hatte deswegen den nicht schlecht bezahlten Job bei einem reichen alten Ehepaar angenommen, sie zweimal die Woche in eine Schweizer Stadt und dort in ein Restaurant zu begleiten. Er saß im Rollstuhl, sie ging am Rollator. Max konnte von Glück reden, hatte das Paar einen eigenen Bus, wo er die Gehhilfen ohne Problem verstauen konnte. Auf die Dauer bot dieser Job jedoch keine Befriedigung. Es waren nette Leute, die sich liebend gern wiederholten. Er sprach von seiner einstigen Firma und sie über ihre Lebensaufgabe als Hausfrau und Erzieherin. Von Mitte Juli bis Mitte August waren Max’ Dienste nicht gefragt, weil das Ehepaar einen Teil des Sommers bei ihrer Tochter im Engadin verbrachte.

»Max?« Fede klang leicht gereizt. »Willst du es Milagros schon mitteilen?«

»Was?«

»Damit sie uns morgen begleitet.« Fede kam auf ihn zu. »Ich habe echt keinen Bock, auf fröhliche Tochter zu machen«, flüsterte sie. »Aber wenn wir mit ihr an den Rhein fahren, sind wir sie morgen mit Sicherheit wieder los. Das wäre doch auch in deinem Sinn, nicht wahr?«

»Ich finde Priska ganz okay.«

»Das hast du während einiger Sekunden herausgefunden?« Fede lachte ihn aus. »Die Frau ist mir suspekt.«

»Dabei gleicht ihr einander sehr.« Max wich Fede instinktiv aus, als diese Andeutungen machte, ihm eine zu scheuern.

»Untersteh dich!«, fauchte sie. Sie drehte sich wieder um und folgte Priska ins Haus.

***

Milagros befand sich auf dem Balkon, als bei ihr das Telefon klingelte. Nebst dem Smartphone besaß sie noch immer einen Festnetzanschluss, was ihr zugutekam, da sie das Handy oft verlegte und sich nicht erinnerte, wo sie es hingetan hatte. Sie glaubte dennoch nicht an erste Anzeichen von Demenz. Für sie war das Smartphone nicht wichtig. Nicht so wie vor wenigen Jahren, als sie damit alles Mögliche fotografiert hatte und sich selbst für unentbehrlich hielt.

Sie ging ins Wohnzimmer und nahm den Hörer ab, während sie die Nummer auf dem Display erkannte. »Maximilian, ist aber auch schön, wieder einmal etwas von dir zu hören. Ist dir die Hitze in den Kopf gestiegen und hat deine Gehirnzellen gebraten?«

»Warum diese zynische Bemerkung? Ich weiß doch, wie du selbst unter dieser infernalen Hitze leidest.«

»Ich krieche die Schatten entlang. Im Moment geht ein feines Lüftchen, aber das Thermometer zeigt dreiunddreißig Grad an. Wie geht es dir?«

»Das wollte ich dich fragen.«

»Es ist langweilig hier. Ich hätte doch ausziehen sollen. Aber wer möchte denn meine Wohnung kaufen, wenn die immer noch leer stehenden Appartements nach wie vor auf ihre Besitzer warten? Selbst wenn ich mit dem Preis unter alle anderen Angebote gehe, ist es schwierig, ich behaupte sogar, unmöglich. Die Lage hier ist auf den ersten Blick phänomenal. Auf den zweiten kommen die negativen Seiten zum Vorschein. Die Häuser stehen einfach zu nahe beieinander, was ich als möglichen Hinderungsgrund sehe, eine Wohnung zu kaufen oder zu mieten. Man ist, falls man kein Auto hat, auf ein Taxi angewiesen. Der Bus fährt nur sporadisch, und der nächste Bahnhof liegt fast einen Kilometer von hier entfernt. Wäre ich doch bloß auf dem Bürgenstock geblieben. Oder bei John im Appenzellerland.«

Maximilian erwiderte nichts. Er hatte ihr in der Vergangenheit viele Vorwürfe gemacht. Seit einiger Zeit schwieg er, wenn es um ihr Wohlbefinden ging. Das war noch schlimmer. »Falls du je einmal vorhast, zu Federica zu ziehen, übernehme ich deine Wohnung gern.« So, nun war es gesagt, was sie in den letzten schlaflosen Nächten beschäftigt hatte.

»Ist es so schlimm?«

Halleluja! Maximilian zeigte endlich Mitleid. »Ja, ich verkümmere hier.«

»Du bist doch noch immer mobil.«

»Wir müssen zeitnah zusammensitzen und darüber diskutieren.« Sie wich ihm aus. Das mit der Mobilität war so eine Sache. Sie scheute je länger, desto mehr, mit ihrem Auto zu fahren.

