Ich, Merlin, und die furchtlosen Ritter - Frank Schwieger - E-Book

Ich, Merlin, und die furchtlosen Ritter E-Book

Frank Schwieger

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Beschreibung

Merlin, Artus & Co. berichten live von ihren sagenhaften Abenteuern Wie war das Mittelalter wirklich? War es so abenteuerlich und bunt, wie wir es uns vorstellen? Der weise Merlin gibt Antworten auf Fragen, die wir uns schon immer gestellt haben: Wie hat es ausgerechnet der junge Artus geschafft, das berühmte Schwert Excalibur aus dem Stein zu ziehen? Warum badet der mutige Siegfried in Drachenblut? Wie lief ein Ritterturnier ab? Wie kam Prinzessin Isolde dazu, einen Schluck des Zaubertranks zu trinken?

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Seitenzahl: 246

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Aufgepasst, Merlin packt aus!

War das Mittelalter wirklich so abenteuerlich und bunt, wie wir glauben? Wie gelang es ausgerechnet dem jungen Artus, das berühmte Schwert Excalibur aus dem Stein zu ziehen? Warum badete der mutige Siegfried in Drachenblut? Wie war eine Ritterburg aufgebaut? Warum wurde Robin Hood zum König der Diebe? Wie kam der listige Till Eulenspiegel zu seinem Namen?

Das Freundschaftsbuch der furchtlosen Ritter: Hier berichten Merlin, Artus & Co. von ihren sagenhaften Abenteuern.

Von Frank Schwieger sind außerdem bei dtv lieferbar:

Ich, Herakles, und meine großen Heldentaten

Ich, Odysseus, und die Bande aus Troja

Ich, Kleopatra, und die alten Ägypter

Ich, Odin, und die wilden Wikinger

Ich, Zeus, und die Bande vom Olymp

Ich, Caesar, und die Bande vom Kapitol

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Die Rache des Gladiators

Das Löwenamulett

Flucht aus Rom

Kinder unterm Hakenkreuz – Wie wir den Nationalsozialismus erlebten

Für Nils und für Bjarne und für Dirk.

Die Zeit der echten Ritter ist vorbei, das weißt du natürlich. Aber ganz bestimmt nicht vorbei ist die Zeit der Zauberer! Das weißt du hoffentlich auch. Zauberer wie mich hat es zu allen Zeiten gegeben. Und es gibt sie immer noch, das kannst du mir ruhig glauben. Auch wenn du vielleicht noch nie einen von uns getroffen hast. Zauberer und Hexen halten sich lieber im Verborgenen und lassen euch Menschen in Ruhe. Das ist für beide Seiten besser so, glaub mir.

Wir schicken unsere Kinder auf besondere Schulen (die ihr niemals finden werdet) und mischen uns nicht weiter in eure Angelegenheit ein. Meistens jedenfalls.

Manchmal können wir uns aber doch nicht ganz zurückhalten, jedenfalls einige von uns. Auch ich gehöre zu den Zauberern, die ihre Finger nicht stillhalten, die hin und wieder in eure Angelegenheiten eingreifen und ein paar Fäden ziehen müssen. Aber nur, um etwas Gutes zu bewirken! Das wirst du sehen, wenn du die Geschichten liest, die ich für dich gesammelt habe.

Ja, für dich! Damit du einige der spannendsten Legenden aus der Ritterzeit kennenlernst. Du wirst viel Freude mit ihnen haben, da bin ich mir sicher. Und es ist alles wahr. Schließlich erzählen die Heldinnen und Helden ja höchstpersönlich von ihren Abenteuern. In meinem Auftrag! Da haben sie natürlich nur die nackte Wahrheit gesagt, daran gibt es gar keinen Zweifel!

Mit ein bisschen Zauberei ist schließlich dieses Buch entstanden, das dich in die sagenhafte Welt der furchtlosen Ritter entführen wird. Und wenn es dich auch ein bisschen verzaubert, dann würde mich das sehr freuen.

Dein

Dies ist meine Geschichte:

Die Menschen erzählen viel über mich: Merlin, so sagen sie, ist ein mächtiger Zauberer, der dich ruckzuck in eine runzlige Kröte verwandeln kann. Oder in eine haarige Spinne. Nein, erwidern andere, er ist einer von den weisen Druiden aus der Zeit der alten Römer, der sich auf allerlei Heilkünste versteht. Stimmt nicht, halten wieder andere dagegen. Merlin ist ein großer Hexenmeister, vielleicht sogar der Teufel persönlich, der dich geradewegs in die Hölle jagt, wenn du dich nicht von ihm fernhältst. So ein Unsinn, rufen dann andere. Merlin ist ein Herr des Feenvolks. Er stammt von der Nebelinsel Avalon und wandelt schon seit vielen Jahrhunderten auf dieser Welt, um den Menschen zu helfen, wo er nur kann.

