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Staatlich gesteuerter terroristischer Hintergrund. Urlaubspaar aus Deutschland gerät in die perfiden Machenschaften von korrupten Putschisten und Erpressern, zwischen die Fronten einer zutiefst unmoralischen Diktatur und Freiheitskämpfern in einem gescheiterten Staat.
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Seitenzahl: 493
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ich gestehe und versichere jeder verehrten Leserin und jedem geehrten Leser, dass mich mein Textaufbau als auch meine Ausdrucksweise als echten Pfälzer ausweisen.
Der Autor Kurt Koch
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Darsu der Staat, das Land der Entführungen.
Geldner Ludwig, der deutsche Tourist, frühpensionierter Postbeamter
Elfriede seine Freundin
Dr. Francois de Didier, alias Werner Schranz, Franzose, Waffenhändler und außenpolitischer Berater des Cardin, sein Deckname Foco
BA-ARIS die Festung
Adaras „der Große“, Dorfältester, Clanchef
MUIRA, eine halbverfallene Wüstenfestung
Odra, ehemals Militär, der korrupte und machtbesessene Putschpräsident
Pitran der Polizeichef, Cousin von Odra, sein voller Name: Pitran Boranduas Ignatz Balanar.
Misrael, junger Mann aus dem Wüstendorf
Al-Afran, der Mörder, Freund von Misrael
Traslan, noch ein Freund aus dem Wüstendorf
Edira, die Mutter von Al-Afran
Simon, alter Wächter der Burg Muira.
CARDIN, Kürzel für „Bewaffnetes Kommando zur Wiedererlangung der nationalen Würde“ -- „Comando Armado para la Recuperación de la Dignidad Nacional - so nennen sich die Rebbellen der Widerstandsbewegung
Bundesnachrichtendienst
Punira der Fahrer, dem Ludwig den Jeep stahl
Bandras, der Essenträger
Lotarán der grausame, hochdekorierte Leiter und Coronel der Sonderabteilung Resozialisierung
Ubitugaias, „Hauptstadt“/Organisationszentrum -OZder Rebellenbewegung des Cardin in den Bergen.
<Belami> Name des Containerfrachters
Bakur Kutscher mit Eselskarre
Versorger B1 Karre mit Esel, Versorger für Cardin
Lauro Sokrato, der Yachtinhaber und enteigneter Presse- und TV-Sender-Besitzer
Cofan, Aliasname zuständig für Seeoperationen
Meras Tantos - Stammesbezeichnung mit Clanführer Adaras an der Spitze
Pastran Essensträger für Gefangenen
Ruby Casales - Platzkommandant
Sie sind Clanmitglieder und stammen aus einem wüstenähnlichen Gebiet mit viel Tradition und noch mehr Rückständigkeit.
Sie haben sich als Cousins in der Militärhierarchie - nicht so weit nach oben - mehr nach vorne intrigiert.
Sie putschen sich an die Staatsspitze.
Bald schon denken sie vorrangig an die eigene Bereicherung. Und setzen so eine gepflegte Tradition, aber mit mehr krimineller Energie, fort. Ihren Herkunftsort und den eigenen Clan benutzen sie bald, um mit Entführungen ausländischer Touristen Geld zu erpressen. Fanatische Islamisten kochen ihr eigenes Süppchen.
Die Staatsorganisation versinkt in Gewalt, Folterungen und geheimen Hinrichtungen. Furchtbarer Staatsterror entsteht.
Bis dann ihre Methode bei einem deutschen Touristenpaar versagt. Sie verlieren die Kontrolle und die Clanmitglieder ihr Vertrauen.
Der Clanchef selbst organisiert einen Widerstand.
Der Showdown.
„Das Auswärtige Amt in Berlin hat geantwortet. Die politische Lage in dem Land sei allgemein instabil. In der Hauptstadt sei man aber relativ sicher. Der Westteil des Landes sei aber wegen der dort immer wieder aktiven Widerstandsbewegung CARDIN ausgenommen und für den Tourismus gesperrt. Die Regierung bezeichnet die sogenannte Bewegung als Terrororganisation. Für den Norden und Süden gäbe es einige Einschränkungen für Touristen. Der Osten könne gefahrlos besucht werden. Über Entführungen oder Überfälle sei bisher nichts bekannt geworden. Vor jedem Besuch einer Provinz möge man aber in einer Polizeidienststelle wegen der aktuellen Sicherheitslage vorsprechen und sich informieren lassen.“
„Dann machen wir eben nach Osten. Dort sind doch die beschriebenen Altertümer, die wirklichen Sehenswürdigkeiten.“
„Ich bin der gleichen Meinung, Elfriede. Den Westen sparen wir uns. Unter den angesagten Umständen haben wir offenbar dort nichts zu suchen.“
„Trotzdem wird es nicht schaden, wenn wir vor einem Trip in die Prärie bei der Polizei nachfragen.“
„Gut, machen wir!“
„Und in einem solchen Fall gehen wir nicht zum Schmittchen sondern gleich zum Schmitt. Wir fragen nicht so irgendeinen gelangweilten Sesselfurzer. Wir verlangen einen möglichst hohen Rang.“
„Also, so wie ich sehe, könnten wir die Planungen für diese Reise weiter voranbringen.“
„War das eine Frage, Ludwig?“
„Ach, ich dachte eigentlich schon an Recherchen im Internet. Was hältst Du davon?“
„Alles klar. Du weißt ja, ich stehe Gewehr bei Fuß. Übrigens grüß Lotte von mir.“
„Das, äh, das finde ich keine so tolle Idee. Sie ist auf der Arbeit und würde sich sicher fragen, was wir in ihrer Abwesenheit zusammen am Telefon zu quatschen hatten. Du kennst sie als Freundin doch gut genug, um zu wissen, dass es dann so - äh, ich würde sagen, so ein paar äh ... peinliche ... “
„Du hast Recht. Am Ende fliegen unsere Beziehungen auf.“
„Unsere besonderen Beziehungen.“
„Unsere sehr besonderen Beziehungen.“
Beide grinsten dabei in einer ganz besonderen Art ihr Handy an. Es war eine spontane Reaktion. Keiner konnte den anderen sehen. Aber beide reagierten gleich. Bei einem Liebespaar ist das eben so.
Das Auswärtige Amt hatte bei seiner Information noch einen Anhang. Es gab eine allgemeine Standardversion zur politischen Lage. Ergänzend dazu informierte es, dass sich westlich der Hauptstadt in der Bergregion eine militärisch organisierte Widerstandsgruppe festgesetzt habe. Sie agiere nun auch mit Waffengewalt gegen die offizielle Regierung. Es gibt Geiselnahmen, Hinrichtungen, Erpressungen, Überfälle und Sprengstoffanschläge. Bis vor ein paar Jahren seien auch ausländische Touristen Opfer geworden. Mittlerweile habe das Militär ein striktes Reiseverbot für diesen Landesteil verhängt. Dies nach den neuesten Informationen des Militärs.
Zu den Unruhen sei folgendes zu vermerken:
<Vor gut fünf Jahren hat es einen Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Regierung gegeben.> Sie hatten das Wörtchen „demokratisch“ in Anführungszeichen gesetzt. <Als Begründung nannten die Putschisten Korruption, Miss- und Vetternwirtschaft, Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, Zerfall der Moral usw.> Das übliche undsoweiter.
Der Oberputschist, sein Name sei Odra, habe sich als Präsident inthronisiert. Er stamme, wie sein Stellvertreter und oberster Sicherheits- und Polizeichef, aus einem sehr bescheidenen Dorf im Osten des Landes. Käme aus kleinsten Verhältnissen.
Die seit drei Jahren in der westlichen Bergregion aktive Widerstandsgruppe habe mittlerweile ihre Position gefestigt und präsentiert sich gut organisiert. Es scheint an finanziellen Mitteln nicht zu fehlen. Ihr erklärtes Ziel: Sturz der Militärdiktatur und Abhaltung von freien Wahlen sowie Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung.
Die Widerstandgruppe bezeichnet sich CARDIN, Kürzel für: Comando Armado para la Recuperación de la Dignidad Nacional - <Bewaffnetes Kommando für die Wiederherstellung der nationalen Würde.>
Die Bewegung sei zunächst subversiv tätig gewesen.
Dann seien sie mehr und mehr bewaffnet gegen die Sicherheitskräfte, auch gegen Regierungsmitglieder und öffentliche Einrichtungen direkt aktiv vorgegangen. Ihr Wirken verstärke sich von Jahr zu Jahr. Ausländische, interessierte Kräfte sollen bei der Logistik und Ausstattung mitwirken - so jedenfalls beschreiben es offizielle Regierungsstellen.
Bisher sei die Bekämpfung dieser, anerkanntermaßen straff organisierten Rebellen, recht wirkungslos verlaufen.
Die Staatsführung erhielt bisher beachtliche Summen an Hilfsgeldern aus der Deutschen Entwicklungshilfe, die aber leider ziemlich wirkungslos, meist in dunklen Kanälen verschwunden seien.
Das Land verfüge über Rohstoffvorkommen, die aber zum Teil im Westen des Landes lägen und zurzeit nicht abgebaut werden könnten. Es gäbe beachtliche Reserven an Bodenschätzen, besonders jene, die man als sehr begehrte „Seltene Erden“ bezeichne.
Der begonnene Bau eines großen Wasserkraftwerkes, finanziert von Deutschen Banken, musste wegen der prekären Sicherheitslage eingestellt werden.
Mit religiösem Fanatismus müsse außerhalb der Hauptstadt gerechnet werden. In der Hauptstadt selbst soll es in den letzten Jahren keine größeren Zusammenstöße mit religiösem oder ethnischem Hintergrund mehr gegeben haben.