»Das können wir gern, aber meine Wohnung gebe ich nicht her. Vielleicht wird Fede eines Tages für immer bei mir einziehen.« Maximilian räusperte sich.

Milagros wusste, er log. Federica würde ihre Tiere niemals aufgeben. »Dann gehe ich auf ihren Bauernhof.«

»Der wenig bis fast keinen Luxus bietet. Wenn ich an deine Ansprüche denke …«

»Ich kann mich ändern.« Milagros streckte ihren Rücken durch. Es hatte keinen Zweck, in Selbstmitleid zu ertrinken. Himmel, sie war doch keine Heulsuse. Was war bloß in sie gefahren?

»Milagros.« Maximilian wartete. Dem Ton seiner Stimme zu urteilen nach, hatte er etwas auf dem Herzen.

»Ja?« Das starke Gefühl, wieder einmal von ihrem Sohn gebraucht zu werden, nahm von ihr Besitz. Hatte er einen neuen Auftrag? Seit einem Jahr hatte er sie fast links liegen lassen, obwohl sie in seiner Detektei so gut wie angestellt war. Na ja, wenn es einen kniffligen Fall zu lösen galt.

»Fedes Mutter ist heute angereist.«

»Abenteuerlich.« Federica hatte ihr anvertraut, wie wenig sie von ihrer Mutter hielt.

Maximilian ging nicht darauf ein. »Morgen Abend findet auf der Burg Hohenklingen oberhalb von Stein am Rhein die Vernissage zu ihrer Ausstellung statt. Sie würde sich freuen, könntest du zusammen mit uns dorthin fahren. Wäre doch eine schöne Abwechslung.« Maximilian machte sich wirklich Sorgen um sie.

»Die Burg Hohenklingen kenne ich. Früher waren dein Vater und ich dort einmal zu einer Hochzeit eingeladen. Da warst du noch sehr klein. Eine Vernissage, sagst du? Geben die Bilder was her?«

»Ich habe sie noch nicht gesehen. Aber ich weiß, worauf du hinauswillst. Spiele jetzt bloß nicht die barmherzige Samariterin und kaufe Gemälde von einer unbekannten Künstlerin. Wie ich mich erinnere, verstauben einige wertvolle Gemälde in deinem Keller.«

»Ach, einige davon habe ich doch längst an die Auktion gegeben. Mit Erfolg.«

Maximilian schwieg.

»Also, ich bin morgen dabei und freue mich darauf.« Hätte Milagros ihren Gemütszustand auf einer Skala von eins bis zehn messen können, der Zeiger wäre oben am Anschlag gewesen. Plötzlich erschienen rosarote Wolken über dem Brienzersee, auf dessen Grund lag kein militärischer Schrott mehr, und die seltsame Nachbarin, die auch heute in die Luft und von ihr weg starrte, lächelte zu ihr herüber. Natürlich bildete es sich Milagros ein. Aber ihr Leben bekam auf einmal wieder einen Sinn. Im letzten Jahr hatte sie sich einiges abschminken müssen. Nicht nur den Verkauf ihrer Wohnung, auch die Aussicht auf einen Enkel oder eine Enkelin, den oder die sie so gern gehabt hätte. Die Gewissheit, dass ihre Gene und die von Kaspar selig in einem neuen Menschenkind weiterexistieren würden, vielleicht auch ihr Temperament, hätte sie überglücklich gemacht. Klar hatte sie ihre frühen Steckenpferde nicht ganz aufgegeben. Noch immer ging sie gern in Konzerte, traf sich mit Gleichaltrigen zum Kaffeekränzchen in Interlaken oder meldete sich für Busfahrten für Senioren an. Sie machte Ausflüge in Städte, besichtigte Denkmäler und besuchte Museen. Im letzten Herbst hatte sie endlich die Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer nachgeholt und war im Nachhinein enttäuscht gewesen, weil es einfach zu viele Leute auf dem Schiff gehabt hatte. Und diese Völlerei. Morgens, mittags und abends hatte sie mit Fremden, die sich die Bäuche vollschlugen, an einem Tisch sitzen müssen, weil für Singles kaum Platz war. Alles war anders gewesen als vor drei Jahren, als ihr die reiche Merlinde Vonlanthen im wahrsten Sinne des Wortes über den Weg gelaufen war. Sie war es gewesen, die Milagros einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Sie hatte die Reise abbrechen und mit ihr unter denkwürdigen Umständen in die Schweiz zurückkehren müssen. Später hatten sie einander aus den Augen verloren. Merlinde Vonlanthen lebte nicht mehr. Sie war still von dieser Welt gegangen. Die Todesanzeige hatte sie vor fünf Monaten erreicht. Gemeldet hatte sie sich nicht. Sie kannte ja die Hinterbliebenen nicht.

