Ich, Aladin, und die Helden aus 1001 Nacht - Frank Schwieger - E-Book + Hörbuch

Ich, Aladin, und die Helden aus 1001 Nacht Hörbuch

Frank Schwieger

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Beschreibung

Aladin packt aus! Aladin, der Junge aus den Gassen von Bagdad, erzählt selbst von seinen Abenteuern im Orient: Von der zauberhaften Wunderlampe und ihrem mächtigen Bewohner, dem Dschinni, dem launischen Lampengeist, der jeden Wunsch erfüllen kann, und wie er auf einen sagenhaften Schatz stieß. Mit dabei sind auch Sindbad, der verwegene Seefahrer, der die Weltmeere wie seine Westentasche kennt und keinem Abenteuer aus dem Weg geht, und Ali Baba, der arme Holzsammler, der es mit 40 bösen Räubern aufnimmt. Außerdem Samira, die junge Prinzessin, die so gerne auf einem bunten Teppich über die Häuser von Bagdad fliegt. »So muss Geschichte erzählt werden, um Kinder und Jugendliche heute zu begeistern!« Tiroler Tageszeitung Der direkte, humorvolle Erzählton und die witzig-frechen Illustrationen ergänzen sich perfekt – auch für Wenigleser*innen geeignet.  Alle Bände der Reihe ›Geschichte(n) im Freundschaftsbuch‹:  Band 1: Ich, Zeus, und die Bande vom Olymp. Götter und Helden erzählen griechische Sagen Band 2: Ich, Caesar, und die Bande vom Kapitol. Live aus dem alten Rom Band 3: Ich, Odin, und die wilden Wikinger. Götter und Helden erzählen nordische Sagen Band 4: Ich, Merlin, und die furchtlosen Ritter Band 5: Ich, Kleopatra, und die alten Ägypter Band 6: Ich, Odysseus, und die Bande aus Troja Band 7: Ich, Herakles, und meine großen Heldentaten. Live aus dem alten Griechenland Band 8: Ich, Aladin, und die Helden aus 1001 Nacht Band 9: Ich, Athene, und die mutigen Frauen aus Olympia In Frank Schwiegers Freundschaftsbuch-Format kommen Götter, Helden und historische Gestalten selbst zu Wort und erzählen unterhaltsam und originell ihre abenteuerlichen Geschichten. Die Bände sind unabhängig voneinander lesbar.

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Zeit:5 Std. 34 min

Sprecher:Peter Kaempfe

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Über das Buch

Aladin packt aus!

 

Aladin, der Junge aus den Gassen von Bagdad, erzählt selbst von seinen Abenteuern im Orient: Von der zauberhaften Wunderlampe und ihrem mächtigen Bewohner, dem Dschinni, dem launischen Lampengeist, der jeden Wunsch erfüllen kann, und wie er auf einen sagenhaften Schatz stieß. Mit dabei sind auch Sindbad, der verwegene Seefahrer, der die Weltmeere wie seine Westentasche kennt und keinem Abenteuer aus dem Weg geht, und Ali Baba, der arme Holzsammler, der es mit 40 bösen Räubern aufnimmt. Außerdem Samira, die junge Prinzessin, die so gerne auf einem bunten Teppich über die Häuser von Bagdad fliegt.

 

Von Frank Schwieger sind außerdem bei dtv lieferbar:

 