Wer ich wirklich bin? Tut mir leid, das kann ich dir nicht verraten, das musst du selbst herausfinden, solltest du mich einmal treffen. Du lachst? Das solltest du besser nicht tun! Denn eines kann ich dir verraten: Ich bin alt. So alt, wie du es dir nicht vorstellen kannst. Ich bin der, der war, der ist und der sein wird. Und der dafür gesorgt hat, dass du dieses Buch in den Händen hältst. Ja, das ist wahrlich kein Zufall, wie du vielleicht gedacht hast. Aber mehr kann ich dir wirklich nicht verraten. Doch genug von mir.

Ich will dir von Britannien erzählen und von seinem König. Uther Pendragon waren sein Name. Er war ein machtsüchtiger, rücksichtsloser Mann, der seine Herrschaft gnadenlos ausübte. Die Ritter und die Edelleute, auch die Bauern und die kleinen Händler und Handwerker waren ihm völlig egal. Das Einzige, was Uther Pendragon interessierte, waren seine Macht und sein Reichtum und wie er beides vergrößern und vermehren konnte. Er hatte so ziemlich alles, was ein König sich wünschen kann: eine große Burg, eine prall gefüllte Schatzkammer, fruchtbare Felder, die fleißige Bauern für ihn bestellten. Aber eines hatte er nicht: eine Frau. Und somit auch keinen Sohn, keinen Nachfolger, der seinen Thron einst übernehmen könnte. Das ärgerte König Uther gewaltig. Bisher war es ihm nicht gelungen, ein hübsches Edelfräulein oder eine bezaubernde Prinzessin an seinen Hof zu locken. Die Väter all der vornehmen heiratsfähigen jungen Damen weigerten sich nämlich beharrlich, ihre Töchter diesem König Gnadenlos zu übergeben. Ich konnte sie gut verstehen.

Ich war damals häufig in König Uthers Nähe und versuchte stets, das Schlimmste zu verhindern. Was mir auch meistens gelang. Wahrscheinlich hätte Uther erheblich mehr Kriege geführt, weitaus mehr Bauern ausgeplündert oder ermordet, wenn ich ihn nicht auf andere Gedanken gebracht hätte. Irgendwann fasste ich den Entschluss, der nächste König Britanniens müsse ein besserer Mann sein als Uther Pendragon. Doch dafür musste ich sicherstellen, dass dieser auf keinen Fall an Uthers Hof erzogen werden würde, denn sonst würde er nämlich ein genauso schlimmer König werden wie Uther. Lange hatte ich keine Idee, wie ich das anstellen sollte, doch als sich König Uther wieder einmal in eine junge Dame verliebte, hatte ich endlich einen Plan.

Diese junge Dame war die schöne Igraine. Dummerweise war Igraine verheiratet – mit Gorlois, dem Herzog von Cornwall. Aber das war König Uther vollkommen egal. Er hatte sie auf einem Fest kennengelernt, das er an seinem Hof veranstaltet hatte, und sich auf den ersten Blick bis über beide Ohren in die schöne Frau verliebt. Auf dem Fest flirtete er mit Igraine, was das Zeug hielt. Er wollte ihr sogar einen goldenen Becher schenken. Als Herzog Gorlois das mitbekam, zog er seine Frau wütend aus dem Festsaal und reiste noch in der Nacht zurück nach Cornwall. So eine Unverschämtheit konnte er sich nicht gefallen lassen, nicht einmal von seinem König. Auch Igraine war dieser verliebte König Uther reichlich unangenehm. Und sie war froh, als ihr Mann zusammen mit ihr das Fest wutschnaubend verließ.

Doch Uther ließ nicht locker, er wollte Igraine unbedingt haben. Und dass er mir vertraute, musste ich ausnutzen. Zum Wohle Britanniens.

An diesem Tag ging König Uther unruhig in seinem Thronsaal auf und ab. Ich saß auf einem Schemel vor einem Fenster. Uther blieb mit hochrotem Kopf vor mir stehen.

