Ich, Prinzessin Sultana - Freiheit für mich und meine Schwestern - Jean Sasson - E-Book

Ich, Prinzessin Sultana - Freiheit für mich und meine Schwestern E-Book

Jean Sasson

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Beschreibung

Als ihre Nichte zu einer arrangierten Ehe mit einem grausamen älteren Mann gezwungen wird, versucht Sultana dieses Schicksal mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Leider scheitert dieser Versuch und sie muss mit ansehen, wie eine weitere arabische Frau gegen ihren Willen in eine gewalttätige Ehe gedrängt wird. Nachdem dann auch noch ihre Bemühungen fehlschlagen, einen Harem junger Frauen zu befreien, die als Sexsklavinnen gehalten werden, ist Sultana zutiefst enttäuscht. Von der arabischen Gesellschaft, von den konservativen Männern und von sich selbst. Doch sie gibt nicht auf. Und als sie erneut Zeugin eines Übergriffs auf ein wehrloses junges Mädchen wird, lässt sie sich nicht mehr aufhalten. Von nun an steht Sultana kraftvoll für das Recht derjenigen ein, die von der arabischen Gesellschaft unterdrückt werden. Nie wieder will sie tatenlos zusehen.

Die mutige Geschichte von Sultana Al-Saud geht weiter. Jean Sasson bezeugt in diesem Buch ein weiteres Mal die schreckliche Realität der saudischen Frauen und den mutigen Kampf einer Prinzessin aus dem Hause Al-Saud.

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Hinweis für die Leser

Widmung

Danksagung

Eine Aktualisierung von Jean Sasson

Vorwort der Autorin

1. Kapitel Mein Traum

2. Kapitel Muniras Schicksal

3. Kapitel Muniras Hochzeit

4. Kapitel Mein Geheimnis

5. Kapitel Den Teufel an die Kette legen

6. Kapitel Der Paradiespalast

7. Kapitel Paradiesvögel

8. Kapitel Himmlischer Harem

9. Kapitel Die Geschichte des Eunuchen

10. Kapitel Der geschmähte Prophet

11. Kapitel Geraubte Engel

12. Kapitel Geköpft

13. Kapitel Mein Geheimnis wird aufgedeckt

14. Kapitel Der Thron ist in Gefahr

15. Kapitel Karims Prophezeiung

16. Kapitel Wadi al Dschafi

17. Kapitel Sandwirbel

18. Kapitel Lebendig begraben

19. Kapitel Sultanas Kreis

Epilog

Weitere Titel der Autorin

Ich, Prinzessin aus dem Hause Al Saud. Ein Leben hinter tausend Schleiern.

Ich, Prinzessin Sultana, und meine Töchter. Ein Leben hinter tausend Schleiern.

Über dieses Buch

Als ihre Nichte zu einer arrangierten Ehe mit einem grausamen älteren Mann gezwungen wird, versucht Sultana dieses Schicksal mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern. Leider scheitert dieser Versuch und sie muss mit ansehen, wie eine weitere arabische Frau gegen ihren Willen in eine gewalttätige Ehe gedrängt wird. Nachdem dann auch noch ihre Bemühungen fehlschlagen, einen Harem junger Frauen zu befreien, die als Sexsklavinnen gehalten werden, ist Sultana zutiefst enttäuscht. Von der arabischen Gesellschaft, von den konservativen Männern und von sich selbst. Doch sie gibt nicht auf. Und als sie erneut Zeugin eines Übergriffs auf ein wehrloses junges Mädchen wird, lässt sie sich nicht mehr aufhalten. Von nun an steht Sultana kraftvoll für das Recht derjenigen ein, die von der arabischen Gesellschaft unterdrückt werden. Nie wieder will sie tatenlos zusehen.

Die mutige Geschichte von Sultana Al-Saud geht weiter. Jean Sasson bezeugt in diesem Buch ein weiteres Mal die schreckliche Realität der saudischen Frauen und den mutigen Kampf einer Prinzessin aus dem Hause Al-Saud.

Über die Autorin

Jean Sasson verbrachte ihre Kindheit in einer Kleinstadt in den Südstaaten der USA. 1978 reiste sie nach Saudi-Arabien, wo sie in Riad in einem Krankenhaus arbeitete. Diese Anstellung gab sie nach vier Jahren auf, blieb aber noch bis 1990 vor Ort. Während ihres Aufenthalts im Mittleren Osten machte sie viele Bekanntschaften. Die wichtigste war die Freundschaft zu Sultana, Prinzessin aus dem Königshaus Al Saud, deren Geschichte sie in der »Sultana-Trilogie« erzählt. Das erste Buch der Reihe – »Ich, Prinzessin aus dem Hause Al Saud« – war ein Bestseller in über 25 Ländern. Heute lebt die Autorin in Atlanta, Georgia.

Jean SassonInternationale Bestsellerautorin

Ich, Prinzessin Sultana

Freiheit für mich und meine Schwestern

Aus dem Amerikanischen von Angela Schumitz

BASTEI ENTERTAINMENT

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erste Digitalausgabe

Für die Originalausgabe:© 2011 by The Sasson Corporation. Published by arrangement with the author.

Published by arrangement with Sasson Corporation, c/o Rembar & Curtis, P.O. Box 908, Croton Falls, New York 10519, USA.Originalausgabe: »Princess Sultana’s Circle«

Deutsche Erstausgabe

1999 by Wilhelm Goldmann Verlag, München,in der Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven © VeronikaChe/shutterstock

E-Book-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 978-3-7325-7542-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Die Geschichte der Prinzessin Sultana – sie ist wahr. Zwar wird sie mit den Worten der Autorin Jean Sasson wiedergegeben, doch die Geschichte selbst ist die der Prinzessin. Die erschütternden menschlichen Tragödien, die in diesem Buch geschildert werden, haben sich tatsächlich zugetragen.

Die Leserinnen und Leser sollten jedoch wissen, dass Namen geändert und verschiedene Geschehnisse ein wenig abgewandelt worden sind, um wiedererkennbare Personen und deren Wohl zu schützen.

Es ist nicht die Absicht der Autorin und der Prinzessin, mit dieser wahren Geschichte den islamischen Glauben schlechtzumachen.

Bitte suchen Sie die folgenden Websites auf, wenn Sie an zusätzlichen Informationen über Jean Sasson und ihren Büchern oder auch an aktualisierten Berichten über Prinzessin Sultana, Frauenthemen und Saudi-Arabien interessiert sind.

Website der Autorin:http://www.JeanSasson.com

Website von Prinzessin Sultana: http://www.PrincessSultanasCircle.com

Dieses Buch ist allen jungen Mädchen und Frauen auf dieser Welt gewidmet. Auf dass ihr alle das Recht auf ein würdevolles Leben habt.

Für Kayleigh Brooke

Danksagung

Ein ganz besonderer Dank gilt all den wundervollen Menschen, die leider ungenannt bleiben müssen. Dank eurer Unterstützung konnte ich die außergewöhnliche und großartige Geschichte dieser einzigartigen Prinzessin weitererzählen.

