How My Neighbor Stole Christmas - Meghan Quinn - E-Book

How My Neighbor Stole Christmas E-Book

Meghan Quinn

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Beschreibung

Küsse, Kringle, Katastrophen – wenn ein Weihnachtsmuffel ins Fest der Liebe stolpert.

Cole Black lebt in Kringletown, einer Stadt, die besessen ist von Lichterketten, Weihnachtsliedern und übertriebener Festtagsstimmung – ein Albtraum für einen überzeugten Weihnachtsmuffel wie ihn. Am liebsten zieht er sich in sein Haus zurück und hält sich so weit wie möglich von all dem Trubel fern. Bis ausgerechnet seine Erzfeindin Storee Taylor nebenan einzieht. Und als wäre das nicht schlimm genug, meldet sie sich auch noch für den großen Weihnachtskringle-Wettbewerb an – fest entschlossen zu gewinnen ... 

Cole hat nur eine Wahl: Er tritt selbst an. Sein Plan? Den perfekten Weihnachtsliebhaber mimen, um ihr den Sieg vor der Nase wegzuschnappen. Doch zwischen Fairy Lights, Fake-Dates und hitzigen Wortgefechten beginnt es plötzlich zu knistern. Und als es zu einem unerwartet leidenschaftlichen Kuss kommt, stellt sich die Frage: Was steht hier wirklich auf dem Spiel – der Wettbewerb oder Coles Herz?

Liebe, Schnee und jede Menge Weihnachtsmagie – von SPIEGEL-Bestsellerautorin Meghan Quinn!

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Seitenzahl: 663

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Küsse, Kringle, Katastrophen – wenn ein Weihnachtsmuffel ins Fest der Liebe stolpert.

Cole Black lebt in Kringletown, einer Stadt, die besessen ist von Lichterketten, Weihnachtsliedern und übertriebener Festtagsstimmung – ein Albtraum für einen überzeugten Weihnachtsmuffel wie ihn. Am liebsten zieht er sich in sein Haus zurück und hält sich so weit wie möglich von all dem Trubel fern.Bis ausgerechnet seine Erzfeindin Storee Taylor nebenan einzieht. Und als wäre das nicht schlimm genug, meldet sie sich auch noch für den großen Weihnachtskringle-Wettbewerb an – fest entschlossen zu gewinnen.Cole hat nur eine Wahl: Er tritt selbst an. Sein Plan? Den perfekten Weihnachtsliebhaber mimen, um ihr den Sieg vor der Nase wegzuschnappen.Doch zwischen Fairy Lights, Fake-Dates und hitzigen Wortgefechten beginnt es plötzlich zu knistern.

Und als es zu einem unerwartet leidenschaftlichen Kuss kommt, stellt sich die Frage: Was steht hier wirklich auf dem Spiel – der Wettbewerb oder Coles Herz?

Liebe, Schnee und jede Menge Weihnachtsmagie – von SPIEGEL-Bestsellerautorin Meghan Quinn!

Über Meghan Quinn

Meghan Quinns Leidenschaft für Bücher begann als sie einen e-Reader geschenkt bekam und die große Welt der Romance-Bücher entdeckte. Heute ist sie selbst erfolgreiche Bestseller Autorin und wird von ihren Leser:innen weltweit für ihre mitreißenden, emotionalen und spicy Geschichten gefeiert. Sie lebt mit ihrer Ehefrau, ihrem Adoptivsohn, zwei Hunden, vier Katzen und ganz vielen Book Boyfriends in Colorado.

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Meghan Quinn

How My Neighbor Stole Christmas

Aus dem Amerikanischen von Madita Elbe

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

Prolog

Kapitel Eins: Storee

Kapitel Zwei: Cole

Kapitel Drei: Storee

Kapitel Vier: Cole

Kapitel Fünf: Storee

Kapitel Sechs: Cole

Kapitel Sieben: Storee

Cole

Kapitel Acht: Storee

Cole

Kapitel Neun: Storee

Cole

Kapitel Zehn: Storee

Cole

Kapitel Elf: Storee

Kapitel Zwölf: Cole

Storee

Kapitel Dreizehn: Storee

Cole

Kapitel Vierzehn: Cole

Storee

Kapitel Fünfzehn: Cole

Storee

Cole

Storee

Kapitel Sechzehn: Cole

Storee

Kapitel Siebzehn: Storee

Cole

Storee

Kapitel Achtzehn: Cole

Storee

Kapitel Neunzehn: Cole

Storee

Kapitel Zwanzig: Cole

Kapitel Einundzwanzig: Storee

Cole

Kapitel Zweiundzwanzig: Storee

Kapitel Dreiundzwanzig

Kapitel Vierundzwanzig: Cole

Storee

Kapitel Fünfundzwanzig: Cole

Storee

Cole

Kapitel Sechsundzwanzig: Cole

Storee

Kapitel Siebenundzwanzig: Storee

Cole

Kapitel Achtundzwanzig: Storee

Cole

Storee

Kapitel Neunundzwanzig: Storee

Cole

Storee

Kapitel Dreißig: Cole

Taran

Kapitel Einunddreißig: Cole

Storee

Kapitel Zweiunddreißig: Cole

Storee

Cole

Epilog — Cole

Impressum

Lust auf more?

Prolog

Jeder Kringle in Kringletown

Feierte Weihnachten gut und gern.

Doch Cole Black in der Whistler Lane

Blieb dem Fest leider fern.

Cole zog sich zurück

In Kringles Weihnachtstagen.

Niemand wusste wieso,

keiner konnte es sagen.

Martha sagte, der Grund war,

Er sei allein und viel zu Single.

Mae sagte der Grund sei: Er war

Noch nie der Stadt-Kringle.

Doch für mich steht fest,

Ein viel zu trauriger Grund stecktDahinter, denn als er achtzehn war,Verlor er beide Eltern im Winter.

Was auch immer der Grund,

Der Verlust oder sein Status als Single,

Er verbrachte Weihnachten im Dunkeln und

Hasste das bunte Treiben in Kringle.

Aus dem Fenster blickte er

Mit gerümpfter Nase

auf die Lichter und Kränze,

Die schmückten jede Straße.

Sie sangen, sie lachten,

Sie winkten ihm zu.

Doch er blieb im Finstern

Seiner Höhle und suchte Ruh.

Bei ihm gab’s keine Deko,

Keine Plätzchen, keine Lieder.

Denn der erste Dezember war morgen

Und er wusste, nun passierte es wieder.

Die Stadt würde erwachen,

Der Schnee in Massen liegen.

Der Baumschmuck würde glänzen,

Lametta würde fliegen.

Denn bald ertönte wieder

Jingle-Bells-Gedingel,

Und sie würde wieder losgehen:

Die Suche nach dem Stadt-Kringle.

Cole Black war das egal.Es kümmerte ihn nicht.

Warum zeigte irgendwer

Bei sowas sein Gesicht?

»Wen schert’s, wer Weihnachten ordentlich feiert?«,

Fragte er mit saurer Mien’.

Denn dies war sein Motto, bis eines Tages

Alles anders erschien.

Aus dem Fenster erspähte er

Bewegungen hinterm Zaun.

Und der Anblick eines Rotschopfs

Ließ ihn seinen Augen kaum trauen.

»Ich kenne sie, was tut sie hier?

Es muss einen Grund geben.

Sie bleibt doch wohl nicht

Die ganze Weihnachtszeit,

Das glaub’ ich nie im Leben.«

Doch die Koffer stapelten sich hoch, mitten in der Einfahrt,

Und das war ihm eine Warnung: so schnell kam es nicht zur Rückfahrt.

Doch warum? Es war Jahre her, zehn, genauer gesagt.

Seit sie mit ihrem Rotschopf durch die Stadt lief, ungefragt.

Nein, er musste es wissen und sie vertreiben, jetzt oder nie.

Sie durfte nicht hier sein, zu Weihnachten;

Er musste sie vertreiben … nur wie?

Kapitel Eins

Storee

Weißt du, man erholt sich nie ganz von diesem ersten Zwicken, wenn die kalte Bergluft auf die Nippel trifft.« Ich schiebe meine behandschuhten Hände in die Jackentaschen und lasse den Blick über die zugeschneite Bergkulisse wandern.

Meine Schwester Taran schaut mich über die Schulter hinweg an und rollt dramatisch mit den Augen. »Es sind drei Grad über Null – für einen Ort auf dreitausend Metern Höhe ist das ziemlich warm für Anfang Dezember.«

»Ziemlich warm?« Himmel hilf, es ist nicht ziemlich warm, sondern eisig. »Dann sollte ich mich wohl beim Klimawandel bedanken, denn sonst wären meine Brüste jetzt schon zu Eiswürfeln der besonderen Art gefroren.«

Mit ihren zwei Reisetaschen in den Händen richtet sich Taran entrüstet vor mir auf. »Über den Klimawandel macht man keine Witze!« Dann marschiert sie über den geräumten Weg auf Tante Cindys rosafarbenes, viktorianisches Haus zu.

Falls ihr es noch nicht am Tonfall erkannt habt: Taran ist die Krampfige von uns beiden. Ihr Status als ältere Schwester war für sie wohl Grund genug, sich zu einer steifen, reizbaren und humorlosen Person zu entwickeln. Ständig ist sie im Krisenmodus, immer gibt es einen Grund zur Beschwerde, und nie kann irgendjemand in der Taylor-Familie einfach mal Glück haben.

Daher die fünf Reisetaschen und die Fahrt nach Kringletown, Colorado, Anfang Dezember, ohne Aussicht auf baldige Abreise.

Dies ist nicht unsere Heimatstadt.

