Homöopathie und Psychotraumatologie - Ingrid Pfanzelt - E-Book

Homöopathie und Psychotraumatologie E-Book

Ingrid Pfanzelt

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Beschreibung

Das Beste aus 2 Methoden verknüpfen Erfahrungsbasierte Integration der Psychotraumatologie in eine prozessorientierte Homöopathie. Das Werk untersucht das Zusammenspiel von Homöopathie und Psychotraumatologie in Theorie und Praxis. Theoretische Grundlagen beider Wissenschaften werden verglichen und Analogien aufgezeigt. Die Relevanz der theoretischen Reflexion für die praktische Arbeit wird in vielen Fallbeispielen verdeutlicht, wovon zwei exemplarisch alle Kapitel durchziehen und die Theorie gut nachvollziehbar machen. Das Buch wendet sich an zwei Fachgruppen: homöopathische Praktiker können mit dem Wissen aus der Psychotraumatologie ihre psychisch traumatisierten Patienten spezifischer behandeln und Psychotherapeuten erfahren, dass eine homöopathische Behandlung den traumatherapeutischen Prozess sehr gut unterstützen kann. Eine traumaspezifische Materia medica gibt einen guten Überblick über die Arzneimittel, die bei Traumafolgestörungen am meisten angezeigt sind.

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Homöopathie und Psychotraumatologie

Ingrid Pfanzelt

21 Abbildungen

Danksagung

Zuallererst danke ich Frau Susanne Schimmer, denn ohne sie wäre dieses Buch nicht zustande gekommen. Mein Kollege, Rainer Sohre, las mein Manuskript und gab mir wertvolle Anregungen, auch ihm möchte ich danken. Bei der grafischen Umsetzung meiner Ideen stand mir Heinz Fuchs zur Seite, ein Dankeschön an ihn. Mein größter Dank und Respekt gilt aber denjenigen meiner Patienten, deren Geschichten ich in diesem Buch erzählen darf. Das eigene Schicksal öffentlich zu machen, ist nicht leicht, auch wenn die Daten anonymisiert wurden. Sie waren damit einverstanden, weil sie anderen Mut machen wollen, den psychotherapeutisch-homöopathischen Behandlungsweg zu wählen, um ein Trauma zu überwinden.

Vorwort

Dieses Buch soll eine Brücke schlagen zwischen zwei Wissenschaften, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen: Homöopathie und Psychotraumatologie. Erstere ist mittlerweile 200 Jahre alt, basiert auf einem großen empirischen Wissen und ringt immer noch um Anerkennung in der wissenschaftlichen Welt. Letztere ist jung, erst einige Jahrzehnte alt, und doch schon akzeptiert und etabliert. Alt und Jung scheinen also nicht zusammenzupassen, und der Inhalt schon gleich gar nicht!

Untersucht und vergleicht man jedoch die theoretischen und praktischen Grundlagen der beiden Wissenschaften genauer, stößt man auf faszinierende Analogien: Sowohl in den Konzepten der Ätiologie wie Dynamik von traumatisch bedingten Erkrankungen folgen Psychotraumatologie und Homöopathie ähnlichen Vorstellungen. Und wenn man homöopathische Arzneien unter einem traumadynamischen Aspekt betrachtet, kann man bestimmten Traumafolgestörungen spezifische Arzneimittel zuordnen, denn die Traumadynamik findet sich in den Arzneimittelbildern!

Zu diesen Erkenntnissen führte mich die psychotherapeutisch-homöopathische Behandlung traumatisierter Patienten. Meine Erfahrung möchte ich in diesem Buch mit dem Wissen aus der Psychotraumatologie verbinden und einem interessierten Fachpublikum zur Verfügung stellen. Gerade die psychotherapeutische Langzeitbehandlung von Traumafolgestörungen ermöglicht nämlich, die psychischen Prozesse der Patienten zu beobachten und zu interpretieren, sie mit den jeweils verordneten Arzneimitteln zu verbinden und damit ein genaues Bild zu bekommen, was die Homöopathie in diesen Fällen leisten kann. Und obwohl die meisten homöopathischen Kollegen ein anderes Arbeitssetting haben, hoffe ich doch, dass meine Ausführungen auch für sie von Interesse sind. Denn: Durch die Verbindung des traumatherapeutischen und homöopathischen Ansatzes können traumatisierte Patienten besser behandelt werden.

