Ich, Odysseus, und die Bande aus Troja - Frank Schwieger - E-Book + Hörbuch

Ich, Odysseus, und die Bande aus Troja Hörbuch

Frank Schwieger

0,0

Beschreibung

Odysseus & Co. erzählen die Geschichte vom hölzernen Pferd Der Kampf um Troja, die List mit dem Holzpferd und die scheinbar unendliche Irrfahrt des Odysseus – all diese Abenteuer wurden schon oft aufgeschrieben und verfilmt. Aber wer könnte sie besser erzählen als die Helden und Heldinnen selbst? Kurzweiliger als die Ilias und lustiger als Hollywood erzählen Laokoon, Kalypso, Kassandra und viele mehr die griechischen Mythen auf ihre Weise. Endlich gibt es Antworten auf die spannendsten Fragen: Wer kämpfte im Trojanischen Krieg gegeneinander? Gab es das Trojanische Pferd wirklich und wie sah es aus? Wohin führte Odysseus' Irrfahrt? Wer war Homer?

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:6 Std. 34 min

Sprecher:Arndt Schmöle

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover for EPUB

Odysseus & Co. erzählen die Geschichte vom hölzernen Pferd

Wie kam es zur Belagerung von Troja?

Wer kämpfte im Trojanischen Krieg gegeneinander?

Gab es das Trojanische Pferd wirklich und wie sah es aus?

Wohin führte Odysseus‘ Irrfahrt?

Und wie entkam er den verführerischen Sirenen?

Das Freundschaftsbuch aus dem alten Griechenland: Hier berichten Odysseus & Co. live und unverblümt von ihren Abenteuern.

Von Frank Schwieger sind außerdem bei dtv lieferbar:

Ich, Kleopatra, und die alten Ägypter

Ich, Merlin, und die furchtlosen Ritter

Ich, Odin, und die wilden Wikinger

Ich, Zeus, und die Bande vom Olymp

Ich, Caesar, und die Bande vom Kapitol

Der Schiffsjunge der Santa Maria

Die Rache des Gladiators

Das Löwenamulett

Flucht aus Rom

Kinder unterm Hakenkreuz – Wie wir den Nationalsozialismus erlebten

Für Simonfilio maioricarissimo

Du hast wohl noch nie von den Odyssianern gehört, oder? Das ist ein Club hier in der Unterwelt. Wir treffen uns alle hundert Jahre am Ufer der Styx, dieses schaurig-schwarzen Flusses, an dem wir Schatten so gerne spazieren gehen. Und da erzählen wir uns dann von all den Abenteuern, die wir damals erlebt haben, als wir noch als putzmuntere Menschen auf der Erde herumgelaufen sind. Meine liebe Frau Penelope ist immer dabei, auch mein Sohn Telemachos und natürlich alle meine Gefährten, mit denen ich so viele Gefahren durchgestanden, so viele Hindernisse überwunden und so viele Ungeheuer besiegt habe.

Bei unserem letzten Treffen hatte Penelope eine großartige Idee: »Ody«, sagte sie, »was hältst du davon, wenn wir all diese Geschichten aufschreiben und in die Oberwelt bringen? Hermes könnte das erledigen. Er bringt doch immer die Neuen in die Unterwelt. Auf seinem Rückweg könnte er die Geschichten mit nach oben nehmen. Damit nicht nur wir uns darüber amüsieren können, sondern auch die Menschenkinder, die heute leben.«

Meine Frau hat immer die besten Ideen, finde ich. Wir haben hier unten ja unendlich viel Zeit und deshalb gleich mit dem Schreiben begonnen. Als alle Geschichten fertig waren, hat Hermes sie in die Oberwelt gebracht.

Wenn dir die Geschichten gefallen, kannst du gerne auch ein Odyssianer werden und an unseren Treffen teilnehmen. Das nächste findet in 99 Jahren statt. Wir treffen uns immer unter der riesigen Trauerweide direkt am Flussufer, die kannst du gar nicht verfehlen. Ich freu mich auf dich!

Dein

Dies ist meine Geschichte

Oh, dieser grässliche Krieg! Jeder Krieg ist furchtbar, das weißt du bestimmt. Und unnötig. Er bringt nur Tod, Trauer und unendliches Leid. Aber dieser Krieg um Troja war besonders schlimm. Zehn Jahre hat er gedauert und sehr viele Menschen allzu früh in die finstere Unterwelt gerissen. Mir schießen auch heute noch die Tränen in die Augen, wenn ich an diese grausigen Jahre denke, an all die Schlachten und Kämpfe vor den Mauern der Stadt und an die vielen Menschen, die dabei gestorben sind. Aber ganz besonders, weil ich meinen einzigen, meinen innig geliebten Sohn in diesem Krieg verloren habe! Etwas Schlimmeres kann einer Mutter nicht passieren, das musst du mir glauben. Und meine Trauer ist unendlich, da ich als Göttin ja unsterblich bin. Dabei habe ich doch alles versucht, um ihn vor diesem frühen Tod zu bewahren. Leider vergeblich.

