Humor als therapeutische Ressource - Martin Herberg - E-Book

Humor als therapeutische Ressource E-Book

Martin Herberg

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Beschreibung

Wie kann Humor eingesetzt werden, um Menschen mit Demenz zu aktivieren? Humor ist in der Arbeit mit demenziell erkrankten Menschen eine unverzichtbare Ressource, die vielfältige therapeutische Funktionen erfüllt: Er ist motivierend, stimulierend, spannungslösend und konfliktregulierend. Martin Herberg zeigt anhand von mehr als 50 Praxisbeispielen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Humor in der Arbeit mit Demenzerkrankten, zum Beispiel in Verbindung mit Musik, Basteln, Gymnastik und kognitivem Training. Er geht außerdem darauf ein, wie Humor in die Unternehmenskultur von Pflegeeinrichtungen integriert werden kann. Das Buch ist ein Handlungsleitfaden für die tägliche demenztherapeutische Arbeit. Es richtet sich an professionell Begleitende wie auch alle am Thema Interessierten. Mit zehn Leitsätzen für die Betreuung von Menschen mit Demenz und achtstufigem Humortraining

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Erste Hilfen, Band 20

Martin Herberg, Dr., geb. 1969, ist Diplom-Soziologe, Sozial- und Pflegewissenschaftler sowie qualifizierter Demenzbegleiter (nach § 43 b SBG XI). Heute arbeitet er als Dozent an Pflegefachschulen und freier Kommunikationstrainer.

Martin Herberg

Humor alstherapeutische Ressource

Ratgeber für die Betreuung von Menschen mit Demenz

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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Satz und Gestaltung: Walburga Fichtner, Köln

Umschlagabbildung: © istockphoto.com/gremlin

Umschlaggestaltung: Marion Ullrich, Frankfurt am Main

ISBN: 978-3-86321-648-1

eISBN: 978-3-86321-679-5

Alle Rechte vorbehalten

Dieses Buch ist allen gewidmet, die alsDemenzbetreuer:innen arbeiten und ihren Beruf mitKreativität, mit Humor, mit Poesie ausüben.Mögen sie die Anerkennung bekommen, die sie verdienen.

Inhalt

Vorwort

1Einleitung

1.1Auf dem Weg zu einer neuen Betreuungskultur

1.2Der Beruf der Betreuungskräfte nach § 43 b) SGB XI

1.3Humor – ein Phänomen mit vielen Facetten

1.4Was ist therapeutischer Humor?

1.5Der veränderte Humor demenzbetroffener Menschen

1.6Über dieses Buch

2Grundsätzliches zum Humoreinsatz in der Demenzbegleitung

2.1Der eingesetzte Humor sollte authentisch sein

2.2Setzen Sie leicht verständlichen Humor ein!

2.3Wiederholungen sind willkommen!

2.4Die Bewohner:innen zu eigenen lustigen Ideen animieren

2.5Nutzen Sie Ihren Körper als Quelle von Komik!

2.6Humorgrenzen respektieren!

2.7Probleme mit Humor angehen – und sie dennoch ernst nehmen

3Witze, die wehtun. Zur Vermeidung unangemessener Formen von Humor

3.1Bitte nicht über Fehlleistungen lachen!

3.2Ironische Bemerkungen besser unterlassen!

3.3„Schlagfertigkeit“ ist fehl am Platz

3.4Zur Unangemessenheit belehrenden Humors

3.5Die Gefahr des infantilisierenden Humors

4Tipps für die humorvolle Gestaltung der Beschäftigungsangebote

4.1Kognitives Training

4.1.1Stellen Sie amüsante Quiz- und Rätselfragen!

4.1.2Nutzen Sie lustiges Bildmaterial!

4.1.3Die Verwendung lustiger Requisiten

4.1.4Aktivierungen mit Puppen

4.2Humor und Musik

4.2.1Komische Spaßlieder singen

4.2.2Amüsante Aktivierungen mit Schlagern

4.2.3Auch hier: Lustige Requisiten

4.2.4Verwenden Sie Humor im richtigen Moment und in der richtigen Dosis

4.3Humor und Gymnastik

4.3.1Erzählen Sie lustige Bewegungsgeschichten!

4.3.2Gymnastik mit lustigen Requisiten

4.3.3Lustige Tänze und komische Pantomime

4.3.4Freies Spielen mit einem Ball

4.4Humor beim Basteln und kreativen Gestalten

4.4.1Zur Einstimmung lustige Bilder zeigen

4.4.2Das Basteln in lustige Dialoge einbetten

4.4.3Verwenden Sie lustige Schablonen und Stempel!

4.4.4Niedliche Geschöpfe herstellen

5Humor als Bewältigungsstrategie in Problemsituationen

5.1Machen Sie sich selbst zum Clown!

5.2In schwierigen Situationen lustige Lieder singen

5.3Ein humorvolles Gespräch anknüpfen

5.4Der Humor sollte inkludierend sein

5.5Machen Sie Gebrauch von scherzhaften Balgereien!

5.6Die Kunst, heitere „Frotzel-Beziehungen“ einzugehen

5.7Manchmal helfen Geduld und ein Lächeln

6Auf dem Weg zur humorfreundlichen Organisation

6.1Formulieren Sie mit den Kolleg:innen ein gemeinsames Humorkonzept!