Es ist auch nicht der Ort, den ich mir ausgesucht hätte, um den Winter zu verbringen. Mein Körper ist eindeutig dem kalifornischen Klima zugeneigt.

Und ich würde nie im Leben Weihnachten mit meiner unleidlichen, wohlgesitteten, besserwisserischen Schwester verbringen und dabei auch noch vor Freude strahlen.

Ich liebe sie, aber sie kann nicht anders, als wirklich jeden Spaß und jede Freude im Keim zu ersticken.

So ist es schlicht mein persönliches Pech, dass unsere Tante Cindy vor Kurzem gefallen ist – kein ungewöhnliches Vorkommnis bei einer über Achtzigjährigen, oder?

Tante Cindy, eben noch eine rüstige Rentnerin und in der kleinen Stadt als die Fröhlichste von allen bekannt, war gerade auf dem Weg, eine frische Ladung Lebkuchen aus dem Ofen zu holen, als sie, wie sie es ausdrückte, einen Druck in der Hüfte und dann einen Krampf in der linken Pobacke verspürte, der sie ins Trudeln brachte und schließlich zu Boden stürzen ließ. Und weil sie eine klapprige alte Schachtel ohne Fettpölsterchen ist, konnte sie den Fall nicht abfedern und, tja, hat sich die Hüfte gebrochen.

Den Rest könnt ihr euch denken. Eine gebrochene Hüfte kommt für einen älteren Menschen einem Todesurteil gleich – laut Tante Cindy.

Danach war natürlich die Hölle los.

Alarm-Emojis haben den Familien-Chat explodieren lassen.

Sie haben ein Notfall-Meeting anberaumt.

Und bevor ich mich versah, habe ich am Bildschirm meines Computers direkt in die haarigen Nasenlöcher meines Vaters gestarrt, während er versucht hat, »dieses Zoom-Ding« zu kapieren. Mom in ihrem mit Paradiesvögeln bedruckten Sarong auf dem Balkon ihres Timeshare-Ferienappartments in Cancún hat nur herzzerreißend geschluchzt.

Dad hat beruhigend auf sie eingeredet und dabei mit seinem Strohhut und der vom Sunblocker knatschweißen Nase ein hübsch-hässliches Bild abgegeben.

Taran, ganz die professionelle Krankenpflegerin, die sie ist, hat im Affenzahn die wichtigsten Punkte auf einen Block notiert.

Und ich, im T-Shirt und ohne BH, habe es mir in meinem übergroßen Single-Lady-Fernsehsessel gemütlich gemacht, Costco-Schokorosinen aus dem Eimer gemampft und beobachtet, wie sich das Ganze entwickelt.

»Etwas muss geschehen. Jemand muss sich um sie kümmern«, hat Mom beim Gedanken an ihre einzige lebende Verwandte gejammert.

Habe ich schon erwähnt, dass Tante Cindy für meine Schwester und mich eigentlich Großtante Cindy ist? Aber was für eine Zumutung, das jedes Mal zu sagen, deshalb nennen wir sie einfach Tante Cindy.

Aber sie bedeutet unserer Mom alles.

Sie ist die Matriarchin unserer sehr kleinen Familie mütterlicherseits.

Doch trotz aller Liebe für die Frau, die sie praktisch großgezogen hat, konnte Mom unmöglich ihr Tropenparadies verlassen, denn die Horbachs und die Lindons waren gerade erst angereist und außerdem würden sie dann die Pinochle-Meisterschaft verpassen – für die hatten sie und Dad schließlich geübt, und dieses Jahr würden sie sie gewinnen.

Was wiederum hieß, … dass ich ins Boot geholt wurde.

Denn, klar, obwohl ich in meinem Remotejob Filme für den Lovemark-Channel schneide, habe ich natürlich alle Zeit der Welt, mich um eine alte Frau mit Hüftschaden zu kümmern.

Nun, unter uns gesagt, habe ich die Zeit tatsächlich, denn im Augenblick schneide ich überhaupt nichts – im Augenblick lege ich eine Pause vom Schneiden ein und nehme genau genommen die Zuschauerinnenposition ein, tief versunken im Lovemark-Feiertagsprogramm, aber das braucht meine Familie nicht zu wissen.

Wie dem auch sei, sie haben entschieden, dass ich, Storee Taylor, mich um Tante Cindy kümmern soll.

Ich habe keinen blassen Schimmer, wie man sich um eine alte Frau mit gebrochener Hüfte kümmert – es war also vermutlich nicht die klügste Entscheidung meiner Familie.

»Willst du weiter nur da rumstehen, oder hilfst du vielleicht mal mit den Taschen?«, reißt Taran mich aus meinen Gedanken.

»Ich gewöhne mich nur an die dünne Luft«, antworte ich und presse mir die Hand gegen die Brust. »Uff, schwer zu atmen. Ich glaube, ich leide unter der Höhenkrankheit, wahrscheinlich ist das hier nicht der richtige Ort für mich. Vielleicht sollten wir Tante Cindy lieber nach Kalifornien ausfliegen.«

Taran drückt mir das Kissen auf die Brust, ohne das ich nicht leben könnte, sagt: »Dir fehlt nichts.« und schnappt sich die Tüte mit den Snacks, die ich unbedingt noch haben wollte und für die ich sie gezwungen habe, vor der Fahrt in die Berge einen Zwischenstopp einzulegen. Dann geht sie wieder zum Haus.

Sie weiß wirklich nicht, wie man mit Kranken umgeht.

In mich hinein grummelnd und schnaufend – ein Schnaufen, das sich ungelogen in weißen Atemwölkchen manifestiert – schaffe ich es auf die Veranda des Hauses. Früher, bevor Mom und Dad sich das Ferienapartment in Cancún zugelegt haben, waren wir jedes Jahr an Weihnachten zu Besuch hier. Mom und Dad nennen die Wohnung den »Busenbungalow«. Die Busenfreundin meiner Mutter besitzt nämlich auch einen Teil davon, und sie finden den Namen total witzig. Ach ja, Eltern sind wirklich urkomisch.

Als ich mich der Haustür nähere, schlägt mir schon der Duft von warmen Lebkuchen und frisch geschlagener Tanne entgegen – eine Mischung, die ich mit nur einer einzigen Person in Verbindung bringe: Tante Cindy.

Ich gebe es ungern zu, doch selbst, wenn ich jetzt lieber in die riesige Barbie-Kuscheldecke meiner Kindheit eingewickelt mit meinem Ficus Alexander über das Lovemark-Weihnachtsprogramm diskutieren würde, wird mir bei den Gerüchen, der Szenerie und dem Schnee hier ein kleines bisschen – und ich meine wirklich nur ein winziges, klitzekleines, so-klein-dass-man-es-kaum-wahrnehmen-kann Bisschen – warm ums Herz.

Und damit übertreibe ich nicht, denn diese Stadt und ich … wir haben eine gemeinsame Vergangenheit.

Eine fürchterliche Vergangenheit.

Eine hochnotpeinliche Vergangenheit.

Die Art Vergangenheit, wegen der ich mich zehn Jahre von hier ferngehalten habe.

Aber trotz dieser schmachvollen Vergangenheit war Tante Cindys Haus in der Weihnachtszeit für mich immer der Inbegriff von Geborgenheit.

Ich will gerade eintreten, da rauscht Taran schon wieder raus. Diese Frau ist ein Arbeitstier, und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, macht sie so lange weiter, bis sie es erreicht hat. Sie hat einfach immer das Ziel im Blick.

»Wenn du nur Maulaffen feilhalten und dumm rumstehen willst, geh wenigstens aus dem Weg.« Sie stößt mich im Vorbeigehen mit der Schulter an und geht zum Auto.

Meine Güte!

»Ich stehe nicht dumm rum«, meckere ich und trete in die Diele des knarzenden Hauses, in dem Tante Cindy schon länger lebt, als ich auf der Welt bin.

Dieses Haus ist Weihnachten. Das Treppengeländer mit Kieferngrün umwickelt, batteriebetriebene Lichter in den Fenstern. Die sorgfältig gebundenen Samtschleifen, die strategisch in jedem begrünten Türrahmen platziert sind. Der einzelne Mistelzweig, der im Wohnzimmer hängt und zum kunstvoll geschmückten Baum mit aufeinander abgestimmten Kugeln und Lämpchen, Schleifen und dem goldenen Engel an der Spitze führt. Die handgefertigten grün-roten Steppdecken, die wie Bildteppiche an den Wänden hängen, die langstieligen Bonbonnieren aus Kristall voller Minzbonbons, die auf der Zunge zergehen, sobald man sie in den Mund steckt. Und unter dem Baum liebevoll in passendes Papier verpackte Geschenke, mit Schleifen und Geschenkanhängern bestückt. Eine Momentaufnahme meiner Kindheit, als Weihnachten mich an Wunder und Magie glauben ließ und die Festtage für mich zu etwas ganz Besonderem machte.

Doch als ich nun im Eingangsbereich nach der Fußmatte suche, auf der ich mir den Schnee von den Schuhen streifen kann, fällt mein Blick auf das nackte Treppengeländer und den kahlen Türrahmen. Keine Bonbonnieren und kein einziger Minzbonbon in Sicht.

Was zur Hölle?

»Im Ernst, Storee, kannst du dich bitte mal nützlich machen?« Taran stellt eine weitere Tüte mit Lebensmitteln in der Diele ab.

»Wo … wo ist denn alles?«, frage ich.

»Was alles?« Taran wischt sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sie kann doch wohl nicht schwitzen. Ich weiß, sie lebt in Denver, aber hier haben wir es mit arktischen Temperaturen zu tun.

