Hüte dich vor den Stimmen des Meeres - Laura Wolf - E-Book

Hüte dich vor den Stimmen des Meeres E-Book

Laura Wolf

0,0

Beschreibung

Moira zieht von London nach Schottland, in ein schönes Haus an den Klippen. Der nächste Ort ist über eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt. Dort wird sie sofort mit der Geschichte der Meerwesen, der Each Uisge konfrontiert. Sie sollen sich an den Klippen aufhalten und in der Gestalt eines wunderschönen Mannes auftreten, um die Menschen mit ihrem Ruf ins Meer - und damit in den Tod zu führen. Aber Moira lässt sich zunächst nicht davon beeindrucken - doch dann sieht sie einen Gott gleichen Mann am Strand stehen und nur die hohen Klippen stellen eine Barriere zwischen ihnen dar... Kann sie seinem Ruf widerstehen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 169

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hüte dich vor den Stimmen des Meeres

Fantasy Roman

Laura Wolf

Impressum

Texte: © Copyright by Laura Wolf

Coverdesign by A&K Buchcover

[email protected]

[email protected]

Verlag + Druck: epubli

Venjava-Reihe :

Band 1: Eine magische Welt jenseits des Portals

Band 2: Die Burg der Assassinen

Band 3: Die Dunkelelfen & Die Drachenjäger

Weitere Bücher von Laura Wolf:

Vampirroman:

Band 1: Sei mein Schutzengel für die Ewigkeit

„In jeder Legende steckt immer ein Körnchen

Wahrheit.“

1. Kapitel

„Endlich“, murmelte ich seufzend und widmete mich dem letzten Umzugskarton. Sorgfältig verstaute ich meine Lieblings Bücher in dem weißen Regal, das der vorherige Besitzer mir dagelassen hatte. So wie die vielen anderen Sachen in diesem Haus. Es war zu klein für eine großköpfige Familie, aber für mich alleine war sie zu groß. Aber genau das machte es für mich perfekt. Ich liebte die Weite und den Platz die es hergab. Das bedeutete auch eine Menge Arbeit, aber ich war schon immer sehr fleißig gewesen. Das Haus stand schon eine ganze Weile leer und es hatte definitiv schon bessere Tage gesehen. Unkraut wucherte aus den angelegten Beeten im Vorgarten heraus. Nur eine kleine, vertrocknete Tomatenpflanze erinnerte noch an das Beet, was es vor einigen Jahren mal gewesen war. Der Zaun den das Haus umgab, war teilweise zerstört und die braune Farbe war verblasst und abgeblättert. Genauso wie die Haustür. Außerdem knarrte sie bei jedem öffnen und sie brauchte ebenfalls dringend einen neuen Anstrich. Zum Glück bestand die Fassade des Hauses aus dicken, grauen Steinen. Dadurch war sie gegen jeden tosenden Sturm, oder anderen Naturgewalten gut geschützt. Und ich musste sie nicht streichen. Das Haus stand abseits von dem kleinen schottischen Ort und war ziemlich nahe an den Klippen gebaut. Fast zu nahe, aber ich fand den Ausblick einfach nur atemberaubend. Wie man auf den Klippen stand, der Wind einem das Haar zerzauste und wie die Wellen des Meeres gegen die kalten Felsen klatschten. Es störte mich nicht, über eine halbe Stunde mit dem Auto fahren zu müssen um das Dorf zu erreichen. Es gab zwei Wege vor meinem Haus. Der rechte Weg führte in Richtung des Dorfes, der andere Weg führte hinunter zum Strand. An den großen Klippen vorbei. Der Pfad war an manchen Stellen Steil, aber wenn es nicht regnete war es kein Problem hinab zu steigen. Das letzte Buch stellte ich vorsichtig neben die anderen, damit es nicht umfiel. Danach klappte ich den Karton zusammen und stellte ihn in die Abstellkammer. Eigentlich hätte ich ihn entsorgen können, aber wer weiß ob ich ihn nicht doch irgendwann einmal wieder gebrauchen konnte. Mein Blick schweifte über das Wohnzimmer. Es war noch etwas kahl eingerichtet. Die hellbraune Couch vom Vorbesitzer, daneben ein stehendes Regal mit einem Fernseher und das weiße Regal mit den Büchern. Keine Bilder, keine Pflanzen. Außer Bücher und haufenweise klein kram, konnte ich nicht viel von zuhause mitnehmen. Deswegen war ich sehr dankbar, dass mir der Vorbesitzer das nötigste dagelassen hatte. Vielleicht hätte ich mir das ein oder das andere irgendwann gerne selbst gekauft wie die Couch zum Beispiel, das Bett, die Kücheneinrichtung, oder den rustikalen Schlafzimmerschrank. Aber der Umzug und das Haus hatte schon einiges an meinem Ersparten gekostet und ich hätte momentan kein Geld für eine neue Küche oder eine teure Couch gehabt. Aber sobald ich mich hier eingelebt habe, werde ich es dennoch nicht schaffen, Geld für eine Pflanze oder ein schönes Bild auszugeben. Bei der Vorstellung wie viel schöner es hier drinnen wäre, musste ich einfach grinsen. Eine Woche lang lebe ich schon in meinem neuen Heim. Meine Eltern waren nicht begeistert gewesen, dass ich von dem belebten London, meiner vertrauen Umgebung, nach Schottland, in ein unbekanntes nirgendwo zog, aber ich wollte schon immer das Meer und die Einsamkeit um mich herum haben. Ob meine Eltern das nun gut fanden, oder nicht, hat für mich keine Rolle gespielt. Ich war jetzt 28 Jahre alt. Alt genug um das zu machen was ich wollte. Und mich zog es von dem Lärm, dem Stress und den vielen Menschen in London fort. Eigentlich hatte ich in London vorgehabt zu studieren, aber meine Noten haben dafür nicht gereicht, also hatte ich dort eine Ausbildung als Verkäuferin in einem großen Modegeschäft angefangen. Die Arbeit war stressig gewesen, man musste den ganzen Tag nur stehen und man hatte überwiegend mit unfreundlichen Kunden zu tun. Das man als Verkäuferin auch noch so schlecht bezahlt wird, war es mir am Ende auch nicht mehr wert. Ich kündigte und suchte nach Wohnungen, aber sie waren alle zu teuer für mich. Dann führte mich meine Suche immer wieder außerhalb von London. Und irgendwann fand ich dieses Haus. Ich machte mich auf den Weg dorthin und nach einer kurzen Besichtigung und unter dem ekelhaften, freundlichen Lächeln des Maklers, der schon seine Geldscheine im Kopf zählte, kaufte ich es schließlich nach einiger Überlegungen. Es war noch gut in Schuss, neue Leitungen wurden vom Vorbesitzer gezogen, Strom und Wasser waren also vorhanden. Gut. Manchmal funktionierte das Internet und das Telefon nicht, aber das war kein Grund für mich nein zu sagen. Immerhin hatte ich ja auch noch mein Handy. Die Fenster schlossen alle und der Ofen der das Haus im Winter beheizte, funktionierte einwandfrei. Das Holz konnte ich unten im Dorf kaufen, das war kein Problem. Den Besitzer der das Holz verkaufte, hatte ich in der kleinen Bäckerei, als ich auf den Makler wartete kennengelernt. Der Mann hieß Finn, war braungebrannt und seine dunkelblonden Haare hatte er nach hinten zu einem Zopf zusammengebunden. Er grüßte mich freundlich und wir kamen ins Gespräch. Ich erzählte ihm von der Besichtigung. Er freute sich darüber, dass es endlich einen neuen Besitzer erhielt. Aber auf der anderen Seite verzog er nachdenklich und auch ehrfürchtig das Gesicht. „Ach, bloß Geschichten“, sagte er als ich ihn darauf ansprach, ob irgendwas mit dem Haus nicht stimmte. „Der Besitzer zog aus, nachdem seine Frau auf mysteriöse Weise verstorben ist. Er wurde verrückt und glaubte, ein Wesen aus dem Meer hätte sie sich geschnappt. Ihre Leiche wurde nie gefunden, aber einige von uns gehen davon aus das sie ertrunken ist.“ Mich beschlich auf einmal ein beklemmendes Gefühl. Aber die junge Verkäuferin in der Bäckerei lächelte mich aufmunternd an und sie gab mir das bestellte Stück Schokokuchen und zwinkerte mir mit ihren hellbraunen Augen zu. „Mach dir keine Sorgen. Die meisten Dorfbewohner hier sind Abergläubisch. Das Haus steht schon seit zehn Jahren leer. Alle bösen Geister sind schon längst daraus verschwunden. Aber wenn dich die alten Geschichten dieser Insel interessieren, dann frag doch mal bei Mrs. Malcolm nach. Ihr Laden ist zwei Häuser weiter. Aber pass auf, sie dreht dir haufenweise alte Sachen an, die dich vor diesen Meerwesen, oder Geistern wie sie es hier alle nennen schützen sollen. Ich finde, dass sie einem nur das Geld aus der Tasche zieht, aber überzeuge dich selbst.“