Aber ich will dir nicht von diesem Krieg erzählen. Das werden andere tun. Ich möchte dir erzählen, wie es zu diesem Krieg gekommen ist. Ich habe dabei eine große Rolle gespielt, das wirst du gleich erfahren.

Meine Eltern hatte ich dir ja schon vorgestellt, den Meeresgott Nereus und seine Frau Doris. Die beiden konnten von Kindern gar nicht genug bekommen, darum haben sie gleich fünfzig in die Welt gesetzt. Alles Mädchen. In unserem Palast gab es fünfzig Kinderzimmer, kannst du dir das vorstellen? Aber wir haben ja Platz genug hier unten auf dem Meeresgrund. Mein Vater hätte sich wohl auch den ein oder anderen Sohn gewünscht, aber der kam einfach nicht. Was soll man da machen? Doch er war auch mit uns, seinen fünfzig Töchtern, zufrieden. Und unglaublich stolz war er auf uns. Wir waren aber auch alle so richtige Vorzeigetöchter, das musst du mir glauben. Eine klüger, hübscher, netter und aufmerksamer als die andere. Keine Angst, ich werde dir jetzt nicht die Namen all meiner Schwestern aufzählen, die kann sich eh kein Mensch merken. Und auch kein Gott. Selbst ich habe heute noch Probleme, sie alle aufzuzählen und auseinanderzuhalten.

Dass viele Götter ein Auge auf uns geworfen hatten, das kannst du dir vielleicht vorstellen. Sie nannten uns die fünfzig Nerëiden, also die Töchter des Nereus. Und jede von uns hätte locker zwischen fünfzig Göttern wählen können. Doch mit dem Wählen war das damals so eine Sache. Bei uns bestimmte nämlich der Vater den Bräutigam für seine Tochter. Ich glaube, zu deiner Zeit haben die Frauen mehr Mitspracherechte. Das ist auch gut so.

Immer wieder kamen einzelne Götter aus der Oberwelt in den goldenen Palast meiner Eltern hier unten auf dem Meeresgrund und erkundigten sich nach mir oder nach einer meiner Schwestern. So wurde manche Hochzeit verabredet – ohne dass wir gefragt wurden! Ganz schön mies eigentlich, oder? Aber so war das damals eben.

Ich hätte wahrscheinlich ein unauffälliges Leben an der Seite irgendeines Gottes geführt, vielleicht als Apollons oder Hermes’ Ehefrau, und mit diesem Krieg um Troja rein gar nichts zu tun gehabt, wenn es da nicht diese Prophezeiung gegeben hätte, die meinem Leben eine ganz andere Richtung geben sollte. Angeblich hat der Titan Prometheus sie in die Welt gesetzt, so ganz herausgekriegt habe ich das bis heute nicht. Du ahnst nicht, wie oft ich Prometheus schon darauf angesprochen habe. Aber er hüllt sich immer in Schweigen – und grinst vielsagend. Auf jeden Fall gab es diese Prophezeiung, und die besagte, dass mein Sohn mächtiger, größer und stärker werden würde als sein Vater. Und berühmter. War klar, dass die Götter mich deshalb bei ihren Heiratsanträgen übergingen. Kein Gott wollte einen Sohn bekommen, der mächtiger, größer und stärker werden sollte als er selbst. Die Götter sind alle recht eitel, musst du wissen. Und machtbewusst. Warum ausgerechnet ich solch einen berühmten Sohn auf die Welt bringen sollte und nicht eine meiner Schwestern? Keine Ahnung. Das musst du Prometheus fragen. Aber der wird dich wahrscheinlich nur angrinsen und nicht antworten.

Dass ich unverheiratet bleiben sollte, das kam für meine Eltern nicht in Frage.

»Die meisten deiner Schwestern sind schon verheiratet«, sagte mein Vater Nereus eines Tages zu mir. Ich saß auf einem Stein vor unserem goldenen Palast und spielte gerade mit ein paar Seepferdchen. Mein Vater setzte sich neben mich.

Ich nickte. Worauf sollte das jetzt hinauslaufen? Die Seepferdchen schwammen schnell davon. Es sind sehr höfliche Tiere, die sich sofort zurückziehen, wenn ein Gott mit seiner Tochter sprechen will.

»Du bist wunderschön, Thetis«, fuhr er fort. »Genau wie deine Schwestern. Und du singst schöner als die Musen. Jeder Gott müsste stolz sein, dich seine Frau nennen zu können. Aber du kennst ja diese Prophezeiung.«

Ich nickte wortlos.

