Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes - Martin Wimmer - E-Book

Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes E-Book

Martin Wimmer

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Beschreibung

Zwischen den amerikanischen Südstaaten und dem heimatlichen Bayern bewegt sich Martin Wimmer in seinem akrobatischen Text, der uns bisher ungeahnte deutsch-amerikanische Verflechtungen vor Augen führt. Eine wilde sprachspielerische Reise vom Inn und vom Siegestor nach Luckenbach, Texas und an den Golf von Mexico. Den Insider wird besonders faszinieren, wie Wimmer die Wurzeln der US-Songwriter bei Goethe oder Hoffmann von Fallersleben aufdeckt und auf einer akribischen Spurensuche die Wirkungsgeschichte von Blues, Folk, Country und Americana nachzeichnet: Ob bei Rolf Dieter Brinkmann oder Roberto Blanco, bei Michael Köhlmeier oder dem Technoclub Robert Johnson. Für den Neueinsteiger ist das Buch eine gut geschriebene Einführung. Für alle, die sonst Vinyl sammeln oder die Muh, die No Depression oder die Akzente lesen.

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weissbooks.w

Impressum

Martin Wimmer

Ich bin der neue Hilmar und trauriger als Townes

© Weissbooks GMBH Frankfurt am Main 2016

Alle Rechte vorbehalten

Konzept Design

Gottschalk + Ash Int’l

Satz

Publikations Atelier, Dreieich

Umschlaggestaltung

Julia Borgwardt, borgwardt design

Foto Martin Wimmer

© Michaela Bilobrk

Erste Auflage 2016

ISBN 978-3-86337-130-2

Dieses Buch ist auch als Printversion erhältlich

ISBN 978-3-86337-108-1

deinlandmeinland.com

townes.org

weissbooks.com

Martin Wimmer

Ich bin der neue Hilmar

und trauriger als Townes

Ich bin der neue Hilmarund trauriger als Townes

Inhalt

Dérive

Scribe et labora, I von III

Das Bohrloch

Wo Matrosen an Land gehen, warten die Huren

Famous last words of a fool in love, 31. Dezember 2012

I’m going where there’s no depression

DJ Borderlord

Looking for some tush

Reunion

Along came Kinky

Druck erzeugt Gegendruck. Ein Besuch beim 30jährigen Jubiläum des Kerrville Folk Festivals in Texas

That’ll be the day

Taranaki is the Texas of New Zealand

Famous last words of a fool in love, 31. Dezember 2015

Das Wesentliche

This land is your land

Beaumont’s full of penguins

Scribe et labora, II von III

Der Werlte lôn ist jâmers vol

Famous last words of a fool in love, 31. Dezember 2013

Da musste sie in die rotglühenden Schuhe treten

The smaller the club, the bigger the party

Traurig und schee

Die Liebe ist ein Wildwestfilm

Fußball ist unser Leben

A walkin’ contradiction, partly truth and partly fiction

Die alte schwarze Magie. Zum 100. Geburtstag von Johnny Mercer

Marfa Lights

Famous last words of a fool in love, 31. Dezember 2014

Baba und foi ned

Scribe et labora, III von III

The man in red

Dérive

»Die kapitalisierte Zeit stand still. Ohne Zug, ohne Metro, ohne Auto, ohne Arbeit holten die Streikenden die Zeit nach, die sie auf so triste Weise in den Fabriken, auf den Straßen, vor dem Fernseher verloren hatten. Man bummelte herum, man träumte, man lernte zu leben«, sagt René Viénet.

Und wer sagt: »Ich bin der neue Hilmar Hoffmann und ich schreibe traurigere Song Lyrics als Townes Van Zandt«? Mein kulturpolitisches Programm ist, dass jeder Mensch imstande ist, ein Buch wie dieses hier zu verfassen. Dass jeder Mensch die Bildung dazu erhält, die freie Zeit, die finanziellen Mittel, die technische Ausrüstung, das Netzwerk an Freunden, die ästhetischen Erfahrungen in allen Bereichen der Kunst, die Freiheit, in Raum und Zeit zu reisen, dass die allgemeine Anarchie es zulässt, im öffentlichen Diskurs private Leidenschaft zu pflegen. Jeder Mensch, Kultur von allen, darunter mache ich es nicht. Bummeln, träumen, lernen, leben, lieben.

Für euch, die ihr begeistert seid von den Geschichten, die sich in der Bohème von Schwabing und im Quartier Latin, in Haight-Ashbury und Greenwich Village, in Soho und Kreuzberg abspielten, wenn ihr Worte liebt und den Tanz, den Rausch und die Liebe, dann müsst ihr euch mit Luckenbach, Texas beschäftigen.

»Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / durch des Frühlings holden, belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück / The Winter old and weak ascends, back to the rugged mountain slope / Thunder on the mountain, rollin’ like a drum / Gonna sleep over there, that’s where the music’s coming from / I don’t need any guide, I already know the way / Oh, help me in my weakness, I heard the drifter say.«

To drift? Dérive? In Frankfurt wird nicht abgeschwiffen. Ostern geht man spazieren. Tarzan flaniert am Main. In der zweiten Ausgabe der Zeitschrift der Situationistischen Internationale, einer künstlerischen Bewegung der 60er, die dem Ausgeliefertsein an das Spektakel der kapitalistischen Gesellschaft die Herstellung einer wahrnehmungsintensiven Situation als ästhetisches Konzept gegenüberstellt und der auch René Viénet angehörte, schrieb dagegen deren Vordenker Guy Debord 1958: »Eine der wichtigsten situationistischen Praktiken ist das dérive, das Umherschweifen, eine Technik des schnellen Durchlaufens abwechslungsreicher Umgebungen. Umherschweifen bedeutet, sich spielerischkonstruktiv zu verhalten und sich die psychogeographischen Wirkungen zu vergegenwärtigen.« Das werden wir mit Landschaften aus Text und Musik und Film und Kunst und Politik und Liebe versuchen.