6.2Erforderlich sind auch humorfreundliche Vorgesetzte

6.3Integrieren Sie den Humor in die Pflegedokumentation!

6.4Die Förderung von Humor durch Weiterbildungsmaßnahmen

6.5Humor ist auch eine Frage der nötigen Ressourcen

7Schluss: Humor, ein heiterer Alleskönner

7.1Die salutogenetische Kraft des Humors

7.2Der Humor demenziell erkrankter Menschen

7.3Humor als Arbeitswerkzeug der Betreuungskräfte

7.4Humor tut auch dem Personal gut

7.5Humor als reflektierte therapeutische Praxis

Anhang 1: Ein Humor-Standard für die Betreuung von Menschen mit Demenz

Anhang 2: Ein achtstufiges Humortraining für Betreuungskräfte

Literaturverzeichnis

Register

Vorwort

Seit mehr als sieben Jahren gebe ich nun schon Kurse und Fortbildungen für Betreuungskräfte nach § 43 b) SGB XI. Aus dieser Tätigkeit ist die Idee für das vorliegende Buch hervorgegangen.

Bei meinen Kursen zum Thema Humor bitte ich die Teilnehmenden, Humor zu zeichnen oder zu malen. Die Lösungsvorschläge sind meist sehr kreativ: Für die einen ist Humor eine Sonne, die über uns allen leuchtet. Manche stellen Humor als prickelndes Glas Sekt dar, andere als Kopfschmerztablette. Einige sehen im Humor einen Rettungsanker. Eine weitere Variante besteht darin, Humor als Klebstoff darzustellen, der Menschen miteinander verbindet. Wieder andere zeichnen ein Ventil an einem Dampfkessel und sagen: Das ist Humor. Alle genannten Ideen lenken den Blick auf wichtige Aspekte des Themas.

An der stressreduzierenden, der heilsamen und gemeinschaftsstiftenden Kraft von Humor besteht heute kein Zweifel. Bahnbrechend war das Buch von Vera Robinson mit dem Titel „Praxishandbuch therapeutischer Humor“ aus dem Jahr 1999.1 Inzwischen ist Humor in vielen Bereichen des Gesundheitswesens fest verankert, vom Krankenhaus über die Psychiatrie bis hin zu Alten- und Pflegeheimen. Auch in der Demenzbetreuung erfüllt Humor viele wichtige Funktionen.

Beim Thema „Humor und Demenz“ denkt mancher wohl zunächst an die (Klinik-)Clowns, die auf die Stationen kommen und die Bewohner:innen mit ihren Darbietungen erfreuen. Aber auch die Alltagsbegleiter:innen setzen bei ihrer Arbeit Humor ein, und sie tun dies in einer äußerst fantasievollen und kreativen Weise. Humor ist ein unverzichtbares Element in einem modernen, ganzheitlichen Betreuungsansatz.

Wie man das therapeutische Potenzial von Humor konkret nutzen kann, ist freilich gar nicht so leicht zu sagen. Erfahrene Betreuungskräfte nutzen ständig Humor. Meist tun sie dies eher intuitiv, aus dem „Bauch“ heraus. Es ist das Anliegen des vorliegenden Buchs, dieses intuitive Wissen in Worte zu fassen und es interessierten Lesenden in einer handlichen Form zur Verfügung zu stellen.

Großen Dank schulde ich den Teilnehmenden meiner Humorseminare, von denen ich viele Anregungen erhalten habe.

Ebenfalls zu Dank verpflichtet bin ich dem deutschen „Humor- Papst“ Rolf-Dieter Hirsch für seine freundliche Unterstützung. Großer Dank gebührt auch meinen Forscherkolleg:innen an der Universität Witten-Herdecke, darunter Frau Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik, Frau Prof. Dr. Margareta Halek und Frau Prof. Dr. Martina Roes. Sie alle haben mir vielfältige Anregungen gegeben.

Die eigentlichen Heldinnen und Helden des Buchs aber sind die Betreuungskräfte, mit denen ich Interviews führen durfte und die es zugelassen haben, von mir bei ihrer täglichen Arbeit begleitet und beobachtet zu werden. Ihre Kreativität und ihr Einfallsreichtum haben mich sehr beeindruckt. Aus Gründen der Anonymisierung ist es leider nicht möglich, sie namentlich aufzuführen.

1Robinson (1999).

1Einleitung

1.1Auf dem Weg zu einer neuen Betreuungskultur

Die Betreuung demenziell erkrankter Menschen hat sich verändert. Bis in die 2000er-Jahre hinein gab es in vielen Pflegeeinrichtungen keine demenzgerechte Versorgung. Die Betroffenen waren sich selbst überlassen. Sie saßen eingepfercht in ihren Pflegestühlen und dämmerten vor sich hin. Die Pflegeforscherin Ursula Koch-Straube beschreibt die Aufenthaltsräume früherer Zeiten daher als „Wartehallen zum Tod“2. Es gab keine Beschäftigungsangebote, keine Tagesstruktur, niemanden, der sich für die Bewohner:innen Zeit nahm.

