Ich glaub, mich tritt ein Kind! - Lisa Harmann - E-Book

Ich glaub, mich tritt ein Kind! E-Book

Lisa Harmann

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Beschreibung

Da hast du Sex in the City und dann wird da echt ein Baby draus! Es gibt zahlreiche Schwangerschaftsratgeber, Hebammen-Sprechstunden und Arzttermine in den neun Monaten bis zur Geburt. NUR: Niemand beantwortet die wichtigen Fragen wirklich adäquat. Bis jetzt! Caro, schwanger, bittet Lisa, dreifache Mutter, zum Rapport. Denn werdende Mütter wie Caro haben auch die Sorge, ihr Leben könne nach der Geburt vorbei sein. Dabei fängt es auf gewisse Weise ja erst an ... Es geht hier nicht nur um die Schwangerschaft selbst, sondern das große Ganze: Was kommt da auf mich zu? Dieses Buch beschreibt den Seiltanz der Gefühle zwischen Vorfreude und Panik und kommt zu dem Schluss: Das Leben wird anders! Das heißt aber nicht, dass es weniger aufregend wird. 

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Seitenzahl: 322

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Lisa Harmann

Caroline Rosales

ICH GLAUB, MICH TRITT EIN KIND!

Bekenntnisse einer Schwangeren …Und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter

Deutscher Taschenbuch Verlag

Originalausgabe 2013

© 2013 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

eBook ISBN 978-3-423-41637-5 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-34760-0

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website

www.dtv.de/ebooks

Gewisse Namen und Orte wurden aus personenschutzrechtlichen Gründen verfremdet oder verändert.

»Der Muttertrieb ist gefährlicher als die Atombombe.«

Loriot

Vorwort

Als ich schwanger wurde, wollte ich sein wie Lisa.

Lisa, Journalistin, hat drei kleine Kinder, ist blond, superschlank, immer gut gelaunt und dabei ärgerlicherweise nicht mal 30!

Also eigentlich wie die Mami aus einer US-Komödie. Zu schön, um echt zu sein. Eigentlich will und sollte man sie hassen. Geht aber nicht. Weil sie so lustig und auf dem Boden geblieben ist. Und deswegen will jede Lisas Rat. Weil jede Mutter auch ein bisschen Lisa sein will. Ich eben auch … (Caro)

Ich beneidete Caro um ihre Schwangerschaft.

Täglich schleppte ich mich und meine drei Kinder mit Zwillingswagen samt Kiddyboard plus fünf Tüten Sandpielzeug, Fläschchen, Knabberzeug zum Spielplatz und ließ mich von der Realität einholen.

Caro, der superhippe Lockenkopf, würde demnächst also auch über Windeln diskutieren. Am besten mit mir, fand ich, denn es gibt nicht viele Menschen, die aus einem derartig wilden, zielstrebigen Leben herausgerissen und durch eine Schwangerschaft in eine neue Welt geschubst werden. Ich erkannte mich da wieder. Und wollte noch einmal dabei sein … (Lisa)

Mit der Schwangerschaft betreten wir eine Welt, von der wir bislang nicht wussten, dass sie existiert. Eine Welt, in der wir fast täglich denken: Was soll DAS denn jetzt? Ich glaub, mich tritt ein Kind!

»Haben Sie noch Fragen?«, leierten unsere Frauenärzte nach dem ersten Ultraschall herunter, während wir uns noch das Glibbergel vom Bauch wischten.

Und: O ja. Wir hatten Fragen.

Unendlich viele.

Wir fanden etliche Infos zu Bauch und Baby – nichts aber zum Lebensgefühl Schwangerschaft. Wie läuft das jetzt mit der Gleichberechtigung und dem Papi? Verkraftet mein Job das unter Umständen? Warum sehen wir schwanger plötzlich nur noch Schwangere? Sollen wir uns freuen, dass wir plötzlich die Behindertentoilette nutzen dürfen? Ist meine Lieblingsjeans nun ein Fall für den Altkleider-Container? Werde ich eine dieser nervösen Mamis, die ständig nur noch über ihre Kinder reden? Wie werde ich wieder lässig? Übertreibe ich?

Das war der Moment, in dem die schwangere Caro auf Lisa traf. Zwei 29-Jährige. Die eine Karriere-Girl mit Freude am Exzess. Die andere Dreifachmutter mit Job und Ehe. Lisa war die Frau von Caros Arbeitskollegen.

»Glückwunsch zur Schwangerschaft«, schrieb sie eines Tages ins Chatfenster.

Und Caro offenbarte: »Danke. Ich wollte dich längst anschreiben, hab mich aber nicht getraut. Weil bestimmt jeder dich mit Fragen nervt …«

Lisas Antwort folgte prompt: »Frag, frag, frag!«

Und nach vielen Mailwechseln kam uns die Idee, noch mehr Frauen an diesem Austausch teilhaben zu lassen. »Lass uns doch ein Buch draus machen!«

Hier ist es.

Erste Phase:ZEIT DES NEUBEGINNS. LOS GEHT’S

1.Da hast du Sex in the City –und dann wird da echt ein Baby draus!

Liebe Lisa,in einem indischen Ashram, nach stundenlanger Meditation und Selbstreinigung, würden wir uns in zügelloser Leidenschaft verlieren und auf einer bunten Matratzenlandschaft zwischen Räucherstäbchen und Sikh-Gesängen das Wunder der Zeugung vollbringen und unsere Liebe krönen.

Tja, so oder so ähnlich hatte ich es mir vorgestellt, wie mein Freund und ich einmal Baby-Sex haben sollten. Eine unvergessliche Nacht. Oder zumindest ein unvergesslicher Nachmittag. Oder zumindest irgendwas, an das ich mich überhaupt erinnern kann. Ich meine, sollte der Moment der Zeugung nicht ein total wichtiger sein, bei dem man halb erleuchtet ist und an den man sich als Paar für immer gemeinsam erinnert? So dachte ich auf jeden Fall bisher. Das Dumme ist: Ich bin jetzt in der achten Woche schwanger und habe keinen blassen Schimmer, wann es passiert ist.