Eine Aktualisierung von Jean Sasson

Die Welt, so wie wir sie gekannt haben, wurde am 11. September 2001 vollkommen verändert. Nur wenige Leute sind unberührt geblieben von dem Massaker, das von einer kleinen Anzahl von Menschen an so vielen verübt wurde. Jener ereignisreiche Tag löste sogar Militäreinsätze aus. Die tief bewegenden Bilder vom Krieg gegen den Terrorismus waren oft sehr traurig. Es gab indes auch andere, die erhebend waren, und in ganz besonderem Maße galt dies für Bilder, die das liebenswerte Lächeln auf den Gesichtern von Frauen und Mädchen in Afghanistan zeigten, die zuvor in Burkas eingehüllt waren. Obgleich unser zielgerichteter Militäreinsatz der Aufgabe diente, nach Gerechtigkeit zu streben und Selbstmordattentäter von zukünftigen abscheulichen Taten abzuhalten, habe ich stets geglaubt, dass die Emanzipation der Frauen ebenfalls ein Freiheitsideal darstellt, für das es sich zu kämpfen lohnt. Es wird ein großes Missverhältnis in der Welt geschaffen, wenn man Frauen so behandelt, als wären sie nichts weiter als Belastungen, wie das in zahlreichen Ländern der Fall ist.

Als die afghanischen Frauen feierten, jubelte ich mit ihnen. Und als ich der inzwischen berühmten Radiosendung lauschte, in der die First Lady Laura Bush über diese Frauen sprach, war ich voller angespannter Erwartung und wünschte sehnlichst, dass einige goldene Worte der Hoffnung zu Frauen in anderen Ländern gebracht würden. Bedenken Sie, dass es Frauen in Saudi-Arabien verboten ist, ein Auto zu fahren oder am öffentlichen Leben teilzunehmen, oder dass vielen weiblichen Neugeborenen in Indien das Rückgrat gebrochen wird. Oder denken Sie an den Skandal, dass Männer in Pakistan für die Tötung von vergewaltigten Frauen freigesprochen werden – oder dass man in Thailand regelmäßig junge Frauen zur Prostitution zwingt.

Kürzlich sprach ich mit Prinzessin Sultana und war nicht überrascht, als ich erfuhr, dass sie ebenfalls hoffte, der großartige Sieg für die afghanischen Frauen im Kampf um ihre Freiheit würde sich in magischer Weise auch auf ihre eigene Welt übertragen. Und sie war ebenso wie ich niedergeschlagen, als sie erkannte, dass der Zeitpunkt noch nicht gekommen war, wo jede demokratische Regierung verantwortlich handelt und verkündet, dass Freiheit für Frauen genauso wichtig ist wie für Männer. Sicherlich weiß die Welt inzwischen, dass das, was Frauen in Gefahr bringt, auch die Welt in Gefahr bringt.

Nun sind neun Jahre vergangen, und tragischerweise hat sich die Lage für afghanische Frauen kaum gebessert. Auch die Anwesenheit des amerikanischen Militärs hat wenig dazu beigetragen, die Grundrechte von Frauen in dem Land zu stärken. Junge Mädchen, die nicht älter sind als acht, werden immer noch mit dreißig- oder sogar vierzigjährigen Männern verheiratet. Die Selbstmordrate afghanischer Mädchen und Frauen ist dramatisch angestiegen – die meisten entscheiden sich für den Flammentod. Und soweit ich weiß unternimmt die Regierung nicht das Geringste, um den Frauen im eigenen Land zu helfen. Kurzum: Die Zukunft für afghanische Frauen sieht düster aus.

Es ist eine Schande, dass weder die amerikanische noch die afghanische Regierung dieses wichtige Thema mit höchster Priorität behandeln.

Mein Mitgefühl für die Not der Frauen in diesem Land war so groß, dass ich mir knapp zwei Jahre Zeit genommen habe, um die Geschichte von Maryam Khail aufzuschreiben und so für die Nachwelt festzuhalten. Maryam wuchs in Afghanistan auf und floh während der Invasion durch die Russen. Traurigerweise wurde auch sie ein Opfer von Unterdrückung durch ihren Ehemann und man entriss ihr ihren Sohn. Prinzessin Sultana erzählte mir, dass sich ihr Herz vor Angst zusammenzog, als sie Maryams Geschichte las, da sie fürchtete, dass das Leid der Frauen noch in tausend Jahren nur die wenigsten Männer kümmern wird. Deshalb wird die Prinzessin von nun an auch afghanische Frauen in ihrer Wohltätigkeitsarbeit berücksichtigen.

Sultana und ich hoffen, dass viele Menschen Maryams Geschichte in For the Love of a Son: One Afghan Woman’s Quest for her Stolen Child lesen werden.

Die Prinzessin und ich danken Ihnen, den Lesern, für Ihre Unterstützung. Ich bin zuversichtlich, dass Sie viel aus dem neuesten Buch über Prinzessin Sultana und ihre Familie mitnehmen werden. Auf die ersten drei Bücher folgten bereits zwei weitere: Princess, More Tears to Cry und Princess, Secrets to Share. Sie erzählen die aktuellen Entwicklungen in Prinzessin Sultanas Leben, von ihren drei Kindern und ihren vier Enkelkindern.

Außerdem würden wir uns sehr darüber freuen, wenn Sie unserer Organisation »Circle of Women« beitreten, die im Jahr 2016 gegründet wurde.

Jean Sasson

Vorwort der Autorin

Als ich am 7. September 1978 nach Saudi-Arabien reiste, wollte ich eigentlich nur kurze Zeit in diesem Land leben und arbeiten. Doch ich blieb bis 1992. Ich lebte in Riad, der Hauptstadt dieses Wüstenkönigreichs.

1983 lernte ich Prinzessin Sultana Al Saud kennen. Diese bemerkenswerte Frau faszinierte mich derart, dass ich noch heute unter ihrem Bann stehe.

Ich arbeitete vier Jahre am King Faisal Specialist Hospital and Research Centre. In dieser Zeit lernte ich diverse Mitglieder der großen saudischen Königsfamilie kennen und machte die traurige Entdeckung, dass sie alles in allem ziemlich verdorben und egozentrisch waren. Die meisten sahen über die Monarchie und ihre Beschränkungen nicht hinaus.

Doch Sultana war anders als alle Mitglieder der Königsfamilie, die ich bislang getroffen hatte. Sie war jung und wunderschön. Ihr dunkles Haar fiel ihr lose auf die Schultern, ihre Augen funkelten vor Neugier, ihre Lippen öffneten sich oft zu einem spontanen Lachen. In ihren teuren Kleidern und mit ihrem auffälligen Schmuck erregte Sultana die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Menschen, denen sie begegnete.

Über ihre bestechende Schönheit und ihren Charme hinaus hatte ich von dieser Prinzessin nichts anderes erwartet als von allen anderen Prinzessinnen, die ich bis dahin kennengelernt hatte. Doch zu meiner angenehmen Überraschung stellte ich fest, dass Sultana eine Frau war, die eigenständig denken konnte und begierig darauf zu sein schien, das Leben der saudischen Frauen zu verändern. Obwohl sie mit den Privilegien der enorm reichen Herrscherfamilie Saudi-Arabiens aufgewachsen war, machte sie keinen Hehl daraus, dass sie, was die Belange der Frauen anging, gegen die Traditionen und Bräuche ihres Landes rebellierte.

Während sich zwischen uns langsam eine Freundschaft entwickelte, lernte ich eine Frau von großer Charakter- und Willensstärke kennen. Obwohl ihr Urteil und ihr Verhalten oft von Leidenschaft getrübt sind, was häufig zu emotional geprägten Situationen führt, die man unter Erwachsenen kaum erwartet, kann man ihr diese Verhaltensweisen nachsehen, denn Sultana ist selbstlos, engagiert und einfühlsam, wenn es um andere Frauen geht. Wenn Sultana spürt, dass eine Frau ungerecht behandelt wird, wird sie aktiv und denkt dabei nicht an mögliche Gefahren für sich selbst.