Heute sieht dies anders aus. Die Aufenthaltsräume und Wohnbereichsküchen haben sich in Orte der Geselligkeit und der Aktivität verwandelt. Es wird gelacht, gesungen, gebastelt, miteinander geredet. Zwei Faktoren spielen hierbei eine Rolle:

• Erstens werden Menschen mit Demenz heute anders wahrgenommen. Sie gelten nicht mehr als innerlich abgestumpft oder als „leere Hülle ohne Geist“, wie es früher oft abfällig formuliert wurde.3 Wie man mittlerweile weiß, haben Menschen mit Demenz ein ebenso intensives Gefühlsleben wie gesunde Menschen.4 Demenziell erkrankte Menschen sind meist sehr empfänglich für alles Emotionale. Sie sind hilfsbereit und sozial beziehungsfähig.5 Auch ist es so, dass sie trotz ihrer Krankheit oft über viel Sinn für Humor verfügen. Dies alles sind Ressourcen, die man therapeutisch nutzen kann.

• Zweitens hat die pflegewissenschaftliche Forschung viele Konzepte für die Gestaltung und Durchführung demenztherapeutischer Aktivierungen hervorgebracht.6 Hierzu gehören Gedächtnistraining, Gymnastik, Sitztanz, Basteln und vieles mehr. Durch die regelmäßige Teilnahme an den Aktivitäten wird der kognitive Verfall verlangsamt. Auch haben die Aktivierungen einen günstigen Einfluss auf das Allgemeinbefinden. Nebenwirkungen der Krankheit wie Agitiertheit, Depression und Apathie können auf diesem Wege deutlich reduziert werden.

Als neues Leitbild der Arbeit mit demenziell erkrankten Menschen hat sich der sogenannte personzentrierte Ansatz nach Kitwood durchgesetzt.7 Ziel ist es, demenziell erkrankte Menschen zu aktivieren und sie in ihrer Identität und ihrem Personsein zu unterstützen.

Die Zustände in den Heimen früherer Zeiten werden von Kitwood aufs Schärfste kritisiert. Die Betreuungseinrichtungen der Vergangenheit waren, Kitwoods Einschätzung nach, anonyme Verwahranstalten, in denen die Bewohner:innen systematisch ihrer Würde beraubt wurden. Der Umgang mit demenziell erkrankten Menschen sei inhuman gewesen. Man habe die Betroffenen „ent-personalisiert“, sie zu Objekten gemacht.

Dies ist heute zum Glück nicht mehr so. In der Betreuung demenziell erkrankter Menschen sind im Lauf der letzten Jahrzehnte beträchtliche Fortschritte erzielt worden. Inzwischen ist allgemein anerkannt (und auch rechtlich verankert), dass demenziell erkrankte Menschen das Maß an Zuwendung, an Wertschätzung und an Beschäftigung erhalten sollten, das sie brauchen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Betroffenen die letzten Jahre ihres Lebens in einer menschenwürdigen Weise verbringen.

Ein Konzept, dem in diesem Zusammenhang große Bedeutung zukommt, ist das Konzept der Validierung.8 Ein validierender Stil der Betreuung bedeutet, demenzbetroffene Menschen in ihrem Sosein zu akzeptieren. Verhaltensweisen, die einem Außenstehenden auf den ersten Blick seltsam erscheinen, haben für den demenzbetroffenen Menschen oft doch ihren Sinn und helfen ihm, sich mental im Gleichgewicht zu halten.

„Das Herz wird nicht dement“, schreiben die Demenzforscher:innen Udo Baer und Gabi Schotte-Lange.9 Durch eine geeignete Betreuung und Aktivierung kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich gesteigert werden. Die Grundlage dafür besteht in der Herstellung positiver, vertrauensvoller Beziehungen. Wie wir sehen werden, spielt hierbei auch der Humor eine wichtige Rolle.

1.2Der Beruf der Betreuungskräfte nach § 43 b) SGB XI

Um die für die Aktivierung der Bewohner:innen notwendigen Kapazitäten zu schaffen, hat der Gesetzgeber im Jahr 2008 einen neuen Beruf ins Leben gerufen: den Beruf der zusätzlichen Betreuungskräfte nach § 43 b) SGB XI. Heute sind die Betreuungskräfte ein fester Bestandteil der Demenzversorgung. Neben der Durchführung der Aktivierungen übernehmen sie viele weitere Aufgaben, darunter Einzelbetreuungen, Unterstützung bei den Mahlzeiten und Biografiearbeit.

Die Details sind in einer Richtlinie geregelt, die vom bundesweiten Verband der Krankenkassen (dem GKV-Spitzenverband) erarbeitet wurde. In dieser Richtlinie – der sogenannten Betreuungskräfte-Richtlinie – werden Anforderungen an die persönliche Eignung und die Qualifikation der Betreuungskräfte definiert. Ferner werden die Aufgaben der Betreuungskräfte beschrieben. Die Betreuungskräfte sollen die Bewohner:innen durch den Tag begleiten und Gruppenaktivitäten durchführen. Zu diesen Aktivitäten zählen unter anderem gemeinsames Kochen, Malen, Basteln, Singen, Gedächtnistraining und einfache Bewegungsübungen.10

Diese Aufgaben, die auf den ersten Blick vielleicht nicht allzu schwierig erscheinen mögen, sind bei genauerem Zusehen doch sehr anspruchsvoll. Die Betreuungskräfte führen mit den Bewohner:innen spezielle Aktivierungen durch. Die Aktivierungen müssen auf die Bedürfnisse und die Fähigkeiten der Bewohner:innen abgestimmt sein. Die Betreuungskräfte müssen genau beobachten, was funktioniert und was nicht. Sie müssen die Bewohner:innen zur Teilnahme motivieren, und sie müssen in der Lage sein, gruppendynamische Prozesse zu steuern.11 Dies alles ist keineswegs trivial.