Es folgten dann Angaben zum Bruttosozialprodukt, Zahlenangaben über Ein- und Ausfuhren, über die Leistungsfähigkeit von Schulen und Hochschulen, über das Klima und die jährliche Niederschlagsmenge. Für die Geografie und die klimatischen Verhältnisse gäbe es eine markante Zweiteilung. Im Osten sei das Land flach bis hügelig. Erst im Norden gäbe es höhere Berge, die weitgehend unzugänglich seien. Im südlichen Teil sei das Land mehr flach. Diese mehrheitlich wüstenähnlichen Gebiete litten immer wieder unter extremen Trockenperioden. Eine Landwirtschaft sei aufwändig, teilweise archaisch und nur bei entsprechender Bewässerung zu betreiben.
Die westlichen Regionen seien bergig, mit Gipfeln bis nahezu 4000 Metern. In Hochtälern sei das Land sehr fruchtbar. Es gäbe dort auch ausreichend Niederschläge.
Klimatisch sei es in den östlichen Trockenzonen im Sommer tagsüber sehr heiß, mit Temperaturen von 40 und auch bis 45 Grad Celsius. Im Winter werden immer noch im Durchschnitt bis 24 Grad erreicht. Die Nachttemperaturen seien dagegen recht angenehm und im Sommer selten unter 25 Grad, im Winter bei ca. 15 Grad.
Zu den Nachbarstaaten bestehen nicht ganz spannungsfreie Beziehungen.
Besonders angespannt sei die Lage zuweilen mit dem westlichen Nachbarn, der es, den Beschuldigungen der Militärregierung zufolge, an der gemeinsamen Grenze mit der Bewachung nicht sehr ernst meine. Mehrere Zusammenkünfte der Regierungschefs hatten bisher an dieser Situation nichts Wesentliches geändert.
Fazit für Reisewillige in dieses Land: Die Hauptstadt ist bedingt sicher. Kleinere Städte seien zu meiden. Reisen in den Ostteil des Landes sollten, wegen der undurchsichtigen Sicherheitslage unterbleiben, da dort für keinen ausreichenden Schutz gesorgt werden könne. Es sei zwar in den letzten Jahren kein Zwischenfall mit Personenschaden bekannt geworden. Inoffiziell weise man aber darauf hin, dass in absehbarer Zeit die sogenannten Rebellen auch dort aktiver werden würden, mit Übergriffen zu rechnen sei. So Informationen aus Regierungskreisen.
Es müsse somit mit Extremtaten gerechnet werden. Entführungen und Geiselnahmen gehörten zum Repertoire der Extremisten und könnten nicht mehr ganz ausgeschlossen werden.
Über Bordlautsprecher kam in bekannt miserabler Tonqualität die Ansage, dass man den Sinkflug auf den Internationalen Flughafen der Hauptstadt eingeleitet habe. Man werde pünktlich landen.
Elfriede stellte sich in die Reihe derer, die noch schnell ihren Termin auf der Toilette wahrnehmen wollten. Sie selbst wollte sich, auch was ihre Kleidung betraf, erleichtern, dem zu erwartenden Klima und Temperaturen anpassen.
Ludwig sah sie nach ihrem Wiedererscheinen etwas kritisch an.
Elfriede wusste auch ohne ausgesprochene Frage die Antwort: „Du hast doch recherchiert. Es soll doch heiß sein. Und jetzt um die Mittagszeit erst recht. Habe ich Recht?“
Ludwig zuckte mit den Schultern.
Nach einer Weile des Schweigens raffte er sich doch noch zu einem Kommentar auf: „Die sehen so viel Haut bei Frauen angeblich nicht gern. Auch das habe ich recherchiert.“
„So langsam sollten sie aber im Heute und Jetzt ankommen. Ich helfe ihnen da ein wenig auf die Sprünge. So gesehen leiste ich doch etwas Entwicklungshilfe.“ Ludwig gab auf diesen Einlass keine Antwort mehr.
Er sah aus dem Fenster und sah Palmenhaine. Diese Welt war eben etwas anders.
Als sie vor ihrem Hotel aus dem Taxi kletterten, „übrigens ein altersschwaches und andauernd dreidimensional klapperndes Gefährt“, kommentierte Elfriede, dass sie direkt neben dem Postamt residierten. War das wieder ein Omen? Ihr Hotel, das <Majestic>, war ein alter, aber angeblich ehrwürdiger Kasten. Schon die Stufen bis zum Eingang waren „altehrwürdig“ ausgetreten.
Vom Eingangsbereich zu den oberen Stockwerken gab es keinen Aufzug. Dafür eine mindestens drei Meter breite, knarrende Holztreppe. Ihr Zimmer befand sich im zweiten Obergeschoß. Um ihr Gepäck kümmerten sich zwei nichtmilitärisch Uniformierte.
Ludwig und Elfriede schwitzten auch ohne Gepäck, obwohl sie nur ihr eigenes Gewicht nach oben zu schaffen hatten. Irgendwie waren die Stufen außergewöhnlich hoch. Das war besonders anstrengend.
Ihr Zimmer war groß, die Decke sehr weit oben und offensichtlich in einem heimischen Stil möbliert.
Oben, unter der stuckverzierten Decke, hing ein gewaltiger dreiflügliger Ventilator. Er drehte sich bedächtig und verteilte die warme Luft möglichst gleichmäßig in den oberen Regionen des Zimmers.
„Ja, doch, ich glaube, da lässt es sich aushalten.“
Dieser Kommentar Elfriedes war etwas voreilig. Sie revidierte ihn, nachdem sie das Badezimmer aufgesucht hatte und sich eine Dusche gönnen wollte. Ein riesiger Duschkopf, beinahe in der Größe ihres Kopfes, versprach fast unendlich mehr, als er halten konnte. Das ausströmende Wasser - stopp, das ist verkehrt, es strömte nämlich gar nichts. Denn, mal tröpfelte es, dann versiegte es und es gluckste in geheimnisvollen Leitungen hinter den malerischen Fliesen. Dann kam wieder ein schwacher Strahl, der wahrscheinlich hoffnungsfroh stimmen sollte.
Kaum hatte Elfriede den Mut gefasst sich einzuseifen, war es vorbei. Sie stand dann noch ein paar Minuten, betete, flehte, bettelte um wenigstens ein bisschen Wasser. Es kamen dann tatsächlich noch ein paar Tropfen, allerdings unappetitlich rostbraun.
So rieb sie sich - Seife hin, Seife her - mit dem Badetuch ab. Sie roch jetzt nach Lavendel.
Diesen Geruch mochte Ludwig am liebsten. Vielleicht war es ja ein Wink des Schicksals. Wieder einmal.
Ludwig stand an einem Fenster, das eigentlich gar keines war und schaute durch die außen angebrachten, kunstvoll geschnitzten Verzierungen. Eigentümlicherweise kamen die Verkehrsgeräusche hinter diesem Verschlag recht gut gedämpft hier oben an.
Wie Elfriede ihren Ludwig so als Schattenriss gegen das vielfach aufgesplitterte Licht sah, verspürte sie jetzt doch eine Lust auf Leben. Sie war schon soweit sich ungeduldig und mehr kritisch ungehalten über den Duschvorfall zu äußern, hatte aber dann doch eine bessere Idee. Sie schlüpfte in ein paar Stückchen Reizwäsche, eigentlich nur etwas mehr als nichts. Außerdem auch etwas gewagt - in ihrem Alter - aber nur etwas. Zudem gibt es bei solchen Gelegenheiten bekanntermaßen Raum für mancherlei Interpretationen.
Allerdings, das musste man ihr auch zugestehen, ihre Brüste machten noch etwas her. Sie waren immer noch recht voll da. Von Hängepartien nichts zu sehen und zu bereden. So gesehen wusste sie schon um ihre Anziehungskraft. Offenbar konnte sie die andere Anziehungskraft, die von Mutter Erde, bislang erfolgreich austricksen. Die Brustformen war dieser bisher noch nicht gefolgt.
Sie näherte sich ihrem Freund von hinten. Ludwig mochte den Lavendelgeruch wahrgenommen haben und drehte sich um.
<Sie kamen sich näher>, hätte ein unbedarfter Zuschauer notiert.
Ludwig schloss die Glastüren der Fenster. Jetzt war absolute Stille eingekehrt. Ganz nach dem Geschmack der beiden Liebenden.
Der Ventilator brummte ein bisschen aber kaum vernehmlich, meldete sich aber nach jeder Umdrehung mit einem leisen Klack.
„Steiler Zahn“, bemerkte Ludwig kaum hörbar.
„Geiler Hahn“, hauchte Elfriede.
Jedes Kleidungsstück war für die spontane Planung der beiden ein Hindernis. So hatten die Reizstücke Elfriedes bereits nach einer guten Minute bis hierher ihren Zweck erfüllt. Sie kamen irgendwie ungeordnet zwischen die paar Klamotten von Ludwig zu liegen.
Es herrschte weiter Stille. Nur das leise Klack .... Klack .... Klack - war zu hören.
Dann zwischendurch ein rhythmisches platsch - platsch - platsch.
Elfriedes Orgasmus verlief geräuschlos, stumm. War aber echt. Nicht vorgetäuscht. Wie es in letzter Zeit doch öfter einmal vorkam.
Immer noch das leise Klack .... Klack ....
Dann: „Hast Du es jemals bereut?“
„Was meinst Du damit?“
„Ach, ich meine nur - so.“
„Und Du?“
„Was meinst Du damit?“
„Nun, was soll ich dazu meinen?“
Stille.
„Ich meine, wir sind doch frühpensioniert.“
„Und, was willst Du damit sagen?“
„Es ist mir nur so....“
Stille.