Dieses Buch richtet sich an Kollegen, die homöopathisch arbeiten oder in homöopathischer Ausbildung sind und ihr Wissen erweitern wollen. Auch psychotherapeutisch arbeitende Kollegen könnten sich mithilfe dieses Buches an die Homöopathie annähern, denn sie kann für die Traumatherapie eine wichtige Ergänzung sein. Umgekehrt kann die Psychotraumatologie für die Homöopathie eine Weiterentwicklung bedeuten, wenn sie sich nach dem Vorbild Hahnemanns „vorurteilsfrei“ damit auseinandersetzt. Das könnten Homöopathen im Interesse ihrer Patienten tun, denn es geht um sie allein und ihr Recht auf eine Behandlung, die auch neuere wissenschaftliche Entwicklungen berücksichtigt. Meine Patienten sind es auch, denen ich von Herzen danke, denn von ihnen lernte ich am meisten!

München, im Dezember 2014 Ingrid Pfanzelt

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Vorwort

1 Das Trauma in der Homöopathie und Psychotherapie

1.1 Traumaerfahrungen

1.2 Traumafolgen

1.3 Analogien

2 Skizzierung zweier Krankengeschichten

2.1 Ein Fall von Extremtraumatisierung Beispiel 1: Herr Achmed

2.1.1 Anamnese

2.1.2 Diagnosen nach ICD10 und allopathische Medikation

2.1.3 Therapieplanung

2.1.4 Behandlung: Repertorisation, Verordnung und Verlauf

2.1.5 Zusammenfassung

2.2 Ein Fall von Beziehungstraumatisierung Beispiel 2: Frau Schneider

2.2.1 Anamnese

2.2.2 Diagnosen nach ICD10 und allopathische Medikation

2.2.3 Therapieplanung

2.2.4 Behandlung: Repertorisation, Verordnung und Verlauf

2.2.5 Zusammenfassung

2.3 Fazit der homöopathisch-psychotherapeutischen Behandlung

3 Traumatheorie und chronische Krankheiten

3.1 Lebenskraft und Unbewusstes

3.2 Trauma und Miasma

4 Einführung in die Theorie der Psychotraumatologie

4.1 Was ist ein Trauma?

4.1.1 Definition

4.1.2 Differenzierung von Traumata

4.2 Wie wirkt ein Trauma?

4.2.1 Neurobiologie und Physiologie der Traumatisierung: Das Typ-1-Trauma

4.2.2 Psychoanalytisches Erklärungsmodell: Das Typ-2-Trauma

5 Diagnostik von Traumafolgestörungen

5.1 Posttraumatische Belastungsstörungen

5.1.1 PTSD und PTBS: Gemeinsamkeiten und Unterschiede

5.1.2 Akute Belastungsreaktion (F 43.0)

5.1.3 Anpassungsstörung (F 43.2)

5.2 Traumafolgeerkrankungen

5.2.1 Depression (F 32 und F 34)

5.2.2 Angststörungen (F 40 und F 41)

5.2.3 Psychosomatische Störungen (F 45)

5.2.4 Persönlichkeitsstörungen und Psychosen (F 60 und F 20)

6 Der traumatisierte Patient in der homöopathischen Praxis

6.1 Homöopathische Anamnese

6.2 Repertorisation von Traumafolgestörungen

6.2.1 Repertorisation des Typ-1-Traumas

6.2.2 Repertorisation des Typ-2-Traumas

6.3 Welche Potenz bei welcher Störung und wann?

6.4 Übertragungsdynamik in der Behandlung traumatisierter Patienten

6.5 Symptomorientierte oder konstitutionelle homöopathische Behandlung von Traumafolgestörungen

6.5.1 Akute Belastungsstörung als adäquate Antwort auf ein Trauma

6.5.2 PTBS als Spitze des Eisbergs: das kumulative Trauma

6.5.3 Aktuell getriggertes chronisches Trauma

6.5.4 Beziehungstrauma als prägender Faktor für die Konstitution