Demenzerkrankungen betreffen nicht nur das Gedächtnis und die logischen Fähigkeiten. Sie haben auch Auswirkungen auf die Psyche. Wer mit demenziell erkrankten Menschen arbeitet, muss auch mit herausforderndem Verhalten zurechtkommen, mit Aggressivität, mit Agitiertheit, mit Stimmungsschwankungen, mit Formen des enthemmten Verhaltens.

Man spricht in diesem Zusammenhang auch von den Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia (BPSD).12 Früher waren diese psychischen Probleme und Verhaltensauffälligkeiten Anlass, den Bewohner:innen große Mengen an Psychopharmaka zu verabreichen. Inzwischen entspricht dies nicht mehr dem Stand der Praxis. Wie man heute weiß, können die genannten Probleme durch eine gute und bedürfnisgerechte Betreuung erheblich gemildert werden. Die regelmäßige Teilnahme an den Aktivierungen wirkt stabilisierend auf die Psyche der Bewohner:innen. Der Einsatz sedierender Medikamente kann entsprechend reduziert werden.

Die Aktivierung der Bewohner:innen, der tägliche Umgang mit problematischem Verhalten, die Notwendigkeit der ständigen Reflexion des eigenen Tuns – dies alles kennzeichnet die Tätigkeit der Betreuungskräfte als Tätigkeit mit vielfältigen therapeutischen Anteilen. Was die Ausbildung zur Betreuungskraft betrifft, so ist diese mit drei bis vier Monaten Dauer relativ kurz. Viele Betreuungskräfte haben vorher einen anderen Beruf ausgeübt; eine nicht unbeträchtliche Zahl von ihnen kommt aus dem Pflegeberuf, viele waren früher im Bereich der Erziehung tätig.13

Neben Empathie und Einfühlungsvermögen erfordert die Arbeit der Betreuungskräfte Fantasie, Kreativität und Fachwissen. Wie eine erfahrene Betreuungskraft es einmal ausdrückte: „Wir sind keine Musiktherapeuten, keine Ergotherapeuten und keine gerontologischen Fachkräfte, aber unsere Arbeit hat von allen diesen Sachen ein bisschen was.“

Ein wichtiges Werkzeug, das die Betreuungskräfte einsetzen, ist Humor. Wir werden noch sehen, was man mit Humor alles bewirken kann. Humor hat viele positive, stressreduzierende und heilsame Wirkungen. Er ist neben Geduld, Empathie und Einfühlungsvermögen eine der wichtigsten Fähigkeiten der Betreuungskräfte. Bisher ist Humor zwar nicht offiziell Teil der Ausbildung zur Betreuungskraft nach § 43 b) SGB XI. Er kann und sollte aber in Zukunft stärker in die Ausbildung integriert werden.14

1.3Humor – ein Phänomen mit vielen Facetten

Mit dem Humor verhält es sich ähnlich wie mit dem Elefanten in der berühmten indischen Geschichte. Fünf blinde Männer wurden gefragt, wie sie einen Elefanten beschreiben würden. Einer befühlte das Bein und sagte, der Elefant sei wie eine Säule. Der, der den Schwanz befühlte, sagte, dass der Elefant sich wie ein Seil anfühle. Für den, der den Rüssel befühlte, hatte der Elefant Ähnlichkeit mit einem Ast etc.15

Humor lässt sich ganz unterschiedlich bestimmen, je nachdem, wie man sich ihm annähert. Wenn man Humor von seiner geistigen, seiner psychischen Seite her betrachtet, kann man ihn beschreiben als innere Haltung, als Fähigkeit, als Tugend, als Lebenseinstellung. Betrachtet man Humor dagegen von seiner sichtbaren und „äußeren“ Seite her, so kann man ihn beschreiben als das Ausführen einer lustigen Handlung oder Geste.

Die Erscheinungsformen von Humor sind vielfältig. Humor äußert sich unter anderem im Erzählen von Witzen, im Singen lustiger Lieder, im Verballhornen von Redensarten sowie in lustigen Neckereien und Hänseleien.16 Humor kann in sprachlicher Form auftreten, er kann aber auch nonverbal sein. Beispiele für nonverbalen Humor sind humorvolle Gesten, das Zeigen lustiger Bilder, komische Pantomime, lustige Verkleidungen und verschiedene Formen der Clownerie. Nonverbaler Humor eignet sich gut dazu, Brücken zwischen den Mitgliedern verschiedener Kulturen und Lebenswelten zu bauen; da er nicht auf Sprache angewiesen ist, springt das Lachen sehr schnell über.