»Gestern waren Zeus und Poseidon hier, das hast du sicherlich mitbekommen.«

»Die beiden waren nicht zu übersehen«, sagte ich. »Und nicht zu überhören. Die machen immer ein Mordsgetöse.«

»Sie sind die mächtigsten Götter«, sagte mein Vater. »Sie herrschen über die Erde, den Himmel und das Meer.«

»Das sind ziemliche Angeber«, erwiderte ich. »Zeus muss immer mit seinen neuesten Blitzen prahlen. Und Poseidon mit seinem Dreizack. Hast du den gesehen, Papa? Der war aus purem Gold und über und über mit Edelsteinen besetzt. Protziger geht’s nicht!«

»Wir haben auch über dich gesprochen.« Mein Vater ignorierte meine Bemerkung. »Und über die Prophezeiung. Poseidon hätte dich wirklich gerne geheiratet, das musst du mir glauben. Aber das geht halt nicht. Ich habe ihm gestern deine Schwester Amphitrite versprochen. Er hat ihr dafür einen besonders schönen Delfin geschenkt, als Hochzeitsgabe. Mit dem kann sie in ein paar Tagen zu seinem Palast schwimmen.«

»Und was habt ihr über mich gesprochen?«

»Wir haben uns über deinen künftigen Ehemann unterhalten. Zeus hatte da eine super Idee!«

»Da bin ich gespannt«, sagte ich knapp. Ich befürchtete großen Ärger. Und damit lag ich absolut richtig.

Mein Vater nahm meine Hand und tätschelte sie unbeholfen. Das war kein gutes Zeichen. Das tat er immer, wenn er mir etwas erzählen wollte, mit dem ich ganz und gar nicht einverstanden sein würde. Er räusperte sich.

»Also, meine liebe Thetis. Um gleich zur Sache zu kommen. Wir drei haben einen Ehemann für dich ausgesucht. Eine wirklich gute Partie.«

»Aha«, presste ich hervor. Ich hatte Mühe, mich zu beherrschen. Ein großer gestreifter Rochen schwamm auf uns zu. Ich blickte ihn böse an. Er drehte sofort ab und schwamm in eine andere Richtung. Mein Vater räusperte sich noch einmal.

»Es ist Peleus. Bestimmt hast du schon von ihm gehört.«

»Bestimmt nicht«, sagte ich.

»Peleus ist der König von Thessalien. Er lebt in einem großen Palast in Phthia.«

Ich spürte, wie meine Wangen anfingen zu glühen. Oh ja, das geht auch im kühlen Meer, wenn man sich nur genug ärgert.

»Peleus ist ein Mensch«, fauchte ich. »Ein Sterblicher. Das kommt überhaupt nicht infrage. Ich bin eine Göttin. Und ich werde nur einen Gott heiraten. So viel steht fest. Außerdem ist Thessalien alles andere als prächtig, das ist ein armes Bauernland. Und Phthia ein langweiliges Kaff in den Bergen, wo mindestens zwei Dutzend Hunde begraben sind.«

Mein Vater ließ meine Hand los und rieb sich die Schläfen. Dass er mir nicht widersprach, bewies mir, dass ich recht hatte. Thessalien war wirklich absolut unspannend, nur Berge, trockene Felder und kleine Dörfer. Und dieses Kaff Phthia, das sich Hauptstadt nannte. Das kann man ja noch nicht mal richtig aussprechen! Fff-ti-a. Was für ein bescheuerter Name! Wenn es wenigstens Sparta gewesen wäre. Oder Mykene. Oder Athen. Oder Troja. Aber Phthia? Nee, echt nicht!

»Du wirst keinen Gott heiraten«, sagte mein Vater, »weil kein Gott dich heiraten will, meine liebe Thetis.«

»Wegen dieser ollen Prophezeiung!«, schimpfte ich. »Bla, bla. Ich kann es nicht mehr hören. Und wenn sie gar nicht wahr ist?«

»Das spielt keine Rolle. Jeder Gott glaubt, dass sie wahr ist. Das genügt.«

Ich schüttelte den Kopf und riss wütend ein Büschel Seegras aus, das neben dem Stein wuchs, auf dem wir saßen.

»Diese Prophezeiung stürzt mich ins Unglück. Ich will keinen Sterblichen heiraten, das ist unter meiner Würde. Und selbst wenn ich diesen Peleus heiraten sollte und ihn lieben könnte – irgendwann würde ich ihn verlieren. Er wird vor mir sterben, weil er eben sterblich ist. Und dann wäre ich eine Witwe für den Rest meines ewigen Lebens.«

»Du könntest zu uns in den Palast zurückkommen. Es ist doch wunderschön hier.«

»Warum soll ich überhaupt heiraten? Ich bin glücklich hier im Meer. Ich habe keine Lust, unter Menschen zu leben. Die sind doch alle doof.«

»Nicht alle«, sagte mein Vater.

»Die meisten«, sagte ich. »Ich habe sie beobachtet und mit einigen von ihnen gesprochen.«

»Du hast nur mit Seemännern gesprochen. Das sind ungehobelte Burschen. Glaub mir, es gibt auch andere Menschen: einfühlsame, aufrichtige, lustige, liebevolle und gebildete. Dieser Peleus ist einer von diesen guten Menschen, das hat mir Zeus versichert. Peleus ist sein Enkel. Du wirst in eine angesehene Familie einheiraten.«

Ich stutzte. »Peleus ist ein Enkel des Zeus?«, fragte ich überrascht.