6.6 Prozessorientierte Homöopathie: Die Homöopathie als Begleitbehandlung einer Traumatherapie

6.6.1 Akute Arzneimittel ohne Konstitutionsbehandlung

6.6.2 Konstitutionelle Behandlung zur Stabilisierung während einer Traumatherapie

6.6.3 Akutes Zwischenmittel bei konstitutioneller Behandlung

6.6.4 Parallele Behandlung mit Psychopharmaka

6.6.5 Zusammenfassung

6.7 Traumatisierung durch medizinische Eingriffe

6.7.1 Iatrogene Retraumatisierung

6.7.2 Iatrogene Traumatisierung

6.7.3 Zusammenfassung

7 Homöopathische Traumaarzneien

7.1 Arzneimittel für akute und chronische PTBS

7.1.1 Aconitum napellus

7.1.2 Opium

7.2 Symptomorientierte Arzneimittel bei Traumafolgestörungen

7.2.1 Belladonna

7.2.2 Mercurius solubilis

7.2.3 Aurum metallicum

7.2.4 Lycopodium clavatum

7.2.5 Phosphorus

7.3 Konstitutionelle Traumaarzneien

7.3.1 Natrium muriaticum

7.3.2 Ignatia amara

7.3.3 Sepia

7.3.4 Lachesis muta

7.3.5 Calcium carbonicum

8 Traumatherapeutische Methoden

8.1 Konfrontative traumatherapeutische Methoden

8.2 Psychodynamische Methoden

8.3 Narrative Methoden

8.4 Hypnotherapeutische Methoden

8.5 Körperpsychotherapeutische Methoden

8.6 Potenziell problematische Behandlungsmethoden

8.7 Pharmakotherapie

9 Möglichkeiten und Grenzen der homöopathischen Behandlung von Traumafolgestörungen

9.1 Zusammenfassung für die Praxis

9.1.1 Behandlung

9.1.2 Repertorisation

9.1.3 Anamnese und Verordnung

9.2 Reflexion

9.2.1 Welche Symptomatik kann beeinflusst werden und welche nicht?

9.2.2 Indikationen für und gegen eine homöopathische Behandlung

9.2.3 Bei welchen Traumafolgestörungen reicht eine homöopathische Behandlung?

9.2.4 Welche Chancen bietet die psychotherapeutisch-homöopathische Behandlung von Traumafolgestörungen?

9.3 Diskussion: Welche Konsequenzen haben die Erkenntnisse der Traumaforschung für die homöopathische Theorie und Praxis?

10 Erfahrungen von HOG in der Behandlung traumatisierter Patienten

10.1 Epilog

11 Abkürzungen

12 Abbildungsnachweis

13 Literatur

Autorenvorstellung

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

1 Das Trauma in der Homöopathie und Psychotherapie

Aufgrund des ätiologischen Ansatzes von Homöopathie und Psychotherapie spielt das Trauma in beiden Behandlungsmethoden eine zentrale Rolle. Der Begriff des „Traumas“ wird im folgenden Kapitel konkretisiert und in Bezug gesetzt zur Homöopathie und Psychotherapie.

Homöopathisch arbeitende Ärzte, Heilpraktiker und Therapeuten haben zunehmend mit dem Thema „Trauma” zu tun. Weil das Trauma kein Tabu mehr ist, sprechen Patienten offener über eigene traumatische Erlebnisse. Ein Homöopath, der sensibel nach einer möglichen traumatische Genese der Krankheiten fragt, wird häufig Traumatisierungen in der Patientenbiografie finden. Und gerade weil in der homöopathischen Behandlung die Ätiologie der Erkrankung eine zentrale Rolle spielt, ist das Trauma in der Homöopathie ein wichtiges Thema. Auch in einer psychotherapeutischen Behandlung wird untersucht, ob die aktuelle Symptomatik eine traumatische Genese hat.