In der deutschen Umgangssprache wird Humor meist gleichgesetzt mit einer Haltung der heiteren Gelassenheit; einer Haltung, die den Schwierigkeiten des Lebens mit einem Lächeln begegnet. Humor, so betrachtet, entspricht einer „gelassenen Einstellung gegenüber Widersprüchlichem, Unordentlichem und Unfertigem […]. Humorvolle Menschen sind gutmütige Optimisten mit einer positiven Einstellung zu sich und zum Leben“17. Wer Humor hat, der lässt sich von den Schwierigkeiten des Lebens nicht zerrütten. Humorvolle Menschen behalten auch in schweren Zeiten eine heitere und positive Einstellung.

Für das vorliegende Buch wurde ein relativ breiter Humorbegriff verwendet. Immer, wenn Menschen lachen und scherzen, wenn sie dem Leben eine komische Seite abgewinnen, ist Humor im Spiel. Humor im Sinne der heiteren Gelassenheit ist zwar eine wichtige Spielart von Humor, es handelt sich aber nur um eine Spielart unter mehreren. Humor kann viele Formen annehmen. Humor kann reif, weise, gütig und tolerant sein. Er kann aber auch trotzig sein. Humor kann albern und kindlich sein. Er kann frech, skurril und clownesk sein. Er kann aggressiv, sarkastisch, ironisch und bissig sein. Darüber hinaus gibt es auch schwarzen, grimmigen und makaberen Humor.18

Eine Unterscheidung, der man in der Diskussion über Humor oft begegnet, ist die zwischen „positivem“ und „negativem“ Humor. Positiver Humor ist freundlich. Er verbindet Menschen. Er lädt dazu ein, miteinander zu lachen, sich gemeinsam an der Komik einer Sache zu erfreuen. Negativer Humor ist demgegenüber feindselig und abwertend. Man lacht nicht mit jemandem, sondern man lacht über jemanden. Hier sind wir im Bereich des Auslachens, des Verspottens, des aggressiven Humors.19

Alle genannten Arten von Humor spielen auch in der Demenzbetreuung eine Rolle. Menschen mit Demenz sind in der Regel sehr aufgeschlossen für Clownerie, für positiven und kindlichen Humor. Der Humor demenziell veränderter Menschen ist aber nicht immer „lieb“. Demenzbetroffene Menschen machen durchaus ab und zu Bemerkungen, die sarkastisch und potenziell verletzend sind. Wir werden noch sehen, was es mit den genannten Formen von Humor im Einzelnen auf sich hat.

Ein Aspekt, der allen Formen von Humor gemeinsam ist, ist das Element des Spielerischen. Humorvoll zu sein bedeutet, zu spielen – etwa mit komischen Kontrasten, mit lustigen Doppeldeutigkeiten, mit allerlei albernem Spielmaterial. Der Wunsch, mit anderen zu lachen und zu spielen, ist tief in der Bedürfnisstruktur des Menschen verankert.20

Im Spiel treten wir aus unserer Rolle als Erwachsene heraus. „Rettet das Spiel“, schreiben Gerald Hüther und Christoph Quarch.21 Die Anforderungen an Vernunft und Vernünftigkeit sind beim Spielen gelockert. Spielerische Situationen haben etwas Leichtes. Das Spiel eröffnet Freiräume für Lebendigkeit. Es macht die Welt erträglicher und entschädigt uns für so manche Mühsal.

1.4Was ist therapeutischer Humor?

Humor ist nicht nur ein heiterer Zeitvertreib. Humor kann genutzt werden, um wichtige praktische Ziele zu erreichen. Die heilsamen, die stressreduzierenden und erholsamen Potenziale von Humor lassen sich therapeutisch nutzen.

Als Vordenker dieser Idee gilt der Wiener Arzt und Psychiater Viktor Frankl (1905–1997). Frankl gab seinen Patient:innen den Rat, den Symptomen ihrer Krankheit „ins Gesicht zu lachen“22. Therapeutisch Tätige sollten ihre Patient:innen dabei unterstützen, ihre Krankheit aus einem humorvollen Blickwinkel zu betrachten. Die Therapeut:innen sollten nicht zu sehr auf Seriosität bedacht sein. Vielmehr sollten sie einen gewissen „Mut zur Lächerlichkeit“ kultivieren.23 Humor sei die Fähigkeit, so Frankl, sich über sich und die eigene Situation zu stellen. Er sei ein wichtiges Element im Heilungsprozess.

Weitere wichtige Vertreter der Idee des therapeutischen Humors sind der Clownsdoktor Patch Adams, der Journalist Norman Cousins sowie – im deutschen Sprachraum – der Psychotherapeut Michael Titze und der deutsche „Humor-Papst“ Rolf-Dieter Hirsch.24 Sie alle vertreten die Position, dass Humor eine wichtige psychische Ressource darstellt, die es therapeutisch zu nutzen gilt.

Einer allgemein akzeptierten Definition zufolge umfasst therapeutischer Humor „alle Maßnahmen, durch die die Patient:innen dazu gebracht werden, eine spielerische Haltung einzunehmen. Die betreffende Person wird dazu angeregt, die Absurdität alltäglicher Situationen wahrzunehmen, diese Komik zu genießen und eigene Formen zu entwickeln, Komik auszudrücken. Hierdurch sollen ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden gefördert werden“25.