»Merlin, du musst mir helfen«, rief er. »Ich muss Igraine haben. Sie oder keine.«

»Und darum hast du einen Krieg angezettelt, nicht wahr?«, fragte ich. »Du hast deine Ritter nach Cornwall geschickt, auf dass sie Igraines Mann, Herzog Gorlois, töten. Seit Wochen sterben deine Männer und die Männer des Herzogs. Und das nur wegen deiner Gelüste, König Uther.«

»Papperlapapp!« Der König wischte meine Kritik mit einer Handbewegung beiseite. »Sie kämpfen für ihren König. Schließlich geht es um die Zukunft Britanniens.«

»So kann man das auch sehen«, sagte ich und stand auf. »Aber ich habe eine Idee, wie wir das Ganze abkürzen und viele Leben retten können.«

»Raus mit der Sprache, Merlin!«

»Ich werde dir die Gestalt des Herzogs verleihen. So verwandelt, kannst du gefahrlos durch das Tor seiner Burg Tintagel ziehen. Dort hält sich die schöne Igraine auf. Niemand wird Verdacht schöpfen, wenn du in den Burghof reitest. Auch Igraine nicht. Den Rest musst du dann selbst erledigen.«

»Das würdest du tun?« König Uther rieb sich voller Vorfreude die Hände. Ich konnte meinen Widerwillen nur mit Mühe verbergen.

»Ja, das würde ich«, sagte ich. »Doch ich verlange einen Preis für meinen Dienst. Du gibst mir das Kind, das Igraine dir schenken wird.«

»Moment mal!«, wandte Uther ein. »Dieses Kind soll mein Nachfolger werden. Seit wann interessierst du dich für Babys, weiser Merlin?«

Oh, ich hätte dieses Großmaul am liebsten in einen dicken Ochsenfrosch verwandelt. Doch ich musste mich beherrschen, schließlich ging es um Britanniens Zukunft.

»Diesem Kind ist eine große Zukunft bestimmt«, erklärte ich. »Ich möchte es im Auge behalten, wenn es heranwächst. Auf der Königsburg drohen ihm zu viele Gefahren.«

»Also gut«, stimmte Uther zu und runzelte die Stirn. »Die Sache ist abgemacht. Ich verbringe eine Nacht mit der schönen Igraine. Dafür kannst du ihr erstes Kind haben. Die folgenden Kinder werden dann aber an meinem Hof erzogen.«

Ich nickte. Der König war auf meinen Trick hereingefallen.

Mein Plan ging auf. Mit allerlei Zauberei (ich kann dir natürlich nicht verraten, wie genau ich das anstellte) verlieh ich König Uther noch in der Nacht die Gestalt des Herzogs. Am nächsten Tag brach er mit einigen Rittern auf zur Burg Tintagel. Igraine merkte zunächst nichts von dem Betrug. Sie ließ ihren vermeintlichen Ehemann in die Burg und in ihr Schlafgemach und empfing in derselben Nacht ein Kind. Am nächsten Morgen war König Uther schon vor Sonnenaufgang wieder verschwunden. Doch als Igraine dann gemeldet wurde, dass ihr Mann schon vor zwei Tagen auf dem Schlachtfeld gefallen war, tödlich verwundet durch einen verirrten Pfeil, da ahnte sie, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein konnte. Sie war verzweifelt und verwirrt und todtraurig über den Verlust ihres Mannes.

Kurz darauf zog König Uther siegreich in die Burg Tintagel ein. Ich ritt an seiner Seite. Igraines Augen waren rot und geschwollen vom vielen Weinen, als sie ihn durch das Tor kommen sah. Notgedrungen musste sie ihn empfangen. Als Uther ihr erzählte, dass er es gewesen war, der in jener Nacht ihr Schlafzimmer betreten hatte, schäumte Igraine vor Wut – vor allem als Uther dann auch noch die Frechheit besaß, um ihre Hand anzuhalten, und ihr versprach, sich gut um sie zu kümmern. Auch mir warf sie einen bitterbösen Blick zu, denn Uther prahlte damit, wie der große Zauberer Merlin ihm geholfen und sein Aussehen in das von Herzog Gorlois verwandelt hatte.

Fast ein ganzes Jahr lang weigerte sich Igraine, den Antrag des Königs anzunehmen. Ich besuchte sie mehrmals und musste all meine Überzeugungskraft (und den ein oder anderen Zaubertrick) aufwenden, um sie zu einem Ja zu bewegen. Zum Glück konnte ich sie auch davon überzeugen, mir das Kind zu überlassen, das in ihrem Bauch heranwuchs. Ich versprach, ihr Sohn würde ein weiser und angesehener König werden – der beste König, den Britannien je haben würde. Und sie stimmte mir zu, dass er dafür auf keinen Fall an Uthers Hof aufgezogen werden dürfe. Als sie den Jungen auf die Welt gebracht hatte, übergab sie ihn mir noch am selben Tag. Die Tränen standen ihr in den Augen, als sie mir das in ein warmes Tuch gewickelte Baby in die Arme legte.

»Er soll Artus heißen«, flüsterte sie mit schwacher Stimme. »Pass gut auf ihn auf, Merlin!«

»Das werde ich tun, Igraine«, sagte ich voller Bewunderung für diese tapfere Frau.