Sultana vertraute mir an, dass sie schon viele Pläne geschmiedet hatte, um die tragischen Geschichten saudischer Frauen in der Welt bekannt zu machen, jedoch nie frei genug dazu gewesen war, weil sie dadurch sich selbst und ihre unmittelbare Familie gefährdet hätte. Daher willigte ich ein, ihr bei der Erfüllung ihres Wunsches zu helfen. Gemeinsam wollten wir die Welt auf diese schrecklichen und unglaublichen, jedoch wahren Geschichten aufmerksam machen.

Und so wurde ich zur Stimme einer Prinzessin, wobei ich ihre Anonymität wahrte.

In dem Buch Ich, Prinzessin aus dem Hause Al Saud erfuhr die Welt von Sultanas Leben als unerwünschte Tochter eines grausamen Mannes in einer unnachgiebigen Gesellschaft, in der Frauen wenig gelten. Sultanas Lieblingsschwester Sara wurde gegen ihren Willen mit einem viel älteren, ihr unbekannten Mann verheiratet, den sie nicht liebte. Gleich nach ihrer Hochzeit musste Sara immer wieder schreckliche sexuelle Übergriffe ihres Gatten erdulden. Erst nachdem Sara versucht hatte, sich umzubringen, ließ ihr Vater es zu, dass sie geschieden wurde und wieder heimkehrte.

Aufgrund ihrer unglücklichen Kindheitserlebnisse lehnte sich Sultana in ihrer Jugend oft auf. Doch sie erfuhr auf äußerst schreckliche Weise, dass eine Auflehnung gegen das strenge System ihres Landes nur zur Katastrophe führte, als eine ihrer Freundinnen von ihrem eigenen Vater hingerichtet wurde, weil sie das »Verbrechen« begangen hatte, sich sexuell unschicklich zu benehmen.

Als Sultana sechzehn war, eröffnete ihr Vater ihr, dass er für sie eine Ehe mit ihrem Cousin Karim arrangiert hatte. Sultanas und Karims Eheschließung hatte jedoch eine andere Grundlage als die meisten saudischen Verbindungen, denn Karim wollte seine zukünftige Braut erst kennenlernen, und diese Forderung wurde ihm erfüllt. Schon bei ihrer ersten Begegnung fühlten sich Karim und Sultana stark zueinander hingezogen. Sie verliebten sich rasch und kamen im Gegensatz zu den meisten saudischen Ehepartnern in den Genuss einer Verbindung in gegenseitiger Liebe.

In ihren ersten Ehejahren wurde Sultana die Ruhe geschenkt, die sie sich immer gewünscht hatte. Sie und Karim bekamen zuerst einen Sohn, Abdullah, und dann zwei Töchter, Maha und Amani.

Sultana und ihre Familie blieben 1991 während des Golfkriegs in Riad. Die Prinzessin stellte betrübt fest, dass dieser Krieg das Leben der Frauen in Saudi-Arabien noch schwieriger machte, anstatt ihren Status zu verbessern. Sie bedauerte, dass nach Kriegsende die dünnen Schleier wieder dichter, die bloßen Knöchel verhüllt und die gelockerten Ketten wieder fester gezurrt wurden.

In dem Buch Ich, Prinzessin Sultana, und meine Töchter berichteten die Prinzessin und ich der Welt, wie ihre engsten Familienangehörigen erfahren hatten, dass Sultana die Prinzessin aus dem in vielen Ländern zum Bestseller gewordenen Buch Ich, Prinzessin aus dem Hause Al Saud war. Doch das Geheimnis ihrer Identität wurde dem Rest der königlichen Familie gegenüber noch immer gewahrt. Die Leser erfuhren auch, dass Sultanas beide Töchter dem Druck der feudalen Vorurteile gegen Frauen in Saudi-Arabien nicht entkamen, obwohl Sultana nach wie vor gegen den Status quo ankämpfte und persönlich eine relativ aufgeklärte Ehe führte.

Ihre Töchter reagierten sehr unterschiedlich auf ihr saudisches Erbe. Sultanas ältere Tochter, Maha, hasste das Leben einer Frau in Saudi-Arabien und folgte Sultanas Vorbild, indem sie gegen die Ungerechtigkeiten rebellierte, die den Frauen in ihrem Land ständig widerfuhren. Ihr innerer Aufruhr war so heftig, dass sie sich einer psychotherapeutischen Behandlung in London unterziehen musste, bevor sie wieder in ihr Leben in Saudi-Arabien hineinfinden konnte.

Amani, Sultanas jüngere Tochter, reagierte auf eine für ihre Mutter sogar noch beunruhigendere Weise. Sie verinnerlichte den islamischen Glauben auf höchst fanatische Weise. Während Sultana sich gegen den Schleier auflehnt, kämpft Amani für die Verschleierung der Frauen.

In diesem dritten Buch hat Sultana mich gebeten, ihr noch einmal meine Stimme zu leihen. Zwar hinterfragt sie nach wie vor die Behandlung von Frauen in Saudi-Arabien, indem sie die Welt wissen lässt, dass der anhaltende Missbrauch von Frauen in ihrem Land alarmierend und die Regel ist, doch sie hat neue Möglichkeiten entdeckt, um den Frauen weltweit zu helfen. Sie setzt ihren tapferen Kampf um Reformen fort.

Obwohl die Leser dieses Buches feststellen werden, dass Sultana alles andere als vollkommen ist und dass ihre Fehler oft nur allzu menschlich sind, wird niemand ihre Aufrichtigkeit in ihrem Kampf um die Rechte der Frauen anzweifeln.

Als Autorin und als ihre Freundin bin ich stolz, die Geschichte dieser außergewöhnlichen Prinzessin erzählen zu dürfen.

Jean Sasson

1. KapitelMein Traum

Vor ein paar Monaten erschien mir meine geliebte Mutter im Traum. Sie trug einen bestickten, leuchtend roten Umhang, in ihr langes, schwarzes Haar waren Goldfäden eingeflochten. Ihr faltenloses Gesicht leuchtete, ihre Augen funkelten allwissend und weise.

Ihre Erscheinung unter einem schimmernden grünen Baum neben einer Quelle, aus der tiefblaues Wasser sprudelte, verwirrte mich. Um sie herum blühten üppige Blumen.

In meinem Traum begann mein Herz wild zu pochen, als ich laut »Mutter!« rief. Mit ausgebreiteten Armen eilte ich auf sie zu. Doch eine unsichtbare Schranke hinderte mich daran, sie zu erreichen.

Mutter blickte mit großer Liebe, doch auch mit trauriger Resignation auf ihr jüngstes irdisches Kind.

Und dann sprach sie. Obwohl ihre Stimme wohlklingend und süß war, waren ihre Worte streng. »Sultana«, sagte sie, »deine Schmerzen, Unzufriedenheit, Enttäuschungen und Missgeschicke erschweren mir meine Reise im Jenseits.« Sie musterte mich still.

»Tochter, als du noch ein unwissendes Kind warst, musste ich dich oft durch einen Schreck dazu bringen, dich vernünftig zu verhalten.« Sie zog die Brauen hoch. »Ich sehe, dass meine Anwesenheit noch immer notwendig ist, Sultana.«

Das Wissen, dass ich meiner Mutter selbst nach ihrer Einkehr ins Paradies Sorgen bereitet hatte, ließ mich in Tränen ausbrechen.