Historischer Exkurs

Dass Menschen nach dem Erleben von traumatischen Situationen krank werden können, wird immer mehr thematisiert. Das war nicht immer so: Noch in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts mussten Opfer des Zweiten Weltkrieges um die Anerkennung ihrer psychischen Leiden als Folge von Krieg, Gefangenschaft oder KZ kämpfen.

Überhaupt wurde erst durch die großen Kriege des letzten Jahrhunderts die traumatische Genese psychischer und psychosomatischer Störungen deutlich: Die „Kriegszitterer“ des Ersten Weltkrieges wurden unter dem aufkommenden Einfluss der Psychoanalyse erstmals als Betroffene von Kriegsneurosen gesehen. Somit verstand man das neurologische Symptom des Zitterns nicht länger als organische Krankheit, sondern als seelisch bedingte Folgeerkrankung von Kriegserlebnissen. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg zwang die Forderung der Opferverbände nach Wiedergutmachung die deutsche Öffentlichkeit, sich mit den traumatischen Kriegsfolgen auseinanderzusetzen. Und in den 1970er-Jahren zeigten die Vietnam-Veteranen in den USA so schwere psychische Symptome, dass erstmals das diagnostische Konzept der posttraumatischen Belastungsstörung entwickelt und als Krankheit anerkannt wurde.

1.1 Traumaerfahrungen

Trauma ist aber nicht gleich Trauma. Was der eine als Trauma erlebt, muss für den anderen nicht unbedingt eines sein. Einen schweren Autounfall beispielsweise verarbeitet jeder Mensch unterschiedlich. Jemand mit ausreichend psychischen Ressourcen, guter sozialer Unterstützung und ohne Vortraumatisierung wird das Trauma vielleicht unbeschadet überstehen, während ein Anderer schwere Folgestörungen entwickeln kann. Andererseits können scheinbar normale Lebensereignisse wie Trennungen für Menschen traumatisierend wirken, wenn sie psychisch labil oder einsam sind und als Kind keine verlässlichen Beziehungen erlebt haben.

Traumaerfahrungen können individuell oder kollektiv stattfinden, auch das hat Auswirkungen auf die Folgen. Ein kollektives Trauma wie Krieg oder Naturkatastrophen betrifft jeden in der sozialen Gemeinschaft, das Leid wird geteilt und dadurch sprichwörtlich halbiert. Es können sich soziale Hilfssysteme entwickeln oder aber auch kollektive Abwehrmechanismen, wie in der jüngeren deutschen Vergangenheit zu beobachten war: Die jahrzehntelange Verleugnung der Kriegstraumata hatte Folgen für die deutsche Gesellschaft, die vielleicht erst jetzt ausreichend erkannt und untersucht werden ▶ [6]. Die damaligen Kriegskinder erinnern sich oft im Alter an traumatische Situationen, weil es ein unausgesprochenes Einvernehmen in der Nachkriegsgesellschaft gab, nicht darüber zu sprechen; es musste ja angepackt und Deutschland wieder aufgebaut werden. Mittlerweile hat man verstanden, dass viele psychische und psychosomatische Krankheiten dieser Generation auf verdrängte Kriegstraumata zurückzuführen sind.

Bei individuellen Traumata fällt der kollektive Kontext weg und damit bekommt ein zusätzlicher Faktor Gewicht: die Scham darüber, als Einziger von diesem Trauma betroffen zu sein, denn die Traumaerfahrung trennt den Einzelnen ab von dem gemeinschaftlichen Erleben. Besonders bei sexueller Traumatisierung schämen sich die Betroffenen so sehr, dass sie oft jahrelang nicht darüber sprechen können.

Der Traumabegriff Der Begriff des Traumas wird allerdings mittlerweile etwas inflationär verwendet. Viele psychische Erkrankungen werden nicht durch ein unbewusstes Trauma verursacht, wie oft populärwissenschaftlich vermutet wird, sondern durch verdrängte Konflikte. Deshalb ist es notwendig, genauer zu differenzieren: Ist die Symptomatik wirklich traumatisch bedingt? Oder wirkt etwa ein unbewusster Konflikt im Hintergrund?