Ich deute auf die Leere um uns herum. »Hier hängt nirgendwo Weihnachtsschmuck.«

Taran sieht sich um. »Stimmt.«

»Ähm … warum?«

»Hm, keine Ahnung«, erwidert sie sarkastisch. »Vielleicht, weil Tante Cindy sich die Hüfte gebrochen hat und im Moment leider nicht in der Lage ist, ihr Haus zu schmücken, nur damit du den Weihnachtszauber spürst, sobald du zur Tür hereinkommst.« Oh, Verzeihung, Frau Stinkstiefel.

Wieder rauscht sie an mir vorbei zu dem Platzwunder von einem Auto, um noch Gott weiß was auszuladen.

»Ein schlichtes ›Sie hatte keine Zeit.‹ hätte es auch getan«, rufe ich ihr nach.

Also wirklich, was die sich rausnimmt.

Ich klemme mir das Kissen unter den Arm, ziehe die Schuhe aus und gehe ins Wohnzimmer, das undekorierte und deshalb äußerst seltsam anmutende Wohnzimmer.

So habe ich das Zimmer noch nie gesehen. Wo normalerweise der Baum steht, befindet sich nun ein antiker rosa Sessel, der für sein Alter in erstklassigem Zustand ist. Die Happy-Days-Krippenszene, die Tante Cindy jedes Jahr über dem Kamin aufstellt, ist nicht da. Auch Weihnachtsstrümpfe sind nicht aufgehängt, es liegt kein Feuerholz aufgestapelt bereit, und die grünen Damast-Gardinen sind nicht mit Cranberry-Girlanden verziert.

Alles ist total … schmucklos.

Und macht mir ehrlich gesagt Angst.

Ich weiß, vorhin habe ich noch Witze darüber gerissen, dass eine gebrochene Hüfte einem Todesurteil gleichkommt, aber dieser karge Raum strahlt wirklich eher Leichenschauhaus als Weihnachtszauber aus.

Außerdem habe ich tatsächlich nicht geahnt, dass Tante Cindy den Weihnachtsschmuck jemals abnimmt. Vielleicht war das naiv, aber immerhin sind wir hier in Kringletown – kurz Kringle, wie die Einheimischen sagen –, der höchstgelegenen Weihnachtsstadt des Landes. Das ganze Jahr über schallt hier weihnachtliche Instrumentalmusik aus strategisch entlang der Hauptstraße platzierten Lautsprechern. Die Straßenlaternen werden zwar jeden Monat umdekoriert, aber die klassische Weihnachtsfarbkombi aus Rot, Grün und Gold wird immer beibehalten. Auch die Lichterketten verschwinden nie, heiße Schokolade wird Jahr ein, Jahr aus in die Besucherinnen und Besucher hineingepumpt, und man kann nicht durch die Straßen laufen, ohne dass einem mindestens zweimal erzählt wird, dass Santa seine Augen und Ohren überall hat.

Also entschuldigt bitte meine Annahme, dass die Weihnachtsdeko auch in den Häusern ein ganzjähriger Schmuck ist.

Schätze, ich habe mich geirrt.

Die Haustür knallt zu und ich drehe mich um. Taran stemmt die Hände in die Hüften.

»Warum ist es so still hier?«, frage ich. »Wo ist Tante Cindy?«

»Bei Martha und Mae.«

»Den Bawhovier-Zwillingen?« Sie sind die Klatsch- und Tratschzentrale von Kringletown. Wenn man irgendetwas – und ich meine wirklich egal was – über die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt wissen will, ist man bei Martha und Mae Bawhovier an der richtigen Adresse.

Sie schreiben es sich sogar auf. Ich habe es selbst gesehen. Stapelweise Stadtgespräche, festgehalten in ledergebundenen Büchern in den Regalen. Wenn die beiden eines Tages sterben, werden die Kringletowner diese Tratsch-Annalen zweifelsohne an die Stadtbücherei geben, und die geheimsten Geheimnisse all jener, die ihr ganzes Leben inmitten festtäglicher Feierlichkeit verbracht haben, kommen ans Licht.

»Martha und Mae haben für uns ein Auge auf Tante Cindy gehabt. Hast du beim Notfall-Call nicht zugehört?«

»Ich hatte einen Blackout, weil ich gezwungen werde, bis auf Weiteres Krankenpflegerin zu spielen.«

»Du übertreibst.«

»Sagt die, die gemütlich nach Hause fahren kann, während ich eine ältere Dame waschen muss, die ich mein ganzes Leben nur in Rollkragenpullis und Hosen gesehen habe.«

»Du solltest dich geehrt fühlen.«

Ich beuge mich entrüstet zu meiner Schwester vor und flüstere: »Geehrt, Tante Cindy nackt zu sehen? Was stimmt mit dir denn nicht?«

Tarans Kiefer arbeiten. »Es ist doch eine Ehre, dich um eine nahe Verwandte zu kümmern, die dir in deiner Kindheit viele schöne Momente beschert hat. Das ist der Lauf des Lebens, Storee. Wenn wir klein sind, kümmern sie sich um uns, und wenn sie alt und gebrechlich werden, können wir uns dafür revanchieren.«

Mist, sie hat recht.

»Das heißt aber noch lange nicht, dass ich mich geehrt fühlen muss, weil ich sie nackt zu sehen bekomme«, erwidere ich trotzig.

Taran schüttelt den Kopf und schiebt einen großen, schwarzen Koffer vor sich her. Das ist nicht meiner.

»Was ist das?«

»Der gehört mir.«

In mir flammt Hoffnung auf.

»Warte, heißt das, du bleibst hier?«

»Mir bleibt doch nichts anderes übrig«, sagt sie. »Ich wollte erst mal sehen, wie es sich hier entwickelt, aber schon nach den paar Minuten, die wir jetzt hier sind, ist doch klar, dass ich dich nicht mit Tante Cindy allein lassen kann.«

Begeistert klatsche ich in die Hände. »Prima, dann mache ich mich besser gleich auf den Heimweg.« Ich deute mit einem Daumen hinter mich Richtung Tür. »Also, es ist schon schräg, dass du mich hergebracht hast, nur um mir unter die Nase zu reiben, dass du dich um alles kümmerst, aber einen Hauch Dramatik dann und wann bin ich ja von dir gewöhnt.«

»Du bleibst hier – wir machen das zusammen.« Sie beginnt, ihren Koffer die Treppe hinauf zu wuchten.

»Äh, wie meinen?« Ich trete heran und sehe meiner Schwester dabei zu, wie sie das Monstrum, das nur geringfügig kleiner ist als sie, die Holzstufen hinauf zerrt.

Oben angekommen, starrt sie auf mich herunter. »Je nachdem, wie das Krankenhaus auf meinen Urlaubsantrag reagiert, muss ich vielleicht gelegentlich für ein, zwei Tage zum Arbeiten nach Denver fahren. Du musst also hier bei Tante Cindy bleiben. Aber ich kann dich nicht mit ihr alleine lassen, schließlich hast du keinerlei Erfahrung damit, dich um irgendwas zu kümmern.«

»Na hör mal«, widerspreche ich und stampfe mit dem Fuß auf. »Hast du vergessen, dass ich Alexander großgezogen habe? Ihm geht’s prächtig. Und weil meine Nachbarin Harriot auf ihn aufpasst, während ich hier bin, wird es ihm auch weiterhin prächtig gehen.«

»Du kannst Tante Cindy doch nicht mit einem Ficus vergleichen, Storee.«

Abwehrend verschränke ich die Arme vor der Brust. »Sagt diejenige, die Alexander dieses Jahr sogar ein Geburtstagsgeschenk gekauft hat.«

»Du hast mich gebeten, Düngemittel mitzubringen, als ich dich besucht habe. Das kann man schwerlich als Geburtstagsgeschenk ansehen.«

»Er hatte Geburtstag, und du hast ihm etwas mitgebracht. So sehe ich das.«

Unter neuerlichem Augenrollen schiebt sie ihren Koffer in Richtung rotes Schlafzimmer.

»Äh, was tust du da?«, will ich wissen und laufe so schnell mich meine gefrorenen Beine tragen die Treppe hinauf.

»Keine Zeit verschwenden, im Gegensatz zu dir«, gibt sie zurück.

Mein Kissen immer noch unter dem Arm, erreiche ich das obere Ende der Treppe. »Du weißt genau, dass das rote Zimmer mir gehört.«

Taran steht im Türrahmen. Mit ihren eins siebzig ist sie nur zwei Zentimeter größer als ich, aber ihre Unbeirrbarkeit und der Stock in ihrem Arsch lassen sie gigantisch vor mir aufragen und auf mich kleinen, unbedeutenden Fußsoldaten herabschauen.

»Das rote Zimmer ist größer.«

»Das ist mir bewusst, denn aus diesem Grund habe ich immer dort gewohnt.« Ich deute hinter mich und füge hinzu: »Für dich bleibt das Albtraumzimmer.«

»Nope, diesmal nicht«, sagt sie.

Zögerlich trete ich einen Schritt vor. »Taran, du weißt doch, ich kann da drin nicht schlafen.«

»Du bist jetzt groß – du schaffst das schon.«

»Nein.« Ich werde panisch. »Die … erwachen zum Leben.«

»O mein Gott, Storee, werd erwachsen.« Mit diesen Worten zieht sie ihr Gepäck ins rote Zimmer, und mein Gesicht wird ganz heiß, während ich ihr hinterher eile.