„Sag mal, warum hast Du niemals geheiratet? An Kandidaten hat es doch nicht gemangelt.“
„Ich habe doch einen Mann, wenn Du das meinst. Ich bin doch so gut wie verheiratet. Mit Dir.“
Stille.
Dann hörten sie im Bad Wasser plätschern. Offenbar hatte es sich die Dusche anders überlegt und zeigte sich jetzt freigiebig.
„Aber da ist doch Lotte ... ich meine...“
„Gut, Lotte ist meine beste Freundin. Wir haben uns immer gut verstanden.“
„Meinst Du damit, dass Ihr Euch einig wart. Ich heirate Lotte, aber ... Hör mal, da kommt mir ein Gedanke. Habt Ihr Lose gezogen, wer mich offiziell ...?“
„Lotte bekam den Zuschlag.“
„Wie? Den Zuschlag?“
„Nun Lotte hat Dich geheiratet ... oder Du sie, wie Du willst, es kommt auf das Gleiche heraus.“
„Ja, aber sehnst Du Dich nicht manchmal nach einem Mann im Haus ... äh ... im Bett?“
„Ich kann mich nur wiederholen. Ich habe doch einen.“
„Ich bin aber doch nicht immer - ich meine ... verfügbar. Bei Dir ...“
„Und? Meinst Du, dass das ein Nachteil wäre?“
„Nur so, es könnte doch sein.“
„Mein Lieber. Wie oft haben wir uns gestritten?“
„Soweit ich mich erinnern kann ... eigentlich nie.“
„Und wie oft hast Du Dich mit Lotte gestritten?“
„Nun da sind schon manchmal Funken geflogen.“
„Na siehst Du. Da hätten wir also einen wichtigen Grund glücklich verliebt zu sein.... und - äh, verliebt zu bleiben.“
„Aber Du hättest, ich meine, da wäre doch manchmal ein Mann in Deiner Nähe etwas ...“
„Mein Geliebter. Mit der Entfernung wächst die Zuneigung oder sie ist beständiger. Hast Du das schon einmal bedacht?“
„Aber das ist doch eine Konfliktsituation. Lotte ... und Du ... und..“
„Weiter. Was meinst Du damit?“
„Ich meine, dass wir eine Familie sind. Ich gehe fremd und ...“
„Und was? Lotte kann es doch zufrieden sein. In Wirklichkeit gehst Du ja nicht fremd, sondern zu ihrer besten Freundin. Und wie kannst Du mit dem Gedanken umgehen, dass damit beide zufrieden sind?“
„Meinst Du damit, dass Lotte Bescheid weiß .... Mit uns?“
„Glaubst Du sie ist blind? Oder taub oder ignorant oder stumm oder ...“
„Das ist keine Antwort auf meine Frage.“
„Siehst Du, das ist auch so ein Vorteil nicht verheiratet zu sein. Ich schulde Dir keine präzise oder erschöpfende Antwort.“
Stille. Das Plätschern im Bad hatte wieder aufgehört.
„Wir haben doch so lange, oftmals Seite an Seite bei der Post gearbeitet und ...“
„... und haben gemeinsam beschlossen von dem Angebot einer Frühverrentung Gebrauch zu machen. Und fassten das Ziel ins Auge, noch etwas aus unserem Leben zu machen. Lotte arbeitet noch, das ist doch gut so. Oder?“
Stille - eine lange Stille.
Dann plötzlich: „Und Du hast keinen Mann im Haus vermisst. Mich zum Beispiel?“
„Ludwig, denk doch einmal nach. Ich brauche keinem Mann Essen zu machen, ich brauche seine Kleider nicht zu waschen, ich brauche niemanden zu trösten und zu bedauern, wenn er Schnupfen oder ein anderes Wehwehchen hat, ich brauche mich nicht zu ärgern, wenn Du nach Alkohol stinkst oder zu spät nach Hause kommst, ich brauche mir keine Gedanken zu machen darüber ob er jetzt fremd geht oder nicht, ich ...“
„Iss ja gut!“
„Schön. Jetzt hast Du es begriffen. Das alles hat Lotte auf sich genommen. Wer hat nun das leichtere Los?“
„Also habt Ihr einen Deal gemacht? Ich bin verlost worden. Zugelost worden.“
„Oh mein Gott, so würde ich es nicht nennen.“
Stille.
„Ich glaube, ich gehe jetzt erst einmal duschen.“
„Viel Glück. Bei mir hat nicht einmal beten genutzt. Es kam einfach kein Wasser.“
Elfriede kleidete sich fürs Erste noch nicht. Es könnte ja sein, dass - nun ja, auch sie verabscheute keinesfalls Lavendelgeruch.
Doch dann hörte sie es platschen.
Hat der wieder ein Glück. „Darf ich auch kommen?“
Während des Abendessens planten sie für die nächsten Tage.
Sie hatten sich vorgenommen die Festung Ba-Aris aufzusuchen. Sie soll gewaltig sein. Sie lokalisierten sie in Richtung Ostnordost in einer wüstenähnlichen Gegend. Die Entfernung war schlecht abzuschätzen. Dazu hatten sie nicht genügend vertrauensvolle Unterlagen. Sie konnte genauso gut 180 oder auch 300 km und mehr entfernt sein. Aber das war genau nach ihrem Geschmack. Solche Touren liebten beide. Das Unbekannte, das abenteuerliche.
Zuallererst wollten sie zur Polizei. Sie brauchten Auskunft, ob diese Gegend dort auch sicher ist. Und sie versprachen sich wieder einmal, nicht irgendeinem uniformierten Heini zu glauben. Sie wollten einen hohen Rang, einen möglichst verantwortungsvollen Offizier ansprechen. Ob es so etwas hier geben würde?
Sie ließen sich den Weg zum Polizeihauptquartier am Hotelempfang beschreiben.
Es war windstill und die Hitze schien sich, zusammen mit den stinkenden Autoabgasen der abgetakelten Fahrzeuge, in den schmalen Gassen festgesetzt zu haben. Die Gase von heute, die Gase von gestern und vorgestern. Und auch die von morgen würden hier ihre dauerhafte Heimstatt haben.
Es gab an einigen kleineren Plätzen Palmen und anderes Gewächs. Aber alle glänzten nicht mit frischem Grün. Alle Farben sahen so stumpf aus, so wie viele der Fenster, besonders jene, bei denen die Besitzer oder Ladeninhaber nicht mehr vor Ort waren. Die Gründe konnten Ludwig und Elfriede nur ahnen.
Es waren nicht gerade viel Touristen unterwegs.
Dann waren sie es leid immer wieder von Passanten angerempelt zu werden. Viele von denen sahen aus, als würden sie wie in Trance wandeln. Alkoholisiert oder bekifft.
Sie nahmen sich ein Taxi.
Vor einem pompösen Gebäude auf einem parkähnlichen Gelände wurden sie abgesetzt. Außer der Angabe „Polizeipräsidium“ hatten sie mit dem Fahrer kein Wort gewechselt. Sie gingen davon aus, dass er kein Wort ausländisch sprach. Dass der Fahrer aber mehr aus Vorsicht kein Wort sprechen wollte, konnten die beiden Touristen nicht ahnen. In ihm blinkten alle Warnlampen, als er das Ziel erfuhr. Polizeipräsidium, da war man besser still. Somit konnte man auch nichts verkehrt machen.
Seltsamerweise hatte er seine Passagiere in einiger Entfernung zum riesigen schmiedeeisernen, schwarzen Tor, mit vergoldeten Spitzen, abgesetzt.
Wortlos nahm er die Bezahlung an und als der Mann das Wechselgeld zurückwies, und abwinkte, blieb er ebenfalls noch stumm. Mein Gott, was hatten wohl die letzten Jahre des Terrors und des Gegenterrors alles mit den Menschen in dieser Stadt gemacht?
Wie viele in dieser Stadt war er ein Sympathisant des CARDIN, des bewaffneten Kommandos für die Wiedererlangung der Nationalen Würde. Mit seiner Vorsicht und dem Benehmen befolgte er strikt die Anweisungen aus den Bergen - wie man allgemein zu sagen pflegte. „Unauffällig bleiben“, das war seine oberste Pflicht.
Ludwig und Elfriede bemerkten erst jetzt, dass sie relativ weit weg vom Haupttor der hohen schmiedeeisernen Einfriedung abgesetzt worden waren. Wenn er das vorher bemerkt hätte, hätte Ludwig kein Trinkgeld angeboten.
Sie gingen an einem runden, in die Eisenstruktur des vielleicht vier Meter hohen Gitters integrierten, dunkelgrün angemalten Betontürmchen vorbei. Die Konstruktion ragte gut einen halben Meter auf den hier breiten Fußgängerweg hinaus. Darüber wölbte sich eine Platane. Man sah auch ihr an, dass sie schon lange keine Blattwäsche in Form von Regen abbekommen hatte.
Erst als sie fast davorstanden, bemerkten sie zwei Öffnungen, die wie Schießscharten in beide Richtungen des Gehweges zeigten.
Dieser Anblick amüsierte sie nicht wirklich.
Hinter dem rechten schmiedeeisernen Torflügel befand sich ein kleines Häuschen, so etwas wie eine Minibaracke, ganz und gar in rot-weißen Streifen angemalt.
An jeder Torseite stand ein martialisch bewaffneter Uniformierter mit Stahlhelm und gefleckter Tarnmontur. Sie hatten beide eine schwere Kalaschnikow schussbereit im Anschlag. Am Gürtel waren jeweils drei Eierhandgranaten eingehängt. Weitere Magazine mit Munition oder anderem Leben vernichtendem Zauber waren sichtbar. Ebenfalls noch weiteres Zubehör, deren Sinn für die beiden Touristen nicht zu erkennen war. Beide hatten jetzt das Gefühl mitten in einem militärischen Sperrbezirk zu sein. Und beide dachten das Gleiche: Wenn sie jetzt umdrehen würden, um wieder zu gehen, schösse man ihnen wahrscheinlich eine Salve in den Rücken. Nur so als Präventivmaßnahme.