1.2 Traumafolgen

Ein Trauma kann sich hinter allen möglichen Beschwerden verstecken, denn die Folgen von psychischer Traumatisierung sind vielfältig. Nur ein geringer Teil der traumatisierten Patienten zeigt eine „reine“ Posttraumatische Belastungsstörung.

Die meisten haben allgemeine Symptome wie Kopfschmerzen, Herzbeschwerden, gastrointestinale Störungen, depressive Verstimmungen oder Angstgefühle – die sogenannten Traumafolgestörungen, die wegen ihrer unspezifischen Erscheinung zunächst nicht unbedingt einem Trauma zugeordnet werden. Diese Zuordnung kann eine homöopathische Behandlung leisten, denn hier wird versucht, die aktuelle Erkrankung in ihrem biografischen Kontext zu verstehen. Deshalb wird eine mögliche traumatische Genese der Krankheitssymptome von einem homöopathisch arbeitenden Therapeuten auch eher erkannt. Das ist die Chance, die die Homöopathie bietet.

Andererseits verführt aber die Konzentration auf die Ätiologie einer Erkrankung Homöopathen dazu, jede Erkrankung als traumatisch bedingt einzuordnen, wenn sich in der Anamnese des Patienten eine Gewalterfahrung findet. Doch nicht jede traumatisch erlebte Situation verursacht eine Traumafolgestörung. Viele Menschen verfügen über ausreichende Bewältigungsmöglichkeiten und können ein Trauma verarbeiten, ohne krank zu werden. Später auftretende Krankheiten können dann auch nicht als Traumafolgestörung gesehen werden. Deshalb ist es gerade für homöopathische Praktiker wichtig, differenzieren zu können: Welche Erkrankung ist auf die „Causa“ eines erlittenen Traumas zurückzuführen und welche nicht?

Traumadynamik Um das herauszufinden ist es nötig, die Traumafolgestörungen in ihrer neurobiologischen und psychischen Dynamik zu verstehen. Zu diesem Verständnis kann die Psychologie beitragen, denn sie befasst sich sowohl theoretisch wie praktisch mit der Erforschung und Behandlung des psychischen Traumas. Sie kann dem Homöopathen wichtige Erkenntnisse zur Verfügung stellen, um die Symptomatik der Patienten richtig einordnen und traumatisierte Patienten störungsspezifisch behandeln zu können.

Ätiologie

In der Homöopathie wie in der Psychotherapie spielt die Ätiologie eine zentrale Rolle, deshalb richtet sich der Fokus beider Behandlungen auch auf eine mögliche traumatische Genese der aktuellen Erkrankung. Oft wird ein Trauma erst in der ausführlichen homöopathischen Erstanamnese oder im Verlauf einer Psychotherapie erkennbar, denn sowohl in der homöopathischen als auch in der psychotherapeutischen Behandlung wird versucht, die zugrunde liegende „Causa“ der nach außen scheinenden Symptomatik zu erkennen, und das kann ein Trauma sein. Hier zeigt sich eine grundlegende Analogie von Homöopathie und Psychotherapie: Beide Methoden ähneln sich in ihrer Herangehensweise, wenn ein Mensch an Krankheitssymptomen leidet.

1.3 Analogien

Traumabezogene Analogien zwischen Psychotherapie und Homöopathie finden sich im theoretischen Konzept der psychodynamisch orientierten Psychotherapie und Hahnemanns Theorie der Entstehung von chronischen Krankheiten.