Ich kam als Prinzessin in einem reichen Wüstenkönigreich zur Welt, wo Frauen noch heute zunehmend eingeschränkt werden, und ich konnte nicht leugnen, ein unkonventionelles Leben geführt zu haben.

»Mutter«, brach es aus mir heraus, »ein großer Wind hat mich durchs Leben getragen! Wie hätte ich mein Leben anders führen können?«

Mutter schüttelte langsam den Kopf. »Selbst inmitten einer hitzigen Schlacht kämpft ein gutes Herz mit sauberen Mitteln, Sultana.«

Ich zuckte zusammen.

Mutters Züge wurden weicher. »Aber deshalb spreche ich jetzt nicht mit dir, mein Kind.«

»Weshalb dann?«, wollte ich wissen.

»Sultana, dein Leben scheint das eines geistlosen Zauberers zu sein, der endlos Seidentücher auseinanderfaltet. Du scheinst in deinem Leben alles zu haben und hast doch nichts. Dein Leben macht dich nicht glücklich, Tochter.«

In meinem verzweifelten Wunsch, von meiner Mutter getröstet zu werden, wie sie es früher immer getan hatte, begriff ich die Bedeutung ihrer Worte nicht.

Dann begannen sich die zarten Blütenblätter der Blumen um sie herum zu schließen, und Mutters Gestalt wurde blasser.

Ich rief: »Mutter! Bitte bleib noch! Warte!«

Ihre leuchtenden Umrisse waren nun kaum mehr sichtbar, doch ich hörte sie noch deutlich sagen: »Sultana, inmitten eines Festgelages hungerst du. Lasse dein Ich hinter dir, finde dein Selbst, mein Kind.«

Ich erwachte freudig erregt aus diesem Traum, doch die Erinnerung an Mutters geheimnisvolle Botschaft lässt mich seitdem nicht mehr los.

Traurig musste ich mir eingestehen, dass Mutters Worte zutrafen – ich hatte es zugelassen, dass mein Leben stagnierte. Vor langer Zeit verschrieb ich mich dem edlen Unterfangen, das Leben der Frauen in meinem Land zu verbessern. Doch angesichts meiner Hilflosigkeit gegen die unbezwingbare Macht der saudischen Männer war ich immer mutloser geworden. Aber wie konnte ich aufhören zu kämpfen, solange Frauen in meinem Land noch immer gegen ihren Willen verheiratet, unter gesetzlicher Billigung körperlich misshandelt und vergewaltigt, ja sogar legal ermordet werden können, wenn es ihren Vätern, Ehemännern und Brüdern gefällt?

Nach dem Besuch meiner Mutter verlieh mir das Wissen neuen Mut, dass es für mich in diesem anhaltenden Kampf noch immer etwas zu tun gab, und zwar in einer neuen Rolle, die ich nun übernehmen sollte. In diesem Augenblick war mir jedoch keineswegs klar, wohin mich dies führen würde.

2. KapitelMuniras Schicksal

Bei einer Begegnung des Propheten Mohammed mit seinen Anhängern soll Mohammed einen der Grundpfeiler des islamischen Glaubens formuliert haben. Der Prophet soll damals einen Stock zur Hand genommen und in den Sand geschrieben haben: »Es gibt keinen einzigen unter euch, dessen Platz nicht von Gott festgelegt worden ist, ob nun im Höllenfeuer oder im Paradies.« Ausgehend davon lehrt der islamische Glaube, dass alles im Leben vorbestimmt, das Schicksal eines jeden Menschen von Allah festgelegt worden ist. Dieser Fatalismus führt dazu, dass viele Moslems sich würdevoll mit den Härten des Lebens abfinden, doch ich habe gegen diese pessimistische Trägheit Zeit meines Lebens angekämpft. Ich kann es nicht hinnehmen, dass das tragische Leben, das so viele saudische Frauen führen müssen, dem Willen Allahs entspricht, der dies einfach so bestimmt hat.

Als ich erfuhr, dass ein schrecklicher Teil unserer Familiengeschichte sich bald ein weiteres Mal wiederholen würde, wusste ich: Ich würde es niemals fatalistisch hinnehmen können, dass einer meiner Nichten ein so furchtbares, schändliches Schicksal vorbestimmt war.

Unsere Familie war vor kurzem von einer Reise nach Ägypten in unseren Palast in Riad zurückgekehrt. Mein Mann Karim und unser ältestes Kind und einziger Sohn Abdullah waren in Karims Büro. Amani, unsere jüngste Tochter, spielte mit ihren Haustieren im Garten, und ich saß mit Maha, unserer älteren Tochter, im Wohnzimmer.

Plötzlich stürmten meine Schwester Sara und drei ihrer vier Töchter, Fadila, Nashwa und Sahar, herein.

Als ich lächelnd aufstand, um meine Lieblingsschwester zu begrüßen, bemerkte ich Angst in Saras Blick. Ihre dunklen Augen suchten verzweifelt die meinen, während sie meine Hände ergriff. Sie sagte mir, dass ich mich lieber hinsetzen solle, sie habe schreckliche Neuigkeiten für mich.

»Was ist los, Sara?«

Saras klangvolle Stimme ließ große Verbitterung erkennen. »Sultana, während du verreist warst, hat Ali eine Ehe für Munira arrangiert. Morgen in zehn Tagen soll die Hochzeit stattfinden.«

Maha zog meine Hand aus Saras und grub ihre Nägel in meine Handfläche. »Oh Mutter! Nein!«

Ich entzog mich ihr. Meine Hände zuckten nervös, als ich sie vor mein Gesicht schlug. Ein Gedanke verankerte sich gnadenlos in meinen Kopf: Eine weitere junge Frau, mein eigen Fleisch und Blut, sollte gegen ihren Willen verheiratet werden.

Munira war die älteste Tochter meines verhassten Bruders Ali. Sie war ein hübsches, wenn auch sehr zartes Mädchen, das viel jünger wirkte, als es tatsächlich war. Munira war immer ein gehorsames Kind gewesen, dessen ängstliches Auftreten unsere Sympathie und Zuneigung erweckt hatte.

Muniras Mutter war Alis erste Frau Tammam, eine aus der Königsfamilie stammende Cousine, die mein Bruder vor vielen Jahren geheiratet hatte. Damals hatte Ali offen erklärt, dass seine Ehe mit Tammam einzig und allein seiner sexuellen Entspannung diente, wenn er in den Semesterferien von seinem Auslandsstudium in unser Land heimkehrte. Liebe und Zuneigung standen für ihn nie zur Debatte.

Jeder hätte Tammams unglückliche Zukunft vorhersagen können. Sie war verheiratet worden, als sie noch ein Kind war, und hatte nie die Gelegenheit gehabt, sich gefühlsmäßig zu entwickeln. Selbst als erwachsene Frau brachte Tamman sich kaum in ein Gespräch ein, und wenn sie tatsächlich etwas sagte, war ihre Stimme so leise, dass der Zuhörer gezwungen war, sich zu ihr herabzubeugen, um sie zu verstehen.

Drei Jahre nach seiner Hochzeit mit Tammam nahm sich Ali eine zweite Frau. Da Tammam eine äußerst pflichtbewusste Ehefrau war, fragte unsere älteste Schwester Nura Ali, warum er denn das Bedürfnis nach einer zweiten Frau habe. Nura berichtete uns später, Ali habe ihr erklärt, dass seine Unlust mit Tammams Unglücklichsein zu tun habe. Er war ärgerlich und verblüfft, weil aus seiner jungen Braut eine melancholische Ehefrau geworden war. Höchst verwundert behauptete er, Tammam habe kein einziges Mal gelächelt, seit er ihr Mann geworden war!