Ich fürchte nur, es war dieses viel zu gemütliche unbedeutende Wochenende, an dem mein Freund und ich zu Hause waren. Samstagnachmittag. Oder auch Sonntagmorgen. Ich packte meine Koffer, um am Montag für zwei Monate nach China für einen Sprachurlaub zu fliegen. Er hatte zwischen spätem Frühstück und dem HSV-Spiel auf dem Sportkanal noch ein bisschen Zeit für mich. Irgendwo zwischen Bett, Sofa, nicht aufgehängter Wäsche, Einkaufstüten und Duschkabine wird es dann wohl passiert sein. Die Zeugung unseres Babys. Wir hätten es besser planen können. Und vor allem besser wissen sollen. Wir benutzten keine Kondome. Mit der Pilleneinnahme nahm ich es nicht so genau, weil’s mir mit 29 auch langsam ein bisschen egal war.

Tja, so leicht kann’s gehen. Zehn Minuten Sex – und dann gleich der Hauptgewinn.

Lustigerweise war ich am Tag davor – kurz vor der langen Reise – noch zur Kontrolluntersuchung beim Frauenarzt gewesen. »Wenn Sie sich ein Kind wünschen, wird das sehr schwierig für Sie, Frau Rosales«, hatte der Doc mich aufgeklärt. »Sie haben einen unregelmäßigen Zyklus und Ihre Gebärmutter ist nach hinten geneigt.« Er griff nach einem kleinen Prospekt auf seinem Tisch. »Sollten Sie Fragen zu einer Fertilitätstherapie haben, sprechen Sie mich an.« Ich war kurz verwundert. »Ich bin doch erst 29«, entgegnete ich. »Ja, eben«, raunte er zurück. »Es wird ab jetzt von Jahr zu Jahr schwieriger für Sie.« Etwas enttäuscht hatte ich die Praxis daraufhin verlassen. Dass mein Frust über diesen Idioten nur zwei Wochen halten sollte, konnte ich ja an diesem Tag noch nicht ahnen.

Fazit für mich: Irgendwie toll, dass immer alles anders kommt und Mutter Natur den kleinsten, noch so unbedeutenden Quickie ohne Sterne-Gucken und Sich-in-die-Augen-Schauen gelten lässt. Beim nächsten Kind will ich aber Champagner, Satin-Bettwäsche und ein Feuerwerk. Mindestens.

Wie war das denn bei euch so?

Liebe Caro,echt rührend, wie romantisch deine Zeugungsvorstellungen sind. Ich habe mir um diesen Moment eigentlich nie groß Gedanken gemacht. Aber ich kenne tatsächlich Frauen, die meinen, sie könnten schon beim Vollzug ihrer Ehe merken, dass es mit dem Baby diesmal geklappt hat. Viel mehr noch: dass sie bereits im Moment der Zeugung spüren, ob es ein Mädchen oder ein Junge werden würde. Das sind genau die Frauen, die später auch von einer »psychischen Nabelschnur« sprechen. Nabelschnur? Psychisch? Was wie ein Thriller klingt, soll einfach nur bedeuten, dass sie als Mütter, egal wie viele tausend Kilometer sie von ihrem Kind entfernt sind, spüren, wenn es ihrem Schätzchen mal nicht gut geht … Hach!

Aber das mit der bedeutungsgeschwängerten Zeugungsmoment-Sache scheint nicht nur dir so zu gehen! Neulich war ich auf der Hochzeit eines Freundes und der Brautvater erzählte in seiner Rede doch tatsächlich, was er bei der »Herstellung« seiner Tochter aus dem Fenster sehen konnte – die Spree nämlich, aus einem schicken Berliner Hotel heraus. Da schweifte mein Blick dann doch mal kurz von ihm zur Brautmutter – Reiterstellung? – und ich beschloss: Manche Dinge möchte ich mir einfach nicht vorstellen.

Da können sich meine Kinder durchaus glücklich schätzen, denn derartige Anekdoten werde ich auf ihrer Hochzeit sicherlich nicht erzählen. Weil ich erstens gar nicht mehr wirklich weiß, wann es passiert ist, und weil ich zweitens dabei bestimmt nicht aus dem Fenster geschaut habe. So viel ist sicher!

Ich muss dich also enttäuschen, wenn du von mir eine Feuerwerks-Aha!-das-Ei-ist-befruchtet-Geschichte hören möchtest. Das lief bei uns alles sehr technisch: Nach fünf Monaten ohne Verhütung und ohne Schwangerschaftsanzeichen gab ich bei Google »Fruchtbare Tage« ein und zack – war ich zwei Wochen später schwanger. Klar, ich hatte nachher immer eine Kerze gemacht. Also nicht eine Kerze angemacht, sondern diese Sportübung vollzogen, Beine in die Luft, damit das Bienchen auch zum Blümchen findet. Hatte so ein Gerücht gehört, dass das hilft. Und funktionierte dann ja auch. Aber ich denke, dass Dr. Google da doch mehr geholfen hat als meine Verrenkungen. Und auch wenn Internetsuchmaschinen sonst nicht besonders zuverlässig sind, hier traf mal eine ins Schwarze. Toll!

Also insofern kann ich sogar zurückverfolgen, an welchen Tagen es ungefähr passiert sein muss. Aber Details und das Gefühl »Jetzt ist es passiert!« – nein, damit kann ich nicht dienen. Meine nächste Erinnerung nach dem blauen Strich auf dem Pinkel-Plastikstäbchen, das sich Schwangerschaftstest nennt, war dann: ein fantastischer Geruchssinn. Große zwickende Brüste. Und die Kloschüssel, die für einige Wochen meine beste Freundin wurde.

Ich hab ja nichts dagegen, wenn du nach der nächsten Zeugung ein Feuerwerk zündest, aber freu dich doch einfach erst mal, dass es so schnell geklappt hat. Da hast du dir eine Menge Grübelei erspart, denn einige stellen sich die Frage nach dem Pro und Contra für oder gegen ein Kind ja so lang, bis die biologische Uhr nicht mehr tickt. Der Berliner Autor Malte Welding schreibt zum Beispiel in seinem Buch ›Frauen und Männer passen nicht zusammen – auch nicht in der Mitte‹:

»Es gibt ungeheuer viele Gründe, keine Kinder zu bekommen, wenn man erst anfängt nachzudenken. Hirn ist ein evolutionärer Nachteil geworden.«

Eben!

