Ich bin wunderschön, mein Körper kann es nur nicht so zeigen - Mara Altman - E-Book

Ich bin wunderschön, mein Körper kann es nur nicht so zeigen E-Book

Mara Altman

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  • Herausgeber: Kailash
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Für Frauen ist es heute schwieriger denn je, sich im eigenen Körper wohlzufühlen: Schönheits- und Körperideale sind omnipräsent. Mara Altman schreibt über alles, was normalerweise tabu ist – über unerwünschte Körperbehaarung, übermäßiges Schwitzen, Menstruationsblut, hängende Brüste, Warzen und vieles mehr. Dabei will sie aber nicht nur unterhalten, sondern in erster Linie unsere absurden Ansprüche und Überzeugungen unter die Lupe nehmen. Ein hemmungsloser Appell an alle Frauen, sich von der Selbstgeißelung zu verabschieden und statt Scham Stolz und Bewunderung für den eigenen Körper zu empfinden.

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Seitenzahl: 410

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Mara Altman

Ich bin wunderschön, mein Körper kann es manchmal nur nicht so zeigen

Aus dem amerikanischen Englisch von Katja Hald

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel »Gross Anatomy. Dispatches from the Front (and Back)« bei G.P. Putnam’s Sons, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC, USA.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe

© 2019 der deutschsprachigen Ausgabe Kailash Verlag, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

© 2018 by Mara Altman. All rights reserved.

Lektorat: Anne NordmannUmschlaggestaltung: ki 36, Sabine Krohberger Editorial Design, München

Illustrationen: Mara AltmanSatz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-23312-9V001www.kailash-verlag.deBesuchen Sie den Kailash Verlag im Netz

Für meine Mom

Inhalt

Vorwort

Die obere Hälfte

1 Dame mit Bart

2 Den Tatsachen ins Auge sehen

3 Du warst fantastisch. Ehrlich!

4 Die große Sintflut

5 Unvollkommenes Glück

6 Nabelschau wortwörtlich

Die untere Hälfte

7 Höhlenluft

8 Das Po-Paradox

9 Der menschliche Makel

10 Der Kamelhuf

11 Verdammter Mist

12 Warzen? – Ich doch nicht!

Epilog

Danksagung

Vorwort

Es heißt, wer es in einer bestimmten Disziplin zur Meisterschaft bringen will, muss dafür mindestens 10000 Stunden trainieren. Aber obwohl ich nun bereits seit 306000 Stunden in meinem Körper lebe, komme ich mir, was die Handhabung dieses Fleischbrockens angeht, immer noch wie eine blutige Anfängerin vor. Sobald ich glaube, endlich alles verstanden und im Griff zu haben, versetzt mir irgendeine verstörende Veränderung erneut einen Schock – mir wachsen plötzlich Brüste, auf meiner Oberlippe sprießen Härchen oder es siedeln sich schwarze Fliegen auf meinen Augäpfeln an. Tatsächlich wecken diese Dinge aber auch eine nicht zu bändigende Neugier in mir. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie oft ich mich schon – insbesondere nach einem scharfen Essen – gefragt habe, warum die Evolution nicht schlau genug war, uns mit Polöchern aus einem etwas robusteren Material auszustatten. Mit Bleirohren beispielsweise.

Ich würde gern von mir behaupten, dass ich meine Zeit dem Kampf gegen den Krebs, den Welthunger oder die globale Erwärmung widme, aber mein Gehirn beschäftigt sich nun mal von Natur aus am liebsten mit Fragen, die den weiblichen Körper betreffen. Und so verbringe ich einen Großteil meiner Tage damit, mir Gedanken darüber zu machen, ob das Tragen von Hosen, die so eng sind, dass sich im Schritt die Schamlippen abzeichnen, wohl aerodynamische Vorteile bringt; warum ich mich die Hälfte meines Lebens auf öffentlichen Toiletten verstecke, wo ich mir die feuchten Flecken unter den Achseln trockne, um aller Welt vorzugaukeln, ich hätte keine Schweißdrüsen, oder warum meine Hündin jedes Mal, wenn ich in die Knie gehe, direkt auf meinen Schritt zusteuert und mir die Schnauze zwischen die Beine steckt. Das Einzige, wofür sie ein ähnlich großes Interesse zeigt, ist der Mülleimer.

Ich wäre wahnsinnig gern einer jener Menschen, die morgens entspannt an ihrem Espresso nippen und das Kreuzworträtsel in der New York Times lösen (Kann es ein seriöseres Hobby geben?), stattdessen zermartere ich mir das Hirn, warum ich nicht in der Lage bin, beim Vögeln auch nur annähernd so lasziv zu stöhnen wie Pornostar Sasha Grey in Asstravaganza Teil 3, und ob es wohl Selbsthilfegruppen für Sexstumme gibt.

Lassen wir die Möglichkeit, dass ich selbst daran schuld sein könnte, für einen Moment außer Acht und schieben die Verantwortung für meine Fixierung auf den eigenen Körper auf meine Erziehung. Meine Eltern, die in den Sechzigern aufgewachsen sind, gehörten zu der Sorte Hippies, die schon wieder so hippie waren, dass sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehrten, Hippies genannt zu werden. »Hippies sind viel zu angepasst«, pflegte meine Mutter zu sagen.

Meine Eltern hatten sich bereits auf der Highschool kennengelernt und dann gemeinsam ihr Studium an der Universität von Berkeley geschmissen. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, fingen die beiden an, in ihrem Garten Pflanzen zu züchten – vor allem Kakteen und Sukkulenten – und diese dann über Versandkataloge und Lebensmittelgeschäfte in der Gegend zu vertreiben.

Meine Mutter verweigert sich von jeher allen Produkten, die ihre Erscheinung irgendwie künstlich verändern, und lehnt Make-up, Deodorant, Parfüm, Push-ups, hochhackige Schuhe oder Antifaltencremes rigoros ab. Etwas wie Filler anzurühren würde ihr nicht im Traum einfallen. (Als sie das hier las, war ihre erste Reaktion: »Was sind Filler?« OMG!) Sie hat nie ihre Achseln oder Beine rasiert und tut es bis heute nicht. Bis zur vierten Klasse dachte ich, das wäre völlig normal; bis mir dann auffiel, dass andere Mütter keine schwarzen Fellmuffs unter den Armen entblößten, wenn sie ihren Kindern winkten, vom Spielplatz nach Hause zu kommen. Damals bildete ich mir ein, dass Astronauten meine Mom sogar aus dem Weltraum sehen könnten. »Houston, wir haben ein Problem: In der Nähe eines Vororts von San Diego haben sich zwei bisher unbekannte schwarze Löcher aufgetan.«

Obwohl das individuelle Auftreten meiner Mutter mich irgendwie auch stolz machte, hatte ich furchtbare Angst, ausgelacht zu werden. Ich erklärte ihr, dass sie mir durchaus auch etwas weniger überschwänglich zuwinken könne, mit an die Seiten gepressten Ellbogen.

Meine Mutter war der Grund, weshalb ich über Frauenangelegenheiten lange Zeit nicht viel wusste, und noch mit Mitte zwanzig dachte, man müsse sich das Schweigen der Kosmetikerin nach dem Entwachsen mit einem Trinkgeld erkaufen.

Mein Vater rümpfte ohnehin bei allem, was er als unnatürlich empfand, die Nase. Parfüm und künstliche Düfte jedweder Art hasste er regelrecht. Als ich einer Freundin mal einen kleinen Spritzer White Musk aus dem Body Shop abluchste, genügte das schon, damit er angeekelt das Gesicht verzog und sämtliche Autoscheiben nach unten kurbelte. Und wenn er mich mit Lippenstift erwischte, sah er mich an, als hätte ich gerade einen niedlichen kleinen Pandabären geschlachtet und mir mit seinen Gedärmen eine Kriegsbemalung verpasst.