„Ach, ich heiße übrigens Caja“, fügte sie lachend hinzu und ihre roten Haare, fielen dabei in alle Richtungen. Nach ihren Worten habe ich mir tatsächlich überlegt, sie zu besuchen, aber der Makler betrat in dem Moment die Bäckerei und ich hatte nur noch das Haus im Kopf. Das Kreischen einer Möwe tönte durch das offene Wohnzimmer Fenster und ich wurde von meinen Gedanken abgelenkt. Ich blickte ihr nach und bewunderte abermals die satte grüne Graslandschaft die ich durch das große Wohnzimmerfenster betrachten konnte. Heute war Samstag und ich beschloss, Mrs. Malcolm doch einmal zu besuchen. Ich interessierte mich für Geschichten und Legenden und wenn ich hier schon hergezogen bin, dann sollte ich mich auch mit den Geschehnissen hier beschäftigen. Ich zog mir meine Jacke über und nahm den Schlüssel vom Haken am Eingangsbereich. Dann stapfte ich die vier Stufen des Hauses herunter, an den Beeten entlang und stieg über den kaputten Zaun hinweg. Das Tor das aus den Angeln hing, betrachtete ich mit hochgezogenen Brauen. Darum muss ich mich unbedingt als nächstes kümmern. Ich öffnete die Tür des Wagens, hüpfte hinein und startete den Motor meines geliehenen Geländewagens und fuhr los. Die Kieselsteine und das Gras knirschten unter den Reifen. Ich machte den Radio an und summte fröhlich ein Lied mit, das perfekt zu meiner Stimmung passte. Als das Lied zu ende war und ich keine Lust auf langweilige Nachrichten hatte, machte ich den Radio wieder aus. Meine Gedanken kreisten zu meinen neuen Job. Am Montag würde er wieder weitergehen. Die junge Frau, die ich in der Bäckerei kennenlernte, hatte eine Schwester, Davina war ihr Name und sie suchte dringend jemanden, der ihr in der Bibliothek half. Und da ich mich noch überhaupt nicht mit einem neuen Job beschäftigt hatte, sagte ich einfach ja. Ich liebe Bücher über alles und ich habe sogleich in der ersten Woche gefallen an meiner Aufgabe gefunden. Es gab nicht übermäßig viel Geld dafür, aber er würde für meine Belange ausreichen. Außerdem wurden in dem Dorf immer helfende Hände gebraucht, hatte mir Davina am ersten Tag lachend erzählt. Ich verstand mich gut mit ihr und sie sah ganz anders als ihre Schwester aus. Ihre Haare waren schulterlang, blond und ihre Augen waren dunkelblau. Wenn sie lachte, dann erschienen Grübchen in ihren Wangen. Ich stellte den Geländewagen an den Bürgersteig und sah gerade, wie Davina und Finn die Straße hinunterliefen. Davina lachte und gab Finn einen Kuss. Als die beiden mich sahen, winkte sie mir freudig zu. „Hallo Moira!“ rief sie und rannte die Straße zu mir herüber. Finn sah ihr nach und lehnte sich lässig an sein schwarzes Auto. Er war hübsch, das musste ich zugeben und wie er seine Freundin ansah, brachte mir ein Lächeln ein. Davina machte einfach die Tür des Geländewagens auf und umarmte mich. „Du glaubst es nicht. Dieser Mann bringt mich wahrlich um den Verstand. Seit nicht einmal einer Woche zusammen.“