Gut, dass uns diese Denkerei erspart blieb. Und neben der gedanklichen Abwägung haben wir zudem noch einiges an Geld gespart. So eine Fertilisationstherapie gibt’s nämlich nicht umsonst! Als ich frisch mit den Zwillingen schwanger war und meine Mutter das im Dorf erzählte, da gratulierte die Dame vom Tante-Emma-Laden und fragte: »Hat sie sich datt gegönnt?« Meine Mutter stand auf der Leitung. »Wie bitte?« – »Na, so ’ne In-vitro-Geschichte kostet ja auch …« Es war nicht das letzte Mal, dass ich auf künstliche Befruchtung angesprochen wurde. Zwillinge bedeuten anscheinend automatisch In-vitro für viele. War bei mir aber eben nicht so. Ach, was habe ich mich dann immer gefreut über die gesparten 10 000 Euro. Meine Zwillinge: ein Schnäppchen!

2.Motherfucker:Wie hast du’s deinem Mann gesagt?

Liebe Lisa,mal eine ganz einfache Frage vorneweg: Wie hast du’s eigentlich deinem Kerl gesagt? Ich glaube nämlich, ich hab’s vermasselt. An dem Tag, als ich erfuhr, dass ich schwanger bin, war ich total im Stress. Ein eigentlich banaler Tag, nur eben ein besonders arbeitsreicher, an dem mir tausend Dinge im Kopf rumschwirrten. Ich saß in einem Sandwich-Café in Peking mit meinem Laptop, musste eine Reportage schreiben, von der ich wusste, dass sie nur zur Hälfte was taugt, und putzte mir zur Freude der Umsitzenden alle fünf Minuten die Nase, weil ich eine fette Grippe hatte. Und das im März. Wie unnötig.

Am Abend, als ich endlich meine Jacke anzog und das Café verließ, machte ich noch einen Schlenker über den Drogerie-Markt, um Zahnpasta zu kaufen. Als ich meinen Mini-Einkaufswagen durch die Gänge schob, fiel mein Blick auf eine Regalreihe voller (wohlgemerkt chinesischer) Schwangerschaftstests. Es schnellte mir durch den Kopf wie ein Blitz. Hätte ich nicht vor einigen Tagen meine Regel bekommen müssen? Irgendwie sollte es längst so weit sein.

Also schnell testen.

Auf der Toilette des benachbarten Starbucks.

Ich pinkelte auf den Streifen, wartete 30 Sekunden und schaute dann auf das Testfenster. Nichts! Kein zweiter Streifen. Also, nicht schwanger. Da es auf der Toilette keinen Mülleimer gab, steckte ich den Teststift in meine Jackentasche und rannte zum Taxi. Und dann die Überraschung: Als ich zehn Minuten später vor meiner Haustür aus dem Taxi sprang, um meinen Freund im Hostel abzuholen, wollte ich den Test gerade im Vorbeigehen in eine öffentliche Mülltonne auf der Straße pfeffern, als ich wie angewurzelt stehen blieb. Da war er. Ganz blass und hellrosa, statt dunkelpink wie auf der Packung beschrieben.

Hell erleuchtet vom Neonröhrenlicht einer chinesischen Trinkpäckchen-Reklametafel.

Der zweite Streifen.

Ich glaubte dem Test irgendwie (noch) nicht. Und schmiss ihn weg. Aber die Verwirrung blieb.

Im Hostel angekommen, sagte ich meinem Freund dann kein Wort – genau fünf Minuten lang.

Ich weiß nicht, wie es dir geht, Lisa, aber ich kann vor ihm kein Pokerface machen.

Und wenn ich über etwas grübele, dann soll er es gefälligst wissen, damit er mit mir grübeln kann. Scheiß auf Schmetterlinge! Scheiß auf den Film-Moment!

Ich dachte immer, ich würde es ihm bei einem romantischen Candle-Light-Dinner sagen, den Schwangerschaftstest wie eine Uhr in eine Schmuckschatulle packen und dann verschenken. So hatte ich es mal in einem französischen Film gesehen. Dumm nur, dass wir ausgerechnet den zusammen gesehen hatten. Kreativ fand ich auch, einen Glückskeks zu bestellen, auf dessen Zettelchen steht: Du wirst Vater. Den hätte ich ihm bei einem Besuch im China-Restaurant heimlich zum Nachtisch gelegt. Toll in der Theorie.

Stattdessen saß ich auf dem Hostelbett, während er sich zum Essengehen fertig machte, stammelte von einem chinesischen Schwangerschaftstest, den ich möglicherweise falsch gedeutet hatte und morgen mithilfe eines Lexikons, das man bestimmt irgendwo besorgen könnte, wiederholen müsste. Ich blickte etwas zerknirscht zu ihm.

»Toll, dann werden wir wohl Eltern«, erwiderte er cool.

Ich verzog das Gesicht. Seufzte in dem Wissen, das ich einen geschichtsträchtigen Moment meines Lebens vermasselt hatte, und antwortete: »Vermutlich.«

Zu viel für mich. Auf den Schock-Verwirrungsmoment rauchte ich meine letzte Zigarette auf dem Balkon des Zimmers. Vermasselt ist vermasselt ist vermasselt.

Liebe Caro,zu diesem Thema werden ja viele Geschichten vermittelt. Die Variante Proll geht so:

»Ey Hase!«

»Ja, Schatz?«

»Bist ’n Motherfucker jetzt.«

»Was?«

»Na, ich bin trächtig. Baby im Bauch. Du vögelst ab jetzt ’ne Mutter.«

Der Dialog geht dann sicher noch weiter, enthält aber bereits jetzt so viel Kerninfo, dass ich gern schnell zur nächsten Variante komme. Zum Beispiel die meiner Großtante Irene. Die Variante Tante also – strotzend vor Feinfühligkeit. Als Irene hörte, dass ich schwanger bin, meinte sie als erstes zu meinem Vater: »Da musst du wohl jetzt mit ’ner Oma ins Bett.« Muss man denn selbst bei diesem sensiblen Thema immer gleich an Erotik denken? Ich finde nicht. Klar läuft das nicht immer alles hollywoodreif, hast du ja selbst gemerkt. Aber immer gleich in die Kerbe Sex hauen? Hm. Bei mir und meinem Mann, also im echten Leben, da war das auf jeden Fall viel romantischer.