Als Heranwachsende wurde mir also eine etwas andere Vorstellung von Weiblichkeit vermittelt, und schließlich gelangte ich zu der Überzeugung, jeder Versuch, mein Aussehen künstlich zu verbessern, sei ein Beweis mangelnder Selbstachtung – ein Beweis dafür, dass ich nicht stark genug war, ich selbst zu sein. Mädchen, die Make-up trugen, sich die Haare färbten und ihren Körpergeruch übertünchten, waren Betrügerinnen, wohingegen ich, die ich der Welt in einer Wolke meiner natürlichen Ausdünstungen entgegentrat, vollkommen authentisch war. Authentisch zu sein ging natürlich oft auch mit einem gewissen Unbehagen einher, und ich war ständig hin- und hergerissen zwischen Selbstgerechtigkeit und Scham. Aber irgendwann habe dann auch ich begriffen, dass ich meine Persönlichkeit mittels äußerlicher Veränderungen durchaus positiv beeinflussen kann, auch ohne sie gänzlich zu verbergen.

Letztlich wuchs ich also in einem familiären Umfeld auf, das mich gesellschaftlichen Normen gegenüber hypersensibel machte, gerade weil ich mir stets bewusst war, dass ich diesen niemals genügen würde. Obwohl ich mich inzwischen den meisten Schönheitszwängen, die ich in meiner Jugend noch verdammt hatte, selbst unterwerfe, ertappe ich mich – wahrscheinlich aufgrund meiner Erziehung – immer wieder bei der Frage, warum ich mich ihnen beuge.

Andererseits kann ich meinen Eltern auch nicht an allem die Schuld geben, und ihre Abneigung gegen Rasierer ist womöglich nicht der einzige Grund, weshalb ich meine Tage damit verbringe, die moderne Literatur nach Hinweisen zu Hämorrhoiden zu durchforsten oder mich nach einer harten Arbeitswoche entspanne, indem ich auf YouTube eine Stunde lang Dr. Pimple Popper beim Ausdrücken von Mitessern zusehe.

Auf jeden Fall bin ich auch nicht klüger als andere Frauen; allein das flatterhafte und sorgenvolle Verhältnis zu bestimmten Teilen meines Körpers – wie beispielsweise meinem Darm, meinem Hallux, meinem Bauchnabel oder meinen überproduktiven Schweißdrüsen – treibt mich dazu, überall nach Antworten zu suchen, sei es auf Bainbridge Island bei Leuten, die eine ganz besondere Göttin verehren, oder in Dänemark bei einem hochkarätigen Lausexperten.

Dieses Buch wird Ihnen weder bei einer schlecht sitzenden Frisur noch bei einer Pilzinfektion noch bei sonst irgendetwas eine Hilfe sein. Dennoch hoffe ich, eine genauere Betrachtung unserer Überzeugungen, Praktiken und Nippel kann einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass aus weiblicher Selbstgeißelung eines Tages Ehrfurcht vor dem eigenen Körper wird, aus Scham Stolz und aus Vaginalgeruch … okay, Vaginalgeruch wird wohl immer Vaginalgeruch bleiben. Aber, halten Sie sich fest, selbst PMS kann sich bei genauerem Hinsehen als übernatürliche Superkraft entpuppen!

1 Dame mit Bart

Es war das Jahr der Jahrtausendwende. Ich war neunzehn Jahre alt und studierte an der UCLA, der University of California in Los Angeles, berühmt für ihre strahlend schönen, jungen Gesichter und das scharfe mexikanische Essen. Ich hatte mich mit Freunden in einem Taco-Laden am Sepulveda Boulevard zum Mittagessen verabredet, wo ein dunkelhäutiger und extrem gut aussehender junger Kellner namens Gustavo meinem Gesicht auffällig viel Beachtung schenkte. Gustavo! Diesen Namen werde ich nie wieder vergessen. Als er mir meine Horchata brachte, fingen wir an zu flirten, und über die Guacamole hinweg warfen wir uns schmachtende Blicke zu. Meine Freunde lösten sich in Luft auf, es gab nur noch uns beide. Jedes Mal, wenn er an unserem Tisch vorüberkam, sah er kurz in meine Richtung, und ich erwiderte seine Blicke mit einem vielversprechenden – sehr vielversprechenden – Lächeln. Die Möglichkeit, dass wir uns am Ende dieses marathonartigen Balztanzes über etwas anderes als das Tagesangebot auf der Speisekarte unterhalten würden, wurde immer wahrscheinlicher.

Schließlich kam die Rechnung und mit ihr unsere Chance. Gustavo legte den Zettel vor meinen Freunden auf den Tisch, beugte sich tief herunter und näherte sich meinem erwartungsfrohen Ohr. Meine Haut kribbelte vor Aufregung. Was würde er mir zuflüstern? Eine Telefonnummer … eine Adresse … einen Heiratsantrag?

Und dann, wie Kacka aus einer Piñata, tropften sie von seinen sinnlichen Lippen: fünf Worte, die sich für immer in mein Gedächtnis brennen sollten.

»Ich mag deinen blonden Damenbart.«

***

Das ist jetzt elf Jahre her, und ich stehe kurz vor meiner Hochzeit mit einem wundervollen, von oben bis unten behaarten Mann, an dessen Seite ich mich nicht nur glücklich, sondern auch glatt und geschmeidig fühle. Ich schreibe diese Geschichte für ihn, weil ich ihm etwas gestehen muss.

Dave, ich muss dir etwas sagen.

Ich bin eine Dame mit Bart.

Nein, keine dieser bärtigen Frauen, die man im Zirkus bewundern kann. Eher eine der bärtigen Frauen, die man tagtäglich in Zeitschriften, auf der Straße oder im Café um die Ecke sieht. Ja, Dave, fast alle Frauen haben einen Bart. Du bemerkst es nur nicht, weil wir (mit Ausnahme einiger Frauen aus Südostasien, aber dazu komme ich später) tagein, tagaus damit beschäftigt sind, die überflüssigen und ungeliebten Härchen, die uns unerklärlicher- und ärgerlicherweise von der Natur mitgegeben wurden, zu entfernen.

Die Evolution hat dem angeblich schönen Geschlecht übel mitgespielt und ihm Haare auf Kinn, Oberlippe, Brustwarzen, Schenkeln und – das ist kein Witz – sogar auf den Zehen verpasst. Dave, ich schwöre dir bei Gott, dass das wahr ist: Wir haben beschissene Härchen auf den Zehen! Genau wie ihr! Mit dem einzigen Unterschied, dass wir Millionen, nein Milliarden von Dollar ausgeben, um sie uns mit Wachs, Lasern, Rasierern oder sonst wie entfernen zu lassen, nur damit ihr, wenn ihr uns nackt seht, nicht schreiend in die Nacht hinausrennt.

Ich erzähle dir das lieber jetzt, bevor wir heiraten, weil ich unglücklicherweise mit gleich zwei Übeln geplagt bin: zum einen mit einer überdurchschnittlich ausgeprägten Körperbehaarung und zum anderen mit der genetisch bedingten Veranlagung, gnadenlos ehrlich zu sein. Auf den ersten Blick mag das widersprüchlich klingen, insbesondere da auch ich schon viele kostbare Dollars in diverse hoffnungslose Versuche investiert habe, nicht wie eine haarige Bestie daherzukommen. In Spanien habe ich mich freiwillig an eine Wand schnallen und mit heißem Wachs quälen lassen. In Bangkok habe ich mich von einem Arzt, der mein Gesicht um ein Haar in ein fehlgeschlagenes Laborexperiment verwandelt hätte, einmal im Monat lasern lassen, und ich kaufe regelmäßig so viele pinkfarbene Einwegrasierer, dass es sich wahrscheinlich schon spürbar im Quartalsumsatz von Gillette niederschlägt. Ich habe so ziemlich jeden sichtbaren Zentimeter meines Körpers irgendwann glatt rasiert, geschabt, gerupft oder gezupft, ganz zu schweigen von den Körperpartien, über die ich nur mit meinem Therapeuten spreche.