In der Mitte der Toreinfahrt stand ein anderer Uniformierter breitbeinig in der Öffnung. Er hatte links und rechts große Pistolen in Halftern. Ansonsten hatte er ein Gerät in der Hand, offenbar für Funkverbindungen.
Auf ihn steuerten sie zu. Er schaute an Ihnen vorbei. Seltsam, das spürten beide.
Ludwig hatte noch keine drei Worte herausgebracht, als der Typ mit einer Stimme wie aus einem überdrehten Lautsprecher brüllte - etwas brüllte, das sie nicht verstanden. Sie konnten nicht einmal unterscheiden, ob der Typ zwei, drei, vier oder mehr Worte herausgeschleudert hatte.
Aus der Minibaracke kam ein anderer herausgeschossen und steuerte mit einem bitterbösen Blick auf die beiden Touristen zu. Als er sie als solche identifiziert hatte, entspannte sich sein Gesichtsausdruck. Hier und von ihnen ging sicher keine Gefahr aus.
„Anglish?“
Es klang nach Frage.
Ludwig nickte und sagte „bisschen.“
Er verstand, dass der Mann nach ihrem Begehren fragte.
„Wir Touristen - wir reisen wollen - wir brauchen Information - Securitysituation - auf ...“ er schaute jetzt seine Begleiterin an und fragte auf Deutsch „wie heißt nun doch <flaches Land> auf Englisch?“
Hatte der Kerl jetzt auch deutsch verstanden? Jedenfalls sagte er in relativ flüssigem Englisch, aber mit einem bösartigen Akzent, dass sie wohl eine Auskunft haben wollten über die Sicherheit in der Provinz.
Beide Touristen nickten eifrig und glücklich, dass sie verstanden worden waren.
Wo sie denn hinzureisen gedächten?
„Osten - Eastern Land - eine Burg besuchen. Wir wollen Chef sprechen.“
„Chef ist beschäftigt. Ich kann alles sagen was zu sagen ist. Dort gibt es keine Probleme.“
„Nein, nein, nicht hier - wir in Büro.“
Das hatte der Polizist bisher offenbar noch nicht erlebt. Seine Augenbrauen zogen sich in Richtung Haaransatz, er machte einen halben Schritt zurück. Kurz zog er die Möglichkeit in Betracht, dass die beiden doch Terroristen sein könnten. Er schaute an ihnen herunter bis auf die Füße. Nein, nein, das hätte er gesehen, wenn die bewaffnet gewesen wären und einen Sprengstoffgürtel trügen.
Bei dieser spärlichen Bekleidung, bei den Turnschuhen, bei diesen lächerlichen Kopfbedeckungen - nein die hatten nichts versteckt. Das Weib übertrieb ein wenig, wie sie ihre Brüste wie ein Erkennungszeichen oder Weckruf halbnackt vor sich hertrug. Ach, scheiß drauf, es würde sich lohnen, wenn die Kollegen im Hauptquartier ebenfalls diesen genüsslichen Anblick erleben konnten.
Es dauerte noch ein paar weitere Schrecksekunden, bis er sich plötzlich halb drehte und sagte: „Bitte folgen Sie mir.“
So marschierten sie die etwa zwanzig Meter bis zu den breiten Treppen des Prachtbaus.
Der Schnösel nahm wieder seine breitbeinige Position in der Tormitte ein. Die beiden Bewaffneten taten so als hätten sie nichts gesehen.
In dem Prachtbau, an der zweiten Tür rechts machte der Begleiter halt, öffnete sie und bat gentelmenlike doch einzutreten, bitte schön.
Vor ihnen kam jetzt auf einer breiten Treppe ein kleiner Pulk von unterschiedlich Uniformierten herunter. Ihr Begleiter schlug geräuschvoll die Hacken zusammen. Seine Hand schnellte zur Begrüßung an den Rand seiner reichlich verzierten Schirmmütze. Der Erste, nicht sehr groß, keinesfalls eine Imponiergestalt, mit einem breiten Schnauzbart und langen Koteletten, war auf der untersten Stufe angekommen. Etwas überrascht schaute er auf Ludwig und Elfriede, die noch nicht der Aufforderung einzutreten gefolgt waren.
Dann ratterte ihr Begleitoffizier etwas herunter. Es hörte sich an als wollte er den Weltrekord im lauten und Schnellsprechen gleichermaßen brechen.
Die Begleitpersonen um den Schnauzbärtigen hatten sich aufgefächert, jeder hatte eine Hand an der seitlich hängenden Waffe. Einer schien Linkshänder, bemerkte Elfriede.
Jetzt lächelte der etwas zu kurz geratene Häuptling, um einen solchen schien es sich zu drehen.
Wieder redete der Begleitoffizier. Die Begleiter des Bosses entspannten sich keineswegs.
Dann kam unter dem Schnauzbart ein Buchstabenbrei hervor. Und er setzte ein breites Grinsen auf.
Wieder schnellte die Hand des Begleitoffiziers nach oben, etwas bemerkte er noch.
Die Burschen ringsum entspannten sich merklich.
Der Oberboss schritt jetzt zügig in Richtung Ludwigs und Elfriedes. Er steckte seine Hand aus. Zuerst in Richtung Ludwigs und er schüttelte sie kurz, dann waren seine Augen auch schon auf Elfriede gerichtet.
Auch ihre Hände fanden sich - wohlwollend gestattete sich der Häuptling einen längeren Blick in die Offenherzigkeit Elfriedes. Und er sprach in Englisch: „Sie wollen also in den Osten meines Landes. Ach, ich bin der Polizeichef, entschuldigen Sie bitte, ich habe ganz vergessen mich vorzustellen.“
Er hielt immer noch die Hand Elfriedes, grinste breit und heftete wieder seinen Blick auf das Weiblichste, was Elfriede in aller Öffentlichkeit noch zu bieten wagen konnte.
Ludwig sagte: „Zur Festung Ba-Aris. Kulturgut. Sehr interessant. Wir deutsch.“
Jetzt schaute dieser Machtmensch doch tatsächlich auf Ludwig. In Ludwigs Augen. Sonst hatte er ja auch nichts Attraktives anzubieten, etwas, das diesen Herrn vordergründig interessieren konnte.
„Aber Sie sind herzlich eingeladen“, sagte er nach einer kleinen Weile, so als wäre ihm ein Licht aufgegangen, „besuchen Sie mein Vaterland. Sie haben nichts zu befürchten. Es gibt nur böse Propaganda, aber keine bösen Menschen. Besonders nicht in dieser Region. Nein, dort haben Sie nichts zu befürchten. Nicht wahr?“
Er schaute sich kurz um zu seinen Begleitern und dann noch schnell zu dem Begleitoffizier. Alle nickten eifrig. Offenbar sprachen und verstanden sie alle englisch. Oder sie hatten gelernt, dass man im Beisein ihres Chefs niemals den Kopf schütteln durfte.
Die Augen des Häuptlings ergötzten sich noch einmal an dem, zumindest für diesen Platz, ungewöhnlich tiefen Ausschnitt.
„Wann soll es losgehen?“
„Morgen - tomorrau - Morgen!“
„Ja, dann wünsche ich Ihnen viel Glück. Ich freue mich, dass Sie unser Land besuchen und ich hoffe, dass es Ihnen gefallen wird.“
Elfriede und Ludwig bedankten sich ehrpusselig.
Nach einem weiteren Händedruck verschwand die Truppe hinter der großen Treppe. Der Begleitoffizier stand immer noch da, mit an den Mützenrand gelegter flacher Hand.
Dann entspannte er sich merklich, schaute schließlich in Richtung der beiden Touristen. „Da haben Sie aber Glück gehabt.“ Und mit einer fast bebenden Stimme ergänzte er noch: „Das war der Herr Polizeipräsident persönlich. Unser Chef und Innen- und Sicherheitsminister.“
Ludwig und Elfriede schauten sich überrascht an. Sie hatten sich also doch nicht verhört, als sich dieser Mensch vorstellte.
Der Begleiter bat um Rückmarsch, Richtung Ausgang. Kurz vor dem Gebäudeausgang stellte er sich noch einmal quer und sprach: „Sie sollten noch wissen, dass unser Polizeipräsident aus der Gegend um die Festung Ba-Aris stammt. Ebenso, wie unser Staatspräsident. Sie sind Cousins. Wir sind alle stolz auf sie. Sie leisten Großes für unser Land.“
Dann setzte er seinen Marsch vor den verblüfften Touristen fort, die Treppe hinunter auf die breite Anfahrt.
Diese beiden Touristen wunderten sich, dass vor dem Gebäude selbst keine Fahrzeuge standen.
Dann bat sie der Begleiter auf die Seite. Gleich darauf erschien, um die Ecke kommend, ein Wagen nach dem anderen. Ein ganzer Konvoi fuhr an ihnen vorbei. Ob der Präsident drinnen war und ob er vielleicht doch noch einen Blick auf den Ausschnitt Elfriedes richtete, konnten sie nicht sehen. Die Scheiben waren alle, rund um die Fahrzeuge, dunkel getönt.
Ludwig und Elfriede gingen schweigsam aber beglückt Hand in Hand zurück zum Hotel. Sie hatten weit mehr erreicht, als sie sich in ihren kühnsten Träumen vorstellen konnten. Ja, sie wollten die entscheidende Sicherheitsfrage an einen höheren Chargen stellen. Dass sie dann aber auch gleich vom höchsten Sicherheitsvertreter des Staates empfangen wurden, das konnten sie sich nicht in den schönsten Träumen vorstellen.