Anfangs hatten humororientierte Ansätze es schwer, in den Institutionen des Gesundheitssystems Fuß zu fassen. Die Befürchtung war, dass Humor von den Patient:innen als respektlos empfunden werden könnte. Hinzu kamen Befürchtungen, dass der Humor die Beschäftigten von ihren therapeutischen, diagnostischen und pflegerischen Aufgaben ablenken könne.

Heute sind diese Bedenken weitgehend entkräftet. Die positiven Wirkungen humorvoller Interventionen sind inzwischen durch viele wissenschaftliche Studien belegt worden.26

In der Praxis kann therapeutischer Humor vielfältige Formen annehmen. Am bekanntesten, weil am sichtbarsten, ist therapeutischer Humor in Form von Clownsvisiten. In vielen Kliniken gehören die Clowns heute fest zum Organisationsalltag. Aber auch die Mitglieder des regulären Personals in den Einrichtungen – die Ärztinnen und Ärzte, das Pflegepersonal, die Betreuungskräfte –, sie alle praktizieren Humor. Für die Pflegewissenschaftlerin Iren Bischofberger hat der Humor daher den Stellenwert eines neuen und innovativen Pflegekonzepts. Humor ist eine Technik, die im Werkzeugkasten pflegerischer und betreuerischer Kompetenzen auf keinen Fall fehlen darf.27

„Helper’s little helper“, so lautet der vielsagende Titel einer Veröffentlichung zum Thema.28 Humor ist ein wichtiger Bündnispartner aller, die in den helfenden Berufen tätig sind, sei es im Krankenhaus, in der Psychiatrie oder im Altenheim.

Auch in der Betreuung demenziell erkrankter Menschen spielt Humor eine wichtige Rolle. Humor erfüllt unter anderem die folgenden Funktionen:

• Humor als Motivationsquelle. Die Betreuungskräfte erzeugen eine lustige Atmosphäre. In diesem heiteren Klima bekommen die Bewohner:innen Lust, an den Aktivierungen teilzunehmen. Humor dient also als Eisbrecher, so könnte man sagen. Manche Bewohner:innen haben Angst, dass die Gruppenaktivitäten zu schwierig oder zu anstrengend sein könnten. Indem die Aktivierungen unter ein humorvolles, ein spielerisches Vorzeichen gestellt werden, können diese Hemmungen überwunden werden.

• Humor als heiterer Kreativitätsförderer. „Heiterkeit ist der Himmel, unter dem alles gedeiht“, hatte der Philosoph Jean Paul einst gesagt.29 Humor wirkt sich positiv auf die kognitive Leistungsfähigkeit aus. Eine heitere Stimmung steigert die Kreativität. Wenn man heiter ist, kann man sich besser konzentrieren.30 Die Betreuungskräfte nutzen dies als positiven Faktor bei den Aktivierungen. Sie inszenieren heitere Dialoge und lustige Spiele. In dieser Atmosphäre erbringen die Teilnehmenden Leistungen, zu denen sie andernfalls nicht ohne Weiteres in der Lage wären.

• Humor als Puffer gegen Scham. Humor gibt der demenztherapeutischen Arbeit etwas Leichtes, etwas Verspieltes. Der Entstehung einer angespannten Atmosphäre kann dadurch entgegengewirkt werden. Humor, geschickt eingesetzt, ist ein Mittel, um peinliche Situationen zu vermeiden.31 Menschen mit Demenz leiden oft unter der Angst, sich zu blamieren. Durch Humor kann dieser Angst vorgebeugt werden. In dem spielerischen Ambiente, das die Betreuungskräfte erzeugen, gibt es kein „Falsch“ oder „Richtig“. Alles wird mit Toleranz und Milde betrachtet.

• Humor als heiterer Konfliktregulierer. Erfahrene Demenzbegleiter:innen beherrschen die Kunst, durch den Einsatz von Humor schwierige Situationen spielerisch aufzulösen. Vernünftige Argumente und energisches Argumentieren führen in Konfliktsituationen oft nicht weiter. Viel wirksamer ist es oft, wenn man etwas Witziges sagt oder tut. Der Einsatz von Humor kann dazu führen, dass die Situation sich „dreht“, dass ein heiterer Perspektivwechsel gelingt. Humor wird so zum Helfer in der Not, zum Friedensstifter.32

• Humor als Ventil. Dass Humor auch aggressive Formen annehmen kann, hatten wir oben schon gesagt. Humor kann dazu dienen, Spannungen abzubauen. Er kann ein Mittel sein, um sich gegen andere zur Wehr zu setzen. Humor erweist sich hierbei als „Waffe lebendiger Selbstbehauptung“33. Für Menschen mit Demenz ist Humor oft ein wichtiges Ventil, um Ärger, Wut, Frust und Aggressionen abzureagieren. Erfahrene Betreuungskräfte wissen dies. Sie nehmen sarkastische Bemerkungen und verletzenden Humor der Bewohner:innen nicht persönlich.

So weit ein Überblick über einige wichtige Funktionen von Humor in der demenztherapeutischen Arbeit.34 Wie man sieht, ist Humor von großer Praxisrelevanz. Wie das therapeutische Potenzial von Humor konkret genutzt werden kann und worauf dabei geachtet werden muss, ist das Thema der im vorliegenden Buch zusammengestellten Tipps und Praxisbeispiele.