Ich kam nach einem langen Tag von der Journalistenschule nach Hause. Hatte den Interviewtermin des Pathologen sogar geschwänzt, weil ich müde war und keine Lust auf eine Reportage über Leichenschneider hatte. Mein Freund begrüßte mich überschwänglich. »Afrika klappt! Wir können auf einer Farm in Lesotho anfangen. Du darfst mit Touristen ausreiten, ich helfe bei den Gästezimmern und auf dem Hof.« Ich sagte: »Oh, dann geh ich jetzt erst mal ’nen Test machen.«

Ich war überfällig. Ich hatte schon seit Langem einen Schwangerschaftstest zu Hause rumfliegen. Denn ich wollte schwanger sein. Dann tat ich also, was auf der Packungsbeilage stand, und ein kleiner blauer Strich veränderte mein Leben. Schnell war klar, was da stand. So klar, dass ich beinahe die Benutzung von Toilettenpapier vergaß und mit runtergelassener Hose rausgerannt wäre. Lisa! Tief atmen. Noch mal zurück zur Kloschüssel. Ohgottohgottohgott. Ich schaffte es dann doch noch ordentlich raus aus dem Bad. Ich stand im Türrahmen zum Wohnzimmer. Hose oben, wo sie hingehörte. Ich muss komisch gegluckst haben, schlug die Hände vor den Mund. Mein armer Kerl. »Wie? Schwanger, oder was?« – »Tja« antwortete ich und zog die Schultern hoch. »Wie sicher ist das?« – »Da steht 99 Prozent.« – »Krass.« Mein erstes Freudentränchen blieb ungetrocknet, denn mein Freund (damals noch Freund) tigerte durch die Wohnung, hin und her wie ein traumatisiertes Zootier im Käfig. »Komm, wir kaufen noch ’nen neuen zur Sicherheit«, meinte er schließlich, ganz aktionistisch. »Okay.«

Es ist süß, Männer in solchen Situationen zu erleben. Sie wollen immer etwas TUN. Wir zogen uns an. Es war November, ich erzählte der Apothekerin aufgeregt mein Leben. »Ich. 23 Jahre alt. Verliebt. Schwanger. Test. O Gott.« Sie verkaufte mir einen neuen Test, gratulierte, und ich dachte: Es kann doch nicht sein, dass die Apothekerin das vor meiner eigenen Mutter weiß!

Wir wohnten damals noch in Berlin-Friedrichshain, fuhren mit neuem Test im Auto erst einmal zum Treptower Park und waren die einzigen Menschen dort. Nasskaltes Novemberwetter. Wir hielten Händchen und dachten an Kinderwagen. Wir kamen am Biergarten »Eierschale« vorbei, mein Liebster musste pinkeln. Und während er zur Toilette verschwand, ging ich zu einem Tisch mit Schirm darüber. Dort stand ja jemand! Stand der da grad schon oder war das hier alles ein Film? Ich sagte: »Ich hätt’ gern zwei Gläschen Sekt«, und er hatte welchen. Mit Plastik-Gläsern stießen wir dann auf unsere Zukunft an. Mitten im Park. Wie in Trance vor lauter Gefühlen. Dann fing es – kein Witz – zu regnen an. Es hätte nur noch gefehlt, dass der Soundtrack aus ›Die fabelhafte Welt der Amélie‹ erklungen wär’ und wir wirbelnd zu tanzen begonnen hätten … Zu kitschig, um wahr zu sein.

3.Kleine Brülltonnen –Wird mich mein Baby so nerven wie fremde Kinder?

Liebe Lisa,auf die Gefahr hin, dir als junger Mutter von drei bezaubernden blonden Engeln das Herz zu brechen: Ich hasse kleine Kinder. Wenn sie im Supermarkt laut rumschreien, ihren matschigen Kinderkeks auf dem Bahnsitz verteilen oder im Café die Aufmerksamkeit meiner Mami-Freundin einnehmen, die sich mehr darüber freut, dass ihr kleiner Benni ihr gerade auf die Schulter gesabbert hat, als über meinen neuen Job. Aber, fein.

Eigentlich war ich bislang immer sehr zuversichtlich, meine Schwangerschaft würde meine Hassgefühle gegenüber fremden plärrenden Kindern in der Öffentlichkeit von einer Sekunde auf die andere einstellen – aber nichts da! Dass ich übrigens mit dieser gemeinen Haltung nicht allein bin, zeigt mir der Comedian Michael Mittermeier (›Achtung Baby!‹), der den Begriff des Arschlochkindes prägte.

Ich meine, mal ehrlich, Lisa! Da sitze ich am Sonntagnachmittag mit Freunden im Biergarten Prater in Prenzlauer Berg bei einem schwangerschaftsfreundlichen alkoholfreien Radler, als plötzlich zwei dreijährige Jungs in Latzhosen anfangen, die Leute am Nebentisch mit Kies zu bewerfen. Irgendwann trottet dann der Vater mit einer Mischung aus Müdigkeit und Genervtheit an den Tisch, entschuldigt sich bei den Leuten und sagt seinen Jungs auf die Gefühlvoll-Pädagogische, dass sie das lieber lassen sollen. Ganz toll.

Seitdem habe ich neu über Nerv-Kinder nachgedacht. Denn höchstwahrscheinlich können die kleinen Monster ja gar nichts dafür, dass sie völlig schamlos herumheulen, Menschen belästigen und eine Qual für ihre Umwelt sind. Ich weiß, euch Eltern darf man so was ja nicht sagen: Aber wahrscheinlich seid ihr einfach zu lasch und weich gekocht von eurem Pausbäckchen-Alter-Ego.

Meine Bekannte kommt zum Beispiel aus einer reichen, strengen syrischen Familie. »Als ich vier Jahre war, hatte ich ein kleines Tutu an und habe für die Freunde meiner Eltern Ballett getanzt«, erzählte sie mir neulich. Gut, dass Farah heute eine hoffnungslos unstetige Malerin ist, die immer Geld, Ruhm und Exzess braucht, lasse ich jetzt mal beiseite. Aber wie man sieht, ist das mit den kleinen Brülltonnen in der Bahn doch eine Frage der Erziehung, die nicht unbedingt zu verklemmten Spießer-Vorzeige-Schwiegertöchtern führen muss.