Dem dérive verwandt sind in der europäischen wie amerikanischen Folkmusik die Figuren des drivens und des driftens. Der fahrende Sänger, der Troubadour, der Vagant, der lachende Vagabund, der Tramp, der Hobo. Der Fahrtwind weht uns ins Gesicht: »On the road again«, »Ridin’ on the City of New Orleans«, »Hank Williams pain songs and Jerry Jeff train songs«.

Ein Bandit ist immer in Bewegung. Er reitet. Er schleicht. Er ramblet und gamblet. Banditen leben draußen. Im Walde von Toulouse. Im Llano estacado. Rebellen müssen sich verstecken, hangeln sich bei Verbündeten und Eingeweihten und Fans durch. Der bayrische Wilderer Jennerwein, ein Schütz in seinen besten Jahren, hangelt sich von Alm zu Alm durch: Auf den Bergen ist die Freiheit, auf den Bergen ist es schön. Jenny schart Piraten um sich von einem Schiff mit acht Segeln. Brechts Hannah Cash, Johnnys Rosanne Cash und die Caroline aus Tecumseh Valley, alles eine Mischpoke. Robin Hood hatte den dicken John. Und Willie Nelson den Waylon Jennings. Oder sie organisieren sich gleich eine Bande. Oder eine Band. Ihr Zuhause ist der Wald, der Pfad. Im Tourbus sind sie unterwegs, lagern auf Lichtungen. Outlaws leben außerhalb des Gesetzes. Highwaymen folgen nicht den Gesetzen von Nashville. Banditen leben draußen, raumgreifend unter weitem, offenen Himmel. Sie wollen sichtbar werden, brauchen eine Plattform, die Bühne und Zuschauer. Revoluzzer müssen Taten vollbringen. Postkutschen überfallen. Solos gniedeln. Sie sind Tatmenschen. Sie suchen den Marktplatz, retten mit einem geglückten Schuss durch das Seil in letzter Sekunde ihren Kumpan vom Galgen. Flageolett!

Getrieben werden ist das Gegenteil von etwas in Bewegung setzen. Ich habe in meinem Leben nichts erreicht. Keinen Samen gesät. Keinen Baum gepflanzt. Keine Schule begründet. Kein Haus gebaut. Kein Vermögen angesammelt. Kein Kind gezeugt. Ich war niemandem ein Vorbild. Der kulturelle Fußabdruck meines Lebens geht voll in Ordnung: »When I leave I’m leavin’ nothin’ behind«, singt Jerry Jeff Walker in »Hill Country Rain«, seinem definitivem Statement zum texanischen Lebensgefühl. »I get a feelin’, somethin’ that I can’t explain, it’s like dancin’ naked in that high Hill Country Rain.«

Wim Wenders hat »Paris, Texas« im Kino ein Denkmal errichtet und das »Dallas« der Ewings wurde zur TV-Ikone. Die Geburtsstunde der alternativen Countrymusik schlägt jedoch in einem Zwei-Einwohner-Kaff, gegründet 1849 von der deutschen Pfarrerstochter Minna Engle und benannt nach ihrem Mann Albert Luckenbach. Waylon Jennings brachte mit seinem gleichnamigen Lied das deutsche Dorf auf Nummer Eins der amerikanischen Hitparade: »Let’s go to Luckenbach, Texas, with Willie and Waylon and the boys / This successful life we’re livin’ got us feuding like the Hatfields and McCoys / Between Hank Williams pain songs and Jerry Jeff’s train songs and Blue eyes cryin’ in the rain / Out in Luckenbach, Texas ain’t nobody feelin’ no pain.«

1971 kauften der Poet Hondo Crouch und seine deutschstämmige Frau Shatzie den Ort und machten die drei Holzhütten zum Mekka der musikalischen Außenseiter und Späthippies. In einem alten Schuppen wurde dem polierten Nashville-Schlager mit Marihuana und freier Liebe zu Leibe gerückt. Unabhängig von den großen Plattenkonzernen entstanden mit mobilen Aufnahmegeräten am Lagerfeuer so die ersten selbstgefrickelten Home Recordings.

Der wahltexanische Liedermacher Jerry Jeff Walker aus New York erfand hier eine Ausdrucksform, die sich zum Hitparaden-Country aus Nashville ungefähr so verhielt wie die Biermösl Blasn zum Musikantenstadl. Für den Laien klang das oberflächlich erst mal ähnlich. Aber dann fiel auch dem Rockpublikum auf, dass Walkers tiefsinnige Texte und die feinfühlige Steel-Guitar von Lloyd Maines jeden Kitsch vermieden und das Genre neu belebten. Papa Maines vererbte das Talent an seine Tochter Natalie weiter: Dreißig Jahre später machte sie als Sängerin der Dixie Chicks Furore. Kürzlich wurden sie mit fünf Grammys geadelt. Warnung: Ihr »An Evening with the Dixie Chicks« kann selbst Hartgesottenen den Tanzwolf in die Beine und die Tränen in die Augen treiben.