Dabei kam der noch aus der gleichen Gegend, die sie besuchen wollten. Und sogar auch der Staatspräsident. Konnte man eine größere Sicherheit für die Richtigkeit der Auskunft noch erhalten? Nein, das war das Größte.
Ihnen würde - ihnen konnte nichts zustoßen. Nicht unter diesen Vorzeichen. Sie hatten beide, als ehemalige Staatsangestellte, als Beamte ihres Staates, eine solch hohe Meinung der Staatsführung verinnerlicht, dass sie in diesem Moment bereit gewesen wären, um deren Staatsbürgerschaft nachzusuchen.
Sie fühlten sich happy.
Und Ludwig sagte es auch noch mehrmals, nämlich dass sie sich happy fühlen durften - und er sagte es auf Englisch. War es das?
Nach dem Mittagessen ließen sich Elfriede und Ludwig zu dem im Internet ausgewählten Autoverleih fahren. Ludwig hatte nach einem Jeep gefragt. Er hatte eine Bestätigung für einen offenen Land Rover bekommen. „Genau das Richtige.“
Nicht „genau das Richtige“, sondern genau das Gegenteil, befanden beide über die desolate Präsentation des Autovermieterempfangsbüros.
In einem kleinen Kabuff standen zwei altersschwache, wackelige Stühle, eindeutig aus einer heimischen Hinterzimmer-Produktion.
Eine junge Frau saß mit einem Kopftuch in weiß mit schwarzen Tupfern hinter einem Gestell. Es war mehr Tresen als Tisch. Sie bohrte ihre Blicke Richtung der Ankömmlinge, oder wie sie es empfand, in Richtung der Eindringlinge, die erkennbar ihren Frieden störten.
Sie schien in keiner Weise von der phänomenalen Unordnung, dem Durcheinander und der mangelnden Sauberkeit rundum beeindruckt zu sein. Dieser Zustand befand sich allerdings im krassen Gegensatz zu ihrer Erscheinung. Sie war nicht geschminkt und sie hatte nicht Makeup aufgelegt. Bestimmt hatte sie sich eine Maske von allerlei farbigen chemischen Substanzen auf die Gesichtshaut gelegt oder vielleicht auch geschmiert. Das alles allerdings nicht besonders gut verteilt. Das Ganze hätte als künstlerische Schöpfung durchgehen können und gar manchem Museum für moderne gestaltende Kunst alle Ehre gemacht. Und so dauerte es auch einen Moment, bis sie stumm auf die beiden Sitzgelegenheiten zeigte.
Ludwig wollte mit seinem englisch glänzen, doch die Statthalterin gebot ihm mit erhobener Hand Einhalt. Sie schaute jetzt wie prüfend von einem zum anderen, das heißt von Ludwig allgemein auf den Ausschnitt Elfriedes. Da verweilte ihr Blick für einen längeren Zeitabschnitt. In ihrem Gesicht zuckten die zuständigen Muskeln. Der Gesamtausdruck ihres Gesichtes wechselte, trotz der tiefreichenden Verspachtelungen klar erkennbar, von Überraschung bis zu verächtlich.
Eine Minute später schritt ein Mann in den Raum. Er kam durch eine Tür, die keiner von den Besuchern bisher bemerkt hatte.
In seinem stockenden englisch machte er sich bekannt als der, mit dem Ludwig per E-Mail korrespondiert hatte. Ja, er wolle ihnen den Jeep zeigen. Seine professionelle Höflichkeit wurde urplötzlich von einer keifenden Stimme des fast körperlosen, zumindest aber beinlosen Kunstwerkes von Weibsbild unterbrochen. Klar, sie als Kunden verstanden kein Wort. Doch der wie erschrocken wirkende Vermieter sprach Bände.
Nach nur einer kurzen Unterbrechung begann die Frau wieder in einer nervtötenden Tonart, mit einer erschreckend schrillen Stimme. Dabei machte sie mit beiden Händen eine Bewegung vor ihrer bis ans Kinn hoch geschlossenen Bluse. Dann schien sie die Hände nach unten, in Richtung ihrer mehr vermuteten, schwach wahrnehmbaren Brüste auszuschütteln. Jetzt verstanden auch Ludwig und Elfriede. Auch wenn sie nicht ein Wort des Gezeters korrekt übersetzen konnten. Die Dame störte sich an der Unzüchtigkeit Elfriedes. Ganz offensichtlich wollte sie diesem unmoralisch auftretenden Paar keines ihrer, vielleicht wirklich geweihten Fahrzeuge anvertrauen. Da stand offenbar ihre handfeste religiöse Überzeugung gegen den Geschäftssinn. Der auch Ludwig sowieso vom ersten Moment an unterentwickelt vorkam.
Etwas irritiert schaute der Mann zu den Besuchern, die ihrerseits ebenfalls keinen sicheren Eindruck mehr machten. Sie spürten jetzt mehr intensiv oder auch instinktiv, dass diese Szene ihnen galt.
Gerade setzte der Mann mit einer Bewegung seiner beiden Hände zu einem Gespräch an, als die „Dame“ wieder schrill auf sich aufmerksam machte. Und er stand da mit einem halb offenen Mund.
Noch einmal kamen, offenbar im Befehlston, einige spitze Töne, schon mehr Geschrei.
Der Mann hob wie hilflos beide Arme bis auf Schulterhöhe und ließ sie wie resigniert wieder sinken. Er schien die Frau etwas zu fragen. Diese zuckte mit den Schultern, so als wollte sie damit ausdrücken, dass es ihr scheißegal sei wie er sich aus dieser Situation zu befreien gedenke. So weit würde Ludwig jetzt schon auf die richtige Interpretation der Tonfolgen dieser Furie wetten.
Der Mann richtete sich wieder neu aus und betrachtete seine Besucher mit etwas müden Augen. Dann sagte er: „Es tut mir ehrlich leid, aber der Jeep ist anderweitig vergeben. Es tut mir leid. Es tut mir aufrichtig leid.“
Ludwig wusste nicht, ob er jetzt beleidigt oder erleichtert sein sollte. Auch Elfriede war unschlüssig.
Als dann plötzlich, wie aus heiterem Himmel das Gekeife wieder begann, standen beide Mietwillige wie von der sprichwörtlichen Tarantel gestochen auf und gingen davon. Nein, das ist nicht der richtige Ausdruck. Sie flüchteten.
Bald waren sie wieder im Hotel. Ludwig setzte sich noch einmal an den Laptop. Er konnte zuvor zwischen zwei Autovermietern auszuwählen und war ausgerechnet an den Verkehrten gelangt. Das sagte er so beiläufig in Richtung Elfriede. „Und wenn die alle so sind?“ Elfriede stand immer noch unter dem Eindruck des Erlebten.
„Wir versuchen es bei dem anderen.“
„Und wenn das wieder so ausgeht?“
„Sei mal nicht so pessimistisch. Nicht alle Menschen hier sind so engstirnig. Wir haben doch das leuchtende Beispiel des Polizeidirektors. Wenn nur alle so wären.“
Einerseits hätten sie sich dies nicht wünschen sollen, andererseits konnten sie noch nicht wissen, wohin sie das Schicksal spülen würde. Mit diesem Präsidenten und seinem Gehabe waren ihre Erkenntnisse über dieses Land mit seinen Leuten noch lange nicht erschöpft. Man tat also immer gut daran, <den Tag nicht vor dem Abend zu loben>.
Bei dem anderen Vermieter wurden sie in einem beinahe aufgeräumten und beinahe sauberen Büroraum empfangen. Man bot ihnen Kaffee an. Der Empfang fühlte sich an wie das krasse Gegenteil der anderen Vermietung. Das dachte sich Elfriede, wollte aber diesmal den Tag doch noch nicht vor dem Abend loben.
Ja, er konnte sogar zwei Jeep-Modelle anbieten.
Ludwig und Elfriede entschieden sich für den Land Rover, den offenen Land-Rover.
Sie mieteten auch ein Navigationsgerät. Zuallererst stellten sie es auf ihr Hotel ein.
Als sie sich dann in den Verkehr einreihten und entspannt auf die englischen Ansagen ihrer GPS-Begleiterin achteten, beobachteten beide etwas eingehender ihre Umgebung. Wieso hatten sie manch markante Erscheinungsform ihrer weiblichen Bewohner vorher nicht wahrgenommen? Sie sprachen kurz darüber und wunderten sich.
Sie sahen zum ersten Mal, wie die Frauen doch so lieblos gekleidet waren. So expressiv entgegen jeder Form weiblicher Anziehungskraft. Die Röcke reichten zwar durchschnittlich nicht bis zum Boden. Die Füße waren sogar zu sehen. Aber oben herum. „Mein Gott“, bemerkte Elfriede, „entweder sie sind alle schmalbrüstig, vorne so flach wie hinten, oder sie tragen so eine Art Büstenhalter, der die Form und das Volumen drastisch unterdrückt. Sie platt macht.“
„Lieblos“, kommentierte Ludwig.
„Und ihre Gangart, wie die reinsten Bauerntrampel.“
„Wenn Allah seine Frauen so sehen will, dann muss er einen schlechten Geschmack haben.“
„An guten Friseuren scheint hier auch Mangel zu herrschen.“
„Das ist ja trostlos. Aber wer braucht sie bei Kopftuchpflicht“, - war es so? - „einen Friseur?“ Mehr sprachen sie dann nicht mehr, bis zum Hotel.
