Hunde, die nach hinten gucken. - Heidi Schmitt - E-Book

Hunde, die nach hinten gucken. E-Book

Heidi Schmitt

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Beschreibung

Der Hund ist der beste Freund des Menschen. Dicht dahinter auf Platz 2: der Staubsauger. Während des Fellwechsels kann sich diese Reihenfolge allerdings durchaus umdrehen. Bücher über Staubsauger finden dennoch nur wenige Liebhaber. In diesem Buch erfahren Sie hingegen, warum sich Pansen nicht für die Aromatherapie eignet und Hunde nicht nur in Hannover an die Leine müssen. Sie lernen die 100 wichtigsten Sätze in der Kommunikation mit dem Vierbeiner kennen und erfahren mehr über die hohe Kunst des Dödelns. Übrigens: Um für den Hund die richtige Körbchengröße zu finden, spielen weder der Umfang noch die Unterbrustweite des Tieres eine Rolle - auch das soll hier näher erläutert werden. Am Ende bleibt vor allem eine Erkenntnis: Wer bewusst mit Hunden lebt, stößt gelegentlich an die Grenzen seiner Geduld. Aber niemals an die Grenzen seiner Liebe. "Heidi Schmitts Stil ist warmherzig und elegant, einfühlsam und komisch, liebevoll, heiter und anrührend und Besseres vermag ich über ein Buch kaum zu sagen." Jochen Malmsheimer, Kabarettist und Hundefreund

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Heidi Schmitt Heidi Schmitt ist Werbetexterin, Autorin und Bloggerin und lebt mit ihrem Mischlingshund Panini in Frankfurt am Main. Ihr erstes Buch „Jubiläumsbecher in der Busspur“, in dem sie über das Laufen schreibt, wurde 2013 mit dem autoren@leipzig Award der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. 2014 erschien der Nachfolgeband „Komm, wir laufen aus“. Das E-Book „Ein Hund namens Brötchen“ (2017) handelt von den großen und kleinen Katastrophen des Lebens mit Hund.

„Be the person your dog thinks you are.“

Dieser Satz ist wunderbar, weshalb er diesem Buch voranstehen soll. Allerdings nicht ohne die Erwähnung, dass er von J. W. Stephens stammt, einem US-amerikanischen Autor aus Texas. Stephens ist ein Waffennarr, der Migranten hasst, Drogensüchtige verabscheut und sich gemeinsam mit seinem Präsidenten nach einer Welt sehnt, in der es nur Weiße gibt, die ihre Knarre putzen und Golf spielen. Ich befürchte, dass es sich bei obigem Satz um den einzigen klugen handelt, der ihm in seiner Schriftstellerkarriere geglückt ist. So klug, dass es ihm offenbar selbst nicht gelang, ihn zu verstehen. Ein Grund, ihn zu würdigen. Den Satz, nicht seinen Autor.

Inhalt

Vorwort

Selbstfindung

Ja, wieheißtdudenn?

Begriffsverwirrung.

Panini – das große Interview.

Meine neue Wohngegend.

Die Frau mit dem Hund.

Voll peinlich.

Ich bin kein Rudelführer.

Must-haves für Hundefrauen.

Erziehungsversuche

Martin Rütter lässt mich im Stich.

Das Tier ist taub.

Die weltbesten Erziehungstipps.

Panini und der wilde Molly.

Das begabte Tier.

So was wie Liebe

Ein Jahr mit Panini.

Nachts, wenn Hundehalter verschwinden.

Mit Hunden reden – die 100 wichtigsten Sätze.

Kontaktliegen.

Hunde verlassen.

Das Tier macht Geräusche.

Herr M.

Mit dem Tier unterwegs

Perpetuum Gassi.

Networking.

Das Gesetz.

Das ummäntelte Tier.

Lob des Dödelns.

Das reisende Tier.

Hunde, die nach hinten gucken.

Mitmenschen&Mittiere

Mir stinkts.

Ich hab auch einen zu Hause.

Die Hundeschulen-Nazis.

Der Floh. Ein Drama in vier Bissen.

Es ist ein Hund!

Meine Hündin, der gemütliche Opa.

Die Ansage.

Ratlos im Unrat.