Milagros stöhnte. Nun war sie siebenundsechzig, und die Uhr tickte schneller als in jungen Jahren. Ihr übermäßiger Champagnerkonsum machte sich allmählich bemerkbar, genauso wie ihre Trägheit, die in den letzten Monaten zugenommen hatte. Sie hätte einfach mehr für ihre Gesundheit tun müssen. »Wissen Sie, Frau von Wirth«, hatte der Arzt ihres Vertrauens geraten, »Bewegung ist alles in Ihrem Alter. Gehen Sie an die frische Luft, laufen Sie regelmäßig, machen Sie Kraftübungen und ernähren Sie sich gesund. Wenn Sie komplikationslos altern wollen, tun Sie etwas dafür.«

Die Freude über Maximilians Einladung war groß, aber das wollte Milagros nicht zugeben. »Wann soll ich wo sein?«, fragte sie.

»Am besten, wir treffen uns direkt auf der Burg. So hast du genügend Zeit, nach Stein am Rhein zu fahren. Wenn du möchtest, kann ich dir ein Zimmer reservieren.«

»Ich soll allein hin?« Damit hatte Milagros nicht gerechnet. Vorher hatte es anders getönt. »Kann ich nicht mit euch fahren?«

»Der Platz in meinem Mustang ist beschränkt, und Fede will ihren Mini zu Hause lassen.«

Milagros schluckte leer. »Dann fahre ich mit der Bahn. Du kannst für mich eine Woche Ferien buchen, dann lohnt es sich wenigstens. Was für eine Weltreise«, schob sie nach und entsann sich des spontanen Flugs nach Peru vor sieben Jahren. War sie so kompliziert geworden?

ZWEI

Vom Städtchen aus gesehen zeichnete sich die Burg hinter verschiedenen Grüntönen imposant gegen den tiefblauen Himmel ab. Eine Festung, die sich auf dem schmalen Nagelfluhgrat, einem Ausläufer des Schiener Bergs, von Ost nach West erstreckte. Ihre Geschichte reichte bis ins 12. Jahrhundert zurück, als ein Kastenvogt des Klosters Sankt Georgen – Walter von Klingen – vorerst einen Wohnturm errichtet hatte. Ab Mitte des 13. Jahrhunderts hatte die Burg den thurgauischen Freiherren von Klingen gehört, um 1400 unter Walter VII. ihren gesellschaftlichen Höhepunkt erlebt und bis 1423 ihr heutiges Aussehen erlangt.

Das war bislang alles, was Max darüber gelesen hatte. Gefühlt den ganzen Morgen war er damit beschäftigt gewesen, Fede und Priska auf dem Weg nach Stein am Rhein zu unterhalten. Wider seine Vermutung, Priska würde für genügend Gesprächsstoff sorgen, war sie eher wortkarg geblieben, und wenn sie Fragen an ihre Tochter gestellt hatte, hatte sie schnippische Antworten bekommen. Max hatte am Vorabend in einem Hotel direkt am Rhein zwei Zimmer reserviert, im gleichen Hotel, in welchem Priska gebucht hatte. Milagros war bereits angereist, was er von der Empfangssekretärin erfuhr, und war auf dem Weg zur Burg oder schon vor Ort. Sie hatten sich frisch gemacht und waren eine Stunde später mit dem Auto in Richtung Burg Hohenklingen gefahren.

Ein Mann in Uniform wies sie auf einen Parkplatz außerhalb des Burggeländes ein.

Fede auf dem Beifahrersitz sah ihn an, als wäre er ein grünes Männchen. »Der muss ja umkommen vor Hitze.« Sie drehte sich zu Priska um. »Sag mal, ist das hier ein gehobener Anlass?«

»Es werden viele Gäste erwartet.«

»Sagt wer?«

»Donovan.« Priska ließ ein Kichern vernehmen. »Er ist der Mann, der die Vernissage organisiert hat. Er ist vor einer Woche angereist, hat meine ausstellungstauglichen Bilder hergebracht und zusammen mit dem Wirt Othmar Keller aufgehängt und aufgestellt. Es sind über den Daumen gerechnet derer siebzig.«