»Ich bin erwachsen, und mir ist jetzt erst recht bewusst, was mich dort erwartet. Was für Horrorgeschichten … es braucht einen Exorzismus, um das Zimmer zu reinigen.«

Taran öffnet den Koffer und fängt an, ihre Klamotten in die Kommode einzuräumen. Das rote Zimmer ist behaglich wie immer mit seinen roten Wänden, dem roten Teppich, roten Gardinen und rotem Bettzeug. Jedes Jahr zu Weihnachten haben Taran und ich uns dieses Zimmer geteilt, die Ausziehmatratze, die unter dem Bett verstaut ist, diente ihr als Schlafplatz. Ganz früher hat Taran im Albtraumzimmer geschlafen, und das war kein Problem für sie. Mom und Dad schliefen damals im Raum neben dem roten Zimmer, doch nachdem Tante Cindy den in ihren persönlichen Fitnessraum umfunktioniert hatte, zog Taran auf das Ausziehbett bei mir im roten Zimmer, und Mom und Dad nahmen das … andere Zimmer.

»Na schön, dann schlafe ich eben auf der Ausziehmatratze«, lenke ich ein.

»Das wirst du nicht«, wehrt Taran ab. »Ich werde Guy eine Weile nicht sehen, und ich habe ihm versprochen, dass wir … miteinander reden.«

Ich rümpfe angewidert die Nase.

Guy ist Tarans Freund.

Viel weiß ich nicht über ihn, bei der sexuellen Anspielung, die in ihrem »miteinander reden« mitschwingt, stellen sich mir die Nackenhaare auf.

»Ih«, sage ich. »Bitte sag, dass du keine schmutzigen Sachen in Tante Cindys Haus treiben wirst.«

»Was ich in meinem Zimmer treibe, geht dich nichts an.«

»Dann mach es im anderen Zimmer. Da hast du sogar Publikum.«

Sie sieht mich wütend an. »Das W-LAN ist hier besser, das weißt du, und da du Single bist, nicht alleine auf unsere Tante aufpassen kannst und ich aus diesem Grund aus meinem Alltag gerissen werde, brauche ich ein paar Annehmlichkeiten, um die nächsten Wochen durchzustehen.«

»Aber was ist mit mir?« Ich fasse mir ans Herz. »Verdiene ich keine Annehmlichkeiten?«

Sie zeigt auf das Kissen in meinem Arm. »Du hast dein Spezialkissen, das muss reichen.« Damit schiebt sie mich aus dem Zimmer und macht die Tür hinter mir zu.

»Das war sehr unhöflich!«, rufe ich und drehe mich auf dem Absatz um wie ein gescholtenes Kind. Feindselig starre ich auf die Tür zum anderen Schlafzimmer, und der bloße Gedanken daran jagt mir einen Schauer über die Haut.

Vielleicht … ganz vielleicht hat Tante Cindy ja umdekoriert und das einstige Höllenzimmer in ein friedvolles Refugium verwandelt. Mit Duftzerstäubern auf einer Kommode aus Weißeichenholz, salbeigrüner Bettdecke auf einer wolkenweichen Matratze und einem Wecker mit Schlummerfunktion und Sonnenaufgangssimulation auf dem Nachttisch, die für einen geruhsamen Schlaf und angenehmes Erwachen sorgen.

Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

Langsam gehe ich auf das Zimmer zu und öffne, hoffend und betend, mit geschlossenen Augen die Tür.

Bitte sei umdekoriert.

Bitte sei umdekoriert.

Ich öffne vorsichtig ein Auge, und alle Hoffnung ist vergebens, denn sofort fällt mein Blick auf Josefina.

Und Felicity.

Und Molly.

Und Addy.

Und Kirsten.

Und Samantha, die dumme Kuh.

Sie stehen dort in mehreren Ausführungen, in verschiedenen Dioramen. Die sechs »Königinnen« der American-Girl-Puppen, wie Tante Cindy es ausdrücken würde, sind in ihren Originaloutfits in Schaukästen gegenüber dem blumengemusterten Himmelbett aufgereiht, doch ihre Doppelgängerinnen sind strategisch im ganzen Raum verteilt und bieten Einblicke in die historische Vielfalt der guten alten Zeit … und der nicht so guten alten Zeit.

In einer Ecke Molly, im Weihnachtskleid aus Samt.

Felicity, im weißen, langen Kleid mit einem Korb frisch gepflückter Blumen im Arm.

Addy, als Puppenspielerin ihrer Miniatur-Marionetten.

Josefina mit ihrer Schildkröte und dem Klavier, auf dem sie ein Liedchen für die anderen Mädchen spielt.

Und Samantha … ach, Samantha, mit ihrem perfekten Haar, dem purpurrotem Haarreif und den klimpernden Augenlidern mit den dichten Wimpern. Die Schlimmste von allen, aufgestellt neben ihrem weichen, weißen Bett und dem roten Koffer, und in den Kleidern, die sie zu der machen, die sie ist: die Prinzessin der Progressive Era. Sicher, sie ist eine »Waise«, aber sie lebt bei ihrer reichen Großmutter im nördlichen New York – im Gegensatz zu Addy, die sich ihr eigenes Geburtsdatum aussuchen musste, weil sie nicht wusste, wann sie geboren war. Samantha hatte es gut.

Aber ich schweife ab. Dieses Zimmer ist eine Folterkammer.

Es erzeugt den blanken Horror.

Es ist ein Zimmer, vollgestopft mit American-Girl-Puppen, mit ihren Accessoires und in ihren Szenen … und alle starren mich an.

Alle betteln darum, berührt zu werden.

Abwechselnd vom Regal geholt zu werden.

Von unschuldigen Kinderhänden bewegt zu werden. Doch anstatt ihrer Berufung als Spielzeug nachzukommen, sind sie zu einem langweiligen Leben als Raumschmuck verdammt. Ich erkenne den Zorn in ihren Augen. Sie waren zu so viel mehr bestimmt, als in einem Haus zu landen, in dem sie nur betrachtet und niemals berührt werden dürfen.

Wie Wandleuchten, hübsch anzusehen, aber ohne wirklich praktischen Wert. Diese Puppen stecken voll aufgestauter Energie und tiefsitzender Depression, und des Nachts, das weiß ich genau, erwachen sie zum Leben.

Sagt bloß nicht, ich übertreibe, denn das tue ich nicht. Ich schwöre hoch und heilig auf mein linkes Nasenloch: Als ich elf war, hat eine der Puppen mir zugeblinzelt.

Wirklich und wahrhaftig geblinzelt.

Einmal dürft ihr raten, welche Puppe das war.

Ich habe mich so erschreckt, dass ich laut schreiend die Treppe heruntergerannt und über den Weihnachtsmann-Läufer gestolpert bin, der immer unten im Flur lag. Dann bin ich gegen die Wand geknallt und hab mir das Handgelenk gebrochen.

In kalten, feuchten Nächten tut es noch immer weh und erinnert mich daran.

Also entschuldigt bitte, wenn ich nicht in einem Zimmer schlafen will, das mich beinahe ein Handgelenk gekostet hat.

»Deine Klamotten packen sich nicht von selbst aus!«, ruft Taran durch ihre wieder geöffnete Zimmertür über den Flur. »Und wir müssen noch alles vorbereiten – Martha und Mae bringen Tante Cindy in etwa einer Stunde her.«

Ich drehe mich zu ihr. »Weißt du, wir sollten wirklich Schere, Stein, Papier um das rote Zimmer spielen. Das wäre nur gerecht.« Spielbereit strecke ich meine Hand aus. »Siegerin nach drei Runden?«, frage ich hoffnungsvoll.

»Echt süß, wie du immer noch versuchst zu verhandeln«, sagt Taran nur und rauscht energisch die Treppe nach unten, schnappt sich die Tüten mit den Einkäufen und verschwindet in der Küche.

Tja, das ist eine Möglichkeit, die gnadenbringende Zeit mit Füßen zu treten.

Kapitel Zwei

Cole

Der Schnee glitzert weiß

Auf dem frostigen Grund,

Und die Ankunft der Schwestern

Ist in Kringletowns aller Mund’.

Die Gerüchteküche brodelt,

Die Aufregung ist groß,

Doch Cole stapft umher

Als brummiger Trauerkloß.

Wusstest du, dass die kommen würden?«, frage ich meinen besten Freund Max.

Max unterbricht das Schleifen seiner Axt und sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an.

»Wusste ich, dass wer kommen würde?«, fragt er.

Ich sitze auf einem alten Holzstuhl, der nur noch einen großen Kerl davon entfernt ist, in seine Einzelteile zu zerfallen – mit dem Risiko kann ich leben – und stütze mich mit den Unterarmen auf meinen Beinen ab. »Die Taylor-Schwestern.«

»Wer sind die Taylor-Schwestern?« Er wischt die Axt ab und inspiziert sie.

Durch einen Spalt der Stalltür weht ein kühler Wind herein und erinnert mich wieder daran, dass der Herbst vorüber und der Winter da ist. Die Kälte hat mir nie etwas ausgemacht. Ich bin an die eisigen Winter in den Bergen Colorados gewöhnt, weshalb ich auch jetzt nur eine Jeans und ein langärmeliges Flanellhemd trage. Das kommt dabei heraus, wenn man sein ganzes Leben in einem Städtchen in den Bergen verbringt. Man passt sich an das Wetter an, macht sich auf alles gefasst, vertraut aber auch darauf, dass die Sonne zumindest einmal am Tag herauskommt.

»Du weißt genau, wer das ist«, sage ich. »Die Großnichten von Cindy Louis, Taran und Storee.«

»Ohhhh«, nickt Max und zwinkert mir zu. »Storee Taylor.«

»Kannst du das lassen?«, meckere ich kopfschüttelnd, weil ich genau weiß, worauf er hinauswill.

»Sie ist also wieder da, hm? Startest du einen neuen Versuch und fragst sie noch mal nach einem Date?«

»Ich habe sie nie nach einem Date gefragt.« Ich bereue jetzt schon, das Thema überhaupt angesprochen zu haben.