Die homöopathische Krankheitslehre geht davon aus, dass ein äußeres Symptom eine tiefer liegende chronische Krankheit verdecken oder kompensieren kann. Eine Neurodermitis beispielsweise entwickelt sich oft in Zusammenhang mit einer asthmatischen Veranlagung. Durch die sog. „Unterdrückung“ der Hautkrankheit kann ein Asthmaanfall ausgelöst werden, wenn eine Cortisonsalbe das Ekzem verschwinden lässt. Dann ist zwar das äußere Symptom des Hautausschlags nicht mehr sichtbar, die asthmatische Diathese ist aber nicht geheilt und kommt umso heftiger zum Vorschein. Diese Krankheitsentwicklung entspricht dem von Hahnemann beschriebenen Prinzip der chronischen Krankheiten. Umgekehrt kann bei der homöopathischen Behandlung eines Asthmaleidens eine Hautreaktion ausgelöst werden – und dies ist eine willkommene Krankheitsentwicklung im Sinne der Heilung von innen nach außen, wie die Hering‘sche Regel besagt, die Constantin Hering aufbauend auf Hahnemanns Krankheitslehre entwickelte.

Ganz ähnlich verhält es sich mit der durch ein Trauma verursachten Symptomatik: Zuerst erscheint ein körperliches oder psychisches Symptom, dahinter steht aber die tiefere psychische Problematik eines Traumas. Wird ein solch äußeres Symptom geheilt, erscheint als Folge einer Unterdrückung im homöopathischen Sinn die eigentliche psychische Symptomatik, nämlich die emotionale Reaktion auf eine tiefer liegende psychische Verletzung. Chronische abdominelle oder gynäkologische psychosomatische Beschwerden können beispielsweise auf eine sexuelle Traumatisierung hindeuten. Die Patientinnen können mit Angstattacken reagieren, wenn ihnen das Symptom durch eine erfolgreiche somatische Behandlung genommen wird. Hier wirkt auch das Prinzip der Unterdrückung: Wenn die symbolhafte Bedeutung eines Körpersymptoms nicht in seinem traumatisch bedingten Kontext verstanden und rein symptomatisch behandelt wird, verschlimmert sich die psychische Symptomatik.

Analog zur Entwicklung einer chronischen Krankheit im homöopathischen Krankheitsverständnis verläuft auch die Symptomatologie nach Traumatisierung: Wird es dem Organismus nicht ermöglicht, das akute Geschehen zu verarbeiten, verschiebt sich die Pathologie in eine tiefere, chronische Schicht. Dementsprechend entwickeln sich Traumafolgestörungen, wenn ein Mensch seine Traumatisierung nicht verarbeiten kann. Wenn es nicht möglich ist, die Gefühle nach einem traumatischen Erlebnis auszudrücken, sondern sie unterdrückt werden müssen, entstehen psychische oder psychosomatische Symptome.

In der homöopathischen Krankheitslehre entspricht diese Dynamik der Entwicklung einer schweren Pathologie: Wenn ein äußerer Angriff auf den Organismus nicht adäquat durch eine Abwehrreaktion beantwortet werden kann, verschiebt sich die zuerst gesunde Reaktion auf eine pathologische Ebene. Das Symptom „Fieber“ beispielsweise ist eine pathognomonische Reaktion auf eine äußere Noxe, nämlich ein Virus oder Bakterium. Senkt man die erhöhte Körpertemperatur durch Medikamente zu schnell, nimmt man dem Organismus diese Möglichkeit, auf die Erreger zu reagieren. Im homöopathischen Krankheitsverständnis kann sich dann bei eingeschränkter Lebenskraft eine Pneumonie oder chronische Bronchialerkrankung entwickeln.

Merke

Im homöopathischen Verständnis von chronischen Krankheiten wie in der posttraumatischen Krankheitsentwicklung gilt also: Unterdrückt man den natürlichen Ausdruck der Lebenskraft, nämlich eine heftige körperliche oder emotionale Reaktion auf eine akute Erkrankung oder ein Trauma, verschiebt sich die Symptomatik auf eine tiefere, chronische Ebene. Die Entstehung von chronischen Krankheiten und von Traumafolgestörungen folgt einem ähnlichen Prinzip.

Das homöopathische Prinzip der Krankheitsentwicklung ist auch in der Psychodynamik der Traumatisierung erkennbar, und dementsprechend wird therapiert: Die tiefer liegende Ursache der nach außen scheinenden Krankheit sollte erkannt werden, z. B. ein verdrängtes psychisches Trauma.