1.5Der veränderte Humor demenzbetroffener Menschen

Bis vor Kurzem war noch schwer vorstellbar, dass Menschen mit Demenz Humor haben könnten. Demenz wurde mit Verfall, mit geistigem Abbau, mit Depression, Passivität und Hoffnungslosigkeit in Verbindung gebracht. Auch die Weise, in der Menschen mit Demenz behandelt wurden, war nicht gerade so, dass sie dem Humor zuträglich gewesen wäre. Die Betroffenen wurden sediert, sie wurden wie Objekte behandelt, sie wurden „ent-personalisiert“ (Kitwood). Inzwischen hat sich in dieser Hinsicht zum Glück viel geändert. Die Demenzbetreuung ist insgesamt viel humaner geworden. Dies beinhaltet, dass nun auch dem Humor eine größere Rolle zukommt als früher.35

Interventionen auf der Grundlage von Humor erfordern viel Umsicht. Menschen mit Demenz sind meist nicht mehr in der Lage, komplizierte Wortspiele zu verstehen. Kopflastige und intellektuelle Arten von Humor kommen nicht gut an. Auch das Spiel mit Doppeldeutigkeiten bereitet den Betroffenen mit Fortschreiten der Krankheit zunehmend Probleme. Dies alles gilt es in der demenztherapeutischen Arbeit zu berücksichtigen. Die Betreuenden müssen den eingesetzten Humor auf die Betroffenen abstimmen.

Formen von Humor, die in der Regel gut ankommen, sind: harmlose kleine Neckereien; lustige Geräusche; Clownerie und Slapstick; lustige Gesten und komische Pantomime; die Verballhornung bekannter Lieder und Schlager sowie alle Arten von Komik, die anschaulich und sinnlich erfahrbar sind.36

Erfahrene Betreuungskräfte orientieren sich an den Humorvorlieben der Bewohner:innen. Hierbei nehmen sie Rücksicht auf die Humorgrenzen der Leute. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Eine Form von Humor, die Menschen mit Demenz oft viel Spaß bereitet, ist die Verballhornung bekannter Gedichte und Lieder. In einzelnen Fällen kann dies aber von den Bewohner:innen – etwa bei Weihnachtsliedern – als Sakrileg empfunden werden. Es ist also stets dafür Sorge zu tragen, dass niemandes Gefühle verletzt werden.37

Ganz allgemein gilt, dass der Einsatz von Humor in einer positiven und achtsamen Weise erfolgen sollte. Demenzbetroffene Menschen verwechseln vieles. Es unterlaufen ihnen Missgeschicke. Nur allzu oft kommt es zu Situationen, die von einer gewissen unfreiwilligen Komik geprägt sind.38 Wie wir noch sehen werden, ist es höchst unprofessionell, über auftretende Fehlleistungen der Bewohner:innen zu lachen. Menschen mit Demenz sind vulnerabel. Sie spüren es – und leiden darunter –, wenn über sie gelacht wird.

Zum Teil bringt die Krankheit es mit sich, dass der Humor unangepasste Formen annimmt. Aggressivität und Enthemmtheit sind Begleiterscheinungen der Krankheit, die sich auch auf der Ebene des Humors bemerkbar machen. So ist es keine Seltenheit, dass den Betreuungskräften die Zunge herausgestreckt wird, oder dass ihnen gesagt wird: „Du hast einen fetten Hintern.“ Teilweise entwickeln Menschen mit Demenz auch eine Vorliebe für Kraftausdrücke, Fäkalsprache und andere eher derbe Formen von Humor.39

Erfahrene Betreuungskräfte wissen, wie sie damit umgehen können. Sie nehmen schwierigen Situationen die Schärfe, indem sie die Ereignisse in ein lustiges Spiel einbetten. Auf potenziell verletzende Bemerkungen reagieren sie in einer Weise, die versöhnlich ist und entwaffnend.40 Es ist klar, dass dies viel Geistesgegenwart und Einfühlungsvermögen erfordert. Auch hier zeigt sich, wie anspruchsvoll die Arbeit der Betreuungskräfte ist, sowohl in therapeutischer wie auch in menschlicher Hinsicht.

Dies alles wird in den folgenden Kapiteln noch ausführlich erörtert werden. Grundsätzlich kann man sagen: Der Einsatz von Humor im Rahmen ihrer demenztherapeutischen Arbeit stellt die Betreuungskräfte vor große Herausforderungen. Erfahrene Betreuungskräfte bewältigen diese Herausforderungen mit viel Geschick. Es ist wohl keine Übertreibung, die Praxis der humorvollen Demenzbetreuung als Kunst zu bezeichnen; als eine Kunst, die zwar schwierig, prinzipiell aber doch erlernbar ist.

1.6Über dieses Buch

Das vorliegende Buch soll motivieren. Es werden die Einsatzmöglichkeiten von Humor aufgezeigt, es soll aber auch auf mögliche Gefahren und Fehler aufmerksam gemacht werden. Es werden Empfehlungen gegeben, wie Humor in einer demenzgerechten Weise eingesetzt werden kann. Adressat:innen sind Betreuungskräfte, Lehrkräfte, Pflegekräfte und Demenzforscher:innen. Das Buch basiert auf vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema, gleichzeitig nimmt es aber konsequent die Erfahrungen der Praxis zum Ausgangspunkt.

