"Ich rauche doch nur Joints!" - Lina Rhan - E-Book

"Ich rauche doch nur Joints!" E-Book

Lina Rhan

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Beschreibung

Was Sie über Drogen wissen müssen – und was Jugendlichen Ihnen nie erzählen würden

Die wenigsten Erwachsenen haben eine Ahnung, mit welchen Drogen Jugendliche heute in Kontakt sind und wie man sinnvoll reagiert, wenn der Verdacht auf Drogenkonsum aufkommt. Lina und Ulla Rhan kennen die Hilflosigkeit der Erwachsenen ebenso wie die Realität der Jugendlichen. Hier reden sie Klartext. Sie wollen alle unterstützen, die sich mit dem Thema Sucht und Drogen überfordert fühlen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 149

Veröffentlichungsjahr: 2009

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Inhaltsverzeichnis
 
Widmung
Wir
 
»Ich hätte auch gern mit meiner Tochter angegeben...«
Rückblende: Wie alles begann
 
Copyright
Zur Wahrung der Persönlichkeitssphäre haben wir die Namen aller in diesem Buch vorkommenden Personen geändert oder gekürzt. Gegebenenfalls wurden biographische Einzelheiten verfremdet, um Rückschlüsse auf die wahre Identität der beschriebenen bzw. interviewten Personen zu verhindern.
» Urteile nicht über einen anderen Menschen, bevor du nicht zwei Monde lang in seinen Mokassins gelaufen bist. «
Sprichwort der Cheyenne-Indianer
Für Gerhard und Eva
 
 
 
Für Ines, unsere treue Freundin, die alles miterlebt hat, und für alle Erwachsenen, die bereit sind, eine Weile in den Mokassins von Jugendlichen zu laufen.
 
 
 
 
Wir danken den Menschen, die uns in unseren Interviews ihre Situation mit so viel Offenheit geschildert und unsere Fragen so bereitwillig und geduldig beantwortet haben.
Wir
Ulla und Lina. Ein Team. Aber nicht nur das. Wir sind Mutter und Tochter. Vor ein paar Jahren haben wir uns schon einmal zusammengesetzt, um unsere Geschichte aufzuschreiben - die Geschichte von Lina und ihrer Entscheidung, in die Partyszene abzutauchen und jede Menge Drogen