»Stimmt, hast du nicht – du hattest gar keine Möglichkeit, weil sie dich schon vorher hat abblitzen lassen.«

»Sie hat mich nicht abblitzen lassen«, erwidere ich genervt. »Sie hat das Thema gewechselt und ist gegangen, so einfach war das.« Das ist längst nicht alles, aber ich möchte die Geschichte kein zweites Mal durchleben.

»Warst du nicht siebzehn und sie fünfzehn?«

Ich streiche mir übers Gesicht. »Nein, wir waren beide achtzehn.« Er kapiert es nicht, und ich schüttele unwillkürlich den Kopf. »Vergiss es.« Ganz in der Nähe klingeln ein paar Glöckchen und kündigen eine weitere Fahrt durch den immergrünen Nadelwald der Evergreen Farm an.

Die Farm ist Kringletowns ganzer Stolz. Besser gesagt, eines der Dinge, auf die hier alle stolz sind. Kringle liegt auf 3207 Metern Höhe, ist damit ganz offiziell die höchstgelegene Stadt des Landes und eine Stadt, in der ganzjährig Weihnachten ist.

Jap, wir feiern Weihnachten … das ganze Jahr.

Die fröhlich-festliche Musik verstummt niemals.

Die Lichterketten blinken ohne Unterlass.

Und Santa – aka Bob Krampus – hört nie auf, Ho-ho-ho aus seinem Haus herauszurufen, das am oberen Ende des Ornament Parks liegt. Der Park, den man auch einfach Stadtpark nennen könnte, hat die Form einer Christbaumkugel.

Die Fachwerkhäuser entlang der Ornament Avenue, dem Krampus Court und der Route 25 sind andauernd mit Kränzen, Lichtern und frischen Girlanden geschmückt. Die Weihnachtsstände hinter Weihrauch & Myrrhe sind immer geöffnet und bieten das neuste, selbstgemachte Kunsthandwerk für all diejenigen an, die auf der Suche nach einem einzigartigen Weihnachtsmitbringsel sind.

Die Evergreen Farm, die den Maxheimers – Max’ Familie – gehört, hat immer Saison. Im Sommer wird Baumpflanzen angeboten, es gibt Paintball, Livebands und einen Bauernhof, auf dem man Respekt gegenüber allen Tieren vermittelt bekommt. In der Weihnachtszeit kann man hier seinen Tannenbaum fällen, Eislaufen, mit elektrischen Schneemobilen fahren, an unzähligen Lagerfeuern Marshmallows essen, Workshops zum Lebkuchenbacken buchen … Es gibt diesseits der Rocky Mountains keinen Händler, der nicht auch hier einen Stand hat und auf ein gutes Geschäft hofft.

Was mich angeht, ich verstecke mich hier im Rentierstall und kümmere mich um die wertvollen und berühmten Rentiere der Maxheimers. Der Geruch stört mich nicht. Auch nicht das Schnauben, das Geweihschütteln oder die feuchten Mäuler, die in meinen Taschen nach Essbarem suchen. Ich mag das Alleinsein, ich mag die anstrengende Arbeit, Rentierscheiße in eine Schubkarre zu schaufeln, und wenn ich ehrlich bin, mag ich auch das Geräusch der klappernden Hufe.

Niemand kommt mir hier in die Quere – mal abgesehen von Max –, niemand macht mir den Job streitig, denn keines der Maxheimer-Geschwister will diese Arbeit übernehmen. Und da ich ein Ehrenfamilienmitglied bin, erledige ich meine Aufgaben mit Stolz.

Max legt sich die Axt über die Schulter, stemmt die Hand in die Hüfte und mustert mich. Max – oder Atlas, wie er eigentlich heißt – ist einen Meter fünfundneunzig groß und damit sogar noch etwas größer als ich. Wir sind beste Freunde, seit wir Babys waren. Otto und Ida, Max’ Eltern, waren die besten Freunde meiner Eltern. Als meine Eltern vor zehn Jahren gestorben sind, haben sie mich bei sich aufgenommen. Was bedeutet, dass Max mich wie einen Bruder behandelt. Mit anderen Worten: Er nimmt kein Blatt vor den Mund und er lässt sich auch nichts vormachen.

»Glaubst du echt, ich würde so tun, als wäre nichts, als es würde dir nichts bedeuten, wenn das Mädchen, von dem du eine Ewigkeit lang geträumt hast, nach Jahren wieder in der Stadt ist?«

»Erstens: Ich habe nicht von ihr geträumt. Himmel, so erbärmlich liebeskrank war ich nicht. Ich fand sie einfach heiß.« Ich zucke lässig die Schultern. »Mehr nicht. Zweitens: So eine Unruhe können wir Anfang Dezember nicht gebrauchen.«

»Warum nicht?«, fragt er.

»Du weißt doch, wie es in dieser Stadt zugeht. Das Gerede hat schon angefangen. Ich habe gehört, wie Sherry Conrad im Polarfrost mit Thachary über die Ankunft der Taylor-Schwestern geredet und spekuliert hat, was für einen Unfug sie wohl diesmal anstellen.«

»Unfug?« Max hebt eine Braue. »Was für Unfug haben die zwei denn jemals angestellt?«

Ich schaue ihn lange an und blinzele einige Male, um zu sehen, ob er das als Witz gemeint hat. »Max, wir sind in der gleichen Stadt aufgewachsen. Du warst im Jahr von Bob Krampus’ großer Santa-Enthüllung hier, bei der Heiße-Schokoladen-Krise von 2012 und auch, als der Spezial-Weihnachtsbaum bei Geschenke & Nippes umgekippt ist. Das ging alles auf deren Kappe.«

Er kratzt sich an der Wange. »Hm. Darüber habe ich wohl nie nachgedacht, aber hey – jetzt sind sie ja älter. Vermutlich sind sie hier, um sich um Cindy zu kümmern. Martha und Mae können ja nur eine begrenzte Zeit Krankenschwestern spielen, bevor sie vor Langeweile platzen. Du weißt besser als ich, dass in den beiden eine Zeitbombe tickt. Sie kann jederzeit hochgehen.«

Die Zwillinge Martha und Mae Bawhovier leben zusammen, seit ich sie kenne. Beide sind extrem hitzköpfig und sorgen mit ihrem dauernden Getratsche immer wieder für Unfrieden im Ort. Sie stecken ihre Nasen ständig in Dinge, die sie nichts angehen. Zu meinem Glück, oder eher Unglück, leben sie in meiner Stichstraße.

»Ich glaube ja, du bist innerlich kurz vorm Ausrasten, weil du noch immer an Storee hängst«, schiebt Max hinterher.

»Ich hänge nicht an ihr und ich bin auch innerlich nicht kurz vorm Ausrasten«, erwidere ich. »Glaub mir, sie ist die Letzte, die ich sehen will … erst recht jetzt.«

»Warum erst recht jetzt?«

Der letzte Teil ist mir so rausgerutscht.

Normalerweise erzähle ich Max alles. Wie schon gesagt, er ist wie ein Bruder für mich. Aber von einer Sache habe ich ihm nie erzählt, weil … na ja, weil es einfach zu sehr wehtat.

»Weil wir viel zu tun haben«, sage ich.

»Sagt der Typ, der auf einem Stuhl aus dem neunzehnten Jahrhundert herum fläzt und sich das Maul darüber zerreißt, welche Leute von auswärts sich im Nachbarhaus breitmachen.«

»Darf ich nicht mit meinem besten Freund quatschen, während er seine Axt schleift? Dein Dad sagt doch immer, ich soll Pausen machen.«

Max schüttelt den Kopf. »Red dir das ruhig ein, wenn du dich damit besser fühlst.« Er geht in Richtung der Stalltür und dreht sich noch einmal um. »Aber was willst du tun, jetzt, wo die Taylors in der Stadt sind? Klopfst du bei Cindy an und fragst, ob sie Hilfe brauchen? Bietest dich zum Schneeschippen an? Vielleicht könntest du ihnen ein paar Wege zeigen, wie ihnen wärmer wird?«

»Ich werde nichts dergleichen tun«, sage ich ernst. »Ich habe nicht mal vor, mit denen zu reden.«

»Warum hast du dann überhaupt davon angefangen?« Max hat mich sofort durchschaut.

Ich habe keinen Schimmer, warum ich davon angefangen habe. Ich weiß nur, dass ich das Bild von Storees tiefrotem Haar, das im Wind wehte, als sie das Auto entluden, nicht mehr aus dem Kopf bekomme.

»Um dich zu warnen«, erkläre ich.

»Vor was denn?«, fragt er. »Ich habe keine Angst vor den Taylor-Schwestern. Ich bin denen bisher nicht mal begegnet, weil sie ihrer Tante nie von der Seite gewichen sind. Alles, was ich über sie weiß, weiß ich von dir.«

»Ich warne dich nicht vor ihnen«, antworte ich. »Sondern vor mir, weil ich von jetzt an bis sie die Stadt wieder verlassen keine angenehme Gesellschaft sein werde.«

»Inwiefern unterscheidet sich das von deiner sonstigen Laune?«

Nicht witzig, denke ich und werfe ihm einen mürrischen Blick zu.

Er gluckst. »Weißt du, deine Selbstreflexion und emotionale Intelligenz sind über die Jahre wirklich gewachsen.«

Schon besser.

»Danke. Du schauderst bestimmt beim Gedanken daran, mich in meiner reinsten und seltensten Form von Griesgrämigkeit um dich zu haben, aber keine Sorge – «

»Alter, du sagst das, als wäre ich nicht jeden Tag damit konfrontiert.«

Ich bin nicht ständig griesgrämig … es gibt durchaus Momente, da bringt mich ein Rentier zum Lächeln. Sie sind rar gesät, aber es gibt sie.