Warum erwartet ihr Eltern immer, dass alle Umstehenden Tränen des Mitgefühls vergießen, weil eurem Baby gerade ein Furz quer sitzt?! Tragt doch euer Baby einfach aus der Bahn, wenn es schreit, dann würden wir (Noch-)Kinderlosen uns weniger über kleine Quälgeister aufregen!

Stattdessen kniet ihr euch hin und sagt so lange Sachen wie: »O Elias, hast du Aua?«, bis auch der letzte besoffene Fahrgast-Penner an eurer Zurechnungsfähigkeit zweifelt.

In New York – habe ich letztens in einem Film gesehen – geht es, was das angeht, übrigens noch irrer zu. Da lernen Mütter in irgendwelchen versnobten Baby-Schulen, dass es am besten ist, mit dem Baby oder dem Kleinkind mitzuweinen. Das heißt, sobald Baby losheult, tut Mami so, als würde sie auch ganz, ganz traurig sein und heult laut mit wegen der ach so wichtigen Mutter-Kind-Bindung.

Für mich steht fest: So werde ich nicht. Ich werde vernünftig mit meinem Baby reden, damit es sich direkt daran gewöhnt. Ich werde mich tausend Male entschuldigen, wenn mein Kind einen Fremden ankotzt, und mich nicht so verhalten, als wäre es das Normalste der Welt, auf der Café-Toilette eine Kack-Windel zu wechseln. Das muss man doch hinkriegen! Oder etwa nicht?

Auf der anderen Seite bin ich mittlerweile auch gar nicht mehr so sicher, wie es mit meinem eigenen Baby wird. Ich meine: Es ist nicht so, dass mein ungebremster weiblicher Hass auf plärrende Kinder mir selbst keine Sorgen macht. Von meiner Bekannten Nadja habe ich sogar gehört, dass es in den ersten Monaten fast mit ihr durchgegangen wäre. Nadja hatte ein Schreikind – wie geschätzte zehn Prozent aller Mütter. Das sind Babys, die laut Ärzten mindestens drei Stunden am Tag durchweinen. Nadja erzählte mir, dass sie in der ersten Zeit sogar Selbstmordgedanken hatte und ihr Kind am liebsten gegen die Wand geworfen hätte. Ich meine, nicht, dass wir uns falsch verstehen. Nadja ist keine Klischee-Asi-Mutter, die vormittags Bier trinkt und ihr Baby alleine lässt, um ihre Pfandflaschen zu Penny zu bringen. Im Gegenteil: Sie ist Akademikerin und Nachrichtenredakteurin für einen großen deutschen Fernsehsender und im echten Leben eher ein zurückhaltendes Mäuschen. Ich dagegen bin eigentlich eher impulsiv und eine Frau der Tat – was das alles nur noch schlimmer machen dürfte. Die Frage: Wird mich mein eigenes Baby genauso nerven wie die Kinder in der Bahn? Und schlimmer noch: Werde ich darüber sogar gewalttätig, weil ich das arme schreiende Baby als Zielscheibe meines angestauten Mutterfrustes sehen werde? Werde ich am Ende sogar eine Sadisten-Mutter, über die man dann in der Zeitung liest? Oder werde ich so eine weich gespülte, resignierte »Hast du Aua«-Mutti?

Habe ich etwas komplett missverstanden? Und jetzt sag mir nicht, dass mein aufkeimendes Mama-Gen mich am Ende doch in die Knie zwingen wird! Bist du etwa genau so Eine? Jetzt mal ehrlich! Die Wahrheit, bitte, die schonungslose!

Liebe Caro,sag mal, kannst du eventuell deinen Frauenarzt fragen, ob er dir ein paar mehr Schwangerschaftshormone spritzen kann? Du beschreibst meine Kleinen als »bezaubernde blonde Engel« und sagst im gleichen Atemzug, dass du Kinder hasst. Das macht mir Sorgen!

Allerdings: solche wie du sind meistens die schlimmsten. Machen in der Schwangerschaft einen auf hart und werden dann die überzeugtesten Übermütter der Nation. Tofufütternde Löwenmütter, die ihre Kinder wie rohe Eier behandeln. Warte nur ab. Du wirst nicht gewalttätig, im Gegenteil.

Lustigerweise ist mir das mit dem Prater-Biergarten in der letzten Woche just so passiert, wie du es beschreibst. Mein Mann hatte Besuch von alten Kumpels aus der westfälischen Heimat. Ich wollte sie auch mal wiedersehen, wir hatten aber keinen Babysitter und so schleppte ich die Kinder gegen 18 Uhr einfach mit. Du musst wissen: Kinder entwickeln oft eine Eigendynamik, die du nur schwer steuern kannst, besonders wenn sie in einer Gruppe unterwegs sind. Einer wirft ein Steinchen, dann der nächste, das ist ein bisschen so wie in Berlin-Kreuzberg am 1. Mai. Mein Pech war, dass unsere Freunde die ersten Steinchenwürfe beobachteten und – Todsünde! – mit Lachen reagierten. Ein Freifahrtschein für meinen Nachwuchs! Noch ein Stein, Gegröle, noch einer und so weiter. Mir blieben zwei Möglichkeiten: aushalten und locker bleiben. Oder Kinder packen und ab nach Hause. Nur: Damit wäre ja auch mein Abend versaut gewesen!

Die von Außenstehenden als dritte Option betrachtete Möglichkeit, die Kinder zu ermahnen und damit von ihrem Tun abzuhalten, gibt es in der Realität kaum. Man hätte dann eher mindestens zwanzig Minuten lautstarkes Geheule und Geschrei und müsste versuchen, drei Kinder auf einmal zu bändigen.