Ich weiß, dass du mich bedingungslos liebst, komme was wolle. Letztendlich erzähle ich dir das alles aber auch deshalb, weil ich herausfinden möchte, weshalb es mir selbst so wichtig ist. Schließlich weiß ich, dass niemand – nicht einmal du – die seidigen braunen Härchen, die vereinzelt um meine Brustwarzen sprießen, je bemerken wird. Und mir ist durchaus bewusst, dass ich nicht Opfer einer grausamen hormonellen Störung bin, sondern viele Frauen unter diesem Problem leiden, mehr noch als ich.

Der schwarzhaarigen Schönheit, die jeden Donnerstag um 16 Uhr im Vinyasa-Yoga-Kurs in der 19. Straße vor mir steht, wachsen sogar Koteletten. Warum sehe also ausgerechnet ich, wenn ich vor dem Spiegel stehe, immer Roddy McDowall in Planet der Affen vor mir? Wie kann ich mich von diesem Horror vor Körperbehaarung befreien, der uns Frauen offenbar schon seit Anbeginn der Zeit eigen ist? Mit welchen Waffen gegen die gesellschaftlichen Normen ankämpfen, nach denen Frauen glatte, geschmeidige, haarlose Wesen zu sein haben? Wann werde ich mein Haar offen tragen können? Und ich meine nicht das Haar auf meinem Kopf, sondern das unter meinen Achseln, in meinem Gesicht, an den Beinen oder auch den schmalen Streifen zwischen Bauchnabel und Schamhaar.

Du magst mich doch so, wie ich bin. Warum will ich dann ständig eine andere sein?

In einem Vorort von San Diego, ich war in der achten Klasse, musste ich eines Tages im Sportunterricht die Erfahrung machen, dass es eine wirklich üble Form von Körperbehaarung gibt – und ich war davon betroffen.

Alles fing damit an, dass ich in einer Gruppe von Mädchen im Schneidersitz auf dem Rasen saß. Unsere Schuluniformen, braune kurze Hosen mit Tunnelzug und ein graues T-Shirt (aber glauben Sie jetzt ja nicht, dass ich mich an diesen Tag in jeder Einzelheit erinnern könnte), ließen die unterschiedlichen Stadien unserer körperlichen Entwicklung deutlich erkennen. Auf meinem T-Shirt stand mit schwarzem Edding unter dem abblätternden Aufdruck unseres Maskottchens – einem Kreuzritter – mein Name: ALTMAN. Okay, irgendwie erinnert man sich an so etwas dann doch ziemlich genau.

Unser Sportlehrer war weggegangen, um Fußbälle zu holen, und wir saßen einfach nur da und ließen uns die Sonne auf den Kopf knallen. Um mir die Zeit zu vertreiben, griff ich immer wieder selbstvergessen in den Rasen und riss ein Grasbüschel ums andere aus. Gras packen. Ausreißen. Gras packen. Ausreißen – ad infinitum.

Plötzlich stand eines der Mädchen, April, auf und stemmte die Hände in die Hüften. Sie musterte mich von oben bis unten, vor allem unten, sprang dann zurück und riss die Arme in die Höhe. »Iiiihh, rasierst du dich nicht?«, kreischte sie. »Das ist ja eklig!«

Ich ließ das Grasbüschel, das ich gerade in der Hand hatte, los und die Halme rieselten zu Boden wie Haare. Die Mädchen starrten auf meine Beine. Ich fühlte mich wie Sissy Spacek in der Schlussszene von Carrie. Meine Härchen funkelten im Licht wie Blutstropfen und wollten einfach nicht aufhören, sich unter der sengenden Sonne Kaliforniens schamlos in Szene zu setzen.

Um mich herum lagen ausgestreckt zahlreiche andere Mädchenbeine, und während mein Blick über ein Paar nach dem anderen glitt, brach ein neues Zeitalter für mich an: Rasiert. Rasiert. Rasiert. Rasiert. Rasiert. Als ich wieder bei meinen eigenen haarigen Exemplaren ankam, hatte ich plötzlich das Gefühl, sie würden so krass aus der Menge hervorstechen, dass sie unabsichtlich SOS-Signale an Flugzeuge übermitteln könnten.

Ich wusste natürlich, dass Frauen sich die Beine rasierten. Zumindest war es irgendwie in mein Unterbewusstsein vorgedrungen. Aber bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht klar gewesen, dass von mir erwartet wurde, dass ich mich dieser Tradition anschloss. Ich war eine von ihnen – ein Mädchen –, und wenn ich nicht wie eine Aussätzige behandelt werden wollte, musste ich mich entsprechend verhalten. Offenbar bargen meine Härchen eine potenzielle Ansteckungsgefahr.

Während der Rest der Gruppe mein Fell begutachtete, packte mich eine warme Röte im Nacken und kroch dann heiß nach vorn in mein Gesicht. Ich hätte meine Beine anziehen und mein T-Shirt darüberziehen können. Ich hätte weglaufen können. Ich hätte so tun können, als hätte ich April nicht gehört, und darauf hoffen, dass sie sich einfach in Luft auflöste. Stattdessen griff ich nach dem nächsten Büschel Gras und wünschte mir, die Härchen auf meinen Beinen ließen sich ebenso leicht entwurzeln.

Ich war in der Entwicklung schon damals ein bisschen hinterher. Okay, sagen wir, ziemlich hinterher. Ich war mindestens einen Kopf kleiner als die durchschnittlichen Achtklässlerinnen und hatte noch keinerlei Sinn für Mode entwickelt – es sei denn, man kann ein Mädchen mit fünf Paar Jogginghosen in verschiedenen Farben im Schrank als »modebewusst« bezeichnen.

Mit zwölf fragte mich meine Mutter, ob ich nicht eine Jeans wolle, aber ich lehnte aus praktischen Gründen ab. »Die sind morgens immer so kalt und steif«, erklärte ich ihr. Shoppen war für mich kein Thema. Die Sachen in der Teenagerabteilung waren mir zu groß, und in der Kinderabteilung gab es neben gepunkteten Socken mit Spitzenbündchen nur Blumen-T-Shirts in allen erdenklichen Varianten.

Ein weiteres Problem war, dass ich die letzten acht Jahre Leistungsturnen gemacht hatte und sich meine Oberschenkel dadurch deutlich besser entwickelt hatten als meine Brüste. Es gab da ein paar Jungs, die jedes Mal, wenn sie mich auf dem Pausenhof entdeckten, brüllten: »Hey, da kommt das Mädchen mit den Muckis. Spann mal an!« Dabei waren es andere Wölbungen, mit denen ich gerne ihre Aufmerksamkeit erregt hätte.

Diesen Abgrund in der Entwicklung, der sich zwischen mir und den anderen aufgetan hatte, konnte ich mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr überwinden. Daher machte ich mich, als ich an jenem Tag nach Hause kam, sofort daran, die Krimskramsschublade in der Küche nach einer Lösung zu durchwühlen, und entdeckte das perfekte Gerät: einen batteriebetriebenen Fusselrasierer. Ich stopfte ihn in meinen Rucksack und zog mich in mein Zimmer zurück, um mich ans Werk zu machen.

Aus irgendeinem Grund glaubte ich, meine Mom und meinen Dad unmöglich nach einem Rasierer fragen zu können. Ich fühlte mich schon schuldig, wenn ich nur daran dachte. Ich wusste, es wäre ein schwerer Schlag gegen ihren Modus Operandi. Meine Eltern sahen die Welt durch ihre Sechzigerjahre-Berkeley-Brillen und waren ihrer Vorliebe für Naturbelassenes stets treu geblieben. Gesellschaftlichen Konventionen wie der Entfernung von Haaren aus kosmetischen Gründen widersetzten sie sich entschieden, was vielleicht auch ihre nostalgischen Gefühle für John Lennons wild wuchernde Augenbrauen erklärt. Jedenfalls hatte meine Mutter noch nie an irgendeiner Stelle ihres Körpers auch nur ein einziges Haar entfernt.