»Wie dem auch sei, ich habe nicht vor, mich irgendeiner Taylor-Schwester zu nähern. Weihnachten wird Storee-frei. Darauf kannst du einen lassen.«

* * *

»Würden Sie bitte aufhalten?«, höre ich eine Frauenstimme, als ich Kringle Krampus betrete, den lokalen Feinkostladen und Schlachter, dessen Besitzer der einzigartige Bob Krampus ist.

Ich halte die Tür auf, während draußen der Wind einiges von dem Pulverschnee aufwirbelt, der jetzt am Anfang der Saison noch nicht als unverwüstliche feste Schneedecke zusammenklebt.

»O mein Gott, ist das kalt«, sagt die Frau, die nun hinter mir eintritt. Sie ist in einen schwarzen Mantel gehüllt, der bis unter die Knie reicht, und die Kapuze mit Kunstfell verdeckt fast ihren ganzen Kopf.

»Ja, das liegt an der Höhe hier«, sage ich, während sie die Kapuze ab-

Ach du Scheiße.

Ehe ich mich versehe, quillt eine Wolke roten Haars um ihr Gesicht und die Schultern. Als sie den Blick hebt, sehe ich wie gebannt in Storee Taylors atemberaubend schönen grauen Augen.

Genau wie früher.

Natürlich war es absolutes Wunschdenken, ihr nicht über den Weg zu laufen, wenn man die Größe dieser Stadt bedenkt, aber gleich am ersten Tag? Welches Universum erlaubt sich so einen Scherz?

Ich hätte der Sache mindestens eine Woche gegeben, um die gespannte Erwartung noch zu steigern. Scheint, als hätte der/die Drehbuchschreiber/in keinen Schimmer von narrativen Spannungsbögen.

Als unsere Blicke sich treffen, lächelt sie freundlich. Dann neigt sie kurz den Kopf zur Seite und ein Ausdruck des Wiedererkennens huscht über ihr Gesicht.

Tja, es ist um die zehn Jahre her, und ich bin erwachsen geworden … um es milde auszudrücken. Ich bin nicht länger der Idiot mit den langen, zerzausten Haaren, die mir immer in die Augen fielen, wenn ich den Kopf nicht auf eine bestimmte Art zur Seite schwang. Ich bin in meinen Körper hineingewachsen, habe an den richtigen Stellen Masse zugelegt und verfüge zudem über eine ordentliche Gesichtsbehaarung. Ich würde sie zwar nicht als Vollbart bezeichnen, aber es ist definitiv mehr als ein stoppeliger Dreitagebart. Eher ein gesundes Dazwischen, das mein Gesicht warmhält, ohne zu jucken.

Und trotzdem erkennt sie mich. Ich gebe es nur ungern zu, aber das imponiert mir irgend –

»Connor, richtig?«, sagt sie. »Wie schön, dich zu sehen.«

Vergesst es, streicht den letzten Gedanken.

»Cole«, sage ich.

»Kohl?« Sie rümpft die Nase.

»Ja, Cole.«

»Kohl … was?« Sie sieht sich verwirrt um.

»Ähm, Cole Black.«

Ihr Blick huscht zur Seite, auf die Person hinter mir, und dann wieder zu mir. »Äh, okay … Kohlblech.« Sie lacht nervös. »Geht’s dir gut, Connor?«

»Cole«, wiederhole ich und balle die Fäuste neben dem Körper.

Sie lächelt höflich, doch es wirkt nicht ehrlich, eher so, als wolle sie meine Gefühle nicht verletzen. »Das äh … das ist schön.« Sie zeigt auf die Karte über dem Tresen. »Also, wenn du mich entschuldigst, werde ich jetzt mal schauen, was ich gleich bestelle.«

Ich sollte es darauf beruhen lassen, sie einfach in dem Glauben lassen, dass ich mir im Verlauf der letzten Jahre eine Kopfverletzung zugezogen habe und nun Dinge wie »Kohlblech« vor mich hin blubbere, aber so ganz kann ich meinen Stolz dann doch nicht herunterschlucken.

»Mein Name«, sage ich daher, »ist Cole Black.«

Sie wendet sich wieder mir zu, neigt erneut den Kopf zur Seite – diesmal nach rechts – und tippt sich nachdenklich ans Kinn, während sie mich mustert. »Bist du sicher?«

»Ob ich sicher bin, dass mein Name Cole Black ist?«

»Ja, ich meine … ich hätte schwören können, du heißt Connor.« Scherzhaft drohend wackelt sie mit dem Zeigefinger. »Ist das so ein Kringle-Ding? Sich ein Späßchen mit den Neuankömmlingen zu erlauben?«

»Nein. Warum sollte ich das tun?«

»Keine Ahnung, Connor. Warum wird in dieser Stadt das ganze Jahr über ›Grandma Got Run Over by a Reindeer‹ gespielt?«

Das ist typisch Storee. Nach außen hin so ein lieber Mensch. Gewinnend. Ein freundliches Lächeln, das über ihr wahres Ich hinwegtäuscht.

Sie hinterfragt.

Sie fordert heraus.

Sie treibt mich noch in den Wahnsinn.

»Weil alle das Lied mögen«, gebe ich zurück. »Daran gibt es nichts auszusetzen.«

»Doch. Wenn die arme Oma jeden Tag des Jahres von einem Rentier niedergetrampelt wird, könnte man ihr doch vielleicht mal eine Pause gönnen.«

Ich verschränke die Arme vor der Brust, während wir weiter in der Schlange stehen und darauf warten, dranzukommen. Es fühlt sich an, als wären wir wieder achtzehn. »Vielleicht steht die Oma ja drauf, ist dir das je in den Sinn gekommen?«

»Ich maße mir kein Urteil darüber an, was einen scharf macht oder nicht, aber von einem Rentier über den Haufen gerannt zu werden macht einen nicht scharf. Sondern tot.«

»Vielleicht ist sie ja auch raus in den Schnee gegangen, weil sie niedergetrampelt werden wollte. Grandpa hat ja nicht mal ’ne Sekunde getrauert. Er guckt sofort wieder Football und spielt Karten mit Cousine Belle, das scheint mir schon etwas verdächtig.«

»Willst du damit sagen, die alte Dame wollte einen Huf an die Rübe kriegen?« Sie verschränkt jetzt ebenfalls die Arme.

»Sieht ganz danach aus.«

»Okay, wenn also diese Achtzigjährige sich zur Lösung ihrer Probleme in den Schneesturm begibt, weil sie von ihrem nutzlosen Gatten loskommen und lieber sterben will, warum läuft das Lied in dieser Stadt dann in Endlosschleife, als würde man ihr Dahinscheiden feiern?«

Siegesgewiss reckt sie das Kinn vor. Jetzt hab’ ich dich, sagt ihr Blick, und ihr Mund verzieht sich zu einem kaum merklichen Grinsen.

Während ich meine Kiefer hin und her bewege, als wollte ich Mehl mahlen, suche ich nach einem guten Grund, weshalb wir ständig dieses Lied dudeln, doch mir fällt nichts ein, und ihr Grinsen wird breiter.

Genau das meine ich.

Sie geht mir unter die Haut, und sie weiß genau, wie sie es anstellen muss.

So war es schon, als sie das erste Mal nach Kringle kam. Damals waren wir acht Jahre alt. Cindy fand, wir könnten ja zusammen einen Schneemann bauen, da wir gleich alt waren. Storee wollte es auf ihre Weise tun, weil sie – das Mädchen aus Kalifornien – der Meinung war, es am besten zu wissen, und ich wollte es auf die richtige Weise tun, basierend auf meiner jahrelangen Erfahrung mit Schnee, also zankten wir uns.

Wir stritten.

Und es hat nie aufgehört.

Klar … es gab auch Zeiten, in denen wir nicht zankten und stritten. Augenblicke, wenn wir auf meiner Veranda über alles und nichts sprachen. Stille, wahrhaftige, tiefsinnige Gespräche, bei denen ich sie ganz neu kennenlernte, doch wenn wir uns dann das nächste Mal trafen, fing der Zoff wieder von vorne an.

Jedes Mal.

»Dachte ich’s mir doch, Connor.« Sie wendet sich wieder der Karte zu.

»Ich heiße Cole«, presse ich zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

»Ach ja, Cole.« Sie lächelt mich an. Dann mustert sie mich verhalten von Kopf bis Fuß, betrachtet die schmutzigen Arbeitsstiefel, die abgetragene Jeans und das schwarzblaue Flanellhemd, bevor sie den Blick wieder zu meinem Gesicht hebt. »Cole … der Nachbar, richtig?«

»Du weißt genau, wer ich bin. Lass die Spielchen, Storee.«

»Griesgrämig wie eh und je«, stellt sie feixend fest. Dieses Feixen verrät sie. Sie veräppelt mich. Sie wusste die ganze Zeit, wer ich bin. »Allerdings etwas größer.«

Ich versuche mir meinen Frust nicht anmerken zu lassen und erwidere: »Das kommt davon, wenn man wächst.«

»Du hast … breitere Schultern.« Sie deutet auf meine Brust. »Mehr Muskeln.« Okay, haut sie jetzt einfach alles raus, was ihr in den Sinn kommt?

»Jap, wenn man auf einer Farm arbeitet, sind Muskeln unvermeidlich.«

Sie kommt ein wenig näher, begutachtet mein Gesicht. »Und Haare im Gesicht.«

»Nur folgerichtig, wenn man bedenkt, dass ich Ende zwanzig bin und in einer kalten Gegend lebe.«

Sie nickt langsam. »Na dann, Glückwunsch zum Großwerden.«

»Danke. Glückwunsch zur nach wie vor massiven Nervigkeit.«

Geschockt reißt sie den Mund auf. »Hoppla, wie unhöflich. Da mache ich dir Komplimente für Muskeln, die vor fünf Jahren noch nicht da waren, – «

»Zehn«, verbessere ich.