Was mich daran ärgert: Egal, was die Kinder in der Öffentlichkeit anstellen, ob sie jemanden als »Kackamann« bezeichnen oder eine Auto-Alarmanlage auslösen – immer sind gleich die Eltern schuld. »Können Sie nicht mal aufpassen!«, heißt es dann. Statt den Kindern selbst die Ohren lang zu ziehen. DIE bauen doch hier gerade Scheiße, nicht ich. Und man höre und staune: Ja, die haben einen EIGENEN Charakter, der sie lenkt. Trotzdem entschuldige ich mich brav beim Nachbartisch im Biergarten für die Steinewurf-Aktion. Und halte damit den Kopf hin für etwas, das ich gar nicht getan habe. Wäre ja auch okay so, wenn ich denn dann auch den Stolz zur Schau tragen dürfte, wenn meinem Kind etwas gelingt. Aber hast du schon einmal eine Mutter gesehen, die nach dem Theaterauftritt ihres Jüngsten aufgestanden ist und sich selbst hat feiern und applaudieren lassen, weil sie seit sechs Wochen immer wieder denselben Satz mit ihrem Kind geübt hat und ihm täglich sein Lampenfieber von der Stirn gestreichelt hat? Das ist das Undankbare an diesem Mutterjob: Für dich klatscht keiner. Für Schlechtes musst du aber geradestehen. Ist das nur mein subjektives Empfinden oder stimmt daran tatsächlich etwas Grundlegendes nicht?

Ich bin in einem wenig autoritären Kinderladen im Westberlin der 80er-Jahre groß geworden. Da kam es schon vor, dass mein großer Bruder zu Hause anrief und sagte: »Hey Mama, wir haben die Erzieher gefesselt, du kannst uns abholen kommen.« Geweint haben unsere Eltern trotzdem nicht mit uns, wie du es aus New York beschreibst. Davon habe ich noch nie gehört! Dass Eltern aber mitunter mitfühlend und kindisch werden, das kann ich schon bestätigen. Meine Freundin Svenja erzählte mir neulich, ihr Sohn Finn habe sich mit einem anderen Jungen auf dem Spielplatz um eine Schaufel gestritten, was die Mutter des Jungen veranlasste, Finn mit Sand zu bewerfen. Eine Mutter wirft Sand auf ein Kind! Es ist unglaublich, aber manche Mütter sind so! Oder nein, Caro, sie sind nicht so. Sie werden so. Mach dich da auf was gefasst.

Du musst ja nicht mit Sand auf fremde Kinder werfen, aber so ein bisschen »Hüddeldüddel«-Sprache wirst du dir schon aneignen, ob du willst oder nicht. Du sagst zwar, du möchtest mit deinem Baby vernünftig reden, aber was, wenn es nur »Hmm, bähh, ba, ba« antwortet? Das Wort »Hund« geht einem Kind eben nicht so leicht über die Lippen wie »Wau wau«, und wusstest du, dass es für diese veränderte Elternsprache sogar einen Fachbegriff gibt, nämlich »Ammensprache«? Die Tonlage wird höher, die Intonation übertrieben. »Ja, wer IST denn da? Dutzidutzi?« Dass dich das im Café mit deiner Freundin nervt, wenn du ihr von deinem Job erzählst, kann ich schon verstehen. Warum du dich allerdings über das Wickeln im Café-Klo aufregst, erschließt sich mir nicht. Sei doch froh, dass sie es nicht neben deinem Latte Macchiato tut!

Ach, ich bin ja selbst manchmal so eine Klischeemutti. Da hab ich mal Ausgang ohne Kinder und fahre zum Friseur und rege mich in der Bahn über eine Mutter auf, die mit zwei kleinen Jungs einsteigt. Sie redet sehr laut. Zu laut. Sie betont je-de Silbe. »Janni, wenn dir waaarm ist, dann zieh dir deine Kapuuuze vom Kopf.« Sie redet ununterbrochen sehr laut. Von den Kindern ist kaum etwas zu hören.

Diese Mutter will ganz korrekt mit ihren Sprösslingen umgehen, schießt es mir zynisch durch den Kopf, ihnen gutes Dinkel statt bösen Weizen andrehen, sie möchte sie betont ernst nehmen, obwohl ihre Kinder vielleicht gerade mal zwei und drei Jahre alt sind. Sie wird nicht müde, ihnen jedes einzelne Detail in dieser Straßenbahn zu erklären. In lautem Ton, damit bloß auch die anderen Fahrgäste hören, wie pädagogisch wertvoll sie ihren Nachwuchs erzieht. So weit die Vorurteile, die durch meinen kurzfristig kinderfreien Kopf schwirren.

Als ich aber am späteren Nachmittag selbst in einer Familien-Polonaise mit den Kids eine Bahn betrat, begann ich, ihnen jedes Detail zu erklären, in klarem Ton, damit sie alles verstanden. Ich meine, hey, hier ging es schließlich um meine Kinder! Und erst nach einiger Zeit platzte dann die Erinnerung in meinen Mama-Egoismus. An die Straßenbahnszene an meinem kinderfreien Vormittag. Ich erinnerte mich an die nervige Vollblutmutti und merkte: Verdammt, ich bin auch nur eine Mutter. Dir wird es ähnlich gehen, Caro, glaub mir.

4.Mein Kerl ist ein Traum –Aber muss ich ihn wegen des Kindes jetzt auch gleich heiraten?

Hey Lisa,ich habe es heute meinem Chef gesagt! Dass ich schwanger bin! Und rate mal, was seine erste, spontane Reaktion war. Er fragte: »Und, heiratet ihr jetzt auch?«

Und ich war total baff. Mit der Frage hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich stammelte so etwas wie: »Ja, also vielleicht.«

Chef-Deutsch, versteht sich. Immer vage, aber betont freundlich bleiben. Ich meine, was antwortet man auf so eine Frage schon?

»Dafür müsste ich mich erst einmal scheiden lassen.«

»Geht nicht, weil ER noch verheiratet ist.«

»Ich habe ihn gefragt, aber er meinte, er hat noch nicht mit genügend Frauen geschlafen.«

»Ich glaube nicht, dass er der letzte Mann sein sollte, mit dem ICH ins Bett gehe.«

»…«

Aber mal ganz ehrlich, Lisa: Ich halte nicht wirklich viel vom Heiraten.