Kinder unterm Hakenkreuz

Ich, Herakles, und meine großen Heldentaten

Ich, Odysseus, und die Bande aus Troja

Ich, Kleopatra, und die alten Ägypter

Ich, Merlin, und die furchtlosen Ritter

Ich, Odin, und die wilden Wikinger

Ich, Zeus, und die Bande vom Olymp

Ich, Caesar, und die Bande vom Kapitol

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Die Rache des Gladiators

Das Löwenamulett

Flucht aus Rom

Frank Schwieger / Ramona Wultschner

Ich, Aladin, und die Helden aus 1001 Nacht

Live aus dem Orient

Filme! Es gibt Filme über mich! Mit echten Schauspielerinnen und Schauspielern oder mit bunten Zeichnungen, die sich bewegen. Und manchmal singen die Zeichnungen sogar. Oder die Menschen. So was Verrücktes! Ich kann doch gar nicht singen! Sindbad und Ali Baba auch nicht, so viel ich weiß. Als ich vor Kurzem mal wieder in so einen Film hineingeschaut habe, ist mir endgültig der Kragen geplatzt. Jetz reicht’s aber wirklich, habe ich gedacht. Was bilden diese Filmleute sich ein? Oder diese Typen, die Bücher über mich und meine Freundinnen und Freunde schreiben. Die kennen uns doch gar nicht, haben nie mit mir oder Samira oder Jasmin gesprochen! Darum habe ich alle meine Freunde und Freundinnen zusammengerufen und sie gebeten, ihre Geschichte aufzuschreiben. Und dann habe ich diese Geschichten aus der Märchenwelt, in der wir leben, in eure Welt gebracht. Ein guter Dschinni hat mir dabei geholfen, allein hätte ich das nicht geschafft. Und jetzt hältst du sie in den Händen, weil irgendein Typ, der sich Autor nennt, sie gefunden und daraus ein Buch gemacht hat. Ein zauberhaftes Buch, da bin ich mir sicher, in dem, bei Allah, nichts als die Wahrheit steht! Und falls du daran zweifelst, dann sei bloß vorsichtig! Dann kann es gut sein, dass mein Freund, der Dschinni, dich eines Nachts besucht und dir üble Träume beschert. Aber so weit muss es ja gar nicht kommen. Glaub uns einfach und dann ist alles gut.

 

Dein

Dies ist meine Geschichte

Diese Wunderlampe hat mich fertiggemacht, das kann ich dir sagen, so richtig fertig. Sie hat mein ganzes Leben bestimmt und mich schließlich … Aber das wird dir jemand anders erzählen.

Ich war noch ein junger Mann, als ich das erste Mal von dieser Lampe hörte. Das war in der großen Stadt Alexandria, in der ich aufgewachsen bin. Alexandria liegt in Ägypten an der Küste des Meeres, aber das weißt du sicherlich. Hier herrschte einst die sagenhafte Königin Kleopatra, hier ist sie mit ihrem geliebten Caesar spazieren gegangen, hier stand der riesige Leuchtturm von Pharos, eines der sieben Weltwunder. Von Kleopatras Palast, der so unglaublich prachtvoll gewesen sein soll, war nichts mehr übrig, auch der Leuchtturm war schon längst eingestürzt. Trotzdem war Alexandria immer noch eine reiche und bedeutende Stadt mit einem großen Hafen, weiten Plätzen, prächtigen Moscheen und vielen berühmten Bibliotheken, in denen ich mich schon als Junge gern aufhielt. Das Lesen hatte ich mir selbst beigebracht, als ich erst fünf Jahre alt war. Meine Eltern hatten nicht viel Zeit für mich: Mein Vater war ein reicher Kaufmann und fast immer auf Geschäftsreise, meine Mutter kümmerte sich um unser großes Haus und kommandierte die Dienerschar. Für Faruk, ihren einzigen Sohn, nahmen sie sich nur wenig Zeit.

So kam es, dass ich mich mit Büchern anfreundete, die hatten immer Zeit für mich. Bei uns zu Hause gab es zunächst nur ein einziges Märchenbuch, das mein Vater einmal von einem Geschäftspartner geschenkt bekommen hatte. Mit diesem Buch brachte ich mir selbst das Lesen bei. Am Anfang half mir eine freundliche Dienerin. Sie erklärte mir die Buchstaben und ihre Bedeutung. Aber schon nach kurzer Zeit konnte ich ganz ohne ihre Hilfe die einzelnen Wörter und Sätze entziffern und so den Sinn des Geschriebenen verstehen. Immer wieder nahm ich mir dieses dicke Märchenbuch, setzte mich damit auf einen gemütlichen Diwan in einer stillen Ecke unseres Hauses und las eine der vielen wunderbaren Geschichten.

Als ich dieses Märchenbuch zehn- oder vielleicht auch zwanzigmal gelesen hatte, bat ich meine Eltern, mir ein neues Buch zu besorgen. Sie staunten nicht schlecht, als ich ihnen bei dieser Gelegenheit ganz beiläufig erzählte, dass ich bereits seit einigen Monaten fließend lesen konnte. Sie hatten mich nie beim Lesen beobachtet. Mein Vater brachte mir daraufhin von seinen Reisen immer wieder neue Bücher mit, die ich regelrecht verschlang. So wurde ich ein ziemlich gebildeter Junge, das kann man wohl sagen, auch wenn ich nie eine Schule besucht habe. Irgendwie habe ich mir mit meinen Büchern alles selbst beigebracht und kannte mich, als ich achtzehn Jahre alt war, in den meisten Wissenschaften meiner Zeit bestens aus.