»Blue eyes cryin’ in the rain« ist ein Lied von Fred Rose, das schon Hank Williams interpretiert und Willie Nelson bekannt gemacht hat. Es ist das letzte Lied, das Elvis vor seinem Tod gesungen hat. Was hätte ein großer Musiker jetzt an deiner Stelle gemacht? Nach diesem Muster sind zwei höchst amüsante Songs gebaut: »What would Willie do?« vom Texaner Bruce Robison. Und der texanische Songwriter Robert Earl Keen hat eine brillante Version von »Are You Sure Hank Done It This Way?« aufgenommen, einem Song von Waylon Jennings, der 1976 zusammen mit Willie Nelson eine LP mit dem Titel »Wanted: The Outlaws« veröffentlichte, die als erste Country-Schallplatte überhaupt mit Platin für mehr als 1 Million verkaufter Exemplare ausgezeichnet wurde. Schallplatten damals bestanden aus Vinyl, auch bekannt als PVC, ein Kunststoff, der durch Polymerisation aus Erdöl und Salz gewonnen wird.

Gut erhaltenes Vinyl aufzuspüren, das ist dem Plattensammler Aufgabe und Freude. Während meines Zivildienstes in der Gärtnerei einer Behindertenwerkstätte hat unser Koch mich ein paar Mal mitgenommen zu einem Treffen seiner Blues-Freunde. Ich erinnere mich an vier ältere Herren in gemusterten Pullovern, eine Wohnung in Haar, Glühbirnen an der Decke, karge Möbel und 50 000 LPs, hochgeschichtet an allen Wänden der Wohnung inkl. dem Zimmer, das anderswo eine Küche geworden wäre. Angeblich auch im Schlafzimmer, das ich als Novize nicht betreten durfte, da dort die Raritäten standen. Ab und an zauberte der Gastgeber, ein Siemens-Ingenieur, eine Scheibe dort raus, zelebrierte sie auf den Plattenspieler, und alle, der Zivi, der Koch mit dem Sprachfehler, sein schmuddeliger Bruder, der verkrümmte Radioredakteur, lauschten Uraltem, Obskurem, Abgefahrenem, Grandiosem.

Dann der Initiationsritus. Wie reagiert der Grünschnabel auf diesen texanischen Verrückten, der Countrylieder aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu Synthesizerklängen – jodelt? Randy Erwin jodelte mir dort das erste Mal den »Lovesick Blues« um die Ohren. Kann sich jemand vorstellen, welches Glücksgefühl mich Jahre später durchzuckte, als die Scheibe bei einem Plattenladen in der Münchner Türkenstraße für 1.99 Mark rumstand? Ich habe vor lauter Übermut gleich drei Stück davon gekauft.

Randy Erwin machte vor einigen Jahren noch mal von sich reden, indem er einen Song in einem Disney-Blockbuster unterbrachte. »Home On The Range«, deutsch »Die Kühe sind los«. Da bei den Synchronisationen niemand (außer vielleicht in Deutschland) Randys Rolle jodeln konnte, hat er in 42 Sprachversionen seinen Part selbst eingejodelt. 42 Mal dieselbe Nummer jodeln, das hat mich begeistert, und ich habe angefangen, mich für das Jodeln zu interessieren. Ich lege euch jetzt allerdings nicht eine Auswahl von Webseiten vor, die ich bei meinen Recherchen gefunden habe, weise aber stolz darauf hin, dass ich auf myspace.com einer von 16 Freunden war, zu denen es Randy Erwin gebracht hat.

Scribe et labora, I von III

KAMMERERRUMBACHSAGERSPITZENBERGERMÜLLERWIMMER, Martin. Fest steht, so zumindest die Familienerzählung: Ein Kammerer heiratete in einer Donauschwaben-Enklave an der jugoslawisch-ungarischen Grenze eine Rumbach und zeugte eine neue Kammerer. Eine geborene Müller, geschiedene Spitzenberger aus einer Sudeten-Enklave im Böhmerwald, gebar dort einem noch vor der Geburt seines Sohnes verstorbenen Sager einen neuen Müller. Die aus dem späteren Serbien vertriebene Kammerer heiratete den aus dem heutigen Tschechien vertriebenen Müller, ihr in der neuen Heimat Bayern geborener deutscher Müller aus Ampfing eine Wimmer aus Pfaffenhofen, und so heiße ich heute Wimmer Martin und weiß nicht, wer ich bin.

Von allen Verwandten, die ich überschauen kann, hat nur eine Tante an einer Universität studiert, eine Lehrerin an einer Klosterrealschule. Mein Großvater mütterlicherseits war im KZ, allerdings auf der falschen Seite, und hat die Tante nach dem Krieg ins Kloster erzogen. Braune Vergangenheit. Weiße Weste. Ihr Leben war es, sich unter Selbstanwendung von weltlicher Psychologie aus diesem Familienschlamassel wieder zu exorzieren. Vor dem Essen wurde gebetet, und nie wurde dabei mit einem Gott gesprochen, vor jedem Gulasch wurde die Mauthausener Blutarbeit des in die SS geratenen Maurers ohne Schulbildung totgeschwiegen. Ansonsten sind da: Bauarbeiter, Näherinnen, Installateure, Friseusen, Zugführer, einfache Leute allesamt. Ich bin einer von ihnen. Ich bin der gebildete Installateur, der intellektuelle Bauarbeiter, die kosmopolitische Friseuse, der akademische Zugführer, die belesene Näherin. Ich war im KZ und ich war im Kloster.

Ich bin eine Krankenschwester und ein Vertreter für Elektrogeräte. Rasierer und Kühlschränke, Stereoanlagen und Lichtschalter: Braun und Bosch, Schneider und Busch-Jaeger hieß das bei uns daheim. Weiße Ware. Braune Ware. Innovation und Qualität. Schwitters und Foucault heißt das bei mir, Haas und Weinberger. Damit handle ich in meinen Texten. Ich sterilisiere an der Semantik und operiere an der Syntax und im schlimmsten Fall anästhesiere ich die Rezipienten. In der Nachtschicht kommen die besonders zermanschten Satzglieder. Tupfer bitte. Ich ästhetisiere.