Die Art wie sie mit mir redete kam einem so vor als würden wir schon seit Jahren befreundet sein. Ich freute mich, dass sie so gelassen mit mir redete. Man wird nicht immer so gut aufgenommen wenn man neu irgendwo ist. Aber alle hier gingen ziemlich herzlich miteinander um.

Sie schaute sich im Spiegel prüfend an und zog ihre Haare zurecht.

„Ich fasse es nicht, dass ich endlich mit ihm zusammen gekommen bin. Es hat Jahre gedauert, da hat er mich noch nicht einmal angesehen und...“

Plötzlich stand Finn neben der Autotür.

„Hallo Moira. Na, erzählt sie schon wieder alte Geschichten die nicht stimmen?“

Davina streckte ihm die Zunge raus. „Kann man hier nicht einmal ein paar Mädchen Gespräche führen?“

Finn sah mich kurz an, dann erschien ein Grinsen auf seinem Gesicht. „Also eigentlich, kennt ihr beiden euch erst seit nicht mal einer Woche. Wie intensiv soll denn das Gespräch schon werden?“

Davina sah in gespielt böse an. „Eifersüchtig das wir eventuell Seelenverwandte sein könnten?“

Finn verzog das Gesicht zu einem spöttischen Lächeln. „Nicht im geringsten. Aber wenn ich hier noch länger warten muss, dann werde ich dir meine andere Seite zeigen.“

Davina fing an zu Lachen. „Ich werde dir nachher schon noch Manieren beibringen, verlass dich drauf.“

Dann wandte sie sich an mich und drückte mir eine Tüte in die Hand. „Hier, die sind für dich. Frisch gebacken von meiner lieben Schwester. Eigentlich wollte ich sie dir bei dir Zuhause vorbei bringen, aber da du jetzt hier bist, hat sich das ja erledigt.“

„Ach, das ist ja lieb von dir. Vielen Dank.“

„Gern geschehen. Ich muss dann auch wieder weiter. Siehst ja, wie schwer es ihm fällt auf der Stelle stehen zu bleiben. Wir haben aber auch gerade ziemlich lange bei meiner Familie gesessen. Bis Montag Moira!“

Davina stieg aus dem Wagen und mit Finn an ihrer Seite, liefen sie zu seinem Auto. Ich stieg aus dem Geländewagen aus und betrachtete den Laden von Mrs. Malcolm. Von außen sah er vollkommen normal aus. Verschiedene Tierfiguren standen in Vitrinen aufgereiht und starrten einem aus bunten Glasaugen entgegen. Hob man aber den Kopf, sprang einem förmlich das Schild mit der Inschrift Mrs. Malcolms Antiquitäten entgegen. Bunt bemalt und kaum zu übersehen. Ich umfasste den goldenen Türknauf und öffnete langsam die Tür. Das Klingeln das sofort ertönte, kündigte meinen Besuch an. „Einen Moment, ich bin sofort bei ihnen!“, rief eine Frauenstimme von irgend woher zu mir herüber. Die Tür schloss sich hinter mir und ich fand mich in einem großen Raum wieder, vollkommen zugepflastert, von vorne bis hinten, mit allem möglichen Krempel. Alte Schränke, Tische, Teppiche, Wanduhren, Stühle, es gab wahrlich nichts, was es nicht gab. Im ersten Moment stand ich nur staunend da. Überfordert von all dem Krempel, suchte ich den Raum nach Dingen ab die es vielleicht nicht gab. Aber meine Suche endete in einem erstaunten „Wow.“ Eine schwarzhaarige Frau mit lila gefärbten Haarspitzen erschien unerwartet neben mir und sie fing an zu Lächeln als sie meinen Gesichtsausdruck sah. Aber es war ein Lächeln, was nicht ihre Augen erreichte. Es war ein gekünsteltes.