Und mein Dad behauptete, darauf zu stehen. »Ich war immer sehr glücklich mit dieser kleinen haarigen Kreatur.«

Zusätzlich zu seinen überholten Ansichten, was das Rasieren anging, wies mein Dad regelmäßig darauf hin, dass er es nicht mochte, wenn Frauen Make-up oder Parfüm benutzten (ja, das schließt auch Deodorant mit ein). Wir waren also ein Haaren gegenüber sehr positiv eingestellter Haushalt und lebten nach der Doktrin »Steh zu dir selbst«. Aber anstatt mich frei zu fühlen und so zu sein, wie ich war, empfand ich diese Sei-haarig-und-froh-Einstellung oft als einengend. An dieser Stelle muss ich, so leid es mir tut, noch einmal die Sache mit dem White Musk erwähnen, denn mein Dad ertrug wirklich nicht einmal einen winzigen Spritzer. Und jetzt mal ehrlich, gibt es außer ihm irgendjemanden auf der Welt, der White Musk damals nicht mochte?

Meine gesamte Familie muss irgendwann bei einem geheimen Treffen, bei dem ich nicht anwesend war, einen Pakt gegen jede Form körperlicher Verschönerungs- oder Veränderungsmaßnahmen geschlossen haben.

Als ich einmal ausnahmsweise Lippenstift trug, kommentierte das mein älterer Bruder sofort mit: »Warum schmierst du dir dieses Zeug ins Gesicht?« In seiner Frage lag so viel Verachtung, dass man hätte meinen können, er habe mich dabei erwischt, wie ich mir einen Schuss Heroin setzte.

Als ich damit konterte, dass seine Freundin sich doch auch rasiere und Rouge und Abdeckstift und Lippenstift und Lidschatten und Wimperntusche benutze und dabei einen Himbeerduft verströme, an dem ich schon einmal in einem Body Shop geschnuppert habe, behauptete er, das sei nicht der Grund, warum sie ihm gefalle. Aber mit dreizehn war ich durchaus in der Lage, eins und eins zusammenzuzählen: Er stand auf Mädchen, die sich aufdonnerten. Alle Jungs standen auf Mädchen, die sich aufbrezelten. Und trotzdem schämte ich mich für den Versuch, die angeborene Farbe meiner Lippen vor den Augen meiner Make-up-verachtenden Familie zu verändern.

Als sich mein Bruder wieder seinen Hausaufgaben zuwandte, warf ich einen kurzen Blick in den Spiegel und wischte mir die betrügerische Farbe wieder ab. Ich wollte zu ihnen gehören.

Dass ich die Haare an meinen Beinen loswerden wollte, darf allerdings nicht als Versuch gewertet werden, mein Aussehen zu verbessern. Ich wusste damals noch nicht wirklich, wie ein weibliches Bein auszusehen hatte, und ich hatte auch nicht vor, die Aufmerksamkeit von Männern auf mich zu ziehen. Mit dreizehn waren Jungs für mich etwas so unerreichbar Exotisches wie Südseefische in einem Aquarium. Ich bewunderte ihre leuchtenden Farben und starken Flossen, wenn sie an mir vorüberschwammen – gemeinsam Luftblasen aufsteigen zu lassen war jedoch unvorstellbar. Sie bemerkten ja noch nicht einmal, wie ich mir die Nase an der Glasscheibe platt drückte.

Nein, die Haare musste ich loswerden, um mein Überleben auf dem Schulhof zu sichern und nicht in eine einsame Ecke verbannt zu werden. Außerdem hatte ich große Angst davor, noch einmal als »eklig« bezeichnet zu werden. In den entscheidenden Jahren der Pubertät hatte April es sich zur Aufgabe gemacht, als selbst ernannte Chefkontrolleurin des Schulhofs der San Marcos Junior Highschool für Unsicherheit unter den Mädchen zu sorgen und jede Schülerin, die es wagte, die weibliche Seite der strengen Geschlechtertrennung zu verlassen, in ihre Schranken zu weisen.

Das bedeutet: keine haarigen Beine, Ladys.

Den restlichen Schultag über fühlte ich mich, als wären die Laserstrahlen der Zielfernrohre von Millionen von Heckenschützen auf meine Beine gerichtet. Ich nahm selbst die allerkleinste Zuckung einer in meine Richtung blickenden Pupille wahr. Der Peinlichkeitsgrad war derselbe, als hätte ich Toilettenpapier am Schuh kleben, nur dass man Haare nicht von den Beinen schütteln kann. Ich weiß das. Ich habe es probiert.

Zu Hause schloss ich mich dann also in mein Zimmer ein und holte dieses Ding zum Fusselentfernen aus dem Rucksack. Ich schaltete es ein, und es fing an zu brummen. Als ich mich damit zu meinem Fußgelenk hinunterbeugte, schämte ich mich nicht nur wegen der Haare, sondern mindestens genauso, weil ich sie mit dieser Maschine ausrupfen wollte. Der Fusselrasierer berührte mein Fußgelenk, und ich biss in Erwartung eines fiesen Schmerzes die Zähne zusammen. Aber es kitzelte nur. Dieses Gerät war ganz offensichtlich zu einem anderen Zweck gebaut worden.

Haare waren keine Fussel. Ich brauchte einen Plan B.

Im Gegensatz zu meinen Freundinnen konnte ich meiner Mutter keinen Rasierer klauen, aus dem einfachen Grund, weil sie keinen hatte. Mein Dad benutzte für seine Wangen zwar die blauen Wegwerfrasierer von Bic, aber die Werbung ließ keinen Zweifel daran, dass für Beine nur pink geeignet war.

Eine Woche lang trug ich nur noch lange Hosen, bis ich endlich den Mut fand, meine Mutter um einen Rasierer zu bitten.

»Bist du sicher, dass du das tun willst?«, fragte sie.

Wollte ich wirklich die Seiten wechseln und zur Verräterin werden? Meine Mom war im Begriff, eine ihrer wenigen behaarten Mitstreiterinnen zu verlieren. Ausgerechnet ich, ihre einzige Tochter, ihr eigen Fleisch und Blut, kam vom rechten Pfad ab.

Aber es war absolut unmöglich, es nicht zu tun.

Ich nickte.

Mom kaufte mir einen pinkfarbenen Rasierer und Rasiercreme und begleitete mich ins große Badezimmer. Sie überreichte mir die Utensilien und ließ sich erwartungsvoll auf dem Klodeckel nieder, während ich den Fuß auf den Rand der Badewanne stellte.

»Und jetzt?«, wollte ich wissen.

»Ich weiß auch nicht«, sagte sie. »Wahrscheinlich musst du ihn einfach über dein Bein ziehen.«

»Du glaubst, das ist alles?«

»Versuch es«, sagte sie.

Sie hatte keine Ahnung.

»So?«, fragte ich und zog den Rasierer über mein Schienbein.

Er hinterließ eine kahle Spur. Die Haare waren weg! Unglaublich!

Endlich konnte ich zurück auf den Schulhof und April meine neuen, glamourös glänzenden Beine präsentieren.

In der zehnten Klasse ging es dann auch bei mir endlich los. Zu meiner großen Zufriedenheit waren mir endlich Schamhaare gewachsen, und jedes Mal, wenn ich sie unter der Dusche betrachtete, dachte ich stolz: Die habe ich ganz allein wachsen lassen! Zwei ganze Jahre lang schwebte ich im haarsorgenfreien Himmel. Hätte ich damals schon gewusst, dass es die einzigen Jahre ohne Haarkummer sein würden, die mir in diesem Leben vergönnt waren, hätte ich sehr viel mehr Zeit darauf verwendet, sie ordentlich zu würdigen, und vielleicht sogar eine Dokumentation darüber gemacht. Ich war voller Selbstbewusstsein, machte die ersten Erfahrungen mit Jungs und stellte fest, dass die Schamhaare von Jungen denen von Mädchen sehr ähnlich waren.