Max stellte den Motor ab und öffnete die Autotür. Ein Schwall heißer Luft traf ihn. Trotz der vielen Bäume rund um die Burg war die Temperatur auch im Schatten gnadenlos. »Siebzig?« Er half Priska aussteigen. Sie hatte sich herausgeputzt. Sie trug ein langes, sackähnliches Gewand in Dunkelblau mit blattförmigen Applikationen und darüber vier Stränge von Ketten, was sich an den Handgelenken wiederholte. Die grauen Locken hatte sie zusammengebunden und unter einem Turban versteckt. Ein dick aufgetragenes Make-up kaschierte die Reste einstiger Sommersprossen. Ihr Gesicht hatte die Konsistenz eines Scheiblettenkäses, worauf die geschminkten Augen und der ins Violett tendierende Lippenstift wie aufgeklebt wirkten. Übertrieben, fand Max.

»Siebzig, ja genau.« Priska ließ sich von Max auf dem mit Kieseln belegten Platz auf die Beine ziehen. »In den vergangenen Jahren habe ich fast fünfhundert Bilder gemalt, von denen einige für gutes Geld verkauft wurden. Ich bin zwar nicht reich geworden, aber für ein entspanntes Leben hat es gereicht.«

Fede verließ den Wagen nach ihnen. Max warf ihr einen Blick zu, registrierte ihre trübselige Miene und hatte nicht den blassesten Schimmer, was ihr über die Leber gekrochen sein konnte.

Priska schob ihren linken Arm unter seinen rechten und warf ihren Kopf in den Nacken. »Was für eine prächtige Gegend.« Sie genoss es offensichtlich, neben Max den schmalen Weg zum Zugang zur Burg zu beschreiten. Der Wald unterhalb der Anlage gestaltete sich üppig und umschmeichelte die grauen Mauern. Beiläufig fragte sie: »Das mit dir und Federica, ist es etwas Ernstes?«

Max sah über seine Schulter. Fede war zu weit weg, um sie zu hören. Priskas Frage ging ihm zu nah. Er kannte die Frau ja kaum. »Wir sind seit acht Jahren zusammen«, sagte er und blieb stehen. Fede erreichte sie, und Max war froh, konnte er dem heiklen Thema ausweichen. »Alles gut bei dir?«

Auch Fede hatte sich ein raffiniertes Kleid angezogen. Das Stoffmuster ging in die Tattoos über und ließ sie als Gesamtkunstwerk erscheinen. Im Gegensatz zu Priska trug sie ihre wilden roten Haare offen, was die Länge bis zur Hüfte hervorhob. Einzig ein Stirnband bändigte die Locken etwas. Sie sah umwerfend aus. Sie hatte sich Mühe gegeben, war sogar länger als üblich im Bad gewesen. Augenscheinlich wollte sie neben ihrer Mutter nicht verblassen.

»Ja, alles gut. Die Hitze macht mir etwas zu schaffen.« Sie demonstrierte dies, indem sie mit dem Handrücken über die von Schweiß glänzende Stirn fuhr.

»Das sind bestimmt die ersten Anzeichen von Wallungen.« Priska flötete ihre Feststellung so laut heraus, dass sich die Leute, die vor ihr über die Treppe gingen, verwundert zu ihnen umdrehten.

»Mam, bitte. Im Gegensatz zu dir befinde ich mich im besten Alter. Du solltest deine Unzulänglichkeiten nicht auf mich übertragen.« Fede sah nach oben zu den verrenkten Hälsen. »Ist etwas?«

Priska löste sich wortlos von Max und stieg allein über die Stufen bis zum äußeren Burgtor.

»Das war jetzt nicht nett.« Max konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Du sagst es. Sie kommt spontan hierher und benimmt sich so, als wäre sie nie weg gewesen und wüsste, wie es um mich steht. Dabei hat sie nicht die geringste Ahnung. Ich muss mir ins Bewusstsein rufen, dass sie es war, die damals die Familie verlassen hat. Es gibt also kein Pardon. Wenn ich heute hier bin, dann ist das eine kleine Gefälligkeit. Ich rechne damit, sie morgen wieder los zu sein. Also mache ich gute Miene zum bösen Spiel. Ich traue ihr nicht. Irgendetwas hat sie vor.«

»Du siehst Gespenster.« Max blieb auf dem obersten Treppenabsatz stehen. »Zudem ist das längst verjährt.«

»Spricht jetzt der Anwalt aus dir?«

»Nein, dein Freund. Ich sehe doch, wie du dich quälst. Du solltest vergessen und verzeihen.«

Fede sah ihn nachdenklich an. »Ja, vielleicht hast du recht. Ich lasse sie zu nahe an mich heran. Es tut mir nicht gut. Möglicherweise habe ich vieles verdrängt oder nicht aufgearbeitet.«