»Dann eben zehn. Und du dankst es mir, indem du sagst, ich sei nervig. Nicht gerade gastfreundlich.«

»Hatte nie vor, gastfreundlich zu sein«, erwidere ich.

»Was ist mit nachbarschaftlich?« Wir rücken in der Schlange auf.

»Hatte auch nicht vor, nachbarschaftlich zu sein.«

»Tja, das solltest du aber«, gibt sie zurück. »Ich werde nämlich eine Weile hier sein, und da wäre es ja wohl wünschenswert, wenn wir in Frieden und Harmonie leben, meinst du nicht?«

»Wir wohnen nicht im selben Haus, ich muss mich gar nicht mit dir abgeben.«

»Wow.« Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Okay, ich habe so getan, als könne ich mich nicht an deinen Namen erinnern, aber das ist doch kein Grund, so eklig zu sein. Immerhin habe ich dir Komplimente für die Muskeln gemacht.«

Ich verdrehe die Augen. »Denkst du echt, ich bin so eitel?«

»Nein«, sagt sie. »Aber ich dachte, ich könnte dir etwas Honig um den hübschen Bart schmieren, nachdem ich dich Connor genannt habe.« Sie zwinkert mir zu.

»Kein Interesse an deinem Honig.«

»Woran bist du denn interessiert?«

Es passiert schon wieder. Das macht sie immer so, zieht und zerrt mich in Gespräche, neckt mich, hakt nach, bohrt weiter, und bevor ich weiß, wie mir geschieht, bin ich schon wieder so genervt, dass ich die Wände hochgehen könnte.

»Ich glaube, es ist für uns beide am besten, wenn wir einfach … nicht miteinander reden.«

Sie zuckt die Achseln. »Passt für mich.« Damit wendet sie sich wieder der Karte zu, und ich tue das gleiche.

Da. Stille.

Solange wir einander nicht beachten, wird schon alles gut gehen.

»Nur damit das klar ist, ich wollte nicht unhöflich oder herablassend sein. Ich dachte einfach, wir könnten zusammen lachen. Deshalb habe ich dich Connor genannt.«

»Nur damit das klar ist«, äffe ich sie nach, »nichts könnte mir egaler sein.«

»Na ja … scheint, als wäre es dir nicht total egal gewesen.«

Ich werfe ihr einen Blick zu. »Wir reden nicht miteinander, schon vergessen?«

»Jap, hab’s kapiert, ich wollte das nur aus der Welt schaffen. Du sollst nicht glauben, dass ich in der Stadt bin, um deinen griesgrämigen Frieden zu stören.«

»Nicht nötig, griesgrämig vor Frieden zu setzen«, schieße ich zurück.

»Fühlte sich aber passend an.«

»War es aber nicht.« Obwohl es stimmt. »Lass uns einfach nicht mehr miteinander reden.«

»Ich hätte es nicht besser ausdrücken können.« Sie schiebt die Hände in die Taschen und blendet mich aus. So gefällt mir das.

Abermals schweigend rücken wir weiter in der Schlange vor.

Hinterm Tresen steht die komplette Familie Krampus – sie besteht aus mindestens zwanzig Personen, die allesamt in unterschiedlichen Berufen über die ganze Stadt verteilt arbeiten. Sie nehmen Bestellungen auf, schreien sich gegenseitig Dinge zu, da dies die einzige Art der Kommunikation ist, die sie beherrschen, und klatschen die fertigen Bestellungen zum Abholen auf den Tresen.

»Was nehm’ ich nur, was nehm’ ich nur?«, murmelt Storee.

Ich beachte sie nicht weiter und konzentriere mich auf das einzige Gericht auf der Karte, das mich interessiert … das Chicken-Parm-Sandwich. Nicht von dieser Welt.

Knusprige Panade.

Unfassbar leckere Sauce.

Und perfekt geröstetes Brot, auf dem der Käse schmilzt.

Ein verdammtes Gedicht.

Und genau das, was ich nach einem langen Tag brauche.

»Italienisches Sub … nee, Tante Cindy will bestimmt Suppe. Will ich Suppe? Die würde mich wahrscheinlich aufwärmen.«

Irritiert von ihrem Gemurmel presse ich die Lippen zusammen. Es fühlt sich an, als wolle sie mich wieder in ein Gespräch verwickeln. Aber darauf falle ich nicht herein.

»Taran ist kein Fan von Suppe, nehm ich für sie also Thunfisch? Bah, ich hasse den Geruch, also vielleicht lieber ein Grilled Cheese …«

Fast wünsche ich, Taran würde das Thunfisch-Sandwich kriegen.

»Aber sie mag auch Schinken-Käse.« Ich spüre, wie sie mir näherkommt. »Was nimmst du?«

Ich seufze tief. »Chicken Parm.«

»Ach, ich hätte dich als einen ›Hauptsache viel Fleisch‹-Typen eingeschätzt.«

Ich lasse das unkommentiert, denn ich will ja nicht mit ihr reden. Stattdessen wippe ich auf den Füßen vor und zurück und verfluche diese Jahreszeit, in der Menschenmassen in die Stadt strömen und es mir so schwer machen, nach einem langen Arbeitstag bei den Rentieren ein Sandwich zu ergattern.

»Du verstehst schon, weil du doch so gut beieinander bist.«

»Bitte?«

»Das mit dem Fleisch. Muskeln. Das passt zusammen. Mehr Protein bedeutet mehr Muskeln, es sei denn, du nimmst Nahrungsergänzungsmittel. Nimmst du was zum Muskelaufbau, Connor?«

»Cole«, erinnere ich sie und werde langsam wirklich ungeduldig.

»Oh, Mist, entschuldige.« Sie kichert. »Jetzt habe ich mich an Connor gewöhnt. Wie dem auch sei, nimmst du was zum Muskelaufbau?«

»Ich versuche, nicht mit dir zu reden, weißt du noch?«

»Ach ja … richtig. Ich war nicht sicher, ob diese unangenehme Stille dich vielleicht auch so kribbelig macht wie mich. Aber ich nehme das als ein Nein, also stehe ich einfach hier und warte.«

»Danke.« Ich habe das Gefühl, dass das nun endlich erledigt ist.

Himmel, wann kapiert Storee das bloß? Es ist das Beste, wenn wir uns aus dem Weg gehen. Es kommt nichts Gutes dabei heraus, wenn wir zusammentreffen.

Dankbar für die Ruhe, denke ich über meinen weiteren Abend nach, wie ich das Sandwich vor dem Fernseher essen werde und die neuesten –

»Also, was hast du in den letzten sechs Jahren getrieben, seit ich dich zuletzt gesehen habe?«, platzt Storee erneut in die Stille. Ich drehe mich zu ihr um und sie fügt hinzu: »Äh, waren es sechs Jahre? Kann mich nicht so recht erinnern. Moment, du hattest zehn gesagt, glaube ich. Genau, zehn Jahre.«

»Storee, hör auf mit mir zu reden.«

»Kann ich nicht.« Sie zuckt mit den Schultern.

»Doch, das kannst du. Du willst es bloß nicht können«, halte ich ihr wütend entgegen.

»Nein, ich habe wirklich ein Riesenproblem mit unangenehmem Schweigen. Ich habe dann den unbändigen Drang, die Stille mit Geplapper zu füllen, und genau das passiert hier grade. Also, ähm … was hast du so gemacht?«

»Nichts.« Ich wende mich ab und schiebe die Hände in die Hosentaschen.

Dann spüre ich sie näherkommen und sehe aus dem Augenwinkel, wie sie hinter meiner Schulter hervor lugt. »Du hast zehn Jahre lang nichts gemacht? Was für eine Zeitverschwendung.«

»Lass mich in Ruhe«, sage ich.

»Schwierig.«

»Gib dir mehr Mühe.«

»Tue ich ja. Glaub mir, ich habe mir bestimmt schon zwanzig Fragen verkniffen.«

»Soll ich jetzt dankbar sein?«

»Absolut«, gibt sie zurück. »Na ja, egal, willst du nicht erzählen, was an diesem Chicken-Parm-Sandwich deine Geschmacksknospen zum Freudentanz verleitet?«

»Nein.«

»Liegt es am Käse?«

»Lass mich in Ruhe.«

»An der Soße?«

»Storee …«

»Am Hühnchen?«

»Verdammte Axt.« Ich drehe mich wieder zu ihr um.

Sie lächelt mich an. »Sorry, aber wie gesagt, es fällt mir wirklich schwer, zu schweigen.«

»Okay, dann lass mich dir helfen.« Ich ignoriere meinen Heißhunger auf Chicken-Parm-Sandwich und trete aus der Schlange. Muss ich mich eben mit den Resten begnügen, die im Kühlschrank auf mich warten. »Ich gehe.«

»Aber dein Sandwich!«

»Das ist es nicht wert.«

»Okay, aber wenn du deine Meinung änderst, lasse ich dich nicht wieder in die Schlange. Wenn du jetzt gehst, verlierst du deinen Platz.«

»Ist mir bewusst.« Ich mache kehrt, drücke die Tür auf und befreie mich von ihrer nervtötenden Anwesenheit.

Die Weihnachtszeit wird verflucht lang, wenn das jetzt immer so läuft.

Kapitel Drei

Storee

Cole hatte es versucht:

Die Ruhe zu bewahren.

Doch dieses Geplapper –

Was war in sie gefahren?