Schonungslose Wahrheiten

Vom Winde verweht.

Der beste Freund des Hundes.

Überfellig.

Das Tier wird gefoltert.

Endlichkeit – ein Glücksrezept.

Hunde-Glossar

Dank

Vorwort eines lesenden Hundehalters

Das Vorwortschreiben als solches gehört, neben dem Streichholzbemalen, dem Gasblasen und dem Sülzeschnitzen zu den unterschätztesten Kunstformen überhaupt, was sicherlich auch ein Grund dafür sein dürfte, dass es für so wenige Vorworte Vorworte gibt.

Vorworte werden im Allgemeinen dafür benötigt, die vom ewigen, leimhaften Binden enttäuschten Buchbinder in böswilliger Absicht eingefügte leere Seite zwischen Vorsatz, Schmutztitel und Textkörper nachträglich sinnhaft zu füllen, was die von der Textgenese zu Recht erschöpfte Autorin natürlich vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt.

Hier greift der vorwörtliche Notdienst aus der Nachtbarschaft, Autorenpflege ist eben auch hier, am Tresen der Nachtbar, oberstes Gebot!

Nun also: ein Vorwort.

Für ein Hundebuch. Ausgerechnet.

Damit das klar ist: Ich liebe Bücher. Sehr.

Und weil ich Bücher so sehr liebe, bin ich der Auffassung, dass die meisten hätten vermieden werden sollen.

Dazu gehören etwa fast alle Titel zum Thema Makramee, Fliegenbinden und Batiken, also Hand- und Fußarbeit; rigoros und ohne jede Ausnahme alle Bücher, die das Universum zur Wunscherfüllung nutzen wollen, heilende Steine beschreiben, Kontakte zu Engeln herstellen oder das Abnehmen durch Atmen propagieren; negane Literatur, also Bücher, die den Verzicht auf tierische und pflanzliche Nahrung empfehlen, um die Schöpfung in ihrer Gesamtheit zu schonen, sowie alle Elaborate jener „Beratungsfraggles“, wie es eine Freundin unlängst so wunderbar ausdrückte, welche vom Leben enttäuschten Mitzwanzigern weismachen wollen, ihre verpfuschte BWL-Existenz sei durch das Balancieren in Hochseilklettergärten inhaltlich zu retten, und die für Kalenderspruchseminare in der Dortmunder Westfalenhalle mehrere Hundert Euro verlangen und auch noch bekommen, und zwar von eben jenen verpfuschten BWL-Existenzen, die sich gerade noch rechtzeitig zu Gottesdienstbeginn aus ihren Hochseilklettergärten abseilen konnten.

All diese Druckwerke hätten zur Schonung der Wälder und Gewässer als auch der meines Nervenkostüms vermieden werden müssen, wenn auch nur ein Hauch von Niveau, Charakter und Geschmack in der Welt wohnte.

Ach, und die meisten Bücher von Hundeflüsterern, Welpenanbetern und Kauknochenkauern gehören natürlich auch dazu.

Ich begegnete der Aufgabe, ein Vorwort für ein Buch zu schreiben, in dem es vornehmlich um einen Hund geht, also durchaus reserviert, gewillt, mich elegant, aber schnell aus der Affäre zu winden, ohne die Gefühle der Autorin, wie auch die meinen, in der einen wie in der anderen Richtung über Gebühr strapazieren zu müssen.

Aber lesen musste ich es schon, zumindest in Teilen, damit sich zur Eleganz des Vorwortes auch noch ein gewisser inhaltlicher Bezug geselle, der das Ganze für den Rezipienten dann in den Bereich der Nachvollziehbarkeit rücken sollte. Also las ich es. Und zwar durch. In einem Rutsch. Und war innert Minuten heiter und gelassen, denn ich kann meine Vorurteile behalten und muss dennoch hier nicht lügen: Weil dies überhaupt kein Hundebuch ist!

Zumindest keines von denen, die sich oben einreihen ließen. Nein, eigentlich ist es ein Buch mit Geschichten über die Freundschaft und die Liebe und, ja, ein Hund spielt auch mit. Er, oder besser: sie ist Auslöser und Kristallisationskern all der kleinen und großen Veränderungen und Erlebnisse, die von nun an das Leben der Autorin, bisweilen durchaus auch erst gegen deren Willen, bereichern.