„Dieser Blick ist mir nicht neu. Aber ich kann in deinen Augen sehen, dass dir der Anblick meiner alten Waren gefällt.“

Ich musterte den prüfenden Blick ihrer dunkelbraunen Augen. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass du den selben Satz bei jedem Kunden sagst, der den Laden betritt.“

Sie fing an zu Schmunzeln, dann lachte sie. „Du hast mich ertappt. Ich bin Amber, oder besser gesagt Mrs. Malcolms. Freut mich, ein neues Gesicht zu sehen.“

„Freut mich auch dich kennenzulernen. Ich bin Moira, aber bestimmt hat sich mein Namen schon herumgesprochen. Der Name Mrs. Malcoms...noch eine raffinierte Kunden Idee?“

Amber betrachtete mich einige Sekunden lang, dann fing sie wieder an zu Lächeln und diesmal, war es ein richtiges. Eines, das ihre Augen erreichte und mich in ihre Seele blicken ließ. „So jemand hübsches und aufmerksames wie dich, könnte ich gut in meinem Laden gebrauchen. Ich habe noch so viele alte Sachen die unbedingt in das Lager geräumt werden müssten und wieder neue die ich aufzeichnen muss. Du siehst ja wie unordentlich es hier drinnen aussieht. Hast du Lust mir zu helfen? Ich bezahle dich auch dafür.“

Ihr Blick sah mich so flehend an, dass ich nicht anders konnte als ja zu sagen. „Das würde ich liebend gerne. Aber ich bin zurzeit bei Davina in der Bibliothek beschäftigt. Doch zum Glück ist sie Montags und Freitags nie lange geöffnet, dann könnte ich mal zu dir rüber kommen. Oder am Wochenende.“

„So, so Davina hat also endlich jemanden gefunden der sich ihren alten Büchern widmet. Das finde ich gut. Ich besuche auch immer wieder gerne die Bibliothek. Danke das du nicht nein gesagt hast, Moira.“

„Ich helfe immer gerne“, erwiderte ich.

Amber strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Suchst du eigentlich irgendetwas bestimmtes hier drinnen? Oder hat dich Davinas Schwester zu mir geschickt, damit ich meine alten Geschichten erzähle? Und ihrer Meinung nach nur Schrott verkaufe?“

„Ja, sie hat mich hierher geschickt, aber ich mache mir immer selbst ein Bild von den Menschen die ich nicht kenne.“

Amber nickte zustimmend. „Das macht dich sofort sympathisch. Komm mal mit“, sagte sie und ich folgte ihr durch die Berge von Antiquitäten. Sorgsam passte ich auf, keine Porzellan Katzen umzuschmeißen, oder an einer Tischecke hängen zu bleiben. Sie steuerte auf eine Art verkaufsteke zu, an der vielerlei Arten von Armbändern und silbernen Ketten mit Symbolen aufgereiht an einem Regal hingen. Fast hätte ich die Vase auf dem Boden übersehen und wich gerade noch geschickt mit einer Drehung aus, bevor sie auf dem Boden zerschellte.

Amber bog links um die Ecke der Theke und als sich die Antiquitäten lichteten, gab der Raum den Blick auf einen gemütlichen Sitzplatz mit zwei roten Sesseln und einem Tisch frei. Es war die einzige Ecke, die man als Aufgeräumt bezeichnen konnte. „Setze dich“, sagte sie und nahm ebenfalls Platz. Ich tat was sie sagte und der Sessel war wunderbar weich und bequemer als jeder Sessel auf dem ich je gesessen hatte.

„Das ist der absolute Wahnsinn“, staunte ich und betrachtete die roten Lehnen.

Amber nickte zustimmend. „Die werde ich niemals verkaufen, es sind einfach die besten Sessel weit und breit.“

„Das würde ich dir auch nicht raten“, erwiderte ich und strich über das Leder.