Sie mussten jetzt noch die Reise organisieren. Sie rechneten mit zwei Tagen Abwesenheit, in der Wüste. Sicherheitshalber wollten sie sich mit Proviant und Wasser für drei Tage eindecken. Elfriede bestand dann darauf acht Fünfliterplastikkannen mit Mineralwasser mitzunehmen. Und vier Decken sollten es mindestens sein. Wer weiß wie kalt es trotz aller Statistiken in der Nacht werden kann.
Luftmatratzen würden sie nicht auftreiben können, aber eine Thermounterlage, das musste es sein.
Was die Verpflegung anbetraf, da hatte jeder so seine Ideen. Obst sollte es sein, Bananen wären gut, Konserven, Brot, Zucker, ganz wichtig Salz, Ölsardinen, ein paar Fackeln, eine Gaslampe.
„Und Werkzeuge?“
„Komm, wir wollen doch keine Ausgrabungen vornehmen.“
„Ich dachte mehr an die Möglichkeit einer Havarie unseres Fahrzeuges.“
„Erinnere mich daran, dass ich deswegen im Auto nachschaue.“
„Vergiss die Sonnenschutzcreme nicht.“
„Und wie ist es mit Kaffee?“
„Dann brauchen wir einen Campingkocher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir in der Gegend Brennholz auftreiben können.“
„Dann brauchen wir dazu auch Campinggeschirr. Diese Zusammenstellungen geben mir so langsam das Gefühl, dass es kein Abenteuerausflug werden kann. Wir werden mehr mit uns beschäftigt sein als mit dem, was wir uns ursprünglich erhofften. Sollten wir uns nicht bemühen schlicht eine Minimalausstattung zusammenzustellen? Für drei Tage?“
„Und das Wichtigste, nach dem Wasser natürlich. Benzin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da draußen ein einsamer Tankwart sitzt und wartet, bis wir einmal im Leben bei ihm vorbeischauen.“
Über Google Earth fanden sie die Koordinaten für Ba-Aris und gaben sie in das Navi-Gerät. Nach einer Weile des Rechnens kam eine Entfernungsangabe, die aber scheinbar, bevor es Ludwig mitbekam, sofort wieder kassiert wurde. Stattdessen kam eine Meldung, dass keine Entfernungsangabe möglich sei. Das Gerät blinkte in der unteren rechten Ecke nervös.
Gegen halb neun hatten sie an diesem neuen Tag offenbar die Stadtgrenze erreicht. Die letzten Kilometer waren für Auge und Gemüt eine echte Zumutung. Trostlose Hütten oder schlicht Behausungen, alle in Einheitsfarbe. Alle hoben sich farblich nicht von der blanken Mutter Erde ringsum ab.
Dann war die Straße von Polizei blockiert. Oder waren es Militärs? Alle sichtbaren Kerle steckten in gefleckten Tarnuniformen. Alle in einer durchschnittlichen Farbmischung, wie die armseligen Behausungen, die sie gerade hinter sich gelassen hatten.
Über genügend Fahrzeuge schienen sie ja zu verfügen. Ein gutes halbes Dutzend stand da ungeordnet, ohne die beiden gepanzerten Mannschaftswagen, mit besetztem Maschinengewehr, hinzuzurechnen.
Nach ersten Blicken eines streng dreinschauenden Typs auf ein Dokument Ludwigs, rief der etwas in Richtung einer Baracke, die bis auf den Eingang mit Stacheldraht eingekreist war. Auf dem Dach waren verschiedene Antennen installiert.
Gleich erschien dort ein Mann, der gegensätzlicher nicht gekleidet sein konnte. Er glänzte in einer Uniform, die man an anderer Stelle auch als Paradeuniform hätte bezeichnen können.
Er schien den Kontrolleur etwas zu fragen. Der antwortete knapp.
Ebenso knapp kam die Antwort des Oberwichtigen.
Ludwig bekam seine Unterlagen, die er gebündelt dem Kontrolleur hingereicht hatte, wieder zurück. Der selbst machte dann eine leicht angedeutete Verbeugung, schwang den rechten Arm aus und sagte etwas, das wie englisch klingen sollte und sicher bedeutete, dass sie sich davonmachen konnten - sollten oder durften. Die richtige Definition würde ein Geheimnis dieses bunt aufgeblasenen Wüstensohnes bleiben.
Das Navi-Gerät empfahl für die nächsten 76 Kilometer immer dieser Straße zu folgen.
Dass sie am Check-Point erwartet worden waren, davon hatten die beiden Touristen natürlich keine Ahnung. Auch davon nicht, was sie gerade in Gang gesetzt hatten.
Kaum war der Land Rover mit den beiden Ausländern außer Sichtweite, ließ sich der Anführer mit dem bunten Rock, mit der Polizeizentrale verbinden. Wichtigtuerisch gab er dem Hiwi auch noch ein Codewort.
Dann hieß es warten.
Schließlich kam eine Stimme aus dem Lautsprecher, man suche den Chef. Er sei nicht außer Haus, aber im Moment nicht erreichbar.
„Hurt mal wieder rum“, murmelte der Chef sehr leise unter seinem buschigen Schnurrbart.
Er wurde nochmals vertröstet, er möge bitte warten. Man bemühe sich. „Dann lass mal deine Finger im Arsch rumgehen sonst stecke ich dir sonst was rein“, brüllte der Chef.
Dann kam die Stimme des Polizeipräsidenten.
Der Chef sagte nur vier Worte: „Die Vögel sind ausgeflogen!“
„Danke“, kam es aus dem Lautsprecher. Es klackte, die Leitung war unterbrochen.
Der Buntspecht ging nach draußen, rief seinem Fahrer etwas zu, stieg in das sauberste der herumstehenden Autos und ließ sich davonfahren.
Vier weitere Fahrzeuge folgten ihm.
Im Polizeipräsidium scheuchte der Präsident eine Sekretärin und einen Adjutanten hinaus. Er setzte sich vor eine Art Steuerpult, rückte einen Kopfhörer mit Mikro auf seinem Kopf zurecht und tippte Ziffern. Es dauerte eine geraume Zeit, dann hörte er, dass die Verbindung zu dem Satelliten hergestellt war. Der Zerhacker für die Codierung war zugeschaltet.
Es gab eine kurze Begrüßung, dann die Anweisung Adaras zu rufen.
Es dauerte wieder eine Weile, dann war Adaras am Apparat. „Onkelchen, wie geht es Dir? Was machst Du so?“
„Ich lasse gerade die braunen Schafe scheren. Weißt Du, die einfarbig braunen. Es ist Zeit. Eigentlich wollte ich es schon vorige Woche machen. Aber Du weißt, wie das ist. Es gibt so viel zu tun.“
„Onkelchen, jetzt gibt es was zu tun. Die Gringos sind auf dem Weg.“
„Gut.“
„Ja, ja, sie sind gegen neun Uhr rausgefahren.“
„Gut.“
„Von jetzt ab hast Du freie Hand. Halte Dich aber an unsere Absprache. Und sieh zu, dass den beiden nichts passiert. Sie sind Gold wert. Und Du wirst dann bald Deine Wasserleitung bekommen können.“
„Und elektrischen Strom.“
„Das springt auch noch dabei heraus - hoffentlich wenigstens. Man darf nicht allzu gierig sein.“
„Wie geht es meinem Neffen an der Staatsspitze?“
„Er regiert. Er ist ein außergewöhnlich guter Clanchef. Das hat er von Dir. War ein guter Schüler. Er ist wie Du. Hart aber gerecht. So wie es immer in unserem Stamm war. Und wie es auch bleiben wird. Das verspreche ich Dir.“
„Sonst braucht er sich hier in seiner Heimat, in unserem Clan nicht mehr sehen zu lassen. Aber Du weißt ja, wie das läuft.“
„Hat sich Iris jetzt mit dem Verlust abgefunden? Muss ja schwer gewesen sein, so jung verheiratet und schon Witwe.“
„Sie wird wieder einen Mann bekommen. Die Fäden sind bereits gezogen. Sie wird Zweitfrau beim Weber. Da kann sie dann noch zeigen, was sie kann. Wenn sie dann erst einmal Kinder bekommt, wird sie niemandem mehr nachtrauern.“
„Sag ihr einen Gruß. Sag ihr, ich würde gerne an sie denken.“
„Denken darfst Du, Junge, aber ...“
Der Satz blieb unvollendet. Offenbar kannte er seinen Neffen und seine Gewohnheiten im Umgang mit dem anderen Geschlecht recht gut.
„Onkel, die Geschäfte rufen. Lass Dein Gerät immer eingeschaltet. Halte mich auf dem Laufenden. Darüber hinaus kann ja nichts schief gehen. Sieh bitte zu, dass sich alle an die Spielregeln halten.“
„Wir brechen sofort auf, damit wir die Ankunft nicht verpassen.“
„Gott sei mit Dir.“
„Danke, möge er Dich auch beschützen.“
Der Präsident der Polizei und Minister der Nationalen Sicherheit setzte den Kopfhörer ab und schaltete die Codierung aus.
Dann brüllte er mehr, als laut zu rufen, nach seinen nächsten Untergebenen.
Er hatte ein gutes Gefühl. Die Sache lief. Er ging hinaus auf den Balkon und rief per Handy seinen Cousin im Präsidentenpalast an. Nach einer Weile wurde er weiterverbunden.
„Odra, bist Du allein?“
„Sicher. Was gibt´s? Läuft die Sache?“
„Sie läuft. Ich bleibe auf dem Posten. Ich werde fortlaufend informiert. So wie wir es festgelegt haben.“
„Gut. Wir sehen uns heute Abend.“
„Klar!“
Die Straße schien vor Kurzen neu asphaltiert. Es gab lange Geraden, stellenweise schwang sie sich um den einen oder anderen Hügel. Immer mit der Generalrichtung ostwärts.