Dann gilt es in der homöopathischen Behandlung, die äußeren Symptome mit dem inneren psychischen Geschehen durch die Wahl eines Arzneimittels, welches beides erfasst, zu verbinden. In der Traumatherapie wird versucht, den psychischen oder psychosomatischen Ausdruck eines traumatischen Erlebnisses zu verstehen und dem Bewusstsein zugänglich zu machen, damit das Trauma verarbeitet werden kann.

Sowohl in der homöopathischen Krankheitslehre wie in der Psychodynamik der Traumatisierung verläuft die Krankheitsentwicklung von außen nach innen und die Heilung von innen nach außen: Dem Patienten wird von außen eine emotionale Verletzung zugefügt, die er psychisch nicht verarbeiten kann – ähnlich einer schweren Infektion, die zu einer chronisch-miasmatischen Krankheit führt, wenn sie die eigenen Verarbeitungsmöglichkeiten der Lebenskraft überfordert. Diese unverarbeitete Belastung zeigt sich dann entweder durch körperliche oder psychische Symptome, die aber nur der äußere Ausdruck einer inneren Dynamik sind. In der Psychotherapie wie in der Homöopathie gilt es, das Innen nach außen zu bringen: Bei der homöopathischen Behandlung erfolgt innere Heilung, wenn äußerlich Körpersymptome auftauchen und sich gleichzeitig die psychische Symptomatik bessert. Analog gilt bei einer Traumatherapie: Die zum Trauma gehörigen Erinnerungen und Gefühle können ausgedrückt werden, indem sie ins Bewusstsein rücken, also nach außen abgeführt werden, während gleichzeitig die Traumafolgestörungen abklingen.

Die Psychodynamik der Traumatisierung folgt also einem ähnlichen Prinzip, wie wir es aus der homöopathischen Krankheitslehre für die Entstehung von chronischen Krankheiten kennen: von außen nach innen. In umgekehrter Weise werden chronische Krankheiten wie auch Traumafolgestörungen geheilt, nämlich von innen nach außen.

Fazit

Homöopathie und Psychotherapie haben demnach ein sehr ähnliches Verständnis von den möglichen Folgen eines traumatischen Erlebnisses für die psychische und physische Gesundheit. Auch entsprechen sich beide Wissenschaften in der Vorstellung eines dynamischen Krankheitsgeschehens, das durch eine Traumatisierung ausgelöst wird. Eine Gemeinsamkeit findet sich ebenfalls im therapeutischen Vorgehen: Die der Krankheit zugrunde liegende Ursache, nämlich ein oft unbewusstes Trauma, muss erkannt werden, um eine Heilung zu ermöglichen. Im psychotherapeutischen Prozess wird dann das traumatische Ereignis dem bewussten Erleben wieder zugänglich gemacht, wodurch die verdrängten Emotionen ausgedrückt und verarbeitet werden können. In einer homöopathischen Behandlung findet die Durcharbeitung des Traumas sowohl auf der somatischen wie auch der psychischen Ebene statt, indem frühere mit dem Trauma assoziierte Symptome wieder auftauchen und noch einmal durchlebt werden. Auf diese Weise wird das Trauma ganzheitlich verarbeitet.

Das Trauma spielt also sowohl in der Homöopathie wie in der Psychotherapie eine zentrale Rolle, um die Krankheit des Patienten in ihrer Ursache zu verstehen und zu heilen.

2 Skizzierung zweier Krankengeschichten

Die beiden in diesem Kapitel skizzierten Krankengeschichten sind exemplarisch für akute und chronische Traumatisierung. Sie werden auch in den folgenden Kapiteln behandelt. So werden Ihnen Frau Schneider und Herr Achmed immer wieder begegnen. Konsequent durchziehen sie das ganze Werk, um die theoretisch getroffenen Aussagen zu veranschaulichen.