Und das miterleben zu dürfen, ist einfach und ganz und gar wunderbar.

Was übrigens nicht nur an Panini liegt, das ist der Hund, und, ja, es ist eigentlich ein Plural, aber es passt trotzdem hervorragend, wie uns im Text erklärt wird, nein, es liegt auch daran, wie Heidi Schmitt es schreibt.

Man spürt, dass sie das schon lange tut, das Schreiben, und dass sie es darob aber wunderbarerweise nicht routiniert, sondern gut tut.

Was an sich schon bemerkenswert und etwas Besonderes ist.

Und nun erfährt sie am eigenen Leib, was die meisten Hundebesitzer wissen:

Dass ein Hund nämlich, anders als etwa Guppys, die Kraft hat, die vornehmsten und edelsten Gefühle und Verhaltensweisen in uns zu wecken, womit ich nichts gegen Zierfische, Algen und Blubbersteine und deren beruhigende Wirkung auf nervöse und professionell abgespannte Hochseilklettergärtenbenutzer gesagt haben will.

Das mit dem Wecken gelingt aber nur, wenn wir uns wecken lassen.

Und Heidi Schmitt ließ sich von Panini wecken und lässt uns nun mit durch ihren gemeinsamen Tag gehen und das ist großartig und gelungen und vor allen Dingen: lesbar!

Ihr Stil ist warmherzig und elegant, einfühlsam und komisch, liebevoll, heiter und anrührend und Besseres vermag ich über ein Buch kaum zu sagen.

Überprüfen Sie’s und wenn Sie nur einen Bruchteil jenes Vergnügens und jener Wärme empfinden, die sich in mir bei der Lektüre wohnlich einrichteten, dann haben Sie schon viel empfunden und sollten eigentlich ein wenig lächeln.

Also. Lassen Sie das Klettern und besorgen Sie sich einen Hund, dieses Buch haben sie ja dankenswerterweise schon. Und wenn Sie einer jener Vordemkaufvorwortleser sind, dann: Ab an die Kasse!

Ich danke Ihnen und grüße Sie herzlich.

Jochen Malmsheimer

(Kabarettist und Hundefreund)

Vorwort der Autorin

Eine Marathonläuferin sucht einen Laufpartner und wählt einen Hund, der nicht laufen kann. Das ist eine blöde Geschichte. Aber es ist unsere. Und die eigene Geschichte muss man ja bekanntlich annehmen. Sicher, spazieren gehen kann mein Hund durchaus. Für ein rüstiges Rentnerehepaar wäre er bestimmt großartig. Vorausgesetzt, es wäre solvent. Mein Hund ist kostspielig. Ich erwähne das alles gleich zu Beginn, um der Kitschigkeit entgegenzuwirken, dem rosarot umflorten Blick, mit dem ich meinen Hund sonst betrachte. Sie sollen nicht denken, ich wäre gänzlich der Vernunft beraubt.

Ich hatte mir Amors Pfeil, der mich bei der ersten Begegnung mit Panini traf, ja auch schnellstmöglich entfernt, aber da war es schon zu spät. Das Tier zog vor dreieinhalb Jahren ein und gibt seither meinen Mittagspausen eine Bestimmung. Um nur eines der vielen Dinge zu nennen, die es mit Bedeutung belegt hat. So einiges ist neu und anders, wenn man sich plötzlich um ein Wesen kümmern muss, das nichts kann, nichts sagt und nichts tut, was man selbst als sinnvoll erachten würde.

Da ich gern über Dinge schreibe, die mir wichtig sind, begann ich, über Panini zu schreiben. Mein Blog Kommstdu-hierher.de war dafür ideal. Denn ab und zu antwortete mir jemand: „So ist es bei uns auch.“ Das tat wohl und so schrieb ich gestärkt weiter. Im vergangenen Jahr erschien mein E-Book „Ein Hund namens Brötchen“. Viele Geschichten daraus finden sich auch in diesem Buch wieder. Hinzu kamen zahlreiche neue Texte rund um das Leben mit Brötchen und ein Hunde-Glossar, das Sie getrost unter dem Etikett „grober Unfug“ verbuchen können. In Hundehalterkreisen stößt man gelegentlich auf eine Ernsthaftigkeit, die ins Klotzkopfige hineinlappt. Da schafft ein wenig Unsinn etwas Ausgleich. Viele Leserinnen und Leser haben vielleicht auch deshalb nach Panini-Geschichten auf Papier gefragt – hier sind sie.