Sie fuhren mehr gemächlich, die 70 km/h überschritten sie so gut wie nie.
Es gab relativ wenig Verkehr. Meist waren es LKWs, die offenbar im Konvoi fuhren. Im Schnitt waren es immer so sechs bis acht Fahrzeuge. Wenn solch ein Konvoi vorbei war, fuhr Ludwig auf den Standstreifen und wartete bis sich der aufgewirbelte Staub gelegt hatte.
PKWs begegneten ihnen wenige. Es war absolut kein Vergleich mit dem Verkehr auf deutschen Bundesstraßen oder gar europäischen Fernstraßen.
Sie waren jetzt ca. 2 Stunden unterwegs.
Der Jeep mit Elfriede und Ludwig erreichte eine Stelle, an der das Navigerät Hilfe anbot: <In dreihundert Meter links abbiegen. - Achtung in 100 Metern links abbiegen - jetzt abbiegen, jetzt abbiegen, links abbiegen>.
Ludwig, der Steuermann, stoppte das Fahrzeug, aber mehr rechts, so halbherzig auf dem Wüstenboden, abseits des Asphalts. Elfriede und Ludwig schauten sich ratlos an. Links war eine mit trockenen Sträuchern bewachsene Böschung aber weit und breit kein Weg zu erkennen. Seit vielen Kilometern waren sie an keiner Abzweigung geschweige denn einer Kreuzung vorbeigekommen.
Ja, hin und wieder erkannten sie Spuren, wo offensichtlich Viehherden, wahrscheinlich Ziegen oder Schafe, über die Straße getrieben worden waren. Einmal hatten sie undeutlich in der Ferne Gebäude gesehen, die sie als Gehöft einstuften.
Und nun wollte sie diese Frau, diese aus dem Navi, die ansonsten höfliche junge Dame mit der betont sympathischen Stimme, einen unwegsamen Hügel hinaufhetzen.
„Nein, meine Liebe“, sagte Ludwig, nicht etwa zu seiner wirklichen Liebe in der unmittelbaren Nachbarschaft, sondern zu der Stimme, die aus dem kleinen schwarzen Kasten hinter der Windschutzscheibe kam. Jetzt erinnerte er sich, dass sie zu Beginn auch ihren Namen gesagt hatte - „mein Name ist Luzie, ich werde von jetzt an Ihr Begleiter sein.“
„Nein Luzie“, wiederholte Ludwig seine Weigerung ihren Anweisungen zu folgen. „Ich werde einen Scheiß tun, aber nicht hier den Berg, für den Wagen mehr ein Gebirge, hochfahren. Ellie, Du gehst doch mit mir einig?“
Ellie machte eine Schnute. Dann sagte sie aber doch: „Da stimmt doch etwas nicht.“
Jetzt machte auch Ludwig eine Schnute. „Mein Gott, was denkt diese Luzie sich eigentlich? Wir sind doch keine Ziegenhirten. Wir haben ein veritables Fahrzeug. Verflucht, was jetzt?“
„Schau mal auf die Karte.“
Der Maßstab war aber derart, dass sie auch da nichts erkennen konnten. „Wo nichts ist, können - oder sollten sie wenigstens, nichts eintragen. Von wegen Entwicklungsland!“
Nicht wegen einer besseren Übersicht, mehr um seine Unruhe etwas abzureagieren, stieg Ludwig aus. Er ging zehn Schritt voraus, blieb stehen, ging dann wieder zurück, schaute Elfriede an und lief dann weiter nach hinten. Auch da machte er nach etwa zehn Schritt wieder kehrt.
„Ich schlage vor, wir fahren weiter.“
„Es bleibt uns ja nichts anderes übrig, stimmte Ludwig bei.
Ludwig fuhr an. Fast im gleichen Moment begann diese treue Luzie patzig zu werden. <Wenden - wenden - wenden>, dann: <Nutzen sie die nächste Gelegenheit zum Wenden.>
„Du kannst mich mal“, sagte Ludwig recht zornig und überhaupt nicht unterwürfig. Dann bremste er ab und brachte das Fahrzeug zum Stehen.
„Wir könnten aber probieren, das Ziel noch einmal einzugeben, oder?“
„Wenn Du denkst, dass dies unsere liebe Luzie zur Vernunft bringt. Versuchen können wir es ja einmal.“
Das Kästchen rechnete - zumindest schrieb es das auf den kleinen Monitor. Dann kam Luzie wieder, stellte sich als treue Begleiterin vor und meinte, dass man jetzt ruhig weitere 45 Kilometer dem Straßenverlauf folgen solle.
„Ist sie nun zur Vernunft gekommen oder will sie uns mit einer neuen Variante verarschen?“ Ludwig sah Elfriede mit gerunzelter Stirn fragend an.
Elfriede zuckte nur mit den Schultern.
Schmunzelnd dachte sich Ludwig: Frauen unter sich, ds sollte man sich als Mann nicht einmischen.
Nach den 45 Kilometern meldete sich die Dame wieder und befahl links abzubiegen und dann geradeaus zu fahren. Sie fuhren über eine Kreuzung. Links und rechts sahen sie eine rustikale Piste im Nichts verschwinden. Links flimmerte in der Ferne die Luft, die Landschaft verschwand wie in einer wässrigen Lösung.
Rechts stand in der Ferne eine Staubsäule, die sich langsam nach links bewegte.
Ludwig bog mit einem unguten Gefühl in die angegebene Richtung ein.
Nach einer kurzen Wegstrecke gab Luzie wieder eine Strecke vor, die sie nicht verlassen sollten.
„Können vor Lachen“, bemerkte Ludwig sarkastisch. „Wer kommt schon auf die Idee in diese reizvolle, mit Gesteinsbrocken und Dornen gespickte Gegend einzubiegen - hineinzufahren?“
Ludwig schaute auf den Kilometerstand, als er wieder aufgefordert wurde links abzubiegen. Diesmal war da aber auch eine Piste. Sie waren jetzt, seit ihrer Abreise vom Hotel der Hauptstadt 285 Kilometer gefahren. Hier begann ein neuer Lebensabschnitt. Bald sollten sie erkennen, dass es mehr ein ziemlich bitterer Leidensabschnitt war.
Sie ruckelten und schaukelten über die Wüstenspur oder auch öfters Wüstenspuren. Nicht, dass es mehrere Fahrspuren für Überholmanöver oder Gegenverkehr gegeben hätte. Aus unerfindlichen Gründen gab es öfters eine einzige Fahrspur. Dann multiplizierten sie sich und es konnte vorkommen, dass sie die Möglichkeit hatten unter einer Vielzahl von Spuren auszuwählen. Fast alle blieben aber in der allgemeinen Generalrichtung. Bis auf ...nur Eingeweihte konnten wissen, wo sie für ihren angestammten Lebensraum eine Abzweigung finden würden.
Hin und wieder konnte Ludwig in den zweiten Gang schalten. Dort wo sich Löcher, veritable Löcher ausgebildet hatten, führten die Spuren drumherum. So kam es, dass es Stellen gab, an denen die Breite der Piste total ausuferte. Mal mochten es gefühlte zwanzig, dreißig Meter in der Breite sein, dann war der Fahrstreifen gerade mal so breit wie ihre Spurbreite am Jeep. Ein LKW-Fahrer würde da schon sehr aufpassen müssen die richtige Spur zu halten. Meistens war der Fahrstreifen ausgerechnet an den Stellen so schmal, wo es nach links und rechts kein gefahrloses Ausweichen gab. Oder war es gerade deswegen so eng?
„Na also“, bemerkte Ludwig ein ums andere Mal, „wir haben Abenteuer gesucht, wir sind angekommen.“
Elfriede ergänzte: „Da ist der Weg bereits das Ziel!“
Gerade hatte er versucht in den dritten Gang zu schalten, als er wieder stark abbremsen musste. Auf dem unsicheren Boden schlitterte er danach direkt in ein breites Loch. Es war schon mehr ein Aushub, von Menschenhand gemacht. Als hätte man begonnen einen Graben quer zur Fahrbahn zu machen und es sich anders überlegt, um an anderer Stelle weiterzumachen. Oder einfach das Vorhaben ganz aufzugeben.
Und zu allem Überfluss steckten sie fest, die Hinterräder drehten durch. Sie griffen nicht mehr.
Das war die Höchststrafe für sein gewagtes Fahrverhalten. Wie konnte er aber auch nur auf die Idee kommen in den dritten Gang zu schalten. Ludwig klappte das niedrige Türchen auf und stieg aus. Der Jeep saß in der Mitte auf.
Als erster Gedanke kam Ludwig das Erleichtern des Fahrzeuges in den Sinn, Gepäck und alles Gewichtige abzuladen, dann musste es hochgehen und sich von dem Höcker lösen. Kein großartig aussichtsreicher Gedanke. Gottlob erlöste ihn Elfriede mit ihrer Idee.
„Jeeps haben doch auch, wenn ich mich richtig an Deine begeisterten technischen Erläuterungen erinnere, die Möglichkeit mit Allradantrieb zu fahren. Hast Du es bereits damit versucht?“
„Verflucht noch eins, den habe ich ja ganz vergessen.“
„Ja, ja“, stöhnte Elfriede. „Männer und ihr liebstes Spielzeug. Und damit kommen sie nicht ohne die Frauen zurecht.“
Ludwig verschluckte eine Erwiderung.
Aber wie sollte er sich zurechtfinden? Da gab es, außer der Gangschaltung noch zwei weitere Hebel.