Nereus nickte. »Peleus ist ein Sohn des Aiakos. Und der ist ein Sohn des Zeus.«

»Aiakos?«, fragte ich interessiert. »Der berühmte Richter?«

»So ist es«, sagte mein Vater. »Zeus hatte eine Affäre mit der hübschen Nymphe Aigina. Und aus dieser Verbindung ging Aiakos hervor, der Vater deines zukünftigen Ehemanns. Aiakos wurde König auf der kleinen Insel Aigina, die Zeus nach seiner Mutter benannt hatte.«

Ich nickte. »Die Ziegeninsel, nicht wahr? Im Saronischen Golf, nicht weit von Athen.«

»Genau. Aiakos heiratete und bekam Kinder. Einer seiner Söhne ist Peleus. Der wurde König in Thessalien. Irgendwann starb Aiakos. Aber er war zu Lebzeiten ein weiser und gerechter Herrscher, dessen Urteil überall gefragt war, bei Menschen wie bei Göttern. Darum machte Zeus ihn nach seinem Tod –«

»Zum Richter in der Unterwelt«, sagte ich. »Er urteilt dort über die Toten, nicht wahr? Zusammen mit Minos und Rhadamanthys.«

»Richtig. Aiakos ist ein ehrenwerter und angesehener Richter im dunklen Reich der Schatten. Und du darfst seinen Sohn Peleus heiraten, der genauso angesehen und ehrenwert ist.«

Ich muss zugeben, dass ich in diesem Moment ein klein wenig zögerte. So eine schlechte Partie schien dieser Peleus gar nicht zu sein. Immerhin war er ein Enkel des Göttervaters. Vielleicht sah er sogar ganz gut aus und war nett… Hmm…

»Und? Was sagst du?«, unterbrach mein Vater meine Gedanken.

»Nein. Höchstens wenn er mich besiegt, also stärker ist als ich. Dann könnte ich mich damit abfinden. Auch wenn er ein Sterblicher ist. Aber das wird er nicht schaffen. Schließlich bin ich eine Göttin. Nein, nein, ich werde diesen Peleus nicht heiraten.«

»Wir sollten morgen noch einmal über die Sache reden«, sagte mein Vater, erhob sich und schwamm zurück in unseren goldenen Palast.

»Von mir aus«, murmelte ich. Aber mein Entschluss stand fest.

Was ich an diesem Tag nicht ahnen konnte: Zeus und Poseidon hatten auch schon mit Peleus gesprochen. Der war natürlich schwer begeistert davon, dass er eine waschechte Göttin heiraten sollte, noch dazu eine der schönen Nerëiden. Und ganz und gar begeistert war er darüber, dass ich seine Ehefrau sein sollte. Er war nämlich seit ein paar Jahren bis über beide Ohren in mich verliebt. Wie das kam? Er hatte mich schon einmal gesehen, als ich vor einiger Zeit neben seinem Schiff geschwommen war und dabei ein schönes Lied gesungen hatte. Daran konnte ich mich selbst gar nicht mehr erinnern, aber Peleus dafür umso mehr.

»Wie heißt du?«, rief er mir zu. Ich wusste damals natürlich nicht, dass es Peleus war, der mich das fragte.

»Thetis«, antwortete ich und winkte ihm lächelnd zu. Dann tauchte ich wieder hinab ins Meer.

Seit dieser Begegnung war Peleus in mich verliebt. Irgendwann erzählte er seinem Großvater von dieser unerfüllten Liebe. Ja, und jetzt verstehst du vielleicht, warum Zeus ausgerechnet mich mit seinem Enkelsohn verkuppeln wollte. Vielleicht hatte gar nicht Prometheus, sondern Zeus selbst diese Prophezeiung in die Welt gesetzt, dass mein Sohn mächtiger werden würde als sein Vater. Aber das werde ich wohl nie erfahren.

Auf jeden Fall hatte Zeus die Ehe zwischen mir und Peleus von langer Hand geplant. Und er hatte mit meinem Widerstand gerechnet. Darum hatte er Peleus den Tipp gegeben, sich beim Meeresalten Proteus zu erkundigen, wie ich zu bezwingen sei. Du hast sicherlich noch nie etwas von Proteus gehört, oder?

Proteus ist ein Meeresgott, genau wie mein Vater oder Poseidon. Er ist ein ziemlich spezieller Gott. Er lebt zurückgezogen in einer unzugänglichen Höhle an der Küste – niemand weiß, wo genau – und mischt sich nicht groß in die Angelegenheiten der anderen Götter oder gar der Menschen ein. Proteus will einfach seine Ruhe haben und nicht von Problemen genervt werden, die ihn nichts angehen. Aber er ist ein gefragter Ratgeber, weil er so weise ist und viel erlebt hat. Einige behaupten, Proteus sei viel älter als Zeus, aber das konnte ich nie herausfinden. So kommt es hin und wieder vor, dass Götter – und manchmal auch Menschen – den alten Proteus suchen, ihn tatsächlich finden und um Rat fragen.