Heidi Schmitt, Frankfurt 2018

Selbstfindung

In allen Hundebüchern steht geschrieben, dass die Integration eines Hundes aus dem Ausland mit Bedacht vorgenommen werden muss. Sprachkurse, Erlernen der deutschen Leitkultur, Sitten und Gebräuche – all das nimmt Zeit in Anspruch. Es stand zu befürchten, dass Panini als Einwohnerin des Umlands von Rom außer Carbonara, Vespas und dem Papst noch nicht viel von der Welt gesehen hatte. Von der deutschen Welt zumal. Ich verwandte also große Sorgfalt auf die Eingewöhnung.

Nach drei Wochen war sie mit deutschen Vollnarkosen ebenso vertraut wie mit schwedischen Sofas. Was allerdings in keinem Hundebuch steht: Man sollte sich weniger um die Identität des Hundes als um die eigene sorgen. Wenn das Tier einzieht, ist nichts mehr wie zuvor – vor allem man selbst nicht. Gerade in der ersten Zeit beschäftigten sich deshalb viele meiner Texte nicht nur mit der Frage, wer und wie Panini ist, sondern auch damit, wer ich denn nun eigentlich war. Wie ich war. Und wie ich als Hundehalterin sein wollte. Gottlob ist das inzwischen weitgehend geklärt. Ich bin, wie ich bin. Auch wenn sich das gelegentlich vom Musterfrauchen weit entfernen mag.

Ja, wieheißtdudenn?

Einem Tier einen Namen zu geben ist eine verantwortungsvolle Sache. Schließlich ist man geneigt, vom Namen auf den Charakter zu schließen. Das kann man natürlich nutzen. Es wäre zum Beispiel eine Idee, einen extrem trägen, introvertierten und passiven Hund „Rambo“ zu nennen, um ihm ein etwas dynamischeres Image zu geben. Der Name „Giselle“ würde einer rauflustigen Schlammpfützenliebhaberin mehr Lieblichkeit verleihen. Und vielleicht würde ein unermüdlich umherspringender Balljunkie mit dem Namen „Bruno“ ja etwas ruhiger.

Einfacher ist es natürlich, wenn alles schon passt. Vor Kurzem traf ich einen gefühlt 20 cm hohen Shih Tzu namens Mechthild, das war so stimmig, dass ich mich innerlich nur still vor dem Namensgeber verbeugen konnte. Da Panini aus Italien stammt, war für mich klar, dass sie einen Namen bekommen sollte, der daran erinnert. Nicht, dass ich einen rumänischen Rüden zwangsläufig Maffay genannt hätte, obwohl ich die Idee nicht übel finde. Aber Italien bietet klanglich doch so einiges. Leider enden viele schöne italienische Begriffe auf „o“ und ich hätte es dann doch gern etwas weiblicher gehabt. Eine Zeit lang stand deshalb der Name „Pizza“ bei mir hoch im Kurs. Doch es stellte sich heraus, dass Panini keine Pizza war. Ihr fehlte der krosse Rand, die Tomatensoße und überhaupt alles. Der Name klang viel zu hart für sie. Panini ist einfach kein Wesen mit zwei „z“.

Die Sache mit dem Brötchen erwies sich dagegen sehr schnell als perfekt. Sie ist ein sehr weiches Brötchen zugegebenermaßen, zumal sie ein katastrophales Bindegewebe hat. Panini wobbelt ein wenig. Aber das weiße Innere eines Brötchens ist ja nun auch nicht eben knackig. Farblich passt es ebenfalls sehr gut. Italiener schütteln immer den Kopf und machen mich höflich, aber bestimmt darauf aufmerksam, dass es sich bei „Panini“ um eine Form der Mehrzahl handelt, ich ja aber wohl bestenfalls einen Hund hätte. Das stimmt allerdings nur bedingt. Panini ist draußen eine völlig andere als drinnen. Sie kann ein Jagdmonster sein und ein Kuschelhäschen. Mutig und verängstigt. Supergehorsam und nahezu gehörlos. Panini ist mehrere. Ich kann sie also auch gut mit einer Mehrzahlform benennen.