»Und wenn schon. Deinem Intellekt und deiner Begabung hat es nichts abgerungen.«

Sie schritten weiter. Hinter dem ersten Tor, welches zur Zwingeranlage führte, erhob sich der Bergfried. An dessen unterem Teil wuchsen wilde Rosen, in Verbindung mit dem Mauerwerk eine farblich abgestimmte Symbiose. Gegenüber öffnete sich durch ein Biforium der Blick auf die drei Werd-Inseln Unders, Mittlers sowie Obers Weerdli, welche im Rhein, der zum Untersee führte, lagen. Über einen kopfsteingepflasterten Aufgang gelangten sie zum mittleren Tor, über welchem sich zwei Zinnen gegen den Himmel abzeichneten, und direkt in den inneren Zwinger. Auf der Treppe zum letzten Tor wartete Priska auf sie.

»Federica, es tut mir leid wegen meiner zynischen Äußerungen von heute Morgen und von vorhin. Ich sehe eine attraktive Frau in dir, die mich stark an mich selbst erinnert. Fast könnte ich neidisch auf dich sein, weil ich den Höhepunkt meines Lebens hinter mir habe, im Gegensatz zu dir. Ich weiß, ich war eine schlechte Mutter, und ich würde alles dafür tun, es zu korrigieren. Aber ich kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen, bloß das Beste aus der Gegenwart machen. Glaubst du, wir könnten das schaffen?«

Max beobachtete Fede, die mit dem Geständnis ihrer Mutter bestimmt nicht gerechnet hatte. Ob sie dem Frieden zuliebe über den eigenen Schatten springen und Größe zeigen würde? Fede hob bloß die Schultern, drängte an ihrer Mutter vorbei wie an einer unverrückbaren Skulptur und betrat den westlichen Hof, dem gegenüber das Wächterhaus lag.

Max stellte sich neben Priska. Er unterdrückte den Impuls, ihr den Arm um die Schultern zu legen. »Lass ihr noch etwas Zeit. Ich bin mir sicher, sie wird sich einrenken.« Er wollte Fede folgen.

Priska hielt ihn zurück. »Es ist meine Schuld. Wie konnte ich von einem auf den anderen Tag in ihr Leben treten, das sie bis anhin ohne mich souverän gemeistert hat? Ich habe sie mit meinem Gehabe völlig vor den Kopf gestoßen. Dafür schäme ich mich.«

»Das wird schon. Fede tickt eben ein bisschen anders als der Rest der Welt. Oft hat man den Eindruck, sie stehe über allem. Wenn sie jetzt so schroff reagiert, gründet dies in ihrer Verletzlichkeit. Es geht um Familie, um ihre Eltern, ihre Mutter –«

»Und sie zieht eindeutig Vergleiche zwischen Milagros und mir«, fuhr Priska ihm ins Wort. »Welch ein Glück du mit deiner Mutter hast. Dieser Christian hat mir gestern Abend von ihr erzählt. Er ist übrigens ein ganz lieber Mensch und vor allem hilfsbereit.«

Max hoffte, Christian hatte sich, was seine Mutter betraf, nicht allzu sehr aus dem Fenster gelehnt. Fedes Rufen hinderte ihn daran, eine diesbezügliche Frage zu stellen. »Milagros ist hier.«

Wenn man vom Teufel spricht … Priska ging voraus. Sie musste vor Neugier platzen. Max stieß sich von der Schwelle ab und gelangte in einen nach oben offenen Raum, wo Rattanmöbel und Tische zum Verweilen einluden. Er bemerkte die ersten Gemälde, die im geschützten Teil auf verschiedenen Staffeleien präsentiert wurden.

Milagros stand neben einer Leinwand, vertieft in die Kunst, die Max zu verstehen versuchte. Er hatte die elf Gemälde auf dem Drachenried flüchtig in Erinnerung. Sie unterschieden sich wesentlich von dem Bild hier. Er glaubte, vor einer Fotografie zu stehen, vor einer Landschaft, in der er die Algarve sah. Erst bei näherem Hinsehen erkannte er die feinen Pinselstriche.

»Je weiter weg man steht, umso besser wirkt es auf den Betrachter«, fand Milagros, wollte damit offenbar ihr Verständnis für Kunst preisgeben.

»Das sehen Sie richtig.« Priska streckte ihre Hände aus. Ihre Ketten klimperten. »Sie müssen Milagros von Wirth sein.«

Max musterte Milagros, die wahrscheinlich nicht mit so einem Auftritt gerechnet hatte. Sie sah an Priska vorbei in sein Gesicht, und er wusste sofort, was sie dabei dachte. Max glaubte sogar »Was soll das?« auf ihren Lippen zu lesen. Entgegen seinen Bedenken reagierte sie jedoch anders.