Ich nahm das Baby und brachte es nach Wales.

Dort lebten der ehrenwerte Ritter Sir Ector und seine Frau Enid. Diese hatte ein knappes Jahr zuvor einem Jungen das Leben geschenkt, der auf den Namen Kay getauft worden war. Ich kannte Ector und Enid und schätzte sie sehr. Sie waren ehrliche und anständige Menschen. Ich bat sie, den kleinen Artus wie ihren eigenen Sohn aufzuziehen.

»Doch erzählt ihm auf keinen Fall, dass er ein Pflegekind ist!«, schärfte ich ihnen beim Abschied ein. »Wenn die Zeit reif ist, wird alles offenbart werden. Ihr tut ein gutes Werk für Britannien, wenn ihr Artus zu einem edlen Menschen erzieht.«

Sir Ector und Lady Enid wunderten sich sehr über meine Worte. Aber sie kannten mich und wussten, dass man besser keine Fragen stellte, wenn der weise Merlin so geheimnisvoll daherredete.

Fünfzehn Jahre später war Uther Pendragon tot. Irgendjemand hatte ihn vergiftet. Wer der Attentäter war, ließ sich nie herausfinden. Ob ich die Finger dabei im Spiel hatte, willst du wissen? Tut mir leid, darauf kann ich dir keine Antwort geben. Weil Uther und Igraine kein weiteres Kind bekommen hatten (die arme Frau war bald nach ihrer Hochzeit an einem Fieber gestorben), gab es auch keinen Nachfolger für den Königsthron. Jedenfalls dachten das alle. Darum rief Dubricius, der mächtige Erzbischof von Canterbury, die Fürsten Britanniens kurz vor Weihnachten in seinen Palast. Er befürchtete einen grässlichen Krieg um die Krone, in dem viele Unschuldige ihr Leben lassen würden. Diesen Krieg wollte er verhindern, indem er die Fürsten bei der Versammlung dazu aufforderte, sich friedlich und ohne Blutvergießen auf einen neuen König zu einigen.

Ich hatte mich zuvor mit Dubricius beraten. Er mochte mich nicht, so viel war klar, denn er war ein Mann der Kirche und von meinen Zauberkünsten wenig begeistert. Aber er wusste um meinen Einfluss in Britannien und hatte mich wohl oder übel zu der Fürstenversammlung dazugebeten.

Als sich die mächtigen Männer im großen Bischofspalast von Canterbury eingefunden hatten, begrüßte Dubricius all die Herzöge und Barone, die Grafen und Edelleute mit freundlichen Worten. Dann bat er mich zu sprechen. Ich trat vor und stellte mich neben den Erzbischof.

»Ihr Fürsten Britanniens«, rief ich mit einer Stimme, die alle Gespräche sofort verstummen ließ. »Ich danke dem Erzbischof Dubricius für diese Zusammenkunft. Und dafür, dass ich als Erster das Wort an euch richten darf.«

Ein erstauntes Murmeln erhob sich unter den Männern. Ich hob eine Hand. Augenblicklich trat wieder Ruhe ein.

»Ihr wisst: Unser Land braucht einen neuen König«, fuhr ich fort. »Sonst zerfällt es in Krieg, Not und Elend.«

»Uther hat keinen Sohn hinterlassen!«, fiel mir einer der Fürsten ins Wort.

»Doch, er hat einen Sohn hinterlassen«, entgegnete ich. Und dann erzählte ich den verwunderten Fürsten von Artus, dem Sohn Igraines und Uthers, der in Wales, in der Burg des ehrbaren Ritters Ector von seiner Frau Enid liebevoll aufgezogen und von Sir Ector zu einem tapferen Ritter ausgebildet worden war.

»Er ist jetzt fünfzehn Jahre alt«, endete ich meine Rede. »Er wird euer neuer König sein, ein gütiger, ein tapferer, ein gerechter König, der nicht nur euch Fürsten, sondern allen Menschen in Britannien eine lange Zeit des Friedens und des Wohlstands verschaffen wird.«

Sofort erhob sich lautes Geschrei unter den Fürsten. »Wo ist denn dieser Knabe?«, rief einer. »Ich will ihn sehen. Warum ist er nicht hier?«

»Er wird kommen«, sagte ich. »Der Weg aus Wales bis hierher ist weit. Sir Ector ist vor über zwei Wochen aufgebrochen, das weiß ich. Der Schnee wird ihn aufgehalten haben. Habt Geduld!«

»Ich lass mich doch nicht von einem Kind regieren«, schimpfte ein alter Herzog.