Aber dann, ganz plötzlich – am Ende meines ersten Jahres an der Highschool –, fand sich unter meiner Haut eine konspirative Gruppe aus Kreatinen und Proteinen zusammen, um gemeinsam aus zahlreichen kleinen Löchern hervorzubrechen. Aber nicht nur aus versteckten Löchern, an Stellen, wo keiner sie sehen konnte. Nein, sie tauchten auch auf meiner Oberlippe auf!

Obwohl mir die kleinen Härchen auf meiner Oberlippe – nur ein zarter blonder Hauch – schon länger aufgefallen waren, hatte ich sie bislang ignoriert. Doch nun wurden sie dunkler und länger. Wenn ich mich in meinem Zimmer in einem bestimmten Winkel im Licht betrachtete, ließ sich sogar eine vage Ähnlichkeit mit Tom Selleck feststellen.

Wie um alles in dieser gottverdammten Scheißwelt konnte mir ein Schnurrbart wachsen?

Nur Männer hatten Schnurrbärte. Und ich war kein Mann. Oder etwa doch?

Ich erinnerte mich, dass meine Mutter dieses Zeug hatte, Jolen, eine kleine türkisfarbene Schachtel mit weißer Aufschrift. Als ich jünger war, hatte ich ihr manchmal dabei zugesehen, wie sie mit diesem Mittel Wunder wirkte. Sie mischte ein Pulver mit ein wenig Creme und wartete, bis die Substanz aufquoll und Blasen schlug. Sobald der scharfe Geruch der Inhaltsstoffe in unsere Nasen stach, strich sie sich die Joghurt-ähnliche Pampe auf die Oberlippe, wartete ungefähr zehn Minuten und wusch sie dann wieder ab. Die Härchen waren unter dem Bleichmittel so hell geworden, dass sie quasi unsichtbar waren.

Damals erkannte ich die offensichtliche Scheinheiligkeit meiner Mom noch nicht als solche – wenn sie so furchtbar liberal war und »ganz natürlich« bleiben wollte, warum entfärbte sie sich dann die Härchen auf der Oberlippe?

Doch diese Frage sollte ich ihr erst später stellen.

Für den Moment nahm ich einfach die türkisfarbene Packung aus dem Schrank und beschloss, nur meine engsten Freundinnen von meinem Schnurrbart in Kenntnis zu setzen, Shannon und Natasha – die eine, eine Blondine aus dem Kaukasus, die andere Kambodschanerin. Beide waren mit einer sehr feinen und dünnen Körperbehaarung gesegnet. (Letztere war sogar nahezu haarlos, was Kosmetikerinnen immer wieder ein schlechtes Gewissen bereitete, wenn sie für ihre Arbeit den vollen Preis verlangten. Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, ich hätte mir eine oder zwei haarige Italienerinnen als Freundinnen ausgesucht.)

Shannon und Natasha bleichten mit mir. Mit der dicken weißen Pampe auf unseren Oberlippen sahen wir aus wie aus einem Werbefilm für die amerikanische Milchwirtschaft. Wir machten ein regelrechtes Ritual aus der Prozedur: Während das Bleichmittel einwirkte – zuerst kitzelte und dann nach und nach immer mehr brannte –, schalteten wir das Licht aus, sodass die käferförmigen Leuchtsticker an meiner Wand ihren grünlichen Schimmer verbreiteten, setzten uns in einen Kreis und sangen laut mit den Cranberries.

In your head, in your head

Zombie, zombie, zombie‐ie‐ie …

Dann wuschen wir die Mixtur wieder ab, und ich war erleichtert.

Was mich anging, waren die Härchen unsichtbar. Ich musste das Ritual nur alle zwei bis drei Wochen wiederholen.

Alles war in bester Ordnung.

Bis ich Gustavo traf.

Wie vielen Leuten war mein »blonder Schnurrbart« noch aufgefallen, ohne dass sie es mir gesagt hatten? Ich versuchte, mich an meine verschiedenen Freunde und die entsprechenden Situationen zu erinnern. Ich hatte schon einige Jungs geküsst. Hatten sie alle aufgrund meines Damenbarts Hautreizungen davongetragen? War das der Grund, weshalb Sam mich nie um ein zweites Date gebeten hatte? Oder Jonathan? Oder Bill? Hatte mich der Kassierer im Supermarkt deshalb so schräg angesehen, als ich mir einen Rasierer für die Beine kaufte? Wie konnte mir nur entgehen, dass mein olivfarbener Hautton in Kombination mit fast weiß gebleichten Härchen problematisch war?

Gustavo war der erste Mann, der sich je zu meiner Körperbehaarung geäußert hat, aber ich hatte genügend Daten gesammelt, um mir nahezu sicher zu sein, dass Männer Bärte an Frauen ganz allgemein nicht besonders schätzten.

Ein paar Jahre zuvor hatte ich mit angehört, wie sich Adam Carolla und Dr. Drew in der Radiosendung Loveline mit irgend so einem Vollidioten unterhielten. Der Anrufer beschwerte sich, dass seine Freundin Flaum um die Brustwarzen hätte. Er sagte, er fände das hässlich, komme beim Anblick der kleinen Härchen nicht richtig in Fahrt und denke darüber nach, mit ihr Schluss zu machen. Damals war ich schockiert, dass Frauen tatsächlich Haare an den Brustwarzen wachsen konnten, und – nachdem ich noch einmal nachgesehen hatte – mehr als erleichtert, dass mir dieses Schicksal offenbar erspart geblieben war. Aber als ich dann drei Jahre später mit Entsetzen mein erstes eigenes Nippelhaar entdeckte, wusste ich sofort, dass ich von nun an bei jedem Mann, der diese Missbildung entdeckte, mit Ablehnung würde rechnen müssen.

Nach und nach begriff ich, dass die Grenzen des »Akzeptablen« in dieser Frage sehr eng gesteckt waren und ich sie nun definitiv überschritten hatte. Nicht lange nach dem Fiasko mit Gustavo offenbarte mir ein Blick auf meine Bikinizone zudem, dass sich mein Schamhaar, ohne viel Aufhebens davon zu machen, sukzessive auf meine Schenkel ausgebreitet hatte. Ganz so, als hätte es uneingeschränktes Siedlungsrecht auf meinem gesamten Körper.

Inzwischen war ich neunzehn und mein erstes Bikini-Waxing stand an. In meiner Fantasie war die Kosmetikerin eine unerbittliche Zollbeamtin, deren einziges Ziel es war, alle unerwünschten Eindringlinge rigoros aus der Bikinizone zu entfernen. Als sie mit ihren Wachstreifen den Raum betrat, stellte ich ihr mit einem unsicheren Lächeln die Frage, die ich von nun an für den Rest meines Lebens in jeder Enthaarungssituation stellen sollte.

»Bin ich normal?!«

Sie sagte, das sei ich. Aber ich glaubte ihr nicht.

»Sind Sie sicher?«, hakte ich nach.

»Jeder hat Haare«, antwortete sie.

Das wusste ich, aber das war nicht meine Frage gewesen. Ich hatte wissen wollen, wo ich auf der Haarskala einzuordnen war, denn das war mein eigentliches Problem. Andere Frauen rissen sich ihre Haare aus, bevor ich einen kritischen Blick darauf werfen konnte, weshalb ich mir wie ein behaartes Monster unter lauter kahlen Geschöpfen vorkam.

Sie begann, alle Haare, die die Grenzlinie um ungefähr einen Zentimeter überschritten hatten, zu eliminieren, und entdeckte dabei die Härchen auf meinem Bauch. Ich hatte diesen »Happy Trail«, einen schmalen haarigen Pfad, der vom Bauchnabel zum Schamhaar führte, und mir mit fünfzehn den Spitznamen »Happy« eingetragen hatte. Eine Zeit lang fand ich den Namen sogar süß.

»Das soll ich sicher wegmachen, oder?«, sagte sie und strich Wachs auf die Stelle.