Erfahrene Betreuungskräfte verwenden bei ihrer Arbeit fast ständig Humor. Sie tun dies meist eher intuitiv, aus dem „Bauch“ heraus. Hiergegen ist zwar einerseits nichts einzuwenden (intuitives Wissen spielt auch in anderen Berufen eine wichtige Rolle). Andererseits gibt es aber doch das Bedürfnis, die Dinge zu benennen, sie zu reflektieren, sich über das eigene Tun mit anderen auszutauschen. Ein wichtiges Anliegen des vorliegenden Buchs ist es, das praktische Wissen der Betreuungskräfte rund um den Humor in Worte zu fassen.41

Als wichtige Quelle von Erkenntnissen diente hierbei das in Kooperation mit der Universität Witten-Herdecke, Fakultät für Gesundheit, durchgeführte Forschungsprojekt „Humor in der Betreuung von Menschen mit Demenz“.42

Die Forschung basierte auf Interviews mit 20 erfahrenen Praktiker:innen aus der ganzen Bundesrepublik sowie auf einer teilnehmenden Beobachtung in einer großen norddeutschen Pflegeeinrichtung, dem Haus „Erlenhof“. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden zahlreiche Situationen des demenztherapeutischen Humoreinsatzes protokolliert und ausgewertet.43

Beides – die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Literatur sowie die eigenen Forschungsergebnisse – sind die Grundlage der folgenden Ausführungen. Da der Verfasser auch selbst als Betreuungskraft gemäß § 43 b) SGB XI arbeitet, verfügt er über eigene praktische Erfahrungen. Auch diese sind mit eingeflossen. Die meisten der Humorstrategien, die auf den folgenden Seiten dargestellt werden, hat der Verfasser im Rahmen seiner Tätigkeit als Betreuer selbst ausprobiert; und auch viele der Fehler, vor denen gewarnt wird, sind ihm (leider) in seiner Anfangszeit selbst unterlaufen.

Im Anhang finden sich zwei Texte, die – so die Hoffnung – zusätzlichen Nutzen haben. Der erste dieser Texte ist ein Entwurf für einen „Humor-Standard“ für die demenztherapeutische Arbeit (Anhang 1). Der Verfasser hat ihn gemeinsam mit den Teilnehmer:innen eines seiner Humorkurse entwickelt. Der andere Text ist ein Konzept für ein achtstufiges Humortraining für in der Demenzbetreuung Tätige (Anhang 2).

Anderen Personen gute Ratschläge geben zu wollen ist natürlich nie ganz unproblematisch. Nützlich können Ratschläge nur sein, wenn sie eng auf die Bedürfnisse der Praxis bezogen sind. Hierauf wurde im vorliegenden Buch großer Wert gelegt. Alle Handlungsempfehlungen wurden mit Praxisbeispielen untermauert. Bei den erörterten Situationen handelt es sich um typische, regelmäßig auftretende Situationen, die wohl den meisten Praktiker:innen aus eigener Erfahrung bekannt sein dürften.

Das Buch ist in die folgenden Kapitel untergliedert:

Den Anfang bilden einige allgemeine Prinzipien. Sie beziehen sich auf Aspekte, die es beim Humoreinsatz in der Demenzbetreuung generell zu beachten gilt (Kapitel 2). Es folgen Tipps, wie man es besser nicht machen sollte (unter dem Titel „Witze, die wehtun“; Kapitel 3).

Weiter geht es mit einem Kapitel über humorvolle Aktivierungen (Kapitel 4). Anhand der vier Bereiche kognitives Training, Musizieren, Gymnastik und Basteln wird gezeigt, wie man die Beschäftigungsangebote lustig und vergnüglich gestalten kann. Daran anschließend wird erörtert, wie sich schwierige Situationen humorvoll auflösen lassen (Kapitel 5). Es folgt ein Kapitel mit Tipps zur Gestaltung humorfreundlicher Organisationsstrukturen und Abläufe (Kapitel 6).

Im Schlussteil (Kapitel 7) werden die einzelnen Aspekte zusammengefasst. Humor ist aus der Betreuung demenziell erkrankter Menschen nicht mehr wegzudenken. Die große Bedeutung, die dem Humor und anderen positiven Emotionen heute beigemessen wird, markiert den Übergang von der alten, „pathologisierenden“ Sichtweise hin zu einem modernen, ressourcenorientierten Betreuungsansatz.

Es ist klar, dass es in Fragen des Humors nicht das eine, allgemeingültige Modell oder Patentrezept geben kann. Letztlich muss jede:r selbst beurteilen, welche der hier zusammengestellten Empfehlungen einleuchtend erscheinen. Alle Betreuenden sollten, was den Humor betrifft, ihre eigenen Erfahrungen machen. Genau darin besteht bereits – wie wir sogleich sehen werden – der erste der hier zusammengestellten Tipps: Seien Sie authentisch, finden Sie Ihren eigenen, persönlichen Humorstil! Das vorliegende Buch soll Sie dabei begleiten.

2Koch-Straube (2002), S. 80. Eine anschauliche Darstellung der Verhältnisse früherer Zeiten liefert der Film „Der Tag, der in der Handtasche verschwand“ aus dem Jahr 2000 (Regie: M. Kainz).

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