Sie war so was von nervig,

Er hielt es nicht aus.

Erst recht nicht nach dem Verlust

des Chicken-Parm-Schmaus’.

Sie kommt jetzt rüber«, sagt Taran. »Kannst du aufhören, in der Suppe rumzufuhrwerken?«

»Ich fuhrwerke nicht, ich esse«, informiere ich sie, nachdem ich einen großen Löffel Tomatencreme heruntergeschluckt habe. »Ich bin am Verhungern.«

»Es ist unhöflich, mit dem Essen anzufangen, bevor alle am Tisch sitzen.«

»Es ist unhöflich, erst aufzutauchen, wenn Jeopardy! vorbei ist. Du weißt genauso gut wie ich, dass sie grottenschlecht ist und keine einzige Frage beantworten kann«, sage ich.

Nicht zu vergessen, wie laaaaangsam es beim Kringle Krampus voranging. Als ich endlich dran war und bestellen konnte, hatte ich mir in Gedanken schon den halben Arm abgekaut. Dass ich Cole begegnet bin, hat die Sache nicht besser gemacht. Ich habe die Situation vollkommen falsch eingeschätzt. Mann, wie der mich angeguckt hat – wenn Blicke töten könnten …

Er hatte schon früher eine leichte Tendenz zur Miesepetrigkeit – aber das vorhin? Das war doch frei nach dem Motto »Sieh mich an und stirb«.

Doch ich habe ihn angesehen und lebe zum Glück noch und mmh … sagen wir einfach, aus dem Jungen ist ein Mann geworden. Ich fand Cole schon immer süß. Wie hätte es auch anders sein können, mit seinen braunen Haaren, die er immer zur Seite gewischt hat, und den durchdringenden, blauen Augen und dichten Brauen. Ganz davon abgesehen, dass ich schon immer einen Hang zu den grummeligeren Zeitgenossen hatte. Aber wow, es hat mich ziemlich umgehauen, wie gut er jetzt aussieht. Der markante Kiefer mit dem dichten Bart, seine Größe … seine ganze Statur. Dazu diese tiefe Stimme und der verdrießliche Gesichtsausdruck. Genau die Art Held, die man in einem Lovemark-Blockbuster erwartet.

Mit einem ärgerlichen Schnaufen dreht Taran sich zu mir um. »Kannst du bitte, bitte versuchen, dich zu benehmen?«

»Was mache ich denn falsch? Mir war nicht klar, dass wir uns wie Hausdiener in einer Reihe aufstellen müssen, um unsere Tante zu begrüßen.« Ich schlürfe noch einen Löffel Suppe. »Wenn sie endlich auftaucht, werde ich sie sch– «

Es ruckelt an der Haustür und ich springe so erschrocken hoch, dass der Löffel scheppernd in der Schüssel vor mir landet. Wie der Blitz schieße ich zu Taran und stelle mich neben sie. Wir stehen beide mit an die Körper gepressten Armen da wie beim Appell. Die Tür schwingt auf und gibt den Blick auf Tante Cindy frei, Martha und Mae je an einer Seite.

Die drei geben wahrlich ein Bild ab.

Martha und Mae tragen ihre typischen Haartürme – so nenne ich sie – zur Schau. Je höher das Haar, desto näher am Nordpol, haben sie immer gesagt. Doch es sind die identischen himmelblauen Velours-Trainingsanzüge, die den Vogel abschießen, denn Tante Cindy trägt ebenfalls einen.

»Meine Mädchen«, gurrt sie mit noch mehr Begeisterung, als ich erwartet habe. Ich lag offensichtlich komplett falsch mit meiner Annahme, wir würden zur Pflege einer bettlägerigen Alten herkommen, die gerade noch den zittrigen Arm heben und auf das Eiswasser zur Mundbefeuchtung deuten kann. Okay, Mom hat erzählt, dass sie bereits zur Reha in einer betreuten Wohnanlage war. Dort habe man dafür gesorgt, dass sie wieder auf die Beine kommt – zumindest mit Rollator. Aber diese … diese quicklebendige, lächelnde Frau im Veloursanzug und mit blauer Sonnenbrille habe ich nicht erwartet.

»Sind sie nicht umwerfend?«, sagt Tante Cindy und wedelt mit den Händen in Tarans und meine Richtung.

»Absolut hinreißend«, stimmt Martha zu.

»Und wie hübsch sie in ihre Nasen reingewachsen sind«, fügt Mae hinzu.

Stirnrunzelnd befühle ich meine Nase und sehe zu Taran, doch die scheint komplett unbeeindruckt zu sein.

»Schön, dich zu sehen, Tante Cindy.« Taran geht einen Schritt auf sie zu und umarmt sie. »Gut siehst du aus.«

»Wir haben den ganzen Vormittag Thunder from Down Under auf YouTube geguckt. Männer in Santa-Claus-Kostümen, die mit Elvis-Hüftstößen durch die Weihnachtswerkstatt tanzen. Ich hatte ja keine Ahnung, dass das eine Tradition im Hause Bawhovier ist, aber es hat mir zumindest eine gesunde Farbe ins Gesicht getrieben.«

Ew.

Voll eklig.

»Niall hat ihr am besten gefallen.« Mae stößt Tante Cindy mit dem Ellenbogen an.

Niall?

Und siehe da, Tante Cindy wird schon wieder rot. So habe ich mir den Start unseres Besuchs nicht vorgestellt.

»Hi, Tante Cindy«, sage ich und umarme sie ebenfalls. »Schön, dass du, äh, Niall kennengelernt hast.«

Keine Ahnung, warum ich das gesagt habe. Ich rede dummes Zeug, wenn ich mich nicht wohl fühle.

»Danke, Liebes. Er war wirklich charmant.«

Charmant ist eine sehr höfliche Beschreibung für einen trockenrammelnden Mann im String-Tanga.

»Komm, ich helfe dir«, sagt Taran. »Das Abendessen steht schon auf dem Tisch.«

»Wie schön.« Sie schaut uns an, ein zittriges Lächeln auf den Lippen. »Was für ein Glück, dass ich euch beide in meinem Leben habe und ihr alles stehen und liegen lasst, um mir zu helfen.«

Uff, wenn sie solche Sachen sagt, bekomme ich sofort ein schlechtes Gewissen, dass ich mich über die Scheißkälte, den miesepetrigen Nachbarn und das Zimmer mit den zwinkernden Gruselpuppen beschwert habe.

Tante Cindy dreht sich zu Martha und Mae um. »Vielen Dank für eure Gastfreundschaft, Mädels. Wenn ich wieder gesund bin, bringe ich euch Brownies vorbei.«

»Nicht, wenn du diese schwarzen Bohnen da reintust.« Martha hebt warnend einen Finger. »Ich weiß, du hast einen Gesundheitsfimmel, aber schwarze Bohnen sollten nicht in die Nähe von Brownies kommen.«

Mae nickt schnaubend. »Dem schließe ich mich an.«

Und gemeinsam spazieren sie zurück zu ihrem Haus, dem gelben, schräg gegenüber von Tante Cindys.

Die ganze Straße ist eine einzige pastellige Farbpalette: rosa, weißgrün, hellgrün, rot und gelb. Irgendwie passt alles zusammen. Sämtliche Veranden und Hauseingänge sind mit Weihnachtssternen geschmückt und so aufeinander abgestimmt, als wollten sie sagen: Hi, wir feiern Weihnachten, aber wir sehen dabei so aus, als hätte ein kleines Mädchen ihr Barbie-Traumhaus für die Festtage geschmückt.

Während Taran Tante Cindy zum Tisch bringt, schließe ich die Haustür.

Für jemanden mit Hüftschaden bewegt sie sich ganz schön flott. Sie hatte zwar in der Reha schon Zeit, sich ein wenig zu erholen, doch ich frage mich trotzdem, ob sie uns noch aus einem anderen Grund herbeordert hat. Ich würde es ihr durchaus zutrauen, denn Tante Cindy ist dafür bekannt, Leute gelegentlich an der Nase herumzuführen.

Als wir alle sitzen, zieht sie ihre Stoffserviette unter dem Silberbesteck heraus – ein ordentlich gedeckter Tisch ist ihr immer sehr wichtig – und breitet sie auf ihrem Schoß aus. »Oh, das sieht köstlich aus.«

Sie lächelt uns zu und taucht dann den Löffel in die Suppe, ein Zeichen für uns, es ihr nachzutun.

Gottlob, denn der Hunger hat mich schon ganz schwach gemacht.

Na gut, vielleicht habe ich auf der Reise hierher schon eine Tüte Salzbrezeln gegessen, daneben zwei Clementinen, eine Schachtel Schoko-Rosinen und drei Quetschies Apfelmus, aber das war offensichtlich nicht genug.

»Wie war die Fahrt? Ihr habt zum Glück einen guten Tag erwischt, sonnig und mit klarer Sicht.«

»Die Fahrt war großartig«, antwortet Taran.

»So sonnig, dass ich meine Sonnenbrille aufsetzen musste«, füge ich hinzu.

»Siehst du, ich habe doch gesagt, es ist hier genau wie in Kalifornien«, sagt Tante Cindy.

Nicht mal ansatzweise.

Versteht mich nicht falsch: Es ist wunderschön hier. Mit den Rocky Mountains am Horizont fühlt sich Kringletown fast wie ein Filmset an, aber in Kalifornien haben wir selten Temperaturen, bei denen mir die Nippel abfrieren.

»Also«, lenke ich ab, weil ich nicht darüber reden will, wie sehr Tante Cindy sich wünscht, dass ich meinen Bikini gegen ein Paar Schneestiefel eintausche. »Wie geht es der Hüfte?«