Panini klingt weich und durch die vielen „i“ lustig und freundlich. Genau das ist sie. Obendrein erscheint es mir passend, einen Hund, der alles frisst, was man ihm hinhält, und zusätzlich alles, von dem man nicht möchte, dass er es frisst, mit einem Lebensmittelbegriff zu benennen. Einem italienischen natürlich. Erst später fiel mir auf, dass ich selbst zwei „i“ im Vornamen habe und wir somit klanglich gut zusammenpassen.

Übrigens hatte Panini natürlich bereits einen Namen, als ich sie aufnahm. Sie hieß „Ginny“. Zum Glück wusste sie das nicht. Den Namen habe ich demzufolge nie verwendet. Warum sollte ich meinen Hund auch „Kleiner Wacholderschnaps“ nennen?

Begriffsverwirrung.

Bei mir wohnt ein Hund, für den ich sorge. Er hat eine Haftpflichtversicherung und zahlt Steuern, als seine Bürokraft übernehme ich den Papierkram für ihn. Wenn Panini über die Hundewiese laufen würde und würde dort einen Haufen absetzen und ich würde ihn nicht aufsammeln, dann wäre es gut möglich, dass mich jemand anspricht. Er würde dann vielleicht sagen: „Gehört dieser Hund Ihnen?“ Und ich, wenn ich Panini nicht verleugnen will, würde „Ja“ antworten (auf die Gefahr hin, dass mir der Mensch die Leviten liest, weil ich Paninis Hinterlassenschaften nicht aufsammle – zu Recht natürlich). Dabei finde ich gar nicht, dass mir Panini gehört. Wie kann mir ein Lebewesen überhaupt gehören? „Gehört dieser Hund zu Ihnen“, ja, das wäre schon besser. Aber bin ich Hundebesitzerin? Ich weiß nicht.

Sensible Gemüter weichen deshalb auf den Begriff „Hundehalter“ aus. Das klingt für mich nun wiederum sehr entmenschlicht und ganz schön statisch. Als wäre ich eine Art Garderobenständer, eine Leinenaufhängung zur Hundebefestigung. Wahrscheinlich bin ich wohl so was. Aber so recht behagt es mir nicht.

Möglich wäre auch, dass ich eine „Hundeführerin“ bin, schließlich bestimme ich, wann und wohin wir gehen. Meistens. Aber dabei sehe ich nun wiederum Uniformierte vor mir, die Hunde dazu bringen, Gewaltverbrecher zu fassen. Vielleicht auch solche, die gar nicht wussten, dass sie Gewaltverbrecher sind. 10 Millionen Führer in Deutschland – das ist nicht schön. Vermutlich haben sich deshalb die meisten Hundebesitzer/halter/führerinnen damit abgefunden, dass sie „Frauchen“ sind und ihre männlichen Pendants „Herrchen“. Meistens wird dieser Begriff ja vermeintlich aus der Sicht des Hundes gebraucht. „Na, hat dir Frauchen nicht genug zu fressen gegeben?“ Dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass Panini nicht denkt, dass ich Frauchen bin. Ich bin so viel größer als sie, warum sollte sie mich mit einer Verkleinerungsform bedenken? Nein, putzig findet sie mich bestimmt nicht. Da ich mit Panini nicht verheiratet bin, kann ich aber auch nicht ihre Frau sein. Frauchen und Herrchen ist also zumindest etwas Hundespezifisches. Das ändert allerdings nichts daran, dass es wahrlich blöde Begriffe sind.