Aus Tammams Verbindung mit Ali stammten drei Kinder, zwei Töchter und ein Sohn. Die Töchter waren ebenso freudlos wie ihre Mutter, während der Sohn ein perfektes, arrogantes Ebenbild seines Vaters war. Inzwischen waren ihre Reihen um zwölf weitere Kinder angewachsen, die insgesamt von sechs Frauen neben Tammam stammten.

Munira hatte in ihrem Leben schon viel Unglück erfahren. Als Tochter eines Mannes, der wenig für Töchter übrig hatte, verbrachte Munira ihre ersten Jahre damit, sich um die Liebe ihres Vaters zu bemühen. Eines Mannes, der keine Liebe zu vergeben hatte. In dieser Hinsicht ähnelte Muniras Suche nach der Liebe ihres Vaters meiner eigenen Kindheit. Aber damit hörten die Ähnlichkeiten auch schon auf. Zumindest hatte ich den Mangel an Vaterliebe so überstanden, dass meine Fähigkeiten zu lieben unversehrt geblieben waren. Doch Muniras vereitelte Liebe zu ihrem Vater wuchs sich zu offener Abneigung aus, bevor sie sich zu einer Mischung aus Angst und Hass wandelte, und inzwischen hatten sich diese Gefühle auf alle Männer ausgedehnt, sogar diejenigen, die freundlich zu ihr waren. Vor fünf Jahren – Munira war damals sechzehn gewesen – hatte sie ihrer Mutter erklärt, dass sie nie heiraten wollte.

Und so hatte sich Munira ein völlig anderes Leben gewählt als die meisten saudischen Mädchen, die einen Großteil ihrer Jugend damit zubringen, Methoden zu perfektionieren, um ihre zukünftigen Ehemänner zufriedenzustellen. Munira machte eine Ausbildung als Sozialarbeiterin und wollte ihr Leben den Behinderten widmen, die in unserem Land sehr schlecht behandelt werden, auch wenn sie kein Hehl daraus machte, dass sie sich nur um weibliche Behinderte kümmern wollte.

Eine Weile schien es so, als habe Ali die Tatsache, dass seine älteste Tochter nicht verheiratet war, schlichtweg vergessen. Doch leider war er vor kurzem bei einem Familientreffen an ihren Status als ledige Frau erinnert worden. Nun verwehrte Ali seiner Tochter die einzige Freude, nach der sie trachtete, nämlich ledig zu bleiben.

In dem Augenblick, in dem in einem arabischen Land ein Mädchen zur Welt kommt, beginnen die Eltern sofort, an eine passende Ehe zu denken. Mit dem Gedanken an zukünftige Verbindungen werden passende Familien mit unverheirateten Söhnen eifrig studiert. Solange ein saudisches Mädchen nicht verheiratet ist, muss sie Jungfrau bleiben. Andererseits gilt eine zu lange beibehaltene Jungfernschaft als Familienschande. Munira war inzwischen einundzwanzig, und das machte ihrem Vater große Sorgen.

Maha unterbrach meinen Gedankenfluss. Sie liebte ihre Cousine und kannte Muniras Ansichten über die Ehe. »Mutter! Onkel Ali kann doch Munira nicht zum Heiraten zwingen, oder?«

»Wem ist Munira denn versprochen worden?«, stammelte ich.

Sara zögerte so lange, dass ich schon dachte, sie wüsste die Antwort auf meine Frage nicht. Schließlich sagte sie mit einem tiefen Seufzer: »Sultana, Munira soll Hadi heiraten.«

»Den Hadi. Sultana, erinnerst du dich denn nicht an ihn? Alis Jugendfreund, der mit unserer Familie nach Kairo gereist ist!«

Ich konnte kaum sprechen. »Dieser Hadi?«

Sara nickte düster. »Ja. Dieser Hadi.«

Die Erinnerung an unser gemeinsames traumatisches Erlebnis stürzte auf uns ein. Ungläubig starrte ich in die Augen meiner Schwester.

»Nein! Nein!« Mehr brachte ich nicht heraus.

»Wer ist denn dieser Hadi?«, wollte Maha wissen.

Ja, wer war er? Wo sollte ich anfangen?«

»Alis Jugendfreund, meine Tochter«, murmelte ich. »Du kennst ihn nicht.«

Sara rückte näher an mich heran, während ihre Hand die meine suchte. Wir blickten uns noch immer in die Augen. Wir dachten beide dasselbe. Sara machte in Gedanken noch einmal die traumatischste Zeit ihres Lebens durch.

Vor über zwanzig Jahren war Sara gegen ihren Willen mit einem viel älteren Mann verheiratet worden, einem Mann, der sie vom Moment ihrer Eheschließung an sexuell missbraucht hatte. Erst nach Saras Selbstmordversuch hatte Mutter unseren Vater dazu überreden können, Sara eine Scheidung zuzugestehen. Trotz ihrer Rückkehr in ihre Familie hatte es meine liebe Schwester nicht geschafft, eine chronische und sehr belastende Depression loszuwerden.

Damals waren unsere älteste Schwester Nura und ihr Mann Ahmed gerade dabei gewesen, einen neuen Palast zu bauen. Nura wollte nach Italien reisen, um Möbel für dieses Heim zu kaufen, und unterwegs wollte sie einen Abstecher nach Kairo machen.

Zu meiner großen Überraschung und Freude luden Nura und Ahmed Sara und mich ein, sie und ihre Kinder auf der Reise zu begleiten. Doch jede Münze hat zwei Seiten, und mein Glück war bald getrübt, als Vater beschloss, dass mein Bruder Ali und sein Freund Hadi sich uns anschließen sollten. Doch trotz dieser unangenehmen Neuigkeit kamen wir mit.

In Kairo stellten Sara und ich erstaunt fest, dass der Freund unseres Bruders noch schlimmer war als Ali! Keine von uns beiden hätte so etwas für möglich gehalten. Bald erkannten wir, dass Hadi im Vergleich zu dem verwöhnten und schwierigen Ali die reine Bosheit war.

Hadi besuchte zwar das Religionsinstitut, die Knabenschule in Riad, auf der die Mutawas, die religiös besonders bewanderten Männer, ausgebildet werden. Doch er hatte nichts von all dem Guten mitbekommen, das unser Heiliger Koran fordert. Seine schwarze Seele blieb unberührt von seiner religiösen Erziehung.

Hadi hasste Frauen abgrundtief und äußerte oft die Meinung, dass sämtliche junge Mädchen sofort nach ihrer ersten Monatsblutung verheiratet werden sollten. Er war der Ansicht, dass Frauen nur aus drei Gründen auf dieser Erde waren: um einem Mann sexuelles Vergnügen zu bereiten, um einem Mann zu dienen und um ihm Kinder zu gebären.

Natürlich hielt Hadi Sara und mich für unberechenbare weibliche Wesen und sagte dies auch oft genug. Wäre er der Herr über unser Schicksal gewesen, dann wären Sara und ich wohl zu Tode gesteinigt worden, davon waren wir fest überzeugt, und Hadi hätte den ersten Stein geworfen!