An meinem achtzehnten Geburtstag nahm mein Vater mich zur Seite, als am Abend die letzten Gäste gegangen waren.

»Hier, mein Junge.« Er tätschelte mein Haar und drückte mir einen Geldbeutel in die Hand. »Das sind tausend Dinar. Nutze sie, um die Welt zu erkunden. Geh auf Reisen, schau dir fremde Länder an, lerne die Menschen kennen, die dort leben, mach dich mit ihren Sprachen und Gebräuchen vertraut. Wenn dein Geld aufgebraucht ist, kommst du als welterfahrener Mann wieder nach Hause und steigst dann in mein Geschäft ein, das du eines Tages übernehmen sollst, wenn ich mich zur Ruhe setze.«

»Danke, Vater«, sagte ich und wog den schweren Geldbeutel in meinen Händen. »Das ist sehr großzügig von dir.«

In dieser Nacht konnte ich kaum schlafen. Ich überlegte die ganze Zeit, wohin ich reisen, was ich mit dem vielen Geld anfangen sollte. Die Welt ist doch so unendlich groß! Wo sollte ich mit meiner Reise beginnen, wo aufhören? Um ehrlich zu sein, hatte ich Alexandria bis zu diesem Tag noch nie verlassen, also noch rein gar nichts von der weiten Welt gesehen. Ich hatte sie bisher nur in meinen Büchern erkundet. Aber das ist doch etwas anderes, als selbst auf Reisen zu gehen, oder?

In unserem Stadtviertel gab es eine große Bibliothek, die ich in den Jahren zuvor schon oft besucht und in der ich mir immer wieder Bücher ausgeliehen hatte. Wenige Tage nach meinem achtzehnten Geburtstag suchte ich sie auf. In dieser Bibliothek gab es einen großen Raum mit vielen, vielen Büchern, die von anderen Ländern erzählten. Dort wollte ich mir meine ersten Reiseziele aussuchen.

Der Bibliothekar kannte mich gut. Er war ein alter Mann und hieß Wali ad-Din Ab dar-Rahman Ibn Muhammad Ibn Borges al-Hadrami. Ein ziemlich langer und komplizierter Name, ich weiß. In unserem Viertel nannten ihn alle nur Meister Borges, das konnte man sich besser merken. Meister Borges saß hinter einem großen Tisch am Eingang der Bibliothek und begrüßte jeden Gast mit einem kurzen Nicken. Er trug stets einen schneeweißen Turban. Sein grauer Bart verdeckte sein halbes Gesicht und reichte ihm bis auf die Brust. Wie alt er war, wusste niemand. Er schien regelrecht in der Bibliothek zu leben. Jedenfalls war er frühmorgens dort, wenn er die Eingangstür aufschloss, und auch spät am Abend, wenn die Sonne unterging und er den letzten Gast zur Tür geleitete.

An diesem Tag begrüßte mich Meister Borges wieder wortlos, als ich die schwere Holztür am Eingang der Bibliothek hinter mir ins Schloss zog. Er schaute kurz von dem Buch auf, das er las, und nickte mir zu. Ich wusste ja, wo der Raum mit den Büchern war, die ich suchte. Die Bibliothek erstreckte sich über drei Stockwerke und bestand aus unzähligen schmalen Gängen und großen Räumen, die bis unter die Decke vollgestellt waren mit Regalen voller Bücher. Bei meinen ersten Besuchen hatte ich Mühe, den Eingang wiederzufinden. Die Räume waren so verwirrend angeordnet, dass man sich tatsächlich verirren konnte. Aber inzwischen kannte ich mich bestens aus. Als ich den Raum mit den Reiseberichten betrat, stellte ich überrascht fest, dass ich nicht der einzige Gast war. Am Tisch unter einem der Fenster saß eine Frau und blätterte in einem Buch. Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, da sie mit dem Rücken zur Tür saß. Es war früh am Morgen. Meister Borges hatte die Bibliothek gerade erst geöffnet. Wie war diese Frau so schnell hierhergekommen? Sie trug ein dunkelgrünes Kleid. Ihr schwarzes Haar fiel ihr weit über den Rücken.

»Salam aleikum«, grüßte ich, als ich über die Türschwelle trat.

»Aleikum asalam«, antwortete die Frau und drehte sich zu mir um.