»Die Freude ist ganz meinerseits.« Sie nahm Priskas Hände in ihre, und es machte den Anschein, als wollte sie sie nicht mehr loslassen. »Ich habe mir erlaubt, einen Teil der Ausstellung anzusehen. Ich war viel zu früh hier. Kompliment, werte Frau Hardegger … oder darf ich Priska sagen? Jetzt, wo wir bald familiär aneinanderwachsen.«

Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Max hatte vermutet, Milagros würde ihre Sprüche nicht sein lassen können. Insgeheim hoffte er, Priska würde nicht fragen, was sie damit meinte.

»Ich bin Milagros.« Im Gegensatz zu Priska, die ein hippieähnliches Gewand trug, hatte sich Milagros in eine teure Robe gestürzt. Trotz der Hitze trug sie ein langärmliges Kleid aus dunklem Tüll, welches, so schätzte Max, etwas luftdurchlässig war. Indessen hätte er sich auf Milagros’ Gestöhne gefasst machen können. An ihren Fingern glänzten Klunkern, die sie in den letzten Jahren nicht oft getragen hatte. Priska und Milagros: welch ein Widerspruch auf der einen, was für eine Ähnlichkeit auf der anderen Seite.

Priska hängte sich bei Milagros ein. »Komm, ich möchte dir jemanden vorstellen.«

***

Noé langweilte sich. Anstatt mit Pascal und Kevin etwas zu unternehmen, hatte Papa darauf bestanden, ihn und Mama zur Burg Hohenklingen zu begleiten. Der Grund war Noé seltsam vorgekommen. Eine Künstlerin aus Portugal stellte ihre Werke aus. Als hätte Noé mit seinen zwölf Jahren mit solchen Bildern etwas anfangen können.

»Du kommst bald in die sechste Klasse«, hatte Papa gesagt, »da kann ich von dir erwarten, dass du dich auch den schönen Dingen des Lebens zuwendest, als täglich mit deiner Bande um die Häuser zu ziehen.« Papa wusste zum Glück nicht, wie sich das Um-die-Häuser-Ziehen bei Noé und seinen Freunden gestaltete. In der Regel suchten sie einsame Hinterhöfe auf, um sich ihrem Lieblingshobby, dem Smartphone, zu widmen und sich schmutzige Filmchen reinzuziehen, die, weiß Gott, nicht für Zwölfjährige bestimmt waren. Aber das Leben der Erwachsenen war so viel spannender als das öde Dasein als Kind. Von ihm in seinem Alter verlangte man uneingeschränkte Aufmerksamkeit, man musste dies und das beherrschen, vor allem gut in der Schule sein, durfte den Unterricht nicht schwänzen und musste immer pünktlich zu Hause eintreffen. Um neun Uhr musste er ins Bett, um sieben Uhr in der Früh weckte Mama ihn, obwohl er gerade dann ohne Weiteres zwei bis drei Stunden hätte weiterschlafen können. Noé fand sein Leben eine Tortur. Ausgerechnet heute hatte er zudem Handyverbot. Papa war oft sehr streng mit ihm. Es mochte kein falsches Wort leiden, ehe er einen Tobsuchtsanfall bekam.

Eine Vernissage. Noé war nie zuvor an einer solchen gewesen. Er konnte sich nichts darunter vorstellen. Mama hatte gesagt, da werde eine Rede gehalten, man bewundere Bilder und spreche mit der Künstlerin. Es gäbe Getränke, und dazu würden Häppchen serviert. Noé glaubte zu wissen, weshalb seine Eltern dabei sein wollten. Wenn es gratis zu essen und zu trinken gab, waren sie stets zuvorderst. Papa besaß die Gabe, Veranstaltungen herauszusuchen, wo es Wurst, Brot und Bier umsonst gab. Besonders im Frühling zog die kleine Familie von Garage zu Garage, um sich bei der Präsentation neuer Automarken umsonst zu verköstigen. Oder sie gingen an Messen den verschiedenen Degustationsständen nach. Das waren die Momente, in denen Mama nicht vor dem Kochherd stehen musste. Fast wie Ferien, sagte sie dann.