Das Bohrloch

Weiße Körner. Mühldorf ist Salzstadt, nah bei Salzburg am alten Salztransportweg zwischen den Alpen und den Meeren. Der Inn schäumt, die Stadttore sind Salz- und Pfefferstreuer. Als ich in den 70ern in Mettenheim und später in den 80ern in Ampfing aufwuchs, prägte die Förderung von schwarzem Schleim den Anblick. Auf und ab gingen die Pumpen, grüne Ungetüme in den Feldern. Und wenn wir mit dem Schlauchboot den Inn runter fuhren, war der aufregendste Moment immer der Inn-Düker, eine Pipeline, früher Öl, später Erdgas, die mitten durch den Inn kreuzt. Eine Salz-Öl Kreuzung praktisch, und bei Kreuzung muss ich immer an eine andere Kreuzung denken:

Die crossroads der Highways US 61 und US 49 in Clarksdale, Mississippi, an der ein junger Afroamerikaner namens Robert Johnson seine Seele an den Teufel verkaufte, um den Blues spielen zu lernen. Eine herrliche schwarze frühe-20.-Jahrhundert-Version des Faust-Paktes, wie ihn der Brandner Kaspar dann mit dem Boandlkramer schloss. Johnson erobert nicht Gretchen, eine Gitarre wird seine Braut. Und nicht die Philosophie studiert er, nicht Juristerei und Medizin, mit Musik dringt er vor in die Welt der ökonomischen Elite, des blauen Blutes. Die blauen Noten adeln den Schwarzen zum Weißen. Die Farblehre der Musik folgt anderen Gesetzen als die der Malerei. Schwarz und Blau ergibt Weiß. Von Robert Johnson gibt es nur fünf historisch verbürgte, dokumentierte Fakten: das sind seine Aufnahmesessions, drei 1936 in San Antonio, Texas, zwei 1937 in Dallas, Texas. Robert Johnson hat auf seiner offiziellen MySpace-Seite 7 198 und auf der inoffiziellen 14 087 Freunde, was insofern erstaunlich ist, als Johnson seit 1938 tot ist. Was jetzt Randy nicht abwerten soll. Einer der bekanntesten deutschen Techno-Clubs ist nach Robert Johnson benannt. Die Facebookseite des Clubs in Offenbach hat 11 016 Mitglieder, die vom Blueser 488 983.

Weiß, körnig ist Salz. Nicht zu unterscheiden von Zucker, außer du leckst daran. Ein bisschen auf die Fingerspitzen, eine Zungenspitze, die feinste Nuance zieht durch die Nervenbahnen und weckt Erinnerungen an Austern oder Pralinen. Schwarz, schmierig und stinkig ist Erdöl. Daran macht sich kein Reicher die Nase dreckig. Sie suchen nach dem gelobten Land, oben in den Bergen, unter den Ozeanen, am Ammersee. Und so werden sie dann also wieder bohren bei uns, sie werden Löcher in die Kruste reißen und die Erde schänden und die Tiefe zur Ader lassen. Jetzt klinge ich schon wie der Alfons Irlmaier. Wenn wirklich mal was anbrennt, lassen wir einfach den Red Adair aus Houston einfliegen, und wenn es dann in Unterdeixelham wieder landschaftsästhetische Bedenken gibt, wandern wir halt zu Konny Reimann nach Texas aus.

Die Süddeutsche schreibt am 8.11.2007, dass die Konzerne wieder in Bayern nach Öl graben. Die Wintershall AG aus Kassel ist bereits fündig geworden und betreibt zwei Bohrstätten in Großaitingen bei Augsburg. Die österreichische OMV AG forscht in Zusammenarbeit mit Gaz de France und der tschechischen MND Exploration Ltd. zwischen Forggensee, Staffelsee und Starnberger See nach Öl. Parallel dazu prescht die Rohöl-Aufsuchungs AG (RAG) aus Wien zwischen Salzach und Inn vor. Die Bayrische Staatszeitung schreibt am 13.6.2008: »Die geologischen Verhältnisse in Bayern ähneln denen im Wiener Becken, dort existieren rund 2 000 Bohrlöcher in der Region.« Das sind doch Aussichten. Freuet euch, liebe Mühldorfer, 2 000 Bohrlöcher, Christkind kommt bald! Fortgeschritten Interessierte schauen sich am besten mal die Doku »The Oil Crash« von Basil Gelpke und Ray McCormack an.

»Oil, oil, there was oil to be found / Everywhere you put a boot, there was oil in the ground / Oil in the ground and oil in the mud / You pump long enough it gets in the blood.« Das schrieb der texanische Songwriter Sam Baker, den ich immer mit dem texanischen Songwriter Vince Bell verwechselte. Sie sind auch verwechslungsanfällig, denn Sam wurde bei einem Terroranschlag auf einen Zug nach Machu Picchu lebensgefährlich verletzt, trug Hirnschäden davon und musste mühsam wieder lernen Gitarre zu spielen, Vince wurde bei einem Autounfall lebensgefährlich verletzt, trug Hirnschäden davon und musste mühsam wieder lernen Gitarre zu spielen. Ihre Alben »Phoenix« und »Texas Plates« bzw. »Mercy« und »Pretty World« gehören aufgrund dieser Nahtod-Erfahrungen mit zum Besten, was Texas zu bieten hat. Oder wer kann etwas Deprimierenderes zu Papier bringen als Bell’s »Frankenstein«: »I got stitches all over my body / My feet are too big for my head / I don’t know why they put me here with the living / I sure wish that I was dead / They call me Frankenstein / It’s not even my name / I don’t know my own name / I don’t know what I’ve done / I don’t know where I’ve been / I told him Victor you’ve got to build me a woman / Who will see me for myself / It’s so lonely living here without someone to love / I got to look out for myself.«