Und das war der Moment, der meinem Leben eine Richtung geben sollte, mit der ich bis zu diesem Tag beim besten Willen nicht hatte rechnen können. Die Frau lächelte mich freundlich an. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss und das Blut in meinen Ohren rauschte. Sie musste etwa in meinem Alter sein, also noch ziemlich jung. Ich hatte sie noch nie zuvor in der Bibliothek gesehen. Und ich habe mich auf den ersten Blick in sie verliebt, aber das hast du dir wohl schon gedacht. Ich muss reichlich unbeholfen gewirkt haben, wie ich da so unschlüssig herumstand.

»Kann ich dir helfen?«, fragte sie. »Suchst du ein bestimmtes Buch?«

»Nein, also …«, ich musste mich räuspern. »Nein, kein bestimmtes. Ich möchte auf Reisen gehen und wollte mich ein wenig über die Städte und Länder dieser Welt informieren.«

»Wohin möchtest du denn reisen?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich noch nicht.« Und dann erzählte ich ihr von meinen Eltern und den tausend Dinar, die mein Vater mir zum Geburtstag als Reisegeld geschenkt hatte.

»Okay«, nickte sie. »Dann könntest du ja überall anfangen. Lass mich mal überlegen.« Sie stand auf und ging an eines der Regale.

»Wie heißt du eigentlich?«, fragte ich. »Und woher kommst du? Ich habe dich noch nie zuvor hier gesehen.«

»Mein Name ist Fatme«, sagte sie. »Ich bin erst seit gestern hier in der Stadt. Ich besuche meinen Onkel. Und wie heißt du?«

»Ich bin Faruk. Wer ist dein Onkel?«

»Der Bibliothekar. Onkel Ibn«, erklärte sie.

»Meister Borges ist dein Onkel? Ich dachte bislang, er hätte keine Familie.«

»Er hat eine jüngere Schwester. Das ist meine Mutter. Wir leben in Tunis. Ich bin gestern mit einer Karawane in Alexandria angekommen.«

»Bleibst du länger hier?«, fragte ich.

Sie lächelte, während sie ein dünnes Buch aus dem Regal zog. »Vielleicht einen Monat, vielleicht zwei. Das kommt darauf an.«

»Worauf?«

»Wie es mir hier gefällt.«

»Und? Wie gefällt es dir hier?«, wollte ich wissen.

»Bis jetzt ganz gut.« Sie lächelte und drückte mir das Buch in die Hand. Es hatte einen dunkelblauen Ledereinband.

»Was ist das?«, fragte ich, als ich das Buch in den Händen hielt.

»Der Reisebericht des Suleiman von Basra«, antwortete Fatme. »Er hat viele Länder dieser Welt gesehen und ist sogar bis nach China gekommen. Seine Erlebnisse hat er in diesem Buch aufgeschrieben.«

»Klasse!«, rief ich. »Damit könnte ich anfangen. Was machst du eigentlich hier in diesem Raum? Willst du auch auf Reisen gehen?«

Fatme schüttelte den Kopf. »Ich lese ein Buch über Alexandria. In diesem Buch hier geht es um die Römer, die ja lange Zeit über Alexandria und ganz Ägypten geherrscht haben.« Sie zeigte auf das aufgeschlagene Buch, das auf dem Tisch vor dem Fenster lag. Ich trat an den Tisch und wunderte mich über die Schrift, in der dieses Buch geschrieben war.

»Das kann ich nicht lesen«, gab ich zu. »Welche Sprache ist das?«

»Die Sprache der Römer. Sie heißt Latein.«

»Und du verstehst das?«, fragte ich verwundert. »Du kannst diese komischen Buchstaben lesen?«

»Klar. Das hat mir meine Mutter beigebracht. Ich liebe Bücher, weißt du. Das liegt irgendwie in unserer Familie. Am meisten interessiere ich mich für die Heilkunst. Vielleicht werde ich ja einmal eine große Ärztin. Aber heute wollte ich mich ein wenig über diese Stadt informieren.«

Ich nickte und schaute in Fatmes schwarze Augen. Spätestens in diesem Moment war es endgültig um mich geschehen, das kannst du dir wohl vorstellen.