Eine große Gruppe der Leute, die genauso empfindet, hat beschlossen, „Mama“ oder „Papa“ zu sein. Ich wäre also Hundemama. Das ist zumindest aus genetischer Sicht verblüffend. Wie kann es sein, dass mir die Begegnung mit Paninis Vater so gänzlich entfallen ist? Auch die Geburt liegt völlig im Dunkeln. Und dann hat sie optisch auch so gar nichts von mir ... Ach so, ich bin nur Adoptivmama! Ja, das stimmt auf jeden Fall, adoptiert habe ich sie. Tatsächlich gleicht unser Verhältnis dem von Mutter und Kind noch am ehesten. Ich muss sie an alles erinnern, hinter ihr aufräumen und bereite ihr Lieblingsessen zu. Unter Umständen mache ich ihr sogar den Po sauber. Diese Fürsorge ist auf jeden Fall elterlich. Aber ist das nicht sehr albern? Mama? Liegt da nicht auch eine Gruppe Menschen hinter dem nächsten Holzstapel, die „Typisch! Der Hund soll ein Kind-Ersatz sein!“ rufen?

Es ist erstaunlich, dass wir schon so lange mit Hunden zusammenleben und noch keinen würdigen, eigenständigen Begriff gefunden haben, der unser Verhältnis zum Tier beschreibt. Der Fürsorge beinhaltet und Freundschaft. Und er müsste das feste Band ausdrücken, das die wechselseitige Begleitung ausmacht. Vielleicht bin ich am ehesten Paninis Gefährtin. So wie sie meine ist. Hundegefährtin. Möglicherweise wird es irgendwann noch einen besseren Begriff geben. Schlechtere gibt es ja schon.

Panini – das große Interview.

Es war gar nicht leicht, Panini für ein Interview zu erwischen, da sie derzeit meistens schläft. Oder frisst. Umso mehr freuen wir uns, dass es uns gelungen ist.

Panini, stört es Dich eigentlich nicht, dass man Dich nach einem belegten Brötchen benannt hat?

Brötchen? Belegt? Wo!?

Du kommst aus Italien und hast schon eine Menge Hunde kennengelernt. Welche Hunde sind netter – die italienischen oder die deutschen?

Hunden ist grundsätzlich nicht zu trauen. O. k., es gibt ein paar, die gut riechen und so. Aber wenn man nicht aufpasst – zack, hat man ein zerfetztes Ohr. Menschen dagegen …

Was macht Menschen so viel besser als Hunde?

Hat Ihnen schon jemals ein Hund – Moment, ich muss mir die Lefzen lecken – ein Stück Fleischwurst angeboten?

Nö.

Da haben wir’s.

Du frisst Bio-Fleisch, liegst in einem orthopädischen Hundebett und gehst zum Osteopathen. Hast Du manchmal das Gefühl, ganz oben angekommen zu sein?

Oh, es ist so toll, ganz oben anzukommen! Man bekommt Kekse, wenn man die Treppe alleine schafft! Oder das Sofa – ein Satz und man ist oben! Ich muss aber auch sagen, dass das alles nichts wert ist, wenn man dann dort oben allein ist. Wenn niemand kommt und mit einem kuschelt. Ich bin oft allein oben.

Woran liegt das? Ist das der Neid?

Neid, ja, das ist furchtbar. Ich höre das dauernd. Neid, nicht am Verband lecken, Panini. Panini, neid, lass den Bonbon liegen. Neid Panini, nicht bellen.

Du meinst wohl „nein“.

Ist „nein“ nicht ein Lobwort?

Sag mal, Panini – verstehst Du mich überhaupt?

Das ist jetzt nicht fair! Ich habe vielleicht einen Migrationshintergrund, aber ich habe studiert!

So? Was denn?

Körpersprache!

Panini, wir danken Dir für das Gespräch.

Krieg ich jetzt einen Keks?

Meine neue Wohngegend.

Nein, ich bin nicht umgezogen. Seit fast 15 Jahren wohne ich hier. Aber ich hatte ja keine Ahnung.