Noé fand den Anlass hier eine Nummer zu groß für ihre Bedürfnisse. Er konnte sich nicht erklären, weshalb und woher Papa die Einladung bekommen hatte. Stets wollte er mehr scheinen, als er war. In seinem Leben hatte er bislang nichts auf die Reihe bekommen. Seit fünf Jahren handlangerte er bei verschiedenen Jobs, war mal Hauswart, mal Straßenreiniger oder Hilfsgärtner, sprang im Service ein oder lotste den Verkehr vor Baustellen. Er war für Noé das große Vorbild, wie man es nicht machen sollte. Trotzdem war er nicht nur für ihn, sondern auch für Mama respekteinflößend. Noé flüchtete vor ihm, wenn sich die Gelegenheit bot.

In der Nähe des Kapelleneingangs und der Zisterne stimmten zwei Frauen Cello und Geige. Wenig später strichen sie über die Saiten. Mama flüsterte: »Das ist der Kanon in D von Pachelbel.«

Noé lauschte einen Moment, war fasziniert ob der Leichtigkeit, mit der die Musikerinnen mit ihren Instrumenten umgingen. Dann schweifte sein Blick ab zu den Fassaden des Hausteils, die ihn an ein Riegelhaus erinnerten. Servierpersonal jonglierte Platten mit Prosecco und Canapés. Papa griff herzhaft zu und tat so, als zögen ihn die Gemälde auf den Staffeleien an. Als hätte er die Absicht, mit der Künstlerin zu reden, näherte er sich immer mehr einer alten Frau, die glaubte, mit ihrem sonderbaren Gewand auf jung machen zu können. Als er auf ihrer Höhe angekommen war, sprach er sie an. Noé beobachtete Mama, wie sie darauf reagierte. Aber sie schien sich weiterhin für das musikalische Duett zu interessieren. »Pachelbel« ging unter im allgemeinen Gelächter und dem Small Talk, wo jeder jeden mit seinem Geklatsche übertönen wollte. »Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber«, plapperte Noé vor sich hin. Wenn er sich auf die Geräuschkulisse konzentrierte, hörte er das Wort heraus, von dem man behauptete, es würde auf einer Theaterbühne als Hintergrundgeschwätz gesprochen. Noé wandte sich ab. Das hier war nicht seine Welt und er das einzige Kind hier. »Ich muss mal«, sagte er zu Mama, die heute ein besonderes Auge auf ihn zu richten schien.

»Soll ich mitkommen?« Sie klang beiläufig besorgt, während sie nach einem Glas Prosecco griff.

»Mit dem Lift runter und dann rechts«, sagte Noé. »Ich bin ein großer Junge.«

»Verirre dich nicht in dem historischen Gemäuer«, mahnte Mama und sah ihm noch lange nach, während er sich rückwärts von ihr entfernte. Mama, dachte er, mit ihrem ärmellosen Kleid sah sie hübsch aus, passte aber definitiv nicht in die anwesende noble Gesellschaft.