In den nächsten Tagen verbrachten Fatme und ich unzählige Stunden gemeinsam in der Bibliothek. Meinen Eltern erzählte ich, dass ich in der Stadt unterwegs sei, um meine große Reise vorzubereiten. Aber in Wirklichkeit saß ich die meiste Zeit neben Fatme an einem Tisch und las in Suleimans Reisebericht und in vielen anderen Büchern, die sie mir empfahl. Aber wenn ich ehrlich bin, konnte ich mich kaum auf die vielen Buchstaben konzentrieren. Zwar las ich all die Sätze und Seiten, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, als würden die Wörter einfach durch meinen Kopf hindurchrauschen und dort gar nicht haften bleiben. Lag das daran, dass ich immer wieder zu Fatme hinüberschauen und mir ihr wundervolles Gesicht, ihr seidiges Haar und ihre zarten Hände anschauen musste? Wahrscheinlich.

Immer wieder fragte sie mich, ob ich nicht langsam mal einen Reiseplan aufstellen wolle. Und immer wieder antwortete ich, dass ich noch nicht so weit sei und noch weitere Bücher lesen müsse. Und wenn sie mich dann fragte, ob ich sie nicht auf einen Ausflug durch die Straßen von Alexandria begleiten wolle, dann sagte ich immer wieder, dass so ein Ausflug eine willkommene Abwechslung sei und ich ihr gern die schönsten Ecken und Plätze meiner Heimatstadt zeigen wolle.

So gingen die nächsten Wochen ins Land, ohne dass ich meiner großen Reise auch nur einen einzigen Schritt näher gekommen wäre. Dafür war ich Fatme ein ganzes Stück nähergekommen, so glaubte ich jedenfalls. Wir verstanden uns gut, alberten viel herum und verbrachten jeden Tag miteinander, sei es in der Bibliothek ihres Onkels, sei es in den Straßen von Alexandria. Meine Eltern wurden langsam ungeduldig und wunderten sich darüber, dass ich immer noch keine Anstalten machte, auf Reisen zu gehen. Allmählich gingen mir die Ausreden aus, das muss ich zugeben. Ich musste sie wohl bald davon unterrichten, dass ich mich verliebt hatte und viel lieber heiraten wollte, als auf Reisen zu gehen. Aber darüber sollte ich besser erst einmal mit Fatme sprechen. Doch um ehrlich zu sein, fehlte mir dafür der Mut. Was, wenn sie meinen Antrag zurückweisen würde? Was, wenn sie schon einem anderen Mann versprochen war? Ich hatte mich bislang nicht getraut, sie das zu fragen.

Eines Abends, als ich mit schwirrenden Gedanken in meinem Bett lag, beschloss ich, dass es so nicht weitergehen konnte. Gleich am nächsten Morgen wollte ich mein bisschen Mut zusammenkratzen und offen mit Fatme sprechen. Noch vor Sonnenaufgang verließ ich unser Haus und hastete mit weichen Knien hinüber zur Bibliothek. Meister Borges müsste jeden Moment die schwere Eingangstür öffnen, so wie er es jeden Morgen um diese Zeit tat. Ich wartete und wartete eine Stunde und länger, doch die Tür wurde nicht geöffnet. Was war hier los? Inzwischen hatten sich schon ein paar andere Leute vor der Bibliothek eingefunden. Sie waren genauso ratlos wie ich. Niemand wusste, warum Meister Borges die Tür nicht öffnete. Ich beschloss zu klopfen und hämmerte mit der Faust an die schwere Tür. Tatsächlich wurde sie nach einer halben Ewigkeit geöffnet. Meister Borges stand im Türrahmen. Er sah aufgelöst aus, so hatte ich ihn noch nie gesehen.

»Habt bitte etwas Geduld, liebe Leute«, bat er uns mit seiner tiefen Stimme. »Die Bibliothek öffnet heute erst in der Mittagsstunde.«

Murrend verzogen sich die Leute.

Ich blieb vor der Tür stehen und fragte: »Was ist passiert, Meister? Geht es Fatme gut?«

»Ja, ihr geht es gut, Faruk.« Meister Borges legte seine Hand auf meine Schulter. »Aber Fatmes Mutter ist krank, meine Schwester. Gestern Abend kam ein Bote mit einem Brief von meinem Schwager, Fatmes Vater. Er schilderte die Krankheit meiner Schwester und bat darum, dass Fatme schnell nach Hause kommen möge.«

»Ist es etwas Ernstes?«, fragte ich.

»Ihr Leben hängt an einem seidenen Faden.«

»Wo ist Fatme jetzt?«

»Ich konnte ihr noch gestern einen Platz in einer Karawane nach Tunis besorgen. Sie hat sich bei Sonnenaufgang auf den Weg gemacht. Fatme hat die Stadt schon verlassen.«

Ich hatte das Gefühl, als würde sich eine eiserne Hand um meinen Hals legen.