Peleus hatte die Höhle des Meeresalten gefunden (Zeus hatte ihm einen Tipp gegeben) und von Proteus einen Rat erhalten, wie er mich bezwingen könne. Einen ziemlich guten Rat, das muss ich leider zugeben. Wie gut dieser Rat war, sollte ich kurz darauf erfahren.

Ich hatte mich an diesem Tag zum Sonnen an den Strand irgendeiner griechischen Insel gelegt, natürlich an eine Stelle, die einsam lag und von keinem Menschen eingesehen werden konnte. Es war ein herrlicher Tag, ein frischer Wind wehte vom Meer herüber. Ich hatte ein großes Tuch auf dem warmen Sand ausgebreitet und musste eingeschlafen sein. Auf jeden Fall wachte ich auf, als Peleus plötzlich vor mir stand und sich schüchtern räusperte. In diesem Moment wusste ich natürlich nicht, dass der junge Mann, der da lächelnd vor mir stand, Peleus war.

»Unverschämter Kerl!«, fauchte ich, sprang auf und warf mir schnell mein Kleid über. »Was machst du hier?«

»Mein Opa hat mir einen Tipp gegeben, wo ich dich finden könnte.«

»Dein Opa?«, keifte ich ihn an und strich mein blaugrünes Kleid glatt. »Weißt du überhaupt, wer ich bin?«

»Oh ja«, seufzte Peleus und lächelte süß wie eine Honigwabe. »Du bist Thetis, meine zukünftige Ehefrau.«

Mir fiel die Kinnlade herunter. Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen. »Dann bist du also…«, stammelte ich.

»Peleus, König von Thessalien. Dein zukünftiger Ehemann.«

»Niemals!«, rief ich laut. »Ich werde nicht heiraten. Schon gar nicht einen Sterblichen wie dich. Verschwinde sofort von hier!«

»Nö.« Peleus schüttelte den Kopf, immer noch honigsüß lächelnd.

»Dann werde ich eben verschwinden«, schnaufte ich, raffte mein Kleid hoch und wollte mich ins Meer stürzen. Da packte dieser freche Kerl meinen Arm und hielt mich fest.

»Was fällt dir ein?«, schimpfte ich und versuchte, mich seinem Griff zu entwinden. Aber er war ganz schön stark. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er war doch nur ein Mensch. Im nächsten Moment umschlang er mich mit beiden Armen und drückte mich fest an sich. Na warte, dachte ich. Wollen doch mal sehen, wer hier stärker ist. Und dann begann er, der Ringkampf zwischen Thetis und Peleus, von dem die Dichter noch tausend Jahre später singen sollten. Dabei ist das meiste von dem, was die Dichter über diesen Kampf geschrieben haben, frei erfunden. Es war ja keiner von ihnen dabei. Ich werde dir erzählen, wie es wirklich war, aber in aller Kürze. Der Kampf dauerte nämlich Stunden, und es wäre doch etwas langweilig, wenn ich dir jeden Trick, jeden Schlag und jede Kopfnuss ausführlich beschreiben würde.

Zuerst versuchte ich, mich Peleus’ Klammergriff zu entwinden. Aber das gelang mir nicht! Er war echt stark. Wahrscheinlich, weil sein Großvater Zeus war. Also biss ich ihm in die Nase. Peleus schrie laut auf, ließ aber nicht locker. Ich trat ihm gegen das Schienbein, aber das tat eher mir weh, weil ich ja barfuß war. Wir plumpsten in den Sand und wälzten und kloppten uns da eine ganze Zeit lang herum. Ich bin echt froh, dass niemand uns dabei beobachtete, das muss ein reichlich unwürdiges Schauspiel gewesen sein. Ich verpasste Peleus so manche Backpfeife, so manchen Tritt in alle möglichen Körperteile, kniff ihm in die Oberarme, zog ihm an den Haaren, biss ihm in die Finger und pikte ihm in die Augen – aber der Kerl ließ einfach nicht locker, obwohl er inzwischen ganz schön zerfleddert aussah. Irgendwann wurde mir das Gekloppe zu bunt. Dann eben die große Keule, dachte ich.

Wir Nerëiden können uns ja in verschiedene Gestalten verwandeln, das weißt du vielleicht. Und zu diesem Göttertrick griff ich jetzt, nachdem wir eine ganze Weile im warmen Sand miteinander gerungen hatten.

Zuerst verwandelte ich mich in einen großen Tintenfisch. Ich umschlang Peleus mit meinen acht Armen, spritzte ihn voll schwarzer Tinte, doch der dreiste Kerl ließ einfach nicht locker. Zack, schon hatte ich mich in eine Löwin verwandelt. Doch da umschlang mich Peleus nur noch fester, sodass ich ihn zwar kräftig kratzen, aber leider nur ein bisschen beißen konnte. Auch als Schlange, als Wildschwein und als Bärin kam ich nicht weiter, auch nicht als Krokodil, als Nilpferd und als Elefant. Ich wurde allmählich müde und meine Kräfte schwanden. Peleus klammerte und drückte und presste mich weiter an sich, als sei er der starke Herakles persönlich.