Psychische Traumata lassen sich im Prinzip in zwei Kategorien einteilen: chronische, komplexe Beziehungstraumata, die schon in der Kindheit stattfinden und bis in das Erwachsenenleben dauern können, und Extremtraumata durch Gewalteinwirkung wie Unfälle, Vergewaltigung, Naturkatastrophen oder Krieg. Diese beiden Traumakategorien unterscheiden sich sowohl in ihrer Symptomatik wie in ihrer Psychodynamik: Nach einer akuten traumatischen Situation kann sich eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln, während die Folgen einer Beziehungstraumatisierung meist chronische psychische und psychosomatische Krankheiten sind. Die der unterschiedlichen Symptomatik zugrunde liegende Psychodynamik ist bei einem Beziehungstrauma gekennzeichnet durch Internalisierung, bei einem Extremtrauma durch Abspaltung der Gewalterfahrung. Dazu aber später noch in dem Kapitel über die Psychodynamik der Traumatisierung (Kap. ▶ 4.2.2).

Natürlich gibt es wie bei jeder Kategorisierung einen großen Bereich zwischen beiden Polen, und es zeigen sich Mischbilder: Auch eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann chronisch werden und in eine anhaltende psychische oder psychosomatische Krankheit münden, genauso wie sich nach einer Beziehungstraumatisierung auch eine PTBS entwickeln kann.

Um diese Kategorisierung besser zu verstehen, sollen hier zwei Krankengeschichten exemplarisch dargestellt werden. In den folgenden Kapiteln des Buches wird dann immer wieder darauf Bezug genommen, um die einzelnen Theoriepunkte anhand der konkreten Fallgeschichten zu verdeutlichen.

2.1 Ein Fall von Extremtraumatisierung Beispiel 1: Herr Achmed

Herr Achmed hatte in Deutschland einen sicheren Ort gefunden und gehofft, seine traumatische Vergangenheit hinter sich lassen zu können. Er lebte schon lange hier. Zuerst hatte er als politischer Flüchtling Asyl gefunden, sich nach und nach integriert und ein „gutes Leben“, wie er sagt, aufgebaut: Er hat eine feste Anstellung, eine nette Frau und einen 5-jährigen Sohn. Vor kurzem hatte er sogar eine Eigentumswohnung gekauft und schien nun wirklich in der deutschen Gesellschaft angekommen zu sein. Und seit der Geheimdienst seines Heimatlandes ihn nicht mehr verfolgen konnte, weil die Behörden ihn schützten, fühlte er sich hier auch sicher.

Dieses gute Leben wurde jäh durch ein Ereignis erschüttert, das ihn wieder in seine traumatische Vergangenheit katapultierte: Er saß in der U-Bahn, als er plötzlich einen vernichtenden Schmerz in der linken Brust spürte, der in den linken Arm ausstrahlte. Mit ungeheurer Anstrengung und Todesangst schleppte er sich zu seinem Hausarzt, der ihn gleich in die Klinik einwies. Es wurde ein Myokardinfarkt diagnostiziert, er bekam einen Stent und anschließend eine ambulante kardiologische Rehabilitation. Dort hatte er einige Gespräche mit einer Psychologin, die einen Zusammenhang seiner kardiologischen Symptomatik mit seinen traumatischen Erlebnissen während des Iran-Irak-Krieges erkannte und ihm dringend empfahl, eine Traumatherapie zu machen. Diesen Rat gab ihm auch der Kardiologe, denn es war auffällig, dass seine retrosternalen Schmerzen persistierten, obwohl kein organpathologischer Befund mehr zu erheben war. Diese Schmerzen traten nicht bei körperlicher, sondern emotionaler Belastung auf – und deshalb vermutete auch der Arzt ein psychosomatisches Geschehen. Herr Achmed befolgte diesen Rat und kam zur ambulanten Traumatherapie in meine Behandlung.

Zum Erstgespräch erschien ein blasser, sehr erschöpft wirkender Mann, der keinen Blickkontakt mit mir aufnehmen konnte. Beim Erzählen seiner Geschichte schaute er meist zu Boden und erwiderte nur selten meinen Blick. Immer wieder stockend erzählte er mit monotoner Stimme seine Geschichte und lächelte dabei etwas entrückt oder verschämt, jedenfalls aber unpassend zum Inhalt der Erzählung:

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