Das Erdölzeitalter in Südbayern begann bereits 1883 am Tegernsee. Dort wurde zum ersten Mal eine Ölquelle angezapft, in den USA begann der Ölrush 1859. Es war ein ehemaliger Ingenieur der österreichisch-ungarischen Marine, der Texas zum Ölland machte: Antonio Francisco Luchich folgte dem Lockruf Amerikas und wurde Berater einer Salzmine in New Orleans. Bei Bohrungen seiner Gesellschaft nach Steinsalzvorkommen in Texas entdeckte Luchich, dass in Salzdomen oft Erdöl enthalten war. Am 10. Jänner 1901 machte er dann mit dem »Spindletop-Gusher« den mit Abstand größten Ölfund in den USA – ein heftiger Ausbruch, der pro Tag über 10 000 Tonnen Rohöl 100 m in die Luft jagte. Noch nie hatte die Welt Derartiges gesehen!

Der Rest ist Geschichte und führt direkt zu Larry Hagman und zur Southfork Ranch und wieder zurück zu uns. 100 m, das ist dreimal so hoch wie der Nagelschmiedturm, freuet euch, Mühldorfer, ein Spindletop-Gusher! Die Southfork Ranch befindet sich bekanntlich nicht in Dallas, sondern in Plano, Texas. Eines der populärsten Restaurants in Plano, Texas ist das Bavarian Inn. Neulich war dort »Weißer Spargel Fest«, die EM-Spiele liefen vormittags und die Alpenmusikanten spielten auf. Gern teilgenommen hätte ich an einem der Bavarian Bier seminars, zum Beispiel. »Bier 103 – Hops – Pils and Pilz. $ 29, 50. Travel from the North to the South and taste a variety of four different German Pilsner style Biers to appreciate the regional differences and enjoy some appetizers during an insightful Power Point Presentation. You will learn about hops, the main flavoring ingredient, during our virtual visit to the famous Hallertauer Hop fields in Bavaria.«

Pils und Pilze. In toga candida, keine Nacht kann ich schlafen, denn seitdem wir beide uns trafen, möcht ich immer nah bei dir sein. Ich sehe Larry Hagman, den Bösewicht der Nation, hag heißt ja Hexe, Hagman, den Hexenmann, nach seinen vier Bier auf einem Spargelbesen über Pfaffenhopfen schweben und Walpurgisnacht mit Miss Ellie in Zangberg feiern. Ich sehe Alois Irlmaier in Freilassing mit Sue Ellen tanzen und Pamela treibt’s hinter Vilsbiburg mit dem Mühlhiasl, bis Larry Hagman und Harald Schmidt nach dem Sinnflut in Erding mit dem Traumschiff auf dem Watzmann stranden. »Es lebe der Zentralfriedhof / und alle seine Toten«, ruft der Ambros vom Schicksalsberg dem Fredl Fesl zu: »Doch dann, gleich hinterm Waldfriedhof / da kommt ein Krankenhaus / das ist das Rechts der Isar / da kennst dich wieder aus.« Larry Hagman hat übrigens einen schwedischen Großvater.

Southfork. Der Süden der USA. Südbayern. Es lebe der Südfriedhof und alle seine Toten. Am Südfriedhof sind die Münchner Straßen begraben: Klenze und Schwanthaler und Trappentreu und Fraunhofer und Ainmiller. Am Südfriedhof gedenkt München der Sendlinger Mordweihnacht von 1705. Zehntausend bayrische Rebellen wurden von der Obrigkeit niedergemetzelt. Da ist noch eine Rechnung offen. Freuet euch also nicht zu früh, Wintershall und Rohölaufsuchungs-AG, uns ist kalt bis auf die Knochen, zieht euch warm an. Attac!

Sie lachen, aber vor 250 Millionen Jahren befand sich der Flecken Bayern, auf dem wir heute sitzen, in unmittelbarer Nähe zu Texas, tief unter dem Meer, etwa auf Höhe des Ararat, als der Urkontinent Pangäa sich in zwei Teile aufspaltete: Gondwana, das heutige Afrika, und den großen Rest, Laurasia. Knapp 100 Millionen Jahre später brach von Laurasia dann Nordamerika weg, Europa blieb übrig, der Watzmann schob sich hoch, Bad Reichenhall blieb unten, das Meer trocknete aus, und 1789 begann schließlich Benjamin Thompson aus Massachusetts, den Englischen Garten in München anzulegen. Thompson wurde später zum Graf von Rumford befördert. Und auch sein Grab – nein, ist in Paris.

Wichtig ist das aus zwei Gründen: Erstens, weil sich im Voralpenland unter dem Meer hunderte Meter Schichten von toten Lebewesen als Sedimente ablagerten, die unter Druck zu Öl wurden. Zweitens, weil im Voralpenland beim Austrocknen des Meeres Salz kristallisierte.

Erdöl ist ein Naturprodukt, natürlicher geht’s nicht. Und das Meerwasser natürlich auch. Öl und Meer, ei, das gibt eine Hochzeitsnacht! Im April 2010 verursachte BP die größte Umweltkatastrophe, die der Golf von Mexiko je erleben musste: die Ölpest in Folge der Explosion der Bohrplattform Deepwater Horizon.

Das Ölfest vor Louisiana ist ein wunderbarer Anlass, wieder mal in Richard Dobson’s »The Gulf Coast Boys« zu blättern. Der texanische Songwriter erzählt darin von seinen Abenteuern mit Townes auf der Straße der Musikanten und in seinem Geldverdienjob als Fischer und Ölbohrer im Golf von Mexiko. Beste Fundstelle im Kapitel »Dada Kontrol«: »I began to see a connection between country music and Dada.« Das ist mein Mann.