Schließlich verwandelte ich mich in ein prasselndes Feuer. Das müsste ihn doch endlich verjagen, dachte ich. Aber nein! Keine Ahnung, wie er das angestellt hat, doch er verbrannte nicht. Nur seine Haare waren an ein, zwei Stellen etwas angekokelt. Wie war das möglich? Peleus hielt mich mit beiden Armen fest umschlungen und ließ einfach nicht los. Hier hatte doch Zeus seine Finger im Spiel. Dann blieb mir nur noch eins. Ich verwandelte mich in Wasser und wollte ins Meer fließen. Aber auch so entkam ich ihm nicht. Unglaublich! Peleus warf sich auf mich und hielt mich fest. Er hatte wirklich göttliche Kräfte.

Okay, du ahnst schon, worauf das Ganze hinauslief: Ich musste aufgeben. Ich verwandelte mich zurück in meine wahre Gestalt, warf mich erschöpft in den Sand und atmete schwer. Wie war das nur möglich? Der Kerl hatte mich besiegt. Mich, die Göttin Thetis!

»So, jetzt können wir heiraten«, sagte Peleus. Er kniete schnaufend neben mir im Sand. Oh weia, der sah wirklich total ramponiert aus. Völlig zerkratzt, zerbissen und verbeult. Seine Unterlippe war dick geschwollen, aus seiner Nase lief Blut.

»Bist du bekloppt?«, fragte ich und richtete mich mühsam auf. »Mein Kleid ist völlig zerrissen. So kann ich doch nicht heiraten. Wenn ich schon heirate, dann soll das ein riesiges Fest werden. Ich möchte eine wunderschöne Braut sein, die alle überstrahlt. Alle Göttinnen und Götter sollen eingeladen werden.«

Peleus lächelte mich an. Das sah komisch aus, weil ihm zwei Zähne fehlten und sein Gesicht grün und blau war. »Heißt das, du sagst Ja?«

»Was bleibt mir denn anderes übrig?«, murmelte ich. »Zeus, Poseidon und mein eigener Vater haben es so beschlossen. Und du hast mich im Ringkampf besiegt. Ich hatte ja gesagt, dass ich dann… Also, dass ich dann nicht mehr Nein sagen würde.«

Da fiel Peleus mir um den Hals und drückte mich fest an sich. Diesmal wehrte ich mich nicht. Eigentlich war er ja ein anständiger Kerl. Und ziemlich stark. Dummerweise leider ein Mensch, aber damit musste ich mich wohl abfinden.

Ja, so lernte ich meinen Ehemann kennen. Bei einer heftigen Klopperei an einem griechischen Strand. Später verriet er mir den Tipp, den ihm der Meeresalte gegeben hatte: »Festhalten«, hatte Proteus ihm geraten. »Du musst sie einfach nur festhalten. Lass sie auf keinen Fall los. Irgendwann wird sie ermüden und aufgeben. Und schicke vor dem Kampf ein Gebet zu deinem Großvater Zeus, damit er dir göttliche Kräfte verleiht. Dann sollte es klappen.«

Wir beide brauchten einen ganzen Monat, bis wir einigermaßen wiederhergestellt waren. Peleus ließ sich vom Heilgott Apollon sogar die ausgeschlagenen Zähne wieder einsetzen. In dieser Zeit bereiteten wir eifrig unser Hochzeitsfest vor. Das sollte eine richtig große Party werden, an die sich alle Gäste noch lange erinnern würden. Mein Wunsch ging in Erfüllung. Doch leider aus anderen Gründen, als ich es erhofft hatte.

Zunächst verlief alles nach Plan. Peleus hatte sein Haus (ein Palast war das wirklich nicht, in dem er wohnte) von seinen Sklaven prächtig herausputzen lassen. Der Marmorfußboden im Festsaal war frisch gewienert, die Wände mit bunten Wandteppichen herrlich geschmückt. Überall standen goldene und silberne Kerzenleuchter. Und überall hingen duftende Blumenkränze, die der Kentaur Cheiron, ein weiser Pferdemann, uns zur Hochzeit geschenkt hatte. Am Nachmittag waren Menschen aus Thessalien hier gewesen und hatten ihrem König und ihrer neuen Königin zur Hochzeit gratuliert. Du kannst dir vielleicht vorstellen, wie die mich angestarrt haben. Kaum einer von ihnen hatte zuvor mit eigenen Augen eine Göttin gesehen. Und diese Göttin sollte nun ihre Königin werden.

Am Abend mussten die Menschen den Festsaal wieder verlassen. Denn zur eigentlichen Feier waren nur Götter zugelassen. Darauf hatte ich bestanden. Ich hatte eine mächtig lange Gästeliste angelegt, auf der sich alle Göttinnen und Götter befanden, die ich kannte. Und auch einige, die ich noch nicht kannte, die ich aber gerne kennenlernen wollte. Natürlich waren auch meine Eltern Doris und Nereus eingeladen, ebenso meine 49 Schwestern. Aber eine Göttin, eine einzige Göttin hatte ich nicht eingeladen: Eris, die Göttin des Streits.