»Ohne sich zu verabschieden?«, fragte ich und machte mir gar nicht erst die Mühe, die Verzweiflung in meiner Stimme zu unterdrücken.

»Es tut mir leid, mein Junge. Es musste alles so schnell gehen. Aber Fatme hat dir einen Brief geschrieben.« Er zog einen Umschlag aus einer Falte seines Kaftans und gab ihn mir.

Ich nahm den Umschlag, öffnete ihn, zog den Brief heraus und las ihn. Einmal. Zweimal. Dreimal. Dann faltete ich ihn wieder zusammen und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Nein, ich werde dir nicht erzählen, was in dem Brief stand, das ist Fatmes und mein Geheimnis. Sehr privat, das verstehst du doch. Auf jeden Fall machten mir ihre lieben Worte diesen allzu plötzlichen Abschied nur noch schwerer. Ein Abschied, der ja gar kein richtiger Abschied war, weil ich mich gar nicht von Fatme hatte verabschieden können!

»Wir können jetzt nur warten, mein Junge.« Meister Borges strich mir übers Haar. »Warten und auf Allah vertrauen. Er wird alles zum Guten wenden. Wenn es meiner Schwester wieder besser geht, kannst du Fatme in Tunis besuchen. Oder sie kommt wieder hierher nach Alexandria. Alles Weitere müssten dann eure Eltern miteinander besprechen.«

Die nächsten Wochen waren die schlimmsten meines Lebens. Inzwischen hatte ich auch meinen Eltern von Fatme erzählt und dass ich jetzt auf keinen Fall zu einer großen Reise aufbrechen könne. Sie hatten, Allah sei Dank, Verständnis dafür. Jeden Tag ging ich zu Meister Borges in die Bibliothek und fragte nach Neuigkeiten aus Tunis. Doch jeden Tag musste er mich enttäuschen. Fünfzehn Tage waren seit Fatmes Verschwinden vergangen, das weiß ich noch genau, als ich wie üblich früh am Morgen in die Bibliothek eilte. Diesmal empfing mich Meister Borges schon an der Tür. Sein Gesicht verriet mir, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.

»Komm rein, mein Junge«, sagte er und führte mich in den Empfangsraum. Dort setzten wir beide uns an einen Tisch. Meister Borges hatte gerötete Augen. Er kam gleich zur Sache.

»Gestern Abend kam ein Bote«, berichtete er mit zittriger Stimme.

»Ist deine Schwester …?« Ich konnte nicht weiterreden.

»Nein, ihr geht es gut, sie hat die Krankheit überstanden, Allah sei Dank. Aber Fatme ist …«

Ich hörte auf zu atmen und starrte Meister Borges mit großen Augen an, brachte aber kein Wort hervor.

»Die Karawane«, fuhr er fort, »die sie nach Tunis bringen sollte, ist in einem abgelegenen Tal überfallen worden. Die Männer haben sich tapfer gewehrt, aber die Räuber waren in der Überzahl. Sie haben die Karawane geplündert, es gab viele Tote. Und Fatme ist …« Meister Borges stockte und rang verzweifelt die Hände.

»So sprich doch weiter, Meister!« Sein Schweigen ließ mich das Schlimmste befürchten.

»Sie ist entführt worden«, stieß er endlich hervor. »Die Räuber haben sie und zwei andere junge Frauen mitgenommen. Wahrscheinlich, um sie als Sklavinnen zu verkaufen.«

»Wir müssen etwas tun!«, rief ich. »Wir müssen sie suchen und befreien!« Da war sie wieder, die eiserne Klaue, die sich um meinen Hals legte und fest zupresste.

»Wo willst du da anfangen, mein Junge? Und wo aufhören? Fatme könnte überall und nirgendwo sein. In dem Brief, den ich gestern von meiner Schwester erhielt, schrieb sie, dass die Familie schon einen Suchtrupp ausgeschickt habe. Doch der sei ohne Ergebnis zurück nach Tunis gekommen.«

»Vielleicht können wir einen Hellseher um Rat fragen, um herauszufinden, wo Fatme ist«, schlug ich vor. »Oder einen Zauberer.«

»Die Hellseher hier in Alexandria sind alle Betrüger«, wandte Meister Borges ein. »Bei denen wirst du viel Geld los und erhältst nur windige Auskünfte. Und einen Zauberer kenne ich leider nicht.«

»Ich auch nicht«, sagte ich. »Aber wir könnten uns in der Stadt umhören. Wir könnten …«

Plötzlich griff Meister Borges meine Hand und sah mich durchdringend an. »Du bringst mich auf eine Idee, Faruk«, lächelte er. Dann stand er auf, stellte sich neben den Tisch und strich sich über seinen grauen Bart.