»Woher sollen wir wissen, dass du uns keinen Unsinn erzählst, Merlin Graubart?«, fragte ein dicker Graf und verschränkte die Arme vor der Brust. »Kannst du beweisen, dass dieser Junge Uthers Sohn ist?«

Ich presste die Lippen aufeinander. »Damit hätte ich rechnen müssen«, murmelte ich so leise, dass nur der Erzbischof neben mir es hören konnte. »Wir müssen sie auf andere Art von Artus überzeugen. Verschaff mir drei Tage Zeit, Dubricius.« Der Erzbischof nickte.

Die Fürsten ließen sich nicht beruhigen. Sie murrten und knurrten und waren sich darüber einig, sich auf keinen Fall von einem so jungen König regieren zu lassen. Einem Kind, das ich, der Zauberer Merlin, ihnen vor die Nase setzte. Einem Kind, das sie noch nicht einmal gesehen hatten. Schließlich gebot Erzbischof Dubricius ihnen Ruhe, das Gemurre erstarb.

»Edle Fürsten Britanniens«, rief er in den Saal. »Es ist doch bald Weihnachten, ein Fest des Friedens und der Freude. In drei Tagen feiern wir in der großen Kathedrale die Geburt unseres Herrn. Ich schlage vor, dass ihr jetzt in eure Herbergen geht und dort im Gebet verharrt. Bittet den Herrgott, uns die Wahrheit erkennen zu lassen. Möge er uns bei der Suche nach einem neuen König beistehen. Amen.«

»Amen«, murmelten die Fürsten und verließen nach und nach den großen Saal.

»Amen«, sagte ich zu Erzbischof Dubricius.

»Was hast du vor, Merlin?«

»Das wirst du sehen«, grinste ich. »Eines kann ich dir versprechen: In drei Tagen, am Weihnachtsfest, hat Britannien einen neuen König. Und dieser König wird Artus heißen.«

Dies ist meine Geschichte:

Tagelang waren wir geritten, durch dicke Schneeflocken über vereiste Felder. Es war kalt, dezemberkalt. Ich umklammerte die Zügel meines Pferdes mit Fingern, die so durchgefroren waren, dass ich sie nicht mehr spüren konnte. Neben mir ritt mein Bruder Kay. Vor uns, auf seinem schwarzen Hengst, saß unser Vater, der ehrenwerte Ritter Sir Ector. Und hinter uns ritten zwei Knechte auf Lastpferden, die unser Gepäck trugen. Eben hatten wir den Marktplatz von Canterbury erreicht. In dieser Stadt herrschte der mächtige Erzbischof Dubricius. Er hatte alle Fürsten Britanniens in seinen Palast geladen, um ihnen eine große Neuigkeit zu verkünden. Um was es dabei ging, wussten wir nicht, als wir auf den Marktplatz kamen. Der Weg aus Wales war weit. Wegen des schlechten Wetters hatten wir uns verspätet. Die Versammlung der Fürsten hatte schon vor drei Tagen stattgefunden.

»Wir schaffen es gerade noch zur heiligen Messe«, grummelte unser Vater. »Dort können wir mit dem Erzbischof und den anderen Fürsten das Weihnachtsfest feiern. Und vielleicht erfahren wir auch, um was es bei dieser Versammlung ging. Da vorn ist die Kathedrale.«

Vor uns, auf der anderen Seite des Marktplatzes, erhob sich der mächtige Kirchenbau. Seine hohen Türme verschwanden im dichten Schneetreiben. Unser Vater zeigte auf die große offene Tür, durch die die Leute in das Kircheninnere strömten. Wir stiegen von unseren Pferden, überließen sie den Knechten und betraten das gewaltige Gotteshaus. Die vielen Hundert Menschen, die dicht an dicht standen, verbreiteten eine angenehme Wärme. Allmählich spürte ich meine Finger wieder. Wir blieben weit hinten stehen und konnten nur von ferne sehen, wie der Erzbischof vorn am Altar zusammen mit seinen Priestern die Weihnachtsmesse feierte.

Nach dem Gottesdienst gingen wir wieder hinaus. Kay eilte sofort zu der Herberge, in der wir übernachten wollten, um unsere Ankunft dort anzukündigen. Mein Vater und ich schlugen uns unsere wollenen Mäntel fest um den Leib, als wir den kalten Marktplatz betraten. Wir wollten zu unseren Pferden, auf die unsere Knechte aufgepasst hatten. Zum Glück schneite es nicht mehr. Doch was war das?