»Warum? Ist das nicht gut?«

Ratsch.

»Keine Ahnung. Aber sicher ist es Ihnen lieber, wenn Sie die weghaben«, sagte sie und warf meinen »Happy Trail« in den Abfall.

Auf diese Weise musste ich erfahren, dass der Weg zum Glück nicht immer zu einem glücklichen Ende führt.

Mit zwanzig gelangte ich schließlich zu der Einsicht, dass Haare ganz allgemein unerwünscht sind, ausgenommen Haupthaar, Wimpern und Augenbrauen, die aber auch nur dann, wenn sie die richtige Form haben. Bei den Härchen auf den Armen wurde ebenfalls ein Auge zugedrückt, was mir recht merkwürdig vorkam, denn sie unterschieden sich kaum von jenen auf den Beinen. Selbst die Härchen auf den Zehen mussten weg. Mir war lange Zeit gar nicht bewusst gewesen, dass ich Haare auf den Zehen habe, aber irgendwann entdeckte ich sie dann doch. Seither stelle ich, wenn ich im Yoga in der Vorwärtsbeuge hänge, in regelmäßigen Abständen fest, dass ich mal wieder vergessen habe, sie zu entfernen, und kann dann nicht mehr aufhören, sie anzustarren.

Was den Schambereich angeht, war mir seinerzeit von Brazilian Waxing – untenherum komplett kahl –, einem neuen Trend, der bald die gesamten USA überrollen sollte, noch nichts zu Ohren gekommen. Damals ging ich noch davon aus, dass man sein Schamhaar, mit Ausnahme der Härchen, die unter dem Badeanzug hervorlugten, behalten durfte. Obwohl ich ihn an den Seiten hin und wieder ein wenig zurechtstutzte, war ich stolz auf meinen Busch. Ich arbeitete weiter mit konventionellen Methoden – Rasieren, Zupfen, Wachsen – und entwickelte zudem eine Art Abhängigkeitsverhältnis zu Sally-Hansen-Wachsstreifen (bereits mit Wachs versehene, rechteckige Plastikstreifen für die Haarentfernung zu Hause). Ich musste diese Streifen nur kurz zwischen den Handflächen reiben, um das Wachs etwas zu erwärmen, und schon konnte ich mir die Haare selbst ausreißen. Das einzige Problem war, dass ich das überschüssige Wachs meist nicht vollständig abbekam, weshalb sich auf den gewachsten Stellen bis zum Abend bunte Fusselflecken auf der Haut bildeten, die aussahen, als würde mir ein Sweatshirt wachsen.

Als ich in der elften Klasse als Austauschschülerin nach Spanien ging und mir dort die Beine enthaarten ließ, wurde ich mit Lederriemen im Stehen an einer Wand festgeschnallt. Ich fühlte mich zwar ein wenig ausgeliefert, solange das Wachs seine Wirkung tat, wollte ich das Ganze aber nicht infrage stellen.

Nach Beendigung meines Studiums 2003 ging ich nach Indien, um bei einer Zeitung zu arbeiten. Dort enthaarte man mir das komplette Gesicht, obwohl ich eigentlich nur eine Behandlung der Oberlippe und der Augenbrauen verlangt hatte. Smita war einfach nicht zu stoppen. Als sie mit dem Gewünschten fertig war, berührte sie meine Wange und fragte: »Gesicht?« Ich zuckte mit den Achseln, was sie als Zeichen nahm, ihren Faden zu spannen und mir den gesamten Flaum von Kinn und Wangen zu rupfen.

Die gut bezahlten Profis der Branche versuchten schon immer, mich von so vielen Haaren wie nur möglich zu befreien. Das war auch der Fall, als ich ein paar Jahre später ein Bikini-Waxing-Studio in Greenpoint, Brooklyn, aufsuchte. Mein Busch war etwas aus der Form geraten, und ich wollte ein wenig die Seiten trimmen lassen. Aber als die Kosmetikerin mich sah – den relevanten Teil von mir sah –, blickte sie mir mit der Strenge einer Wahrsagerin tief in die Augen und wackelte mit dem ausgestreckten Zeigefinger.

»Gefällt Männern nicht«, sagte sie und zupfte sich mit einem lauten »Bäh, bäh« imaginäre Haare von der Zunge. Dann wurde sie noch theatralischer und mimte einen männlichen Würgeanfall. »Gut, dass du gekommen bist«, sagte sie und klatschte lässig das heiße Wachs auf meine Haut.

Als wir fertig waren, öffnete sie ihre Hose und zeigte mir ihre kahle Muschi. »Sieh dir das an«, sagte sie. »Keine Haare.« Dann wollte sie mich dazu überreden, die Einwilligung für eine Laserbehandlung zu unterschreiben. »Bäh, bäh«, erinnerte sie mich noch einmal und zog den Reißverschluss ihrer Hose wieder zu. »Gefällt ihnen nicht.«

Das Einzige, was ich am Enthaaren mit der Zeit wirklich zu schätzen gelernt habe, sind die unvermeidlichen eingewachsenen Haare. Für mich gibt es auch heute noch nichts – wirklich nichts – Befriedigenderes als ein Haar, das in die falsche Richtung wächst, herauszuziehen. Punkt. Sie dürfen darin gerne mütterliche Instinkte sehen.

Damals hatte ich keine Ahnung, dass mir das Schlimmste noch bevorstand, und das, was als Nächstes passierte, ließ mich voller Sehnsucht auf jene Zeiten zurückblicken, in denen ein blonder Schnurrbart noch mein einziges ernsthaftes Problem gewesen war.

Ich war dreiundzwanzig Jahre alt und kurz davor, meinen Masterstudiengang für Journalismus an der Columbia University zu beginnen, als ich zu einer Gesichtsbehandlung den Mario-Badescu-Skin-Care-Salon in der East Fifty-second Street in Manhattan besuchte. Alles lief bestens, bis die dralle Russin, die unter einer grellen Lampe mein Gesicht untersuchte, mir über das Kinn fuhr.

»Diese Sie sollten machen weg«, sagte sie.

Wie kam es, dass sie sie sah? Ich dachte, nur ich wüsste davon.

Mit einem einzigen Satz hatte diese Frau Jahre des erfolgreichen Selbstbetrugs zunichtegemacht. Alles über den Haufen geworfen und in winzige Stücke zerschlagen. Es war, als wenn man sich nach der Entdeckung eines fetten, roten Monsterpickels erfolgreich einredet, er sei gar nicht so auffällig und wahrscheinlich bemerke ihn eh keiner, und dann sagt eine Freundin: »Autsch, der muss ja echt wehtun«, und alle zeigen auf den fetten, roten Pickel, den eigentlich gar keiner sehen kann, und du fragst: »Was muss wehtun?«, und sie sagen: »Na, der fette, rote Monsterpickel«, und du hältst die Hand vors Gesicht und sagst: »Ach, den sieht man?«, und sie sagen: »Na ja, es ist ein echt fetter, roter Pickel.«

Es war also wahr. Ich hatte Haare am Kinn, die man tatsächlich sehen konnte. Sie waren real. Wirklich und wahrhaftig.

Haare, die auf meinem Kinn wuchsen!

Natürlich hatte ich es gewusst, aber irgendwie auch wieder nicht. Ich glaube, die instinktive Weigerung ihre Existenz als wachsenden, lebenden, realen Teil meines Körpers anzuerkennen, war meinem angeborenen Selbstschutzmechanismus zu verdanken. Ich hatte diese Haare sogar schon herausgezupft, konnte mich danach aber immer selbst davon überzeugen, dass ich es nicht getan hatte. Mein Kinn war glatt, verdammt noch mal!

Aber nun war dieses Spiel vorbei. Jeden Morgen suchte ich mein Kinn nach bösen, wieder zum Vorschein gekommenen Härchen ab und fing an, in der Handtasche eine Pinzette und einen Spiegel mit mir herumzutragen.