Du kannst bestimmt verstehen, warum ich Eris nicht auf meiner Hochzeitsfeier haben wollte. Überall nämlich, wo diese Dame auftaucht, gibt es Zoff, aber so richtig. Da wird dann geschimpft und geärgert, gemobbt und gelästert, gestritten, geflucht und manchmal auch gekloppt. Und von der Klopperei hatte ich seit dem Ringkampf am Strand erst einmal genug, das kannst du mir glauben.

Eris wird eigentlich nie zu irgendeiner Götterparty eingeladen, daran hatte sie sich schon gewöhnt. Aber bei unserer Hochzeit wäre sie wohl wirklich gerne dabei gewesen. Sie muss richtig sauer geworden sein, als sie von dem Fest hörte und keine Einladung erhielt. So sauer, dass sie sich an Peleus und mir rächen und uns unsere Hochzeitsfeier verderben wollte.

Wie sie das angestellt hat, obwohl sie doch gar nicht eingeladen war? Sie hat zu Hause etwas herumgebastelt und einen Apfel aus purem Gold hergestellt, auf dem sie in großen Buchstaben FÜRDIESCHÖNSTE geritzt hat. Daran ist ja nichts auszusetzen. Aber dann ist diese durchtriebene Ziege heimlich nach Phthia gekommen, hat sich zu unserem Haus geschlichen, unter ein Fenster des Festsaals gestellt und diesen goldenen Apfel in den Saal geworfen. Da waren wir gerade so richtig schön am Feiern. Die Tanzfläche war proppenvoll. Fast alle Göttinnen und Götter tummelten sich da und rockten so richtig ab. Die neun Musen machten Musik auf einer Bühne an der Stirnseite des Saals. Apollon stand mitten unter ihnen und sang mit einer Stimme, die einem eine prickelnde Gänsehaut über den Rücken jagte. Er ist ja nicht nur der Gott der Heilkunst, sondern auch der Gott der Musik. Wir waren alle bester Laune, tanzten, lachten und hüpften aufgekratzt durch den Saal. Apollon und die Musen gaben ihr Bestes und schmetterten einen Gassenhauer nach dem anderen, da kullerte plötzlich dieser goldenen Apfel vor unsere Füße.

Ich weiß nicht, welcher Gott ihn zuerst bemerkte. Bestimmt nicht Dionysos, der Weingott, der war schon viel zu betrunken und torkelte mit glasigen Augen durch die Gegend. Irgendwann sah ich, dass Hermes den Apfel in die Höhe reckte und mit lauter Stimme um Ruhe bat.

»Schaut mal hier«, rief er in die Runde. »Der lag auf dem Boden. Den muss jemand verloren haben.«

Apollon hörte auf zu singen, die Musen stellten ihre Instrumente ab. Alle Gäste versammelten sich um den aufgeregten Hermes.

»So ein schöner Apfel«, sagte er. »Er ist aus purem Gold.«

»Da steht was drauf«, rief Hephaistos, der Gott der Handwerkskunst. Er kannte sich mit solchen Arbeiten natürlich aus.

Hermes betrachtete den Apfel genauer und las dann laut vor: »FÜRDIESCHÖNSTE!«

Schlagartig wurde es totenstill im Saal. Hermes schaute überrascht in die Runde. Die Götter winkten desinteressiert ab und gingen zur Bar, wo Dionysos sich schon wieder einen Wein eingegossen hatte. Doch die Göttinnen drängelten sich dicht um Hermes. Ich glaube, es war Hera, die Götterkönigin, die als Erste rief:

»Der gehört mir!«

Alle schauten sie verwundert an. Dann rief Amphitrite, meine frisch verheiratete Schwester:

»Quatsch! Das ist meiner!«

»Dumme Seekuh!«, fauchte Athene sie an. »Der Apfel steht mir zu, daran gibt es gar keinen Zweifel.«

»Du bist hier die dumme Kuh!«, keifte Aphrodite, die Liebesgöttin. »Wer ist die Göttin der Schönheit, hä? Ich, das weiß doch jeder. Also ist das mein Apfel.«

»Du bist eine eingebildete Pute«, rief Demeter, die Göttin der Natur, quer durch den Saal. »Schönheit kommt von innen. Also gehört der goldene Apfel mir.«

So, an dieser Stelle unterbreche ich meine Schilderung. All die bösen Worte, die danach noch durch unseren Festsaal geschleudert wurden, mag ich dir nicht aufschreiben. Das wäre doch reichlich peinlich für uns Göttinnen. Ich hielt mich aus diesem Streit heraus, versuchte vielmehr, die anderen Göttinnen zu beruhigen. Aber die ließen sich überhaupt nicht beruhigen. Das Ganze artete zu einer richtigen Schlägerei aus. Ja, ehrlich. Mitten auf der Tanzfläche prügelten sich sechs oder sieben Göttinnen, rissen sich die Haare aus, kniffen und boxten sich, weil jede von ihnen meinte, der Apfel stehe nur ihr zu. Danke, Mädels! Das hier ist meine Hochzeit. Könnt ihr vielleicht mal etwas Rücksicht nehmen und euch zusammenreißen? Bei allen Flüssen der Unterwelt, war das peinlich! Und ärgerlich! Die kloppenden Damen ruinierten gerade mein schönes Hochzeitsfest.