»Auf welche Idee?«, fragte ich.

»Vor vielen Jahren, ich war noch ein junger Mann, erschien hier in der Bibliothek ein geheimnisvoller Fremder. Er trug eine große Kiste und stellte sie genau auf diesem Tisch ab, an dem du gerade sitzt. Seinen Namen wollte er mir nicht verraten.

»Was wollte er hier?«

»Er wollte mir die Bücher überlassen, die in der Kiste waren. Es waren Bücher, die sein verstorbener Vater ihm vermacht hatte. Ich bedankte mich höflich bei dem Fremden und wollte mich schon von ihm verabschieden, da öffnete er die Kiste und zeigte mir die Bücher. Es waren Bücher, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte.«

»Wie meinst du das?«

»Zauberbücher, die dich die geheimnisvolle Kunst der Magie lehren können. Der Vater des Fremden, so erzählte er, sei ein Zauberer gewesen. Und nun sei er gestorben und der Fremde wollte die Bücher loswerden. Sie seien ihm unheimlich. Er selbst wollte mit der Zauberkunst nichts zu tun haben.«

»Wo sind diese Bücher jetzt?«

»Ich habe sie an einem sicheren Ort verwahrt, Faruk. Aber ich könnte sie holen und dann könnten wir beide versuchen …«

Ich wusste, worauf Meister Borges hinauswollte: Vielleicht, ganz vielleicht könnten wir mit diesen Büchern in die Kunst der Zauberei eintauchen, mit deren Hilfe wir dann Fatme … Doch so weit wollte ich in diesem Moment noch nicht denken.

»Es ist nur ein Strohhalm«, fuhr Meister Borges fort. »Ein winziger Strohhalm.«

»Ich weiß, Meister. Aber wenn es die einzige Möglichkeit ist, Fatme zu finden, dann will ich gern nach diesem Strohhalm greifen.«

In den nächsten Tagen und Wochen arbeiteten Meister Borges und ich wie besessen. An die Außentür der Bibliothek hatte er einen Zettel gehängt mit der Aufschrift »Wegen einer wichtigen Familienangelegenheit bleibt die Bibliothek bis auf Weiteres geschlossen«. Das war noch nicht einmal gelogen, fand ich. Wir suchten uns einen großen, hellen Raum, Meister Borges holte die alte Kiste und wir stürzten uns auf die Bücher. Ich muss zugeben, dass ich noch nie so viel verrücktes Zeug gelesen habe. Und, ehrlich gesagt, verstand ich bestenfalls die Hälfte. Meister Borges erging es ähnlich, aber wir ließen nicht locker.

Und jetzt würde ich dir gern erzählen, wie wir zaubern gelernt haben, wie wir auf einen Trick stießen, mit dem wir Fatme nach Alexandria holen oder mit dem wir herausfinden konnten, wo sie war. Doch leider muss ich dich enttäuschen. Vier Wochen vergingen und das Einzige, was Meister Borges und ich nach dieser Zeit beherrschten, waren ein paar billige Kartentricks. Einmal hatte ich das Gefühl, ich hätte kapiert, wie man Gegenstände zum Schweben bringt. Doch als ich es mit einem schweren Buch versuchte, fiel es mir krachend auf die Füße. Das tat weh und war richtig frustrierend. Wir scheiterten auf ganzer Linie, das muss ich leider zugeben.

Bestimmt kannst du dir vorstellen, wie verzweifelt ich war. Ich hätte mir am liebsten ein Kamel besorgt und wäre damit losgeritten, um Fatme zu suchen. Aber das wäre natürlich völlig unsinnig gewesen. Doch ich wollte mich noch nicht mit der Vorstellung abfinden, dass ich Fatme nie wiedersehen würde. Meister Borges hatte die Bibliothek inzwischen wieder geöffnet und beugte sich immer seltener über die Zauberbücher.