Noé kehrte in der Nähe des Aufzugs um, als er sich gewiss war, aus Mamas Blick verschwunden zu sein. Er drückte sich an den Leuten vorbei, die ihn nicht zu beachten schienen, und erreichte eine steile Holztreppe, die ihn ein Stockwerk höher führte. Die Räume oben waren eng und verwinkelt. Noé kannte die Burg nur vom Hörensagen. Er war noch nie da oben gewesen, und die Schulreise hierher im vergangenen Frühling hatte er wegen einer Grippe verpasst. Er erreichte den Durchgang in den Rittersaal und hätte beim Eintreten beinahe eine Rüstung umgestoßen. Nachdenklich blieb er vor ihr stehen, betrachtete die Lanzen an der Wand und war augenblicklich ins Mittelalter versetzt. Der Besuch in der Burg wurde abenteuerlich. Noé lächelte vor sich hin. Er würde einmal ein Burgherr sein, ein mächtiger Fürst eines Imperiums hoch über Stein am Rhein. Er betrat den Saal mit den Holzbohlen und den zwei langen Tischen, auf denen Schalen mit Salzgebäck und Süßigkeiten verteilt waren. Fünfarmige Kerzenständer und die Wappen an der grauen Wand sorgten für ein geheimnisvolles Ambiente. Noé bediente sich eines Cupcakes, der zum Naschen verleitete, und kehrte anschließend zurück in den Zwischenraum, eine Verbindung des Rittersaals und der Küche. Ungeniert passierte er diese und gelangte zu einer Brücke, die sich über den Burghof spannte. Er sah nach unten und erkannte Mama, die etwas verloren bei den Musikerinnen stand. Von Papa keine Spur. So wie Noé ihn einschätzte, ging er den Düften nach Käsekuchen und Quiches nach und schlug sich damit den Bauch voll. Auch Noé plagte langsam, aber sicher der Hunger. Seit dem Frühstück, das wie gewohnt aus einer Ovomaltine und einer Scheibe Brot mit Butter und Nutella bestand, hatte er abgesehen von dem Cupcake nichts gegessen. Er ging den gleichen Weg zurück, den er hergekommen war. Bevor er nach der Küchentür zur Treppe kam, fiel ihm der Garderobenständer neben dem Handlauf auf. An Bügeln hingen ein Regenmantel und eine Herrenjacke. Noé sah sich um. Niemand da, der ihn beobachtete. Er griff in die Tasche des Regenmantels, in der Hoffnung, der Träger könnte das Portemonnaie vergessen haben. Die Taschen waren mit Ausnahme eines Stofftaschentuchs leer. Noé war sich bewusst, seine Handlung war verboten. Man griff nicht in fremde Taschen, auch wenn sie sich noch so verlockend präsentierten. Er machte dasselbe mit der Herrenjacke, nachdem er sich schlechten Gewissens umgesehen hatte. Er war allein. Die Leute befanden sich einen Stock tiefer, wo sie die Gemälde betrachteten und sich verköstigten und auf diese Rede warteten. In einer der Innentaschen, die im Futter eingearbeitet war, griff er nach einem kühlen, gezackten Gegenstand. Er zog diesen hervor. »Ein Ritterorden«, entfuhr es Noé. Dabei handelte es sich um eine Art Kreuz auf einem quadratischen, gerillten Unterteil. Der obere Teil war mit einer Öse versehen. Sie war an einem länglichen Teil befestigt, welches das Kreuz mit einem blau-rot-weißen Stoffband verband. Noé begutachtete die Medaille kritisch. Nein, ein Kreuz war das nicht. Es handelte sich um eine Art Fliegerpropeller, welcher auf einem Kreuz angebracht war. Noé schätzte seine Größe auf fünf mal fünf Zentimeter. Kreuz und Propeller überragten das gerillte und auf die vier Ecken zugespitzte Quadrat.

»Mega«, flüsterte Noé vor sich hin. Er würde Papa fragen, worum es sich bei diesem Gegenstand handelte. Ob er ihn besser zurückstecken sollte? Blöd, dass er sein Handy nicht bei sich hatte, ansonsten hätte er den Gegenstand fotografieren können. Noé ließ den Fund in seiner Hosentasche verschwinden.

***

»Das ist mein Mäzen und Freund Donovan Mac Dowell.« Priska schmiegte sich an den groß gewachsenen, etwas übergewichtigen Mann, der sich gerade den Rest eines Lachsbrötchens in den Mund geschoben hatte. »Er kommt ursprünglich aus dem amerikanischen Bundesstaat Michigan, genauer gesagt aus Detroit. Wir haben uns in Monchique, an der Algarve, kennengelernt. Dort habe ich während mehrerer Jahre gelebt. Donovan hat mein Atelier und mich entdeckt.« Priska streichelte ihm freudig über die freie Hand, was einer besitzergreifenden Geste gleichkam. »Nicht wahr, mein Lieber?«

Milagros musterte den Mann an Priskas Seite. Offenbar war es ihm nicht recht, in den Mittelpunkt gerückt zu werden, zumal er damit beschäftigt war, den Bissen herunterzuschlucken und die Mundwinkel mit einer Serviette abzuwischen. Wenn er lachte, entblößte er ein schneeweißes Gebiss, welches nicht richtig ins sonnengegerbte Gesicht passen wollte und lediglich mit einer Brotkrume verunstaltet war.

Endlich rang er sich zum Sprechen durch. »Hi, ich bin Donovan, nett, Sie kennenzulernen.« Er hatte einen amerikanisch-englischen Akzent.

»Nice to meet you«, bemühte sich Milagros, was Mac Dowell mit einem höflichen Lächeln quittierte.

»Sie sprechen Englisch?«

»Oh no …« Milagros spürte, wie sie rot anlief. »Sie würden mich in Verlegenheit bringen, wenn Sie sich in Ihrer Muttersprache mit mir unterhielten. Und Sie? Sie beherrschen unsere Sprache?«

»Ich hatte geschäftlich in Europa zu tun, vor allem in Deutschland. Seit einem Jahr lebe ich sporadisch in der Schweiz.«

»Donovan arbeitete für die Boeing«, sagte Priska nicht ohne Stolz in ihrer Stimme.

Mac Dowell winkte ab. »Seit fünf Jahren bin ich pensioniert und widme mich fortan den schönen Künsten. Für mich war es ein großes Glück, Priska zu begegnen. In dieser Frau steckt wahres Können.«