Doch trotz seines erklärten Hasses auf das weibliche Geschlecht war Hadi erpicht darauf, mit so vielen Frauen wie möglich sexuell zu verkehren, und auf dieser Reise nach Kairo und Italien tat er nichts anderes als eben dies. Am schlimmsten war es, dass Ali es Hadi in seinem perversen Verhalten gleichtat! In Kairo ertappten Sara und ich die beiden dabei, wie sie ein Mädchen, das kaum älter war als acht, sexuell missbrauchten. Diese Szene war so schrecklich und gewalttätig gewesen, dass weder Sara noch ich jemals die Bilder dieses Tages vergessen konnten.

Ein solcher Junge war sicher zu einem schrecklichen Mann herangewachsen, und deshalb waren wir nun so entsetzt von der Vorstellung, dass dieser Mensch bald die absolute Kontrolle über ein liebes, süßes Kind erlangen sollte, das völlig unvorbereitet darauf sein würde, sich zu verteidigen.

Schluchzend fiel ich in Saras Arme. Unsere Tränen waren so ansteckend, dass unsere Töchter ebenfalls zu schluchzen begannen.

Unsere qualvollen Rufe drangen offenbar bis in Karims Büro, denn kurz darauf stürzten er und Abdullah ins Zimmer.

Besorgt zog Karim mich von meiner Schwester weg. »Sultana! Sara! Was ist denn passiert?«

Und Abdulla fragte seine Schwester Maha: »Wer ist denn gestorben?«

Ich unterbrach meine Klagen, um zu stammeln: »Der Tod wäre noch besser!«

Karim wurde immer besorgter. »Was ist denn los?«

Maha ergriff das Wort. »Es geht um unsere Cousine Munira, Vater. Onkel Ali hat eine Ehe für sie arrangiert.«

Selbst Karim war von dieser Neuigkeit erschüttert. Jedes Mitglied unserer Großfamilie wusste von Muniras Abneigung gegen Männer und die Ehe.

Anders als die meisten saudischen Männer war mein Mann nicht der Meinung, dass man Ehen gegen den Willen der Kinder arrangieren sollte. Karim und ich waren vor vielen Jahren übereingekommen, dass unsere Töchter vor ihrer Eheschließung erst einmal eine Ausbildung erhalten und das Recht haben sollten, sich selbst einen Mann auszusuchen, wenn es denn für sie an der Zeit war zu heiraten. Weder Maha noch Amani sollten jemals in eine ähnlich schreckliche Lage kommen wie Munira. Tatsächlich verbietet es unsere Religion, Frauen eine Verbindung aufzuzwingen, die ihnen missfällt, aber dies wird wie bei so vielen Dingen, die an unserem islamischen Glauben gut sind, falsch ausgelegt oder einfach ignoriert.

»Wen soll sie denn heiraten?«, fragte Karim laut, um sich unter den schluchzenden Frauen Gehör zu verschaffen.

»Du wirst es nie glauben«, seufzte ich.

»Es ist verheerend«, fügte Sara hinzu und versuchte, ihre Tränen wegzuwischen.

»Nun sagt schon, wer ist es denn?«

Ich blickte Karim traurig an. »Ali will seine Tochter mit einem alten Freund verheiraten.«

»Alt dem Alter nach?«, fragte Karim, sein Gesicht verziehend.

»In zweifacher Weise alt«, sagte ich. »Ein alter Freund, der auch schon alt ist.«

Karim, der langsam die Geduld verlor, sagte: »Bitte, Sultana, lass mich jetzt nicht noch raten!«

Sara konnte nicht länger stillsitzen. Sie stand auf und jammerte: »Es ist Hadi … Alis langjähriger Freund. Der abscheuliche Hadi!

Mein Mann erbleichte, und seine Augen funkelten streng. Seine Stimme klang ungläubig. »Hadi? Der Hadi, der mit euch in Ägypten war?«

»Genau dieser Hadi.«

»Oh! Das darf nicht sein!« Karim blickte auf seinen Sohn. »Abdullah, ich muss sofort mit Ali reden. Wir müssen unser Gespräch verschieben.«

Abdullah nickte ernst.

Ali war mit Hadi befreundet, doch keiner von Alis Schwägern stand in einer freundschaftlichen Beziehung zu diesem Mann. Allen bis auf Ali war er so unsympathisch, dass sie sich immer von ihm fernhielten. Nur Ali gelang es, in Hadi bewundernswerte Eigenschaften zu entdecken. Er gehörte keinesfalls zu unserem kleinen Kreis naher Verwandter und Freunde.

Obwohl Hadi eine religiöse Ausbildung erhalten hatte, verdiente er sich nun seinen Lebensunterhalt als Regierungsbeamter. Als Freund eines hochgestellten Prinzen hatte er sich in die perfekte Position hineingearbeitet, um märchenhaft reich zu werden.

Dank seiner ausgezeichneten finanziellen Lage mochten diejenigen, die seine Boshaftigkeit nicht kannten, ihn für einen trefflichen und wünschenswerten Ehemann halten. Aber zwei meiner Schwägerinnen waren mit Hadis drei Frauen befreundet, und sie hatten erfahren, dass sein übles Wesen sich eher noch verschlimmert hatte. Es sollte genügen zu wissen, dass Hadi von den Frauen, die er geheiratet hatte, insgeheim »Satans Lieblingssohn« genannt wurde.

Bei Karims Worten spürte ich eine leise Hoffnung in mir aufkeimen. Zwar wusste ich, dass wir Schwestern nicht den geringsten Einfluss auf Ali ausüben konnten, aber wenn die Männer in unserer Familie etwas unternahmen, konnte die arme Munira vielleicht doch noch vor einem Schicksal gerettet werden, das sie sicher für schlimmer hielt als ihren sofortigen Tod.

»Wann wirst du mit Ali sprechen?«

»Morgen.«

»Assad wird dich begleiten«, versprach Sara. »Und ich werde auch Nura anrufen. Vielleicht wird auch Ahmed mitkommen. Diese Hochzeit muss verhindert werden.«

Bei diesen Plänen verspürte ich eine gewisse Erleichterung.

Karim und ich waren von diesem Familiendrama körperlich und geistig so erschöpft, dass wir in dieser Nacht ohne unsere übliche liebevolle Umarmung einschliefen.

Früh am nächsten Morgen lag ich noch im Bett und überlegte, was dieser Tag wohl bringen würde, als Karim bereits duschte. Ich befürchtete, dass Karim womöglich vergessen würde, mir wichtige Punkte aus seinem Gespräch mit meinem Bruder zu berichten, und zerbrach mir deshalb den Kopf, wie ich wohl diese Unterhaltung belauschen könnte.

Als Karim in den neben unserem Schlafzimmer liegenden Wohnraum ging, um meinen Bruder anzurufen, griff ich leise zum Hörer des Apparats neben dem Bett, um das Gespräch mitzubekommen. Ich hörte, wie sie vereinbarten, sich in Tammams Palast zu treffen, denn dort hatte Ali auch Karims Telefonat angenommen. Offenbar hatte er den vorigen Abend bei seiner ersten Frau verbracht.

Ich eilte in Mahas Zimmer und sagte: »Zieh dich rasch an! Wir werden deine Tante Tammam und Munira besuchen. Sie brauchen uns.«

Als ich Karim berichtete, dass Maha und ich uns aufmachten, um Tammam und Munira zu besuchen, sah ich auf seiner Stirn eine Sorgenfalte auftauchen. »Sultana, wenn ihr Tammam und Munira besuchen wollt, werde ich euch nicht davon abhalten. Aber bitte sorge dafür und versprich mir, dass du mein Treffen mit deinem Bruder nicht störst.«

Unschuldsvoll gab ich ihm mein Wort, ihr Gespräch nicht zu unterbrechen. Aber Karim hatte mir nicht das Versprechen abverlangt, sie nicht zu belauschen.