»Diese Bücher sind großer Humbug, mein Junge«, sagte er eines Tages zu mir. »Einen Versuch war es wert. Aber der Versuch ist gescheitert, das müssen wir beide einsehen. Wir werden nie zu Zauberern werden, jedenfalls nicht mithilfe dieser alten Bücher.« Er nickte in Richtung der Kiste, die auf dem Tisch vor mir stand. »Wir sollten die Bücher wegpacken, Faruk. Oder sie allesamt verbrennen. Sie wecken falsche Hoffnungen.«

»Nein, nicht verbrennen!«, rief ich entsetzt. »Vielleicht haben wir noch irgendetwas übersehen. Vielleicht müssen wir nur noch einmal ganz genau hinsehen.«

»Aber wir haben doch schon alle Bücher gründlich durchgearbeitet, mein Junge.«

»Das stimmt nicht«, widersprach ich. »Das rote Buch hier haben wir nur überflogen.« Ich wies auf ein kleines Buch, das vor mir auf dem Tisch lag. Es hatte einen dunkelroten ledernen Einband.

Meister Borges lächelte. »Ja, und du weißt auch, warum. Das ist ein Märchenbuch, Faruk. Es muss irgendwie zwischen die Zauberbücher gerutscht sein. Wahrscheinlich hat es der Fremde damals versehentlich in die Kiste gepackt.«

»Ich möchte es noch einmal gründlich lesen«, verkündete ich, denn ich wollte nichts unversucht lassen.

Meister Borges seufzte schwer. »Von mir aus. Es ist ja nicht allzu dick. Aber heute Abend packe ich die Bücher wieder in die Kiste.« Dann ließ er mich allein in dem Raum zurück.

An diesem Tag las ich zum ersten Mal von der Wunderlampe, die ich am Anfang meiner Geschichte schon kurz erwähnt habe. Es war das letzte Märchen in dem Buch. Die Erzählung handelte von dieser Lampe: Sie liege seit vielen Jahren mit vielen anderen Schätzen in einer Höhle verborgen und es gebe nur einen einzigen Menschen auf der ganzen weiten Welt, der diese Höhle betreten dürfe: ein Junge mit großem Mut, mit klarem Verstand und einem reinen Herzen. Und dieser Junge heiße Aladin. Die Höhle sei mit einem mächtigen Zauber belegt und würde jeden anderen Menschen unerbittlich abwehren. In der Lampe lebe ein mächtiger Dschinni, der demjenigen, der ihn aus der Lampe hervorlocken könne, jeden Wunsch erfüllen würde.

Ich las diese Geschichte dreimal. Und dann stand mein Entschluss fest: Ich musste diese Lampe finden und mit der Zauberkraft des Dschinnis meine Fatme befreien. Klar, du hast recht, das war eine völlig verrückte Idee. Es war so, als würdest du dich auf die Suche nach dem Lebkuchenhaus der Hexe machen, die Hänsel und Gretel gefangen gehalten hat. Oder nach dem verzauberten Schloss, in dem Dornröschen schläft. Aber ich war damals so unglaublich verliebt, verstehst du? Und verliebte Menschen machen halt manchmal verrückte Dinge.

Erst einmal musste ich nämlich diese Höhle finden. In dem Märchen stand nur, dass sie in der Nähe einer großen Stadt liegt. Aber wie diese Stadt hieß, das stand da natürlich nicht. Dann musste ich diesen Aladin finden. Der Name Aladin war zu meiner Zeit so üblich wie zu deiner Zeit vielleicht Leon, Sophie, Paul oder Marie. Und schließlich musste ich noch herauskriegen, wie man den Dschinni aus der Lampe lockt. Tja, was soll ich sagen? Eigentlich war jede einzelne dieser Aufgaben absolut unerfüllbar, die ganze Suche von vornherein völlig aussichtslos. Aber gerade deswegen reizte sie mich. Und ich hatte ein Ziel vor Augen und das war Fatme.

Wenn ich jetzt anfangen würde, dir von meiner Suche zu erzählen, würde dieses Buch tausend und mehr Seiten umfassen. Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass sie sehr lange gedauert hat. Natürlich begann ich damit, die Gegend um Alexandria nach dieser Höhle abzusuchen, doch hier fand ich keinen Hinweis. Einige Monate später begab ich mich auf die große Reise, die ich immer wieder vor mir hergeschoben hatte. Meinen Eltern erzählte ich nichts von dem wahren Ziel dieser Reise. Ich ließ sie in dem Glauben, dass ich über Fatmes Verlust hinweggekommen sei und mir nun die weite Welt anschauen und wieder nach Hause kommen würde, um dann in das Geschäft meines Vaters einzusteigen.