„Was hältst Du davon, wenn Du mal in die Unterlagen guckst, die wir mit den Mietpapieren erhielten?“
Ludwig biss sich auf die Lippen und dachte für sich, dass er davon gar nichts halte. Er musste es auch so hinkriegen. Das wäre doch gelacht. Sich von einer Frau in technischen Sachen belehren zu lassen!
Vielleicht würde doch noch das Unwahrscheinliche eintreten und ein anderes Fahrzeug auftauchen, dann wäre sein Stolz gerettet. Nein, es kam keines und so musste er sich höchstpersönlich und intensiver um diese Angelegenheit kümmern.
Trotzig rührte er zuerst mit der Gangschaltung in den zahnräderbestückten Innereien des rustikalen Fahrzeugs. Dann kam er zu dem Schluss, dass er ja sicher irgendeine andere Schaltung betätigen musste.
Elfriede schaute ihm amüsiert zu. Sie wusste aber auch, dass sie jetzt den Mund halten musste. Schließlich hatte sie ja auch ein Interesse daran, baldmöglichst oder überhaupt wieder von dieser Stelle wegzukommen.
Auch sie dachte jetzt ans Aussteigen, der Wagen würde leichter ... Aber sie verwarf diesen Anflug von Schlauheit, schwieg weiter und blieb sitzen.
Es knirschte irgendwo unter dem Fahrzeugboden. Robuste, gottlob sehr robuste Zahnräder meldeten sich mit lautem Wehklagen aus diversen Getrieben. Dann gab es einen Ruck und sie fuhren noch ein Stückchen tiefer in das Loch.
Elfriede schaute angestrengt geradeaus. Ludwig mehr nach der Seite. Keiner wollte dem anderen ins Gesicht sehen. Jetzt und unter diesen Umständen nicht.
Ludwig begann dann doch wieder mit dem Experimentieren. Der Bock, wie er ihn jetzt stillschweigend titulierte, verhielt sich ruhig. Langsam ließ er die harte Kupplung kommen. Die Übersetzung schien zu groß. Also in die entgegengesetzte Richtung schalten. Jetzt bewegte sich der Wagen - sein Bock - langsam vorwärts. Langsam aber sicher schlich sich der Land Rover in Schräglage aus der Vertiefung, aus dem Krater, wie Ludwig dieses Hindernis von nun an bezeichnete.
Auf der Weiterfahrt schaltete er jetzt an keiner Stelle mehr über den zweiten Gang hinaus. Und auch diesen benutzte er nur sehr selten. Es kam kein Gespräch auf. Nur die Fahrgeräusche waren zu hören, meist das eigentliche, typisch raue Brummen des englischen Motors.
Die Anzeige für den Treibstoffvorrat stand gegen halb eins kurz vor der Reserve. Sie würden bald nachgießen müssen. Diese Fahrweise verschlang aber auch Unmengen von Sprit, ohne dass man nennenswerte Geländegewinne rational dagegen rechnen konnte. Die Kosten-Nutzen Bilanz war äußerst schlecht.
Dann kündigte die liebe Luzie überraschend an, dass sie nach rechts abbiegen sollten.
Diese Piste gab es tatsächlich. Sie war nicht sehr befahren, ganz im Gegenteil. Oft verlor sich jetzt die Spur, der Weg war weg. Vollkommen verschwunden. Wie vom Winde verweht. Der Boden war felsig.
Es war bergiger geworden. Auf ebener und dadurch meist gerader Strecke peilte Ludwig dann die logische Fortsetzung ihres Weges an. So fand er bisher immer wieder die Spur. Luzie schwieg nun vornehm.
Zwischen den Hügeln, hin und wieder mit kürzeren Steilhängen oder gar Felsstürzen, gab es keine Alternativen. Da konnte man sich nicht verirren.
Es wurde wieder etwas flacher, dann sahen sie endlich die Festung, ihre Burg. Beide fühlten sich leichter. Aber auch der Hunger hatte sich gemeldet.
„Schaffen wir es noch bis dorthin?“ Ludwig streckte einen Zeigefinger in Richtung der recht gewaltigen Ruine.
„Fahr zu, ich will es auch hinter mir haben“, kommentierte Elfriede.
Luzie meldete sich und sagte, dass sie am Ziel angelangt seien.
„Miststück“, sagte Ludwig und drehte ihr den Saft ab. Er wollte - vorerst - nichts mehr von ihr hören.
Die Sonne brannte erbarmungslos. Es gab nirgends Schatten. Die mageren, wie abgestorben aussehenden Hecken oder Sträucher konnten nicht einmal einem Skorpion Schatten spenden. Ludwig baute ein Provisorium mit einer Decke als Bedachung und hatte sofort wieder einen Pluspunkt bei Elfriede. So konnten sie auf diese Art im Schatten ihren Hunger stillen.
Nach dem Essen und Trinken peilten sie die Lage und suchten nach einem Fahrweg bis hinauf zu den Festungsanlagen. Sie fuhren wieder ein Stück, konnten aber nichts finden.
So schulterten sie die Kameras, füllten zwei Feldflaschen mit Wasser und machten sich auf zum Gipfel. Der lag vielleicht 60 bis 80 Meter über der rundum mehrheitlich recht flachen Geografie. Aber bei der Hitze verlangte er den beiden Abenteurern alles ab.
Die Anlage war im Innern teilweise eingestürzt. Da mussten einmal Menschen gelebt haben, wie in einem Wehrdorf, wahrscheinlich waren es sogar viele Menschen.
Es gab Behausungen, sogar mehrstöckige und bei einigen hingen noch so etwas wie Reste einer Tür.
Dann fanden Sie den teilweise verschütteten Aufgang zu einem der Türme. Im Innern führte eine Steintreppe weiter nach oben.
Die Aussicht war grandios. Wenigstens nach drei Seiten. Allerdings verschwand wieder die Landschaft in der Ferne wie in Wasser. Wie in einem großen See. Und darüber Palmen und irgendetwas anderes Grünes. Luftspiegelungen. Eine typische Scheinwelt, wie sie sich nur in Wüsten zeigte. Sie fanden sie auch diesmal wieder recht faszinierend. Und sie kommentierten, dass sie bisher ein Experiment noch nicht gemacht hatten. Ob man sie auch auf Fotos sehen konnte?
Auf einer anderen Seite reihte sich Hügel an Hügel. Es sah aus als wären es gigantische Wellen, ganz hinten mit einigen bizarren Formationen. Aber ganz weit weg. Oder waren es auch Fatamorganas?
Viele, viele Fotos machten sie, von innen, von außen, von oben und von unten.
Die Schatten und die Kontraste wurden länger und härter. Einmal dachten sie in der Ferne Menschen oder Tiere zu erkennen. Aber auch der Blick durch das Teleobjektiv half nicht endgültig klärend weiter. Es waren vielleicht doch nur Gruppierungen von Sträuchern, Hecken, Kakteen oder gar Bäumen.
Sie sollten den Rückzug antreten. Sie mussten ja noch ihr Nachtlager suchen und sich einrichten. Dazu durfte es nicht dunkel werden. Und wenn die Sonne einmal hinter dem Horizont verschwunden war, das kannten sie von anderen Reisen in ähnlichen geografischen Breiten, wurde es ganz schnell ganz dunkel. Dann war es aus naheliegenden Gründen nicht empfehlenswert weiterzufahren - fahren zu müssen.
Der erste Tag war, trotz der dazwischen gelagerten Ärgernisse, ein Erfolg. Sie redeten sich bei Fackelschein in eine Begeisterung. Eine Gaslampe hatten sie nicht auftreiben können. Sie hatten es einmal wieder geschafft. Aber, nun ja, es war nicht leicht gewesen. Morgen würden sie noch einmal hochsteigen, recht früh, da gab es die besten Chancen für eine sehr gute Fernsicht. Ohne die zwar interessanten aber trotzdem auch lästigen Luftspiegelungen. Ohne dass jede Sicht in einer bestimmten Entfernung von flimmernden Luftschichten verwischt wurde. Klare, frische, vielleicht sogar kühle Luft war die Voraussetzung für gute Fernsicht.
Sie hatten mit etwas Material aus der Umgebung ein Feuerchen gemacht, nichts Großartiges. Aber so konnten sie sich beinahe wie zuhause vor dem Kamin fühlen.
Kein einziger Laut unterbrach die Stille.
Ob es da wilde Tiere gab? Beide dachten die gleiche Frage, aber keiner wagte sie auszusprechen. Und den Polizeichef hatten sie vergessen danach zu fragen.
Weshalb hatte es darüber nichts in den Infoblättern des Auswärtigen Amtes gegeben? Oder war da doch etwas? Beide schwiegen zu diesem Thema weiter.
Es war eine ruhige Nacht und sie hatten auf dem harten Boden doch tatsächlich gut geschlafen. Aber mit dem ersten Sonnenstrahl krochen sie aus ihren Deckenwickeln.
Es war kühl, nicht kalt, aber es reichte, um etwas steife Gelenke zu haben. Tapfer machten sie ihre Dehnungsübungen. Sie ermunterten sich gegenseitig noch, gegenüber den normalen Frühsportbewegungen, eine Schippe draufzulegen - wie sie es ausdrückten. So standen sie diese Prozedur durch und fühlten sich gerüstet für neue Taten.
Ohne das Frühstück stiegen sie wieder auf zur Festung.
Gegen neun Uhr waren sie wieder zurück und machten sich jetzt über ein improvisiertes Frühstück her.
Gegen zehn Uhr wollten sie den Rückweg antreten. Das müsste reichen, um gegen vier Uhr nachmittags wieder in der Hauptstadt zurück zu sein.
Es schien jedem eine machbare Leistung, unter Umständen auch ohne die Mitwirkung von Luzie. Aber - aber wie dem so ist...