Von dieser neuerlichen Katastrophe erzählte ich niemandem. Als ich die Haare auf meiner Oberlippe entdeckt hatte, wusste ich wenigstens, dass andere Frauen meine Schande teilten. Schließlich wurde das Entfernen eines Oberlippenbarts in jedem Schönheitssalon angeboten. Aber eine Kinnenthaarung hatte ich noch nirgends im Angebot gesehen und wollte auch niemanden danach fragen, aus Angst, die Leute könnten antworten, von einer solchen Abscheulichkeit hätten sie noch nie gehört.

Ich fing an, verstörende Fantasien zu entwickeln, die mich total verrückt machten: Was wäre, wenn ich mit einem Nervenzusammenbruch in eine Irrenanstalt eingeliefert würde, es dort aber niemanden gab, der mir die Haare auszupfte? Jedes Mal, wenn ich die wahnsinnig gewordene Mara vor mir sah, entsetzte mich mein wilder Haarwuchs deutlich mehr als die Vorstellung, dass ich komplett den Verstand verlieren und versuchen könnte, Sex mit einem Mülleimer zu haben.

Und was, wenn ich einmal alt wäre? Die Hände der alten Mara würden von all den Medikamenten zittern und ihre Augen wären so schlecht, dass sie sich unmöglich mit der nötigen Präzision die Haare ausrupfen könnte.

Vielleicht hätte die alte Mara Alzheimer. Dann würden ihre Enkel sie besuchen kommen, während sie nur dasaß, an die Wand starrte und am Saum ihres Hemdes herumfingerte. »Ist Oma ein Mann oder eine Frau?«, würden sie fragen. Das Bild von Alzheimer-Mara mit Haaren im Gesicht war mir peinlicher als die Vorstellung, dass ich meinen Neffen für meinen Mann halten könnte.

Ich könnte auch irgendwo in New York von einem Auto überfahren werden und ins Koma fallen. Meine Familie würde an Koma-Maras Krankenhausbett eilen und sich schockierte Blicke zuwerfen. Aber nicht aufgrund meines Gesundheitszustands, sondern weil ich nicht die wäre, für die sie mich immer gehalten hatten. »Meine Güte!«, würde meine Mutter sagen. »Wusstet ihr, dass Mara einen Ziegenbart hat?«

Natürlich wusste ich schon damals, dass es auf der Welt schwerwiegendere Probleme gab und meine Sorgen wegen unwichtiger Äußerlichkeiten selbstsüchtig, wenn nicht gar narzisstisch waren. Aber ich konnte einfach nichts dagegen tun. Ich war irrational. Für mich fand die globale Erwärmung unter meiner Haut statt, und mein Gesicht war der Schauplatz schrecklicher Völkermorde.

Schließlich hielt ich es nicht länger aus. Ich musste mit irgendjemandem darüber reden, und als ich in den Winterferien von der Columbia nach Hause fuhr, brach es dann aus mir heraus.

»Mom, ich habe Haare auf dem Kinn!«

»Aber ich seh gar nichts.«

»Doch, da sind welche.«

Sie kam näher.

»Nicht so nah!«

»Warum nicht?«

»Sonst siehst du sie!«

Meine Mom gab der Familie väterlicherseits die Schuld und sprach dann nie wieder darüber.

Also zupfte ich mich durch das Masterstudium und behielt mein Kinnhaarproblem fortan für mich. Während dieser Zeit hatte ich auch meinen ersten festen Freund. Eines Tages tollten wir im Central Park herum, umarmten und liebkosten uns, und als er dann zärtlich die Hand auf mein Gesicht legte, sagte er: »Ich liebe den Flaum in deinem Gesicht. Er ist so schön weich.« Dann fuhr er mir mit den Fingern über die Wange bis hinunter zum Kinn. Für ihn war dieser Moment vielleicht romantisch, aber ich hätte mir fast in die Hosen geschissen. Das war mir bisher nur einmal passiert, als ich mit Magendarmgrippe auf dem Weg von Dharamsala nach Delhi zwölf Stunden in einem Bus festsaß. Ich drehte mich so schnell es ging zur Seite und ließ ihn meine Kapuze streicheln.

Nie wieder würde ich mich in eine solche Situation bringen:

Natürliches Sonnenlicht.

Nacktes Gesicht.

Mann in nächster Nähe.

Nachdem ich mein Studium abgeschlossen hatte, zog ich nach Bangkok und arbeitete dort als Feuilletonistin für eine thailändische Zeitung.

Rückblickend war das für eine haarige, ein Meter fünfzig große Abendländerin mit einem aufkeimenden Minderwertigkeitskomplex nicht gerade die beste Idee.

Denn wie sich herausstellte, sind Thailänder alles andere als behaart. Im Gegenteil, sie weisen keinerlei Haare auf, außer auf ihren Köpfen. In ihrer Haarlosigkeit erschienen sie mir wie magische Geschöpfe, die in einer Art Märchenwelt lebten. Ständig scannte ich die Menschenmenge nach Körperhaaren, um mich zu vergewissern, dass ich normal war. Vielleicht war es ja übertrieben – inzwischen bin ich mir sogar ziemlich sicher, dass ich damals unter einer körperhaardysmorphen Störung litt –, aber ich hatte oft das Gefühl, sobald ich aufhören würde zu zupfen, könnte ich einen beeindruckenderen Bartwuchs vorweisen als die meisten thailändischen Männer. Aufgrund dieser Überzeugung fühlte ich mich so extrem unsexy, dass es nur schwer in Worte zu fassen ist.

Damals entschied ich mich zum ersten Mal für eine Methode der »permanenten Reduktion« und unterschrieb 2005 schließlich die Einwilligung zu einer Laserbehandlung. Ich ging dazu einmal im Monat in eine Klinik in Bangkok, die, und das ist kein Witz, Bumrungrad hieß. Umgeben von kahlen weißen Wänden, die sich mit den Jahren gelblich verfärbt hatten, lag ich auf einer Liege, bis ein Arzt mit Handschuhen, Brille und einer Gesichtsmaske kam. Dann bedeckte mir eine Krankenschwester die Augen mit einer dunklen Brille, strich eine Art Gelee auf meine Haut und der Arzt beschoss mein Gesicht etwa zehn Minuten lang mit etwas, das aussah wie ein Staubsaugerrohr. Zur Behandlung meiner Oberlippe musste ich die Zunge auf die oberen Schneidezähne legen, damit der schmerzhafte Laser nicht bis zum Zahnfleisch durchdringen konnte oder mir der schwache Geruch nach verbranntem Zahnschmelz in die Nase stieg. Danach gaben sie mir einen Eisbeutel für mein gerötetes Gesicht. Meine Wangen strahlten so viel Wärme ab, dass sie, auf den Unterleib einer Frau gelegt, wahrscheinlich Menstruationsbeschwerden gelindert hätten.

Gesund war das bestimmt nicht, aber darüber machte ich mir damals keine Gedanken. Ich hatte nur ein Ziel: die komplette Ausmerzung allen Übels. Zufrieden fuhr ich mit einem Motorradtaxi zurück und blieb den Abend über zu Hause, bis die Schwellung abklang.

Eigentlich hätte ich längst merken müssen, dass da etwas aus dem Ruder lief, denn ich bin schon immer ziemlich sparsam gewesen. Für ein Sandwich, das mich immerhin ernährte und mir eventuell sogar einen gewissen Genuss bereitete, hätte ich beispielsweise nie zehn Dollar ausgegeben – sechs waren das absolute Maximum –, und dennoch gelang es mir, vermeintlich gute Gründe zu finden, mir für tausend Dollar von einem Mann das Gesicht verbrutzeln zu lassen.

Bei meinem letzten Klinikbesuch war der Laser ein bisschen zu hoch eingestellt, und sie verbrannten mir die Oberlippe. Die Narbe habe ich heute noch. Sie hat die Größe eines Regentropfens, und wenn mir kalt ist, wird sie weiß.