In meinem Lieblingsfilm ›Krieg und Frieden‹, der Version mit Audrey Hepburn, sagt Fürst Andrej Bolkonski zum Grafen Peter Besuchow: »Heirate nie, Pierre. Sonst geht alles Schöpferische in dir zugrunde.«Den Satz habe ich das erste Mal mit zwölf Jahren gehört, als der Streifen während der Weihnachtsfeiertage im Öffentlich-Rechtlichen lief, und seitdem wie ein Mantra in Erinnerung behalten.Weil Heiraten ja doch irgendwie angestaubt ist und einen beschränkt. Oder um es mal mit den Worten von J. R. R. Tolkien zu sagen: »Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkle zu treiben und ewig zu binden.«

Haha! Ja, ich weiß, findet eine verheiratete Frau wie du nicht lustig. Aber das liegt auch daran, dass ihr Ehefrauen ein Image-Problem habt.

Ehefrauen flirten nicht.

Ehefrauen sind ständig eifersüchtig und kommandieren ihren

Kerl rum.

Ehefrauen tanzen nicht bis acht Uhr morgens in Diskos.

Ehefrauen ziehen immer dasselbe an.

Ehefrauen fangen Sätze mit »Wir …« und »Also, mein Mann

und ich …« an.

So ist das. Und weil ich auf das alles, bis vielleicht auf das Herumkommandieren, keine Lust habe, lasse ich mich nicht wegheiraten. Punktum.

Oder sollte ich etwa doch? Es ist halt so im Moment: Bis dato hatte ich nie einen Zweifel an meiner Anti-Ehe-Haltung. Doch jetzt, wo ich schwanger bin, beginne ich, über ein paar Dinge nachzudenken. Wird es mein süßes Baby nicht besser finden, wenn Mama und Papa verheiratet sind? Ich meine, klar gibt es heutzutage so viele Modelle: Patchwork-Familien, zwei Mamas, zwei Papas, Alleinerziehende – aber finden es Kinder nicht immer schön und beruhigend zu wissen: »Ah, Mama und Papa, die sind verheiratet – die gehören also (theoretisch) für immer zusammen. Die trennen sich nicht mal eben so.«

»Kinder sind konservativ«, hat mal einer der Erfinder der ›Sendung mit der Maus‹ in einem Interview gesagt. Sie wollen nicht, dass der kleine blaue Elefant morgen gelb und übermorgen rosa ist. Ein bisschen sollten sich deshalb auch Mama und Papa danach richten. Denn Kinder brauchen so viel Halt und Sicherheit wie möglich. Und diese Sicherheit ist vielleicht auch die Ehe ihrer Eltern. Oder liege ich da falsch?

Auf der anderen Seite gibt es da natürlich noch den nicht unbeträchtlichen Druck der Umwelt, deren Weltbild ohne Trauschein völlig durcheinandergerät. Nicht nur der Chef, sondern auch Freunde, Familie, Kollegen und Bekannte fragen uns in letzter Zeit öfters mal: »Wollt ihr nicht heiraten?« Oder schlimmer noch: »Warum seid ihr eigentlich nicht verheiratet?« Bei letzterer Frage schwingt immer mit: »Na, wollte er dich nicht?«, oder: »Seid wohl doch nicht so verliebt, wie ihr immer tut.«

Schande, Schande!

Fazit: Wenn man als Paar mit Kind nicht auf jeder Dinner-Party in bestimmten Kreisen einen peinlichen Moment der Stille am Tisch erzeugen will, sollte man wohl besser schnell einen Termin im Standesamt machen.

Aber muss das wirklich sein?

Gut, zugegeben: Heiraten, die öffentliche Bekundung der Liebe, ist natürlich furchtbar romantisch. Dagegen kann und darf niemand etwas sagen. Und, hey, mit mehr als 18 Millionen Ehen in Deutschland ist sie immerhin noch die häufigste Form des Zusammenlebens von Paaren. Aber kommen wir doch mal zum Punkt: Ich bin verliebt. In meinen Freund. In unser Leben. In das Baby, das in meinem Bauch heranwächst. Aber muss ich deshalb gleich heiraten? Oder anders gefragt: Gibt es wirklich richtig gute, wichtige Gründe, die für die Ehe sprechen, wenn man ein Kind hat? Was denkst du, Lisa, als glücklich verheiratete Dreifach-Mami? Überzeug mich doch, wenn du kannst!

Herrje, Caro,du sagst es doch selbst: Es gibt tausend Formen des Zusammenlebens, tausend Möglichkeiten, glücklich oder unglücklich zu werden. Und wenn es sich für dich ohne Trauschein im Moment so gut anfühlt, warum lässt du dir dann von den Leuten da reinreden? Du bist doch sonst nicht so! Oder weichen dir deine Hormone gerade dein Emanzenhirn auf? Es klingt jedenfalls nicht sonderlich überzeugend, wenn du Heiraten als »furchtbar romantisch« bezeichnest. Besonders das erste Wort sollte dir in diesem Zusammenhang zu denken geben …

Ich kann dich aber beruhigen. 2010 kam fast jedes dritte Kind in Deutschland unehelich zur Welt, in den neuen Bundesländern sogar sechs von zehn Kindern, also über die Hälfte. Und du bist zwar kein gebürtiger Ossi, wohnst aber immerhin in einem Teil Berlins, der früher zur DDR gehörte. Du bist also in guter Gesellschaft, mal von mir abgesehen. Ich, die es toll findet, verheiratet zu sein. Die es aber genauso toll findet, wenn jemand ohne Ehe glücklich ist. Euer Kind jedenfalls wird sich für euren Trauschein nur interessieren, wenn es ihn in den Mund nehmen und ansabbern darf. Die höhere Bedeutung ist ihm pups-windel-egal.

Früher, da war das noch schwieriger: Wenn man unverheiratet Kinder bekam, musste der Vater das Kind nach der Geburt noch adoptieren. Aber das ist heute nicht mehr so, der Vater kann schon vor der Geburt beim Standesamt seine Vaterschaft erklären – rein formal gibt es also keinen Grund mehr für die Ehe. Nur: Eine Hochzeitsentscheidung fällt ja bei den meisten nicht aus formalen Gründen, sondern aus Liebe.

Das ist eine andere Ebene.

Die nehme ich ernst.