Öl. Salz. Gold. Hopfen. Herzen sind aus Gold, und Diamanten sind für immer, der bavarian hop ist hip in den USA und die Fasspreise geben sich nix, aber zurück zum Öl. Da muss ich als Ampfinger unser Wappen erwähnen und natürlich den berühmten Ritter Seyfried Schweppermann. Mühldorf, Ampfing, meinen jetzigen Wohnort Sachsenhausen und Arbeitsplatz Frankfurt verbindet ein legendäres geschichtliches Ereignis. 1314 kam es im Konflikt zwischen Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayern um die deutsche Königskrone zur Doppelwahl: Friedrich wurde hier in Sachsenhausen, Ludwig drüben in Frankfurt zum König gewählt, es entspann sich eine achtjährige Auseinandersetzung. Diese entschied sich 1322 bei der letzten Ritterschlacht ohne Schusswaffen auf deutschem Boden. Der Wittelsbacher Ludwig schlug seinen Habsburger Kontrahenten Friedrich vernichtend. Wo? Bei der sagenumwobenen Schlacht von Mühldorf auf den Ampfinger Wiesen.

In Ampfing ist man nicht nur stolz auf das ehrliche Ritterblut, mit dem die Erde getränkt ist, man ist auch stolz auf das Erdöl, das sich tief im Innern des Bodens fand. Deshalb beschloss der Gemeinderat 1979, dass Blut und Öl im Wappen der Gemeinde Ampfing versinnbildlicht werden sollten. Die Morgensterne stehen seither im Wappen für die Schlacht, der Bohrmeißel für die Ölfunde. Vielleicht wäre das ja eine Anregung der Sachsenhäuser für die Stadt Frankfurt, in ihrem Wappen ein Flugzeug zu integrieren. »Aba i, mach do need mit, iii ned!« sagt der Kollege Uwe Dick in »Der Öd«. »I bin, wer i bin und i bleib … wer i … I moan, rein philosophisch gsähng, saan mir ja olle, wia ma saan. Jaw-olle. Da is need oana, wiara ned is! Need oana vo dem Hauffa Boana. Koana ko aus: de Groußn need, wia de Kloana. Koana ko aus: Kini, Kaisa, Ölscheich oda Papst, – er kod ned aus.«

König, Kaiser, Ölscheich oder Papst. Neuschwanstein, Aachen, Mühldorf oder Marktl. Es gibt kein Entrinnen. Mühldorf hat 2002 seine 200 Jahre Unabhängigkeit von Salzburg gefeiert. Texas erklärte seine Unabhängigkeit von Mexiko am 2. März 1836. Der frühere Gouverneur des US-Staates Tennessee, Sam Houston, übernahm den Oberbefehl über die texanischen Truppen. Als der mexikanische General Santa Anna mit 7 000 Mann den Rio Grande überschritt, um den Aufstand niederzuschlagen, wurde Houstons vorläufiger Rückzug von einer heldenhaften Truppe mit nur ca. 200 Verteidigern im Kloster Alamo bei San Antonio gedeckt. Eine Art amerikanisches Sparta nahm seinen Lauf.

Die Anführer im Alamo waren unter anderem der Abenteurer Jim Bowie (der mit dem Messer) und der Kriegsheld Davy Crockett. Erst nach 13 Tagen verlustreicher Belagerung wurde das Alamo gestürmt, fast alle Verteidiger wurden getötet. Mit dem Schlachtruf »Remember the Alamo!« – Wanderer, kommst du nach Sparta – gewannen die Texaner unter Houston drei Wochen später die kriegsentscheidende Schlacht von San Jacinto. Texas blieb in der Folge einige Jahre unabhängige Republik und trat 1845 den USA bei. Jedem Mann ein Ei, nur der brave Davy Crockett bekommt zwei. David Bowie, der Musiker, hat sich nach Jim Bowie benannt, aber das nur nebenbei.

Den Grund, warum der mexikanische Präsident Santa Anna die Schlacht verloren haben soll, vermutet die Legende in Emily D. West. Sie war eine hübsche Afroamerikanerin, Spionin für die Texaner, und Santa Anna verbrachte die Schlacht seines Lebens gegen den Willen seiner Offiziere tatsächlich lieber mit ihr zwischen den Kissen. Ein Slang-Ausdruck für hellhäutige Schwarze war damals »Yellow«, und so wird Emily in dem Lied »The Yellow Rose Of Texas« bis heute besungen.

Whitney Houston (no relation) hatte 1992 einen Megawelthit mit »I Will Always Love You« aus dem Soundtrack zu »The Bodyguard«, mit Kevin Costner, der Meerwasserreinigungsanlagen entworfen und an BP verkauft hat. Was wenige wissen: Den Song hat Country-Ikone Dolly Parton geschrieben. Dolly hatte die Ballade sogar schon zweimal vorher zur Nummer Eins der Charts gemacht. Einmal die Originalversion 1974 und dann acht Jahre später noch einmal als Single-Auskopplung des Soundtracks zu »The Best Little Whorehouse in Texas«, in dem sie neben Burt Reynolds die Hauptrolle spielte. Das Coverfoto zu ihrem Album »Halos And Horns«, auf dem sie auch Led Zeppelin’s »Stairway To Heaven« covert, schoss Annie Leibowitz. Cisco Houston (no relation) ist ein wichtiger und heute fast vergessener Weggenosse Woody Guthries. Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Songwriter (der er nicht war) es gegenüber dem Singer sehr schwer hat, langfristige Popularität zu halten, selbst für jemand wie Cisco, dessen Einfluss als Performer wie auch der von Ramblin Jack Elliott auf die Arbeiterbewegung, die Folkszene und Dylan nicht zu unterschätzen ist.