Als mich die Leute fragten, wo ich mir die Verbrennung geholt hätte, log ich: »Ich habe Suppe gekocht – eine Art Bohneneintopf –, und der hat so heftig gebrodelt, dass er mir ins Gesicht gespritzt ist … Ja, einfach so. Verbrennung dritten Grades. Verrückt, oder?«

Ja, ganz genau: verrückt.

Dass ich mein Aussehen bei dem Versuch, es zu verbessern, letztendlich verschlimmert hatte, war mir peinlich, und ist es immer noch.

Selbst in diesem Moment.

Eigentlich war es mir nicht nur peinlich, ich schämte mich regelrecht dafür. Ich war wieder das Kind, das seine Schienbeine heimlich mit einem Fusselrasierer bearbeitete – ich schämte mich nicht nur für meine Haare, sondern mindestens ebenso sehr dafür, dass ich sie loswerden wollte. Warum konnte ich mich nicht einfach akzeptieren, wie ich war? Warum verschwendete ich so viel Zeit und Geld darauf, mein natürliches Aussehen zu verheimlichen?

Aber wer jetzt glaubt, nach dieser Geschichte und den daraus folgenden Erkenntnissen hätte ich mit dem Lasern aufgehört, hat das Bisherige nicht aufmerksam genug gelesen.

Zwei Jahre später, ich war wieder in New York und steckte gerade mitten in meiner zweiten Laserbehandlung, fing ich an, auch medizinische Ursachen in Betracht zu ziehen. Ich hatte das Gefühl, eine einsame Schlacht zu schlagen – war mir aber nicht ganz sicher, denn, theoretisch gesehen, führten andere Frauen mit demselben Problem ihren Kampf ja ebenfalls einsam und hinter verschlossenen Türen. Woher sollte ich also wissen, ob nicht auch andere insgeheim gegen ihre Haare zu Felde zogen? Andererseits, konnte es wirklich Frauen geben, die genauso viele widerspenstige Barthaare hatten wie ich? So etwas lag doch nicht in der Natur des weiblichen Körpers.

Also ging ich zu meiner Frauenärztin, um meine Follikel untersuchen und eventuell behandeln zu lassen.

Unglücklicherweise hatte sie schlechte Neuigkeiten für mich: Ich war völlig normal. Für einen ungewöhnlich starken Haarwuchs bei Frauen gebe es drei mögliche Gründe, klärte sie mich auf. Entweder sie litten unter dem polyzystischen Ovarsyndrom, oder ihr Hormonhaushalt sei unausgeglichen, oder sie hätten einfach nur haarige Gene. »Gerade Osteuropäerinnen haben oft sehr dichtes schwarzes Haar«, sagte Dr. Chrisomalis, und ich hätte schwören können, dass sie dabei mein Kinn inspizierte.

Eine Kosmetikerin verriet mir einmal, sie wisse, noch bevor ihre Kundinnen die Hose auszögen, womit sie es zu tun bekommen würde – Augenbrauen sagten alles. Warum untersuchte diese Ärztin dann nicht meine Augenbrauen?

»Aber es muss doch noch andere Ursachen geben«, sagte ich flehentlich. Erst kürzlich hatte ich eine verfrühte Menopause in Betracht gezogen – ich hatte Hitzewallungen, da war ich mir sicher –, und auch meine anfängliche Idee, dass ich zum Teil ein Mann war, hatte ich noch nicht ganz aufgegeben. Womöglich waren meine Hoden einfach noch nicht nach unten gewandert. »Ich habe sogar Haare an den …«

Ich konnte der Ärztin unmöglich von meinen Brusthaaren erzählen. Was sollte das auch bringen? Schließlich hatte ich sie extra wegen ihr heute Morgen alle ausgezupft.

»Ich glaube nicht, dass Sie an PCOS leiden«, sagte sie. »Weitere Symptome wären in diesem Fall eine Gewichtszunahme und Akne. Aber wenn Sie sich dann besser fühlen, können wir ein paar Untersuchungen durchführen und Blut abnehmen für einen Hormontest.«

Sie gab mir einen Termin für eine Ultraschalluntersuchung und zapfte ein bisschen Blut ab. Ich wurde ganz aufgeregt. Es wäre fantastisch gewesen, wenn man eine medizinische Ursache hätte feststellen können. Von der offiziellen Diagnose bis zur Heilung wäre es nur noch ein kleiner Schritt gewesen, und ich hätte mich nicht länger verrückt machen müssen.

Aber leider zeigte der Ultraschall keinerlei Auffälligkeiten an meinen Eierstöcken. Auch keine Zysten. Ganz zu schweigen von versteckten männlichen Testikeln. Und als mich meine Frauenärztin später wegen des Bluttests anrief, teilte sie mir mit, dass auch mein Hormonspiegel völlig normal sei.

»Normal? Sind Sie sicher?«

»Völlig normal.«

Meine Ärztin war also der Ansicht, es wäre völlig normal, ein haariges Monster zu ein. Ich war erleichtert, aber auch entsetzt und irgendwie verloren.

Trotzdem konnte ich das Lasern einfach nicht lassen und setzte meine Behandlung in einem Studio namens American Laser auf dem Broadway Nähe Twenty-second Street in Manhattan fort. Im Wartezimmer lagen stapelweise Zeitschriften wie People und OK!, und ich bin überzeugt davon, dass man sie dort ausgelegt hatte, damit ich Kim Kardashians porentief reinen und härchenfreien Teint bewundern konnte. Sie sollten mich in die richtige Stimmung bringen, um mir den Körper mit einer Lasermaschine beschießen zu lassen, von der ich nicht einmal ansatzweise wusste, wie sie funktionierte.

Ich mag diese Zeitschriften nicht. Ich halte sie für geistlos und reine Zeitverschwendung, was vor allem daran liegt, dass ich mich stundenlang in ihren Bann ziehen lasse und dann am Ende immer schuldig fühle, weil mich die Anzahl der Stunden, die Angelina Jolie ihre Kinder pro Tag einem Kindermädchen überlässt, mehr interessiert als die Ursachen für die Einbrüche in der Wirtschaft.

Ich kam also mit dem haarlosen Covergirl vor Augen ins Behandlungszimmer und bat die Laser-Lady, das Ding so stark wie nur möglich einzustellen, ohne meinem Gesicht dadurch einen permanenten Schaden zuzufügen.

»Das wird aber wehtun«, sagte sie.

»Ist mir egal«, sagte ich.

»Sagen Sie Bescheid, wenn es zu viel ist«, sagte sie.

»Es ist nie zu viel!«, schrie ich.

Das Haarproblem hatte die Psychopatin in mir geweckt. Nirgendwo sonst habe ich mich je so benommen, mit Ausnahme der Küche vielleicht. (Wenn ich backe, werde ich auch gerne ein bisschen herrisch.)

Das American Laser Studio war im selben Gebäude untergebracht wie eine Castingagentur, weshalb ich im Aufzug nach oben manchmal so tat, als würde ich leise eine Szene aus Endstation Sehnsucht vor mich hin sprechen. Dabei trug ich mit einem Blick in den Spiegel etwas Labello auf, nur damit niemand auf die Idee kam, ich könnte mich lasern lassen.

Nein, du Vollpfosten, ich habe kein Haarproblem. Ich bin Schauspielerin!

Selbst dem Typ, mit dem ich ab 2008 fest zusammen war, Dave, habe ich es nicht verraten. Die Kärtchen mit meinen Laserterminen warf ich sofort weg, und wenn ich sie in den Kalender eintrug, benutzte ich einen verschlüsselten Code – »Essen mit Leslie« oder einfach nur ein Ausrufezeichen.

Als wir 2010 zusammenzogen, brachte das eine ganz neue Herausforderung mit sich. Die engen räumlichen Verhältnisse drohten mein Geheimnis ans Licht zu bringen, weshalb ich gezwungen war, meine haarigen Missionen so unauffällig wie eine verdeckte Operation der Navy SEAL