Mitten auf dem schneebedeckten Platz vor der Kirche stand ein gewaltiger Felsblock, auf dem keine einzige Schneeflocke lag. Der war vorher noch nicht da gewesen, da war ich mir ganz sicher. Auch mein Vater machte große Augen, als er den Felsen erblickte. Das einfache Volk und die Fürsten versammelten sich staunend um den großen Stein. Niemand konnte sich erklären, wie er so plötzlich hierhergekommen war und wieso kein Schnee auf ihm lag. Niemand hatte etwas gesehen. Der Fels war so groß, dass hundert starke Männer ihn kaum hätten bewegen können. Noch viel merkwürdiger war aber, dass ein großes Schwert in diesem Felsblock steckte. Ein Schwert, dessen Klinge so hell glänzte wie frischer Schnee in der Sonne. Da sah ich die Inschrift, die um den Felsen herumlief. Damals konnte ich noch nicht lesen, genauso wenig wie die anderen Fürsten, geschweige denn die einfachen Leute. Erzbischof Dubricius, der die Kirche inzwischen auch verlassen hatte, trat an den großen Stein heran und las die Inschrift laut vor: »Wer es vermag, dieses Schwert aus dem Felsen zu ziehen, soll der neue König Britanniens sein.«

»Das ist ein Zeichen Gottes!«, rief ein dicker Graf, den ich schon ein oder zwei Mal am Hof meines Vaters gesehen hatte.

»So muss es sein«, rief ein anderer Fürst. »Schließlich ist heute Weihnachten.«

»Unsere Gebete wurden erhört«, rief ein dritter Fürst, seinem prächtigen Pelzmantel nach zu urteilen, einer der mächtigen Herzöge.

Was meinte er damit? Welche Gebete?

Nur Erzbischof Dubricius runzelte misstrauisch die Stirn. Er schaute sich um. Ich sah, wie sein Blick auf einen alten Bettler fiel, der von einer Kapuze verhüllt am Rande des Platzes stand und dem Treiben interessiert zuschaute.

»Also gut«, rief der Erzbischof schließlich. »Edle Fürsten, hört mich an! Vielleicht hat Gott uns tatsächlich ein Zeichen gegeben. Auf jeden Fall sollte jetzt jeder von euch versuchen, dieses Schwert herauszuziehen. Wem es gelingt, der ist unser neuer König.« Sofort erhob sich großer Lärm auf dem Kirchplatz.

Ein neuer König? Was ging hier vor? Ich blickte meinen Vater fragend an, doch der zuckte nur mit den Schultern und schien genauso ahnungslos zu sein wie ich. Britannien war in Aufruhr in diesen Tagen. Uther Pendragon, der alte König, war vor wenigen Wochen einem Giftanschlag zum Opfer gefallen. Wer die Quelle, deren Wasser er regelmäßig trank, vergiftet hatte, wusste niemand. Doch jeder wusste, dass König Uther keinen Sohn hatte. Der Thron Britanniens war verwaist. Auch seine Frau war schon vor Jahren gestorben. Viele Fürsten machten sich darum Hoffnungen auf die Krone und riefen ihre Ritter zusammen. Es drohte ein furchtbarer Krieg um den Königsthron.

Sir Richard von Winchester, ein Ritter, der mit meinem Vater flüchtig bekannt war, hatte sich neben ihn gestellt.

»Darum hat er uns hier zusammengerufen«, raunte Sir Richard meinem Vater zu. »Der Erzbischof, meine ich. Er hat uns gebeten, vernünftig zu sein und friedlich einen neuen König zu wählen.«

»Und?«, fragte mein Vater. »Hat es geklappt?«

Sir Richard schüttelte den Kopf. »Die Versammlung war eine Vollkatastrophe«, erzählte er. »Merlin hatte zwar einen Vorschlag, doch der war so unsinnig, dass ein großer Streit ausbrach und wir beinahe alle aufeinander losgegangen wären. Der Erzbischof konnte die Lage nur mit Mühe und Not beruhigen.«

»Was für einen Vorschlag?«, fragte mein Vater.

Sir Richard schaute zu mir herüber und wollte gerade etwas sagen, als plötzlich einige vornehme Herren direkt hinter uns laut riefen:

»Jaaaa! So soll es sein! Wer das Schwert aus dem Felsen zieht, wird der neue König Britanniens.«

Dann ging alles sehr schnell. Die Fürsten stellten sich in einer langen Reihe auf und versuchten ihr Glück. Der dicke Graf war der Erste, der sich vergeblich bemühte. Er zog und zog und zog, bis er einen knallroten Kopf bekam und ihm die Augen beinahe aus den Höhlen traten. Schließlich gab er erschöpft auf. »Dann wohl nicht«, schimpfte er und trat zur Seite. Die anderen lachten erleichtert auf.