Tammam erwartete uns nicht, schien sich aber über unseren Besuch zu freuen und war sehr freundlich.

Nachdem sie ihre Tante begrüßt hatte, lief Maha gleich in das Zimmer ihrer Cousine Munira.

Vor Karims Ankunft überzeugte ich Tammam, dass es am besten sei, still in der Festhalle neben Alis Salon zu sitzen. »Vielleicht werden wir ja dazu gerufen«, meinte ich.

Sobald wir den riesigen Raum betreten hatten, begann ich, in meiner großen Handtasche herumzuwühlen. Vor vielen Jahren hatte ich gelernt, dass es nur zu einer abschlägigen Antwort führte, wenn ich um die Erlaubnis bat, etwas Unkonventionelles zu tun. Deshalb handle ich jetzt einfach und lasse andere darauf reagieren.

Tammams Mund ging auf, aber sie war zu ängstlich, um Einspruch zu erheben, als ich eine elektronische Vorrichtung aus meiner Tasche kramte und die kleine Hörhilfe in mein rechtes Ohr steckte. Ich lächelte die erstaunte Tammam an und meinte: »Wer weiß, was Männer gegen gute Frauen im Schilde führen?«

Ich hatte diese Vorrichtung vor einigen Jahren in einem Fachgeschäft in New York erstanden, in dem es eine erstaunliche Vielzahl von Spionagegeräten gab, nachdem ich in einer im Hotel ausliegenden Informationsbroschüre eine Anzeige für diesen Laden entdeckt hatte. Damals war es für mich äußerst wichtig gewesen, Amanis geheime Aktivitäten mitzubekommen. Aus Angst, sie könne sich mit ihrem religiösen Extremismus Schaden zufügen, hatte ich mich genötigt gesehen, meinem jüngsten Kind nachzuspionieren. Aber gelangweilt von ihren endlosen Gesprächen über noch so unbedeutende Glaubensfragen hatte ich das Abhörgerät bald wieder weggelegt. Doch heute früh, bevor ich mich auf den Weg gemacht hatte, war mir dieses Gerät in den Sinn gekommen, und ich war nun darauf vorbereitet, die allmächtigen Männer, die unser Leben regierten, abzuhören.

Ich fummelte zunächst ein Weilchen an dem Gerät herum. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass es Stimmen aus Nebenräumen immens verstärkte, selbst wenn es nicht perfekt funktionierte.

Tammam schenkte ich ein beruhigendes Lächeln, aber ich sah, dass sie Angst hatte. Meine Schwägerin saß, mit vor den Mund gepressten Händen da, als hätte es ihr die Sprache verschlagen.

Versehentlich hatte ich die Lautstärke voll aufgedreht, so dass es mich schier gegen die Wand schleuderte, als Karim, Assad und Ahmed im Nebenraum Ali laut begrüßten.

Tammam stieß einen kleinen Schrei aus.

Nachdem ich mich wieder gefasst hatte, legte ich den Zeigefinger an die Lippen.

Gott sei Dank waren die ausführlichen Begrüßungen der Männer so laut, dass sie nichts mitbekommen hatten.

Lächelnd hörte ich ihnen zu. Es hat mir insgeheim immer immensen Spaß gemacht, verbotene Gespräche zu belauschen.

Die vier Männer brachten eine lange Zeit schweigend damit zu, ihren Tee ihren Wünschen gemäß zuzubereiten. Als sie endlich zu sprechen anfingen, unterhielten sie sich über unwichtige Dinge. Nachdem sie sich ihrer gegenseitigen Gesundheit versichert hatten, sprachen sie über diverse Geschäftsangelegenheiten. Eine Weile redeten sie auch über die schwindende Gesundheit des Königs. Onkel Fahd ist der Lieblingsführer meiner eigenen unmittelbaren Familie, und alle fürchten den Tag, an dem er nicht mehr regieren wird.

Ich wurde schon ungeduldig, als Ahmed schließlich das Thema ansprach, um dessentwillen sie eigentlich zusammengekommen waren.

»Ali, wir haben gehört, dass Munira verheiratet werden soll.«

Es trat eine kurze Pause ein. Dann läutete Ali nach einem seiner Diener, um sich zu seinem Tee ein paar frischgebackene Küchlein bringen zu lassen.

Ich nahm an, dass mein Bruder Zeit schinden wollte, um seine Reaktion auf eine solch unerwartete Feststellung gut zu überlegen. Dennoch ist es auch wahr, dass mein Bruder übermäßig viel isst. Sehr zu meiner Erheiterung wird er von Jahr zu Jahr breiter.

Das Abhörgerät funktionierte so gut, dass ich bald das Geräusch von Alis schmatzenden Lippen hören konnte, während er ein honigbestrichenes Küchlein nach dem anderen vertilgte. Die anderen Männer saßen schweigend daneben.

Schließlich war sein Appetit gestillt, und Ali war bereit, Ahmeds Frage zu beantworten. »Ja, du hast recht, Ahmed. Munira ist im heiratsfähigen Alter. Und ich habe eine gute Partie für sie gefunden.« Er zögerte, bevor er hinzufügte: »Sicherlich hat Tammam meinen Schwestern schon das Datum der Hochzeitsfeier genannt.«

Karim räusperte sich, dann meinte er vorsichtig: »Ali, betrachte uns als deine Brüder. Und als Brüder sind wir hier, um dich bei jeder Entscheidung in jeglicher Angelegenheit zu unterstützen.«

»Das stimmt«, fiel Assad sofort ein.

Karim sprach sehr taktvoll weiter. »Ali, es ist doch wirklich verwunderlich, wie das Leben manchmal so spielt. Ich frage mich, ob du denn Muniras speziellen Charakter oder das Alter des Mannes, den sie heiraten soll, bedacht hast.«

Schließlich brachte es Ahmed auf den Punkt. »Ist Munira denn nicht jünger als manches von Hadis Kindern?«

Es trat vollkommene Stille ein.

Schließlich schlug Assad hastig vor: »Wenn Munira schon verheiratet werden soll, gibt es denn keinen, der ihr im Alter etwas näher stehen und ihr eher gefallen würde?«

Zweifellos war Ali nicht erfreut über diese höchst ungewöhnliche Einmischung in seine Privatangelegenheiten. Dennoch fühlte er sich wohl etwas bedrängt, denn er machte ein überraschendes Zugeständnis. »Ich werde Munira entscheiden lassen.«

Ich presste eine Hand vor den Mund, um meine Erregung zu unterdrücken. Sobald ich mich wieder unter Kontrolle hatte, winkte ich Tammam zu, dann streckte ich die Hände über den Kopf und dann Richtung Boden zum Zeichen, dass ich Allah loben und ihm danken wollte.

Die begriffsstutzige Tammam blickte mich verständnislos an. Sie dachte wohl, dass ich ihr sagen wollte, es sei Zeit für das Mittagsgebet, denn sie blickte auf ihre Uhr und schüttelte dann verneinend den Kopf.

Leise flüsterte ich ihr zu: »Ali will Munira die Entscheidung überlassen!«

Tammam lächelte schwach.

Zum ersten Mal in meinem Leben spürte ich eine Art Mitgefühl für Ali. Tammam war ein so farbloses Wesen! Wenn ich Muniras Mutter gewesen wäre, hätte ich sicher große Probleme gehabt, meine Freude bei dieser Neuigkeit zu unterdrücken. Doch dann dachte ich nachsichtig, dass ihre Gefühle wohl durch die jahrelange schlechte Behandlung abgetötet worden waren.