Peleus stand neben mir und versuchte, die Gemüter zu beruhigen. Aber auf ihn hörte natürlich keiner, er war ja nur ein Mensch. Er schaute mich verzweifelt an. Dass die fiese Eris hinter der Prügelei steckte, wusste ich in diesem Moment ja nicht. Ich war kurz davor, heulend aus dem Saal zu laufen, da kam Zeus von der Bar herübergeschlendert, einen Becher Nektar in der Hand.

»Jetzt reicht’s, Mädels!«, rief er mit seiner Donnerstimme. Alle zuckten zusammen, auch die Göttinnen, die sich immer noch um den Apfel in den Haaren lagen. Es waren nur noch drei, die anderen hatten sich mit blauen Augen und ausgerissenen Haaren inzwischen maulig zurückgezogen. Übrig waren noch Hera, Zeus’ Ehefrau und Schwester, seine Tochter Athene und die eingebildete Aphrodite. Hera hielt den goldenen Apfel in den Händen, die beiden anderen schauten sie wütend an.

»Er gehört mir!«, schrie Aphrodite mit schriller Stimme.

»Nein, mir!«, keifte Athene.

»Mir, mir, nur mir!«, schnaufte Hera.

Zeus warf seine Stirn in Falten. Ihm war anzusehen, dass er krampfhaft überlegte, wie er die verfahrene Situation lösen könnte. Er trank noch einen Schluck Nektar, reichte den Becher dann Hermes und sagte: »So geht das nicht weiter. Ihr ruiniert ja dieses schöne Fest. Ihr reißt euch jetzt zusammen, schminkt euch die Kratzer und die blauen Flecken weg und feiert fröhlich weiter. Mir zuliebe. Und der Braut und dem Bräutigam zuliebe. Habt ihr das alle verstanden?«

»Ja, Papa«, murmelten die meisten Göttinnen im Saal. Sehr viele von ihnen waren ja tatsächlich Zeus’ Kinder.

»Stellt euch vor, hier wären Menschen«, sprach Zeus weiter. »Was sollten die von uns Göttern denken? Vor allem von euch Göttinnen. Das wäre doch allzu peinlich, nicht wahr? Peleus, du erzählst nichts weiter!«

Mein Ehemann nickte.

»Aber wer soll den Apfel bekommen?«, fragte Hera, die ihn immer noch in den Händen hielt. »Das musst du entscheiden, Zeus.«

Der Göttervater strich sich über seinen grauen Bart. »Das könnte ich natürlich tun«, sagte er. »Aber ich denke, ich sollte mir in dieser Angelegenheit nicht die Finger verbrennen. Zwei von drei Göttinnen wären mächtig sauer auf mich, egal, für wen ich mich entscheide. Nein, nein, Zwietracht unter Göttern ist nicht gut. Ein Mensch soll diese Geschichte entscheiden. Ich weiß auch schon, wer.«

»Wer? Wer?«, fragte Aphrodite interessiert.

»Er heißt Paris«, sagte Zeus. »Paris ist ein Prinz aus Troja, ein Sohn von König Priamos und Königin Hekabe. Er kennt sich mit Frauen gut aus, heißt es. Er soll schon die ein oder andere schöne Freundin gehabt haben. Zu dem geht ihr drei, gleich morgen früh. Hermes wird euch zu Paris führen. Ihr nehmt den Apfel mit, schildert euer Problem, und Paris mag dann entscheiden, wem der Apfel zusteht. Irgendwelche Einwände?«

Die drei Göttinnen schüttelten den Kopf.

»Du wirst den Apfel bis dahin an dich nehmen, Hermes«, sagte Zeus zu seinem Boten, »und gut auf ihn aufpassen. Nicht dass er dir heute Nacht gestohlen wird! Von wem auch immer.«

»Wird gemacht, Papa«, sagte Hermes und ließ sich von Hera den Zankapfel geben. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie ihn nicht gern aus der Hand gab.

Zum Glück beruhigten sich nach diesem Vorfall alle Gäste schnell. Apollon und die Musen begannen wieder zu spielen, die zerkratzten Gesichter und die zerrissenen Kleider wurden mit ein paar göttlichen Tricks schnell wiederhergestellt. Unser Fest ging dann bis in die frühen Morgenstunden. Dionysos war natürlich der Letzte, der den Saal verließ, er musste von Ares und Hephaistos gestützt werden.