Als Nächster versuchte es ein alter Baron. Doch auch ihm gelang es nicht, das Schwert nur einen Fingerbreit zu bewegen. Schon war der nächste Fürst zur Stelle. Das gleiche Spiel. So ging es weiter und weiter (selbst mein Vater versuchte sein Glück), bis auch der letzte Fürst vergeblich an dem Schwert gezogen hatte.

Und jetzt?

Erzbischof Dubricius blickte sich hilflos um. Immer wieder richtete er seinen Blick dabei in meine Richtung. Komisch, er kannte mich doch gar nicht.

»Ich finde, der Junge sollte sein Glück versuchen«, sagte plötzlich der alte Bettler. Wie aus dem Nichts war er plötzlich neben den Erzbischof getreten. Das Gemurmel der Fürsten verstummte schlagartig.

Welchen Jungen meinte er? Ich schaute mich um. Hier war kein Junge zu sehen. Außer mir.

Ich vergaß für einen Moment zu atmen. Der Erzbischof und der zerlumpte Bettler schauten beide zu mir herüber.

»Scher dich fort, alter Mann!«, schnauzte der dicke Graf in Richtung des Bettlers. »Du hast hier nichts … Oh!« Er hielt inne und trat einen Schritt zurück. Der vermeintliche Bettler hatte seine Kapuze abgestreift. Es war Merlin, der geheimnisvolle Zauberer, den jeder in Britannien kannte. Er war ein guter Freund meiner Eltern und hatte sie in den letzten Jahren oft besucht. Dabei hatte er sich stets interessiert nach mir erkundigt.

»Hört mich an«, rief er den Fürsten zu. »Dieser Junge hier ist Artus, von dem ich euch erzählt habe. Euer neuer König.«

Ich musste mich verhört haben. Was hatte Merlin eben gesagt?

»Komm zu mir, mein Junge«, fuhr Merlin fort. Er meinte mich, so viel stand fest. Ich hatte Mühe, mich auf den Beinen zu halten, als ich zu ihm ging. So sehr zitterten meine Knie.

»Zieh das Schwert aus dem Stein«, forderte Merlin mich auf und lächelte dabei aufmunternd, als ich zwischen ihm und dem Erzbischof stand. »Ich weiß, dass du es kannst, Artus. Alles andere erkläre ich dir später.«

»Alles andere?«

»Nun mach schon!«

»Du darfst mich nicht verspotten, Merlin!«, sagte ich. »Hundert starke Männer haben gerade versucht, das Schwert aus dem Stein zu ziehen. Warum sollte es ausgerechnet mir gelingen? Ich bin kein mächtiger Fürst. Ich bin noch nicht einmal erwachsen. Warum ich?«

»Weil du der Richtige bist«, sagte Merlin und schaute mich durchdringend mit seinen funkelnden Augen an.

Ich schüttelte verzweifelt den Kopf. Er wollte sich über mich lustig machen, das war klar. Aber warum so ein mächtiger Zauberer es nötig hatte, mit einem unbedeutenden Jungen wie mir seinen Spott zu treiben, das war mir nicht klar. Mir war kalt. Und nach dem langen Ritt von Wales nach Canterbury taten mir alle Knochen weh.

Was soll’s, dachte ich. Sollen die vornehmen Herren doch ihren Spaß haben. Ich schüttelte den Kopf, packte den Schwertgriff (er fühlte sich wundersam warm an) – und zog das Schwert mit einer einzigen Bewegung aus dem Stein. Ich spürte überhaupt keinen Widerstand und hielt die glänzende Waffe staunend in meiner rechten Hand.

Auf dem großen Kirchplatz war es still geworden, man hätte die Schneeflocken fallen hören können, wenn es denn geschneit hätte. Die Fürsten hielten den Atem an und starrten ungläubig auf mich, als ich das Schwert genauso ungläubig in der zitternden Rechten hielt.

Ich ließ das Schwert sinken und schaute Merlin an. »Ist das dein Ernst?«, fragte ich und erschrak vor meiner eigenen Stimme. Sie klang so fremd.

Der Zauberer lächelte milde, sagte aber kein Wort. Dafür trat Erzbischof Dubricius in die Mitte, hob die Hände und rief: »Lang lebe König Artus!«

Die Fürsten schauten sich fragend an. »Es ist ein Zeichen Gottes«, raunten sie sich gegenseitig zu. »Der Herr will es so.«

Dann beugten sie das Knie, erst nur wenige, dann immer mehr. Bis schließlich alle Fürsten Britanniens auf dem verschneiten Kirchplatz von Canterbury knieten und sich vor ihrem neuen König verneigten.

»Lang lebe König Artus!«, fielen sie in den Ruf des Erzbischofs ein. »Lang lebe König Artus!«

Sie meinten tatsächlich mich. Ich konnte es nicht glauben.