Und zum Thema Houston hätte ich noch einen Tipp: Lesen Sie die Kurzgeschichte »Houston, Houston, bitte kommen« von James Tiptree Jr., erschienen beim Septime Verlag. Ein faszinierenderes Stück feministischer Literatur werden Sie so schnell nicht wieder in die Hände bekommen. Männer treffen im Weltall der Zukunft auf Frauen und es entspinnt sich folgendes Gespräch, das uns doch Hoffnung macht:

» ›Welche Arten von Liedern singen Sie?‹ ›Ach, alles Mögliche. Abenteuerlieder, Arbeitslieder, Schlaflieder, Wanderlieder, traurige Lieder, Problemlieder, lustige Lieder – alles.‹ ›Liebeslieder auch?‹, fragt er weiter. ›Gibt es das überhaupt noch, Liebe?‹ ›Natürlich, Menschen müssen doch lieben, oder?‹ «

»Are you ready to be heartbroken?«, fragt der Songwriter Lloyd Cole, dessen Spätwerk sensationell gut ist: »Lean over on the bookcase / if you really wanna get straight / read Norman Mailer.« »Was ist bayrisch?«, fragt Carl Amery in »Leb wohl, geliebtes Volk der Bayern« und vergleicht darin unter Bezugnahme auf Norman Mailer die Situation Süddeutschlands mit der amerikanischer Südstaaten. Mailer bekam seinen ersten Pulitzer Prize für sein Buch »The Executioner’s Song«, das mit dem Texaner Tommy Lee Jones in der Hauptrolle verfilmt wurde. »Everybody’s talking about John and Yoko, Timmy Leary, Bobby Dylan, Norman Mailer, Alan Ginsberg / Hare Krishna, Hare Hare Krishna / All we are saying is give peace a chance.«

Strauß und Reagan, Bush und Stoiber, Hintertupfer Bene und Rednecks, München und Austin, LMU und UT, A 8 und I 10, Bayerisches Meer und Gulf of Mexico, Inn und Colorado, Drawl und Boarisch, Larry Mahan und Franz Beckenbauer, Augustiner und Shiner, Spider Murphy Gang und Texas Tornados, Marfa und die Pinakotheken, Larry McMurtry und Gerhard Polt, Fromholz und Fesl, Leopoldstraße und River Walk, Driskill und Vier Jahreszeiten, Zilker Park und Englischer Garten, Willie Nelson und Willy Michl, Billy Bob’s und Allianz Arena, Georg Kostya und Kenneth Threadgill, Big Bend und Zugspitze, Baiern und Tejas, Cactus Cafe und Substanz, Gruene Hall und Liederbühne Robinson, Waterloo Records und das Optimal, Kerrville Folk Festival und Tollwood, Musikantenstadl und Austin City Limits, Liesl Karlstadt und Janis Joplin, Enzian und Bluebonnet, Wurstfest und Oktoberfest, Therme Erding und Schlitterbahn, Panhandle und Bayrischer Wald, Larry Hagman und Helmut Fischer, Dixie Chicks und Wellküren, Del Rio und Passau, 1860 und Longhorns, Barbecue und Biergarten, Cajuns und Schwaben, Davy Crockett und Jennerwein, Schwabylon und Armadillo World Headquarters, Alamo und Ampfing, Bob Wills und die Hot Dogs, Mosi und Kinky, Lone Star und Rauten, Gott mit dir du Land der Bayern und What I like about Texas. Alles habe ich ja nicht untergebracht. Aber mehr Zwiefache über Bayern und Texas als je zuvor in der Geschichte sind wohl schon rausgekommen.

Bayern und Texas. Salz und Öl. Was passiert, wenn texanische Verhältnisse in einer bayrischen Gemeinde einziehen, zeigt sehr schön ein Film von Rainer Erler, einem der bekanntesten deutschen Regisseure, mehrfacher Grimme-Preisträger, der Erfinder des wissenschaftlichen Fictionfilms in Deutschland, ein Seher, dessen Drehbücher alle Prophezeiungen eines Irlmaier oder eines Häuptlings der Cree verblassen lassen. Plutonium. Fleisch. Die Kaltenbach-Papiere. 1966 drehte er »Das Bohrloch oder Bayern ist nicht Texas« und gewann für diese bayrische Satire, die irgendwo zwischen Charles Chaplin und Jaques Tati, Bertolt Brecht und Gerhard Polt pendelt, folgende Schauspieler: Gustl Bayrhammer, Willy Schultes, Ludwig Schmid-Wildy, Fritz Strassner, Wolfgang Völz, Fritz Muliar, ein Lexikon des deutschen Nachkriegsfilms.

Kennen Sie nicht mehr? Typisch. Wir denken zu wissen, was es mit Saddam Hussein und Osama bin Laden auf sich hat, aber: Wer ist der Räuber Kneissl, und wer tötete den Wildschütz Jennerwein, was war da genau? Was genau lief da eigentlich zwischen dem Spannerlangen Hansl und der nudeldicken Dirn? War jetzt eigentlich der Lucke oder der Kare der gescheitere? Wir schauen so viel fern und wissen daher nur noch, was wir wissen sollen.

Der Film wurde von allen ARD-Sendern außer dem Bayrischen Fernsehen gezeigt, der aus der Ausstrahlung ausstieg wegen »Verächtlichmachung bayrischer Lebensart«. Wie toll der Film ist, zeigt, dass er damit in einer Reihe mit nur noch fünf weiteren Zensurfällen beim BR steht, darunter der legendäre Tschernobyl-Scheibenwischer und Praunheims »Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt«. »Das Bohrloch« wurde seit Jahrzehnten nicht mehr im Fernsehen gezeigt. Ich habe bei Rainer Erler nachgefragt und er hat ein Video in seinem Archiv aufgetan, das er mir auf DVD brennen ließ. Über vierzig Jahre später hat das nichts von seiner Aktualität eingebüßt.