»Ich werde jetzt Munira holen«, sagte Ali entschlossen. Ich hörte das dumpfe Geräusch seiner Schritte, dann ging die Tür auf und wieder zu.

Während Alis Abwesenheit ergingen sich die drei wartenden Männer wieder in einem nebensächlichen Gespräch über den Feiertag, der vor kurzem bei uns begangen worden war. Ich war leicht enttäuscht, denn ich hatte gehofft, sie würden eine vertrauliche Familienangelegenheit besprechen, von der ich noch nichts wusste.

Bald hörte ich, wie Ali wieder in den Raum kam. Seine laute Stimme klang sehr selbstsicher. »Munira, deine Onkel lieben und schätzen dich sehr. Sie haben sich trotz ihrer vielen Termine die Zeit genommen, dir persönlich ihre Glückwünsche zu deiner bevorstehenden Hochzeit zu überbringen.«

Karim, Assad und Ahmed murmelten leise etwas, auf das Munira nichts erwiderte.

Da ich Muniras Angst vor Männern kannte, vermutete ich, dass das arme Mädchen von der Aufmerksamkeit, die ihr die hier anwesenden Männer entgegenbrachten, so überwältigt war, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte.

Ali fuhr fort. »Munira, mein Kind, Hadi hat mich gebeten, dich ihm zur angebeteten Ehefrau zu geben. Du weißt von seiner Freundschaft mit dieser Familie und von seiner Fähigkeit, für dich und deine Kinder, die du vielleicht bekommen wirst, zu sorgen. Ich habe Gott den Allmächtigen um seine Erlaubnis ersucht, dich Hadi zur Ehefrau zu geben. Sag mir nun, ob du dies billigst, Munira!«

Ich wartete auf Muniras Worte. Und wartete. Und wartete.

»Munira?«

Schweigen.

Alis Worte klangen nun höchst erfreut. »Gott ist groß! Muniras Schweigen zeigt ihre Billigung an!« Er lachte herzlich. »Geh! Kehr in dein Zimmer zurück, mein Kind, und wisse, dass deine Bescheidenheit in dieser Angelegenheit deinen Vater sehr glücklich gemacht hat.«

Ich spürte, wie Taubheit sich in meinem Körper ausbreitete. Gemein wie er war, hatte Ali einen üblen Trick benutzt, um seine männlichen Verwandten mundtot zu machen. Er hatte fast wortwörtlich das wiederholt, was der Prophet Mohammed seine Tochter Fatima gefragt hatte, als er für sie eine Ehe mit einem Cousin, Imam Ali, arrangiert hatte. Als Fatima nichts darauf erwiderte, hatte der Prophet, wie alle guten Moslems wissen, die Weigerung des Mädchens, etwas zu sagen, als Zeichen großer Bescheidenheit gewertet.

Die Tür fiel ins Schloss.

Unter diesen Umständen konnten mein Mann und meine Schwäger nichts mehr einwenden, denn sonst hätten sie ja etwas gegen den Heiligen Propheten gesagt!

Ali dankte ihnen überschwänglich. »Eure Sorge für meine Familie hat mein Herz erfreut! Ich bin überglücklich! Bitte, kommt doch bald wieder vorbei!«

Die Männer gingen. Wieder fiel die Tür ins Schloss. Ich hörte meinen Bruder höchst zufrieden kichern.

Mit einem qualvollen Stöhnen ließ ich mich gegen die Wand fallen. Was war passiert? Hatte Ali Munira auf dem kurzen Weg durch den Palast bedroht? Oder war die eingeschüchterte Munira einfach stumm geworden?

Tränenüberströmt blickte ich auf Tammam und schüttelte langsam den Kopf. Es war alles verloren!

Als Frau, die die Macht der Hoffnung nie erfahren hatte, schien Tammam weder überrascht noch erregt. Sie stand auf und trat zu mir, um mich zu trösten, da ich noch immer weinte.

Da ging plötzlich die Tür auf. Wir waren von Ali entdeckt worden! Mein Bruder baute sich in voller Größe vor uns auf und funkelte nun wütend Frau und Schwester an.

Ich erwiderte seinen Blick. Abscheu überkam mich. Heute war mein Bruder hässlicher als je zuvor. Sein Körper war so fett, dass man das Fett selbst unter seiner Thobe sehen konnte. Er trug eine neue Hornbrille mit dicken Gläsern, die seine Augen schockierend vergrößerten.

Zwischen uns herrschte eine gegenseitige Abneigung. Unsere Kindheitserfahrungen hatten einen großen Abgrund zwischen uns geschaffen, der nie überwunden werden konnte. In diesem Moment war der Hass zwischen meinem Bruder und mir so intensiv, dass ich das Gefühl hatte, der Raum um mich herum verdüsterte sich.

Trotzige Worte kamen aus meinem Mund, tropften wie Gift von meiner Zunge. »Ah, mein böser Bruder! Das jüngste Gericht wird gewiss nicht angenehm für dich werden!«

Tammams fahles Gesicht verzog sich ängstlich, und sie zuckte wegen meiner Unverfrorenheit erschrocken zusammen. Die arme Frau versuchte, eine Entschuldigung für mich hervorzustammeln, doch dies waren ja doch nur Worte einer weiteren unbedeutenden Frau, und Ali unterbrach ihre Entschuldigung mit einer abwehrenden Handbewegung.

Kein Wunder, dass er sie nicht liebt, dachte ich voller Grausamkeit. Kein Mann kann eine so feige Person achten.

Als ich Alis Gesicht musterte, wusste ich, dass er nach einer Bemerkung suchte, die mich verletzen sollte. Oft genug hatte ich meinen Bruder in Wortgefechten besiegt. Mit Worten war er nie besonders schnell gewesen, und nun schien er umso verlegener zu sein um eine passende Erwiderung.

Ich grinste, lehnte mich zurück und entspannte mich. Bei geistigen Auseinandersetzungen mit Ali behielt ich immer die Oberhand. Doch plötzlich blies er seine herabhängenden Backen auf. Mein Hohn begann langsam zu schwinden. Hatte Ali bemerkt, dass ein Sieger es nicht nötig hat, sich weiter zu äußern?

Er begann, genüsslich zu lachen. Beim Anblick meines frohgemuten, übergewichtigen Bruders, wie er da so triumphierend vor mir stand in dem vollen Wissen, dass die rechtlichen Institutionen meines Landes ihn voll unterstützten, sank ich verzweifelt zu Boden.

Muniras Schicksal war besiegelt, und ich fürchtete, dass es nun nichts mehr gab, das ich tun oder sagen konnte, um das Grauen zu verhindern, das sie erwartete.

Selbst nachdem Ali die Tür hinter sich geschlossen hatte und langsam den langen Gang entlangschlurfte, der zum Vordereingang des Palastes führte, vernahm ich noch sein leises, böses Lachen.

3. KapitelMuniras Hochzeit

Schockiert darüber, bei meiner Auseinandersetzung mit Ali verloren zu haben, ging ich direkt nach Hause und legte mich ins Bett. Ich hatte schreckliche Kopfschmerzen und kam an diesem Abend auch nicht zum Abendessen mit meiner Familie.

Als mein Mann mir später an diesem Abend betrübt von dem Treffen mit Ali berichtete, gestand ich ihm nicht, dass ich bereits wusste, wie dieser Besuch ausgegangen war. Ich begann zu weinen, und Karim tröstete mich mitfühlend.