Wer in einer Festanstellung arbeitet, zumal in einer arbeitszeitintensiven, der wohnt nicht. Er nächtigt eher. Er kommt und geht zu ähnlichen Zeiten. Im Winter tut er beides im Dunkeln. Früher saß ich oft am Wochenende auf dem Sofa und versuchte besonders intensiv zu wohnen, um meine Miete vor mir selbst zu rechtfertigen. Seit ich selbstständig bin, arbeite ich immer häufiger von zu Hause aus. Man nennt das so, „von zu Hause aus“ arbeiten, als wäre der Schreibtisch im Home-Office eine Schaltzentrale nach draußen. Lange Zeit habe ich dabei den gleichen Rhythmus beibehalten wie früher. Ich saß genau zu den gleichen Zeiten an meinem Schreibtisch wie zuvor im Büro. Wenn ich Termine hatte, verließ ich die Wohnung und fuhr irgendwohin, raus aus meinem Viertel. Seit Panini bei mir ist, ist alles anders. Ich bin werktags zu Fuß in meiner Straße unterwegs – mitten am Tag. Ich streife um 22 Uhr in Parallelstraßen umher. Ich sitze auf Bänken in der Nähe meines Hauses, auf denen ich in 10 Jahren nie saß.

Manchmal sind wir früh unterwegs und ich sehe Horden von Kindern, die in die Kitas gebracht werden. Auf unseren Gassirunden gibt es mindestens fünf Tagesstätten. Die Kinder kommen mit winzigen Rädern und bunten Helmen und ihre kleinen Geschwister in den Kinderwägen und Fahrradsitzen rufen „Wauwau“ von Weitem. Niemals habe ich so viele Kinder in meiner Straße gesehen, es sei denn beim Straßenfest. Sind wir am späten Nachmittag unterwegs, sehe ich, wie all diese Kinder wieder abgeholt werden und ihren jeweils halben Eltern (es kommt ja immer nur ein Elternteil) aufgeregt berichten, was sie heute gebastelt haben. Und dass sie höher schaukeln können als die Emily.

Abends in der Dämmerung, wie von Geisterhand, öffnen sich überall die Hofpforten. Und aus ihnen heraus treten Menschen mit Hunden. Ich hatte keine Ahnung, dass so viele Hunde in meiner Nähe wohnen. Die ältere Dame mit dem kräftigen Lidschatten, die die Leine ihrer Malteser-Hündin immer farblich auf ihr Outfit abstimmt. Der freundliche Herr, der genauso gemächlich dahinschlendert wie seine alte französische Bulldogge. Die korpulente Havaneser-Besitzerin, die sich immer in ihrer Flexi-Leine verheddert. Die alte weiße Schäferhundmischlingsdame, die nie eine Leine hat, mit ihrem gelassenen Halter. Sie alle gehen ihre letzte Runde vor dem Schlafengehen. Von vielen weiß ich, wo sie wohnen. Ich weiß, wie die Hunde heißen. Manchmal weiß ich, woran sie leiden oder woran der Vorgänger gestorben ist. Ich wusste früher nicht, dass all diese Menschen einen Steinwurf entfernt von mir wohnen.

Ich gehe jetzt Wege, die ich nie ging. Ich weiß, wo die Rasenflächen sind. Und ich weiß genau, wo im Viertel die Mülleimer stehen. Im Treppenhaus sprechen mich Nachbarn an, mit denen ich sonst nie sprach. Der Nachbar im Erdgeschoss hat Leckerchen für Panini gekauft. Andere vermissen sie, wenn sie sie länger nicht gesehen haben und fragen nach ihr. Panini marschiert gern in Nachbarwohnungen, wenn man sie lässt. Mein Nachbar aus der Wohnung im Stockwerk unter mir fragte mich neulich, zu welchem Bäcker ich gehe. Und ich wusste, welcher die feinsten Brötchen und welcher das bessere Brot hat. Seit Neuestem gehe ich zu den Bäckern um die Ecke. Der DHL-Mann grüßt Panini auf der Straße und sagt „Heute habe ich nichts für Sie“. Plötzlich wohne ich auf dem Dorf, mitten in der Stadt. Sie gefällt mir eigentlich ganz gut, meine neue Wohngegend.

Die Frau mit dem Hund.

Sind Sie nicht die Frau mit dem Hund? Fragt die Dame in der kleinen Bude, bei der ich immer Spargel kaufe. Ja, das bin ich wohl. Die Frau mit dem Hund. Ich frage mich, was ich war, bevor Panini einzog. Und was ich sein werde, wenn sie einmal nicht mehr bei mir sein kann. Wer ist der dicke Mann mit dem Bart, wenn er abnimmt und sich rasiert?