Tja, was soll ich sagen? Aus der Nummer kam ich nicht mehr raus. Ich wurde, mit gerade einmal fünfzehn Jahren, der neue König Britanniens. Um mich daran zu gewöhnen, brauchte ich einige Monate. Und Jahre, um meine Herrschaft in ganz Britannien durchzusetzen. War ja klar, dass nicht alle Fürsten sofort einen Fünfzehnjährigen auf dem Thron akzeptieren würden. Mit Merlins Hilfe gelang es mir aber schließlich, sie von mir zu überzeugen. Etwas geschockt war ich schon, als Merlin mir erzählte, dass Sir Ector und Lady Enid gar nicht meine richtigen Eltern waren, sondern dass ich der Sohn des verstorbenen Königs war. Aber ich gewöhnte mich an den Gedanken und hatte Lady Enid und Sir Ector darum nicht weniger lieb.

Ich wurde der beste König, den Britannien je gesehen hatte. Zumindest erzählten das die Leute über mich. Nicht nur, weil ich auf Merlins Rat hörte, sondern weil ich ein gütiger und gerechter Herrscher wurde, der sich mit seiner ganzen Kraft für die Menschen in seinem Land einsetzte. Klingt ein bissen angeberisch, ich weiß, war aber wirklich so. Zusammen mit meinen Rittern schlug ich alle Feinde zurück, die Britannien von außen angriffen. Ich versöhnte die zerstrittenen Fürsten, die im Innern unseren Frieden bedrohten. Und ich bescherte dem Land eine lange Blütezeit, in der niemand hungern musste, in der alle Menschen in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen und sich um ihre Familie kümmern konnten.

Ach ja, und dann habe ich mir noch diese prächtige Burg errichtet: Camelot. Als mächtiger König brauchte ich ja einen standesgemäßen Wohnsitz. Oh, und Camelot war standesgemäß, das kannst du mir glauben: So hohe Mauern, so viele Türme und Türmchen, aus denen heraus man weit, weit ins Land schauen konnte! Und geheiratet habe ich auch noch, die wunderschöne Prinzessin Guinevere. Da war ich natürlich schon ein paar Jahre älter.

Guinevere hatte ein seltsames Hochzeitsgeschenk dabei, als sie auf Camelot einzog. Ich staunte nicht schlecht, als ich den Saal betrat und dieses Prachtstück in seiner Mitte sah: Dort stand ein so großer Tisch, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Und der Tisch war kreisrund. Merlin war gerade damit beschäftigt, mithilfe irgendwelcher Zaubersprüche Namen ringsherum in die Tischplatte zu brennen.

Ich trat an den Tisch heran und las die Namen (inzwischen hatte ich lesen gelernt). Sir Parzival, Sir Lancelot, Sir Gawain, Sir Mordred und noch einige andere.

»Was sind das für Namen?«, fragte ich Merlin, als er mit seiner Zauberei fertig war. Im Saal roch es leicht angekokelt.

»Die Namen mächtiger Ritter«, antwortete der Zauberer. »Die Ritter der Tafelrunde, die mit dir so manches Abenteuer bestehen werden.«

»Tafelrunde?«

»Ja, so nennen wir diesen Tisch«, antwortete Merlin. »Er hat kein Oben und kein Unten, kein Vorn und kein Hinten. Die Ritter, die hier Platz nehmen, sind alle gleich. Gleich mächtig, gleich stark, gleich in ihrem Rang. Und sie brennen darauf, spannende Abenteuer zu erleben.«

»Aber ich kenne sie nicht«, wandte ich ein. »Ich habe diese Namen noch nie gehört.«

»Das wird sich ändern.« Merlin schmunzelte. »Ganz von allein. Sie werden ihren Weg nach Camelot finden.«

»Dafür wirst du schon sorgen, nicht wahr, Merlin?«

Der Zauberer zwinkerte mir zu. »Ich. Oder der Herrgott. Oder das Schicksal. Oder ein Zufall. Wo ist da der Unterschied?«

»Tja, das weiß ich auch nicht so genau«, sagte ich lächelnd. »Auf jeden Fall bin ich gespannt auf jeden Einzelnen von ihnen.«

Natürlich kamen sie alle, die Ritter der Tafelrunde, und haben unzählige Abenteuer erlebt. Doch diese alle zu erzählen, hat Merlin mir leider nicht gestattet. Er meinte, dann würde das Buch hier viel zu dick werden. Und damit hatte er recht, glaube ich, wie eigentlich immer.

Dies ist meine Geschichte:

Eines Tages war Meister Merlin zu mir nach Avalon gekommen.