Storage Wars. Geschäfte in Texas

Der Schrecken von Texas, Western mit Randolph Scott

Paris, Texas, Roadmovie von Wim Wenders

Basketball: NCAA, Kentucky Wildcats – Texas Longhorns

Texas Chainsaw Massacre. The Beginning, Horror

Der Texaner, Western mit Clint Eastwood

Walker, Texas Ranger

Wildtiere in der Kamerafalle. Tatort Texas, Doku

Amerika von oben. Texas, Dokuserie

Nature’s Keepers. Tierschützer im Einsatz: Texas

Man Fire Food: Roasting and Ranching in Texas

Typisch Texas! Weites Land und wilde Kerle, Doku

Nascar Sprint Cup 2015: Texas Highlight

ZZ Top – Live in Texas

Goldraub in Texas, Western

Happy, Texas, Komödie

American Pickers: Texas Trödel

Texas-Desperados, Western

Bella and the Bulldogs: Texasfestival, Comedyserie

Tom und Jerry: Texas Tom, Zeichentrickserie

The Mentalist: Der Mann aus Texas, Krimiserie

Zwei Krieger auf Reisen: Boni und Lemarti in Texas,

Doku

Texas Killing Fields, Thriller

Mann gegen Fisch: Der Titan aus Texas, Doku

Globe Trekker: Ost-Texas

Mega-Fabriken: Peterbilt, Texas. Die Mega-Truck-Fabrik

House Hunters International: Von Texas nach Trinidad

Stagecoach – Höllenfahrt nach Lordsburg, TV-Western mit Willie Nelson

Alamo. Der Traum, das Schicksal, die Legende, Western mit Dennis Quaid

Megaprojekte der Zukunft: Ein Schutzschild für Houston

Skurrile Kost Amerikas: Houston. Ein kulinarisches

Fest

Houston, Drama mit Ulrich Tukur

Brennpunkt Dallas. Attentat auf JFK

John F. Kennedy – Tatort Dallas

Dallas. Die Sexparodie

Durch die Nacht mit … Austin

X-Games. Austin

Das war eine Aufzählung von Sendungen, die ich in den letzten zwei Augustwochen des Jahres 2015 in meinem Fernsehprogramm gefunden habe – ohne die Wiederholungen. Versuchen Sie das mal mit Wisconsin, Idaho oder Delaware. Mit Vorarlberg, dem Saarland oder dem Kanton Uri. Texas ist bis heute omnipräsent, rund um die Uhr wird unser kollektives Bewusstsein mit Texas infiltriert. Was das auslösen kann, zeigt folgendes Beispiel: Die letzte Szene von »Das Bohrloch« finden Sie baugleich im Film »Schultze Gets The Blues« von 2003. In ihm hört ein ausgemusterter Minenarbeiter aus Teutschenthal bei Halle im Radio eine ihm neuartige Musik, Cajun, die ihn über einen Akkordeonwettbewerb nach New Braunfels, einen Vorort von San Antonio in Texas, verschlägt.

»Dallas – Die Sexparodie« habe ich leider verpasst, aber seit kurzem schaue ich begeistert auf Beate-Uhse. TV die Sendungen von Texas Patti. Endlich habe ich eine Legitimation gefunden, den Sender nicht verstohlen zu überzappen, sondern rund um Patti gemütlich zu verweilen, die Programmübersicht zu studieren und ab und zu mit großen Augen reinzugucken, was vorher und nachher so läuft. Jetzt muss ich aufpassen, sonst heißt es gleich wieder, Knausgard, Knausgard, dass er sich traut, sowas zu schreiben, Knausgord, Knausgord, und dabei bitte immer das a affektiert hinten oben in der Kehle fast schon wie ein langes o aussprechen, Knaussgott, Knaussgott, dabei hatte ich dem doch schon bei Heye abgeschworen. In Sachen Wortspiele kann man in der Pornobranche ja durchaus noch einiges lernen, stelle ich fest. Bei »Texas Patti moderierte auch das diesjährige DSDSA (Deutschland sucht den Super Arsch)« scheint sich noch ein sachorientierter Texter durchgesetzt zu haben. Aber »2013 gewinnt Texas Patti den Venus Award für ihren Film ›One Night In Bang-Cock‹«: Das ist schon große Kunst.

Wo Matrosen an Land gehen, warten die Huren

Cajun. Zydeco. Der weltweit bekannteste Song dieser Musikrichtung ist wahrscheinlich »Zydeco Gris Gris«, den die Band BeauSoleil in dem Louisiana-Thriller »The Big Easy« mit Dennis Quaid und Ellen Barkin spielt. Sonne und Mond, Blasebalg und Violinenschnecke. Gute Bands im Dixieland halten es mit Cajun und Zydeco wie die Blues Brothers mit Country und Western: Wir spielen beides … Cajun ist die weiße Variante, Zydeco die schwarze. Cajun wird von der Fiddle dominiert, Zydeco vom Akkordeon. Stradivari und Hohner, Paganini und Schrammeln. Cajun ist melodientrunken, lebensbejahend, funkelnd, bäurisch; Zydeco rhythmisch abgefahren, ungehemmt, plättend, spelunkig. Wer Cajun spielt und Zydeco, singt auch Country und hat den Blues, fetzt Rock’n’Roll und lässt die Seele in den Himmel auffahren, funkt mit dem Bass und morst mit dem Washboard und überhaupt macht er Krach, der Spaß hat hundert Schalllöcher und die Kleine vom Pfarrer tanzt und sogar Oma geht ab wie Mephistos Katze.