Als ich aufsah, schaute sie mich an. „Egal was dir Caja auch erzählt haben mag, ich drehe den Leuten keine Waren an die sie nicht wirklich haben wollen. Ich erzähle meine Geschichte wenn andere sie hören wollen. Und wenn jemand weiter fragt, dann erzähle ich ihnen andere Geschichten über meine Schätze und was sie bringen. Die Ketten da drüben zum Beispiel, sie sollen einem Glück bringen. Ich habe sie selber schon einmal ausprobiert und im großen und ganzen haben sie auch etwas gebracht. Entweder man glaubt daran oder eben nicht. Aber die Geschichte über die Meergeister, sie sind wahr Moira. Sie leben am Meer und sie werden each uisge genannt. Sie treten entweder in der Gestalt eines Pferdes auf, oder eines schönen Mannes, um Frauen zu verführen und in den Tod zu locken. Sicherlich bereitet es ihnen Freude uns zu töten, aber wir dienen ihnen als Nahrung.“ Sie ließ ihre Worten einen Moment lang sacken und ehe ich mir darüber genauere Gedanken machen konnte, fuhr sie fort.

„Ich habe gehört, dass du an das Haus bei den Klippen gezogen bist. Du hast bestimmt schon mitbekommen, das dort vor einigen Jahren eine Frau vermisst wurde die mit ihrem Ehemann in diesem Haus gelebt hat. Man hat schon länger nichts mehr von verschwundenen Menschen gehört aber ich bin mir sicher, dass dort oben immer noch ein each uisge sein Unwesen treibt. Ich will dir keine Angst machen, aber sei einfach vorsichtig, wenn du einem fremden Mann begegnest. Und schüttle ihm nicht die Hand. Ein ech uisge in Pferdegestalt bindet einen an sich fest mit irgendeiner Substanz, wenn du dich einmal auf seinen Rücken geschwungen hast. Auch wenn du sie berührst. Also nehme ich mal an, dass das bei einem uisge in Menschengestalt dasselbe sein wird.“

Ihre Worte sorgten dafür das mir ein Schauer über den Rücken lief, als ob mir jemand von hinten mir einer eiskalten Hand in den Nacken fasste.

„Und wie schaffe ich es, dass er mich nicht in seinen Bann zieht? Bestimmt hat er die Fähigkeit dazu.“

Amber zuckte leicht mit den Schultern und sie machte ein zerknirschtes Gesicht. „Lass dich einfach nicht verführen. Und halte dich wenn möglich vom Wasser fern. Etwas anderes kann ich dir nicht raten, es sei denn du willst dein Haus wieder verkaufen.“

„Auf keinen Fall!“, zischte ich. „Und vielleicht ist er gar nicht mehr da.“

„Das kann ich nur hoffen“, sagte sie ernst. „Aber, ich habe da vielleicht noch etwas.“

Sie stand von ihrem Sessel auf, nahm eines der Medaillons von dem Regal und drückte es mir in die Hand.

„Häng das an deine Haustür. Das sollte sie draußen halten. Die Symbole darauf sollen für Schutz sorgen.“

„Möchtest du mir da etwa einen Klunker andrehen? Wie viel kostet er?“, fragte ich sie und ich musste dabei Lachen.

Amber warf mir einen beleidigenden Blick zu. „Es ist ein Geschenk von mir. Du musst mir dafür nichts geben.“

„Entschuldigung“, murmelte ich. „Das war nicht so gemeint.“

„Ist schon gut“, sagte sie und fing selber an zu Lachen. „Vielleicht drehe ich doch dem ein oder anderen was an.“

In dem selben Moment betrat ein Mann den Laden und schaute sich nach allen Seiten um. „Ah, einer meiner Stammkunden. Der will bestimmt wieder etwas ganz besonderes. War nett mit dir geplaudert zu haben, Moira.“

„Wenn du Zeit hast morgen, dann kann ich dir schon mal beim ausräumen helfen“, sagte ich schnell.

Amber nickte mir zu. „Das wäre schön. Komm doch Morgen früh einfach vorbei. Und pass bloß auf dich auf.“

2. Kapitel