Eine Ehe als Dach über einer großen Liebe, das auch mal Regen und Donner abhält, wenn es gewittert, das ist schon was Feines. Aber neben dem Schutz, den dieses Konstrukt bietet, muss auch jeder schauen, wie er mit der Last des Lebenslänglichen umgeht. Für mich war es zum Beispiel leichter zu heiraten, als ich schon schwanger war, weil ich dachte: Durch das Kind sind wir eh für immer verbunden. Die Liebe war riesig, ja, aber ich denke, bis zur Hochzeit hätte es ohne Bauch noch einige Zeit gedauert. Ich freue mich bis heute über unseren Mut, besonders wenn ich in der ›Süddeutschen Zeitung‹ in einem Artikel über Paartherapien lese:

»Der klassische Grund für eine Krise bei Paaren ist die Geburt eines Kindes. […] Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer: ›Die Integration eines Dritten kann ein Paar überlasten und gleichzeitig den Druck verstärken‹ – man trennt sich eben nicht so leicht, wenn man Verantwortung für Kinder hat. Je mehr Kinder im Haushalt leben, desto kleiner ist laut einer Studie die Wahrscheinlichkeit einer Trennung.«

Es sieht also gut aus für mich und meinen Mann. Bei drei Kindern haben wir die Statistik auf unserer Seite und große Chancen, beieinanderzubleiben. Und nicht zu denen zu gehören, die die Scheidungsrate 2010 explodieren ließen. Elf von 1000 Ehen wurden laut Statistischem Bundesamt in diesem Rekordjahr getrennt, so viele wie nie zuvor. Ob in diesen Fällen Kinder eine Rolle spielten? Wer weiß, laut Schmidbauer sind sie immerhin ein Risikofaktor. Durchaus nachvollziehbar, denn zum einen ist ein Baby einfach anstrengend – Schlafmangel, die Last der Verantwortung und die veränderten Rollen ergeben einen prima Nährboden fürs gegenseitige Anzicken. Und zum anderen kommt in der Begleitung eines eigenen Kindes plötzlich die eigene Erziehung wieder hoch. Da kann sich der Akademiker bei der Heirat seiner intelligenten Frau noch so sicher gefühlt haben: Wenn er aus einem liberalen Elternhaus kommt und sie aus einem konservativen, dann prallen Erziehungsansichten aufeinander, die durchaus zu »unüberbrückbaren Differenzen« führen können.

Ich finde, das Kind darf im Auto essen.

Und ich finde, du bist zu lasch, wenn du nicht mal das verbieten kannst.

Dafür finde ich, dass du das Kind nicht anschreien darfst.

Und ich finde, du lässt dir von ihm auf der Nase herumtanzen.

Na, hab ich den ganzen Tag Stress mit der Erziehung des Kindes oder du?

Du hättest viel weniger Stress, wenn du konsequenter wärst.

Usw.

Ich weiß, wovon ich spreche. Kompromisse sind hier das Zauberwort, viel Toleranz und schöne gemeinsame Erlebnisse. Unvergessliche. Ich erinnere mich gern an die WM 2006. Eine Woche vor meinem Entbindungstermin waren mein Mann (frisch verheiratet – mit mir!) und ich auf dem Weg ins Olympiastadion, um die Begegnung Ukraine gegen Tunesien zu sehen. Auf dem Weg dorthin hatte er plötzlich ein Bedürfnis. Ein dringendes. Ich blieb unten am S-Bahn-Gleis stehen, er lief schnell hoch, um sich zu erleichtern. Und kam nicht wieder.

Ich ging ihm nach. Da stand er umringt von Polizisten, zeigte auf mich und sagte: »Mich nehmen Sie wegen Wildpinkelns fest. Und was, wenn meiner Frau jetzt die Fruchtblase platzt? Kriegt die dann auch ’ne Strafe?« Leider war ich durch meinen Monsterbauch zu dick, um im Erdboden zu versinken.

So etwas vergisst man nicht. Das schweißt zusammen.

Oder, als wir gemeinsam in einem Sanitär… äh … Sanitätshaus standen und ich mir auf Anraten der Frauenärztin für die Flugreise mit Schwangerschaftsbauch Stützstrümpfe kaufen musste. Da standen wir dann zwischen all den Rollatoren und Krücken und zahlten 20,50 Euro für hautfarbene Krampfader-Verhinderer. Auch das: unvergesslich.

Aber natürlich stritten wir auch, besonders am hormongefluteten Anfang der ersten Schwangerschaft. Über Nichtigkeiten. Weil Zukunftsangst durch jede Ritze unserer Wohnung waberte und unsere Hirne vernebelte. Nach einer Lappalie brach irgendwann die ganze Einsamkeit der Frühschwangerschaft aus mir heraus. Tagelang hatte ich mit Brechreiz in der Wohnung gelegen und durfte keinem was erzählen (seine Idee!). Ich weinte, schluchzte, heulte den ganzen Abend und die ganze Nacht. Und am nächsten Morgen lag ein Zettel auf dem Küchentisch:

Liebchen, ich wünsche dir einen schönen kotzfreien Tag

stand da drauf. Mein Körper reagierte, ich spuckte zum ersten Mal zwölf Stunden lang nicht. Ein ganz neues Lebensgefühl. Und der Moment, in dem ich wusste, dass ich ihn heiraten muss.

5.Pumuckl Rasputin ist da!Wie wir kreative Vornamen einordnen können

Liebe Lisa,mein Freund ist ein cooler Typ! Er meinte neulich ganz nebenbei, während er sich ein Brot schmierte, dass ich den Namen unseres Babys ganz alleine bestimmen dürfe.

»Warum denn?«, fragte ich ungläubig zurück, während ich versuchte, einen freudigen Unterton in meiner Stimme zu unterdrücken.

»Na ja«, meinte er. »Du hast schließlich seit Monaten die Strapazen der Schwangerschaft und du bist die Mama. Ich finde das nur fair.«

Lisa, was für ein Moment!

Ich gehöre nämlich zu den Mädchen, die seit ihrem zwölften Lebensjahr eine rosa Kiste mit Perlen, Modeschmuck und sonstigem Kitschkram haben, in der auf einem kleinen, fein parfümierten Zettelchen der Wunschname ihres zukünftigen Babys steht.

Dummerweise hatte mir Madonna, die dumme Kuh, schon vor langer Zeit den schönen altfranzösischen Namen Lourdes verramscht und Anthony für einen Jungen, wie der Sänger der Gruppe East 17 hieß, fand ich auch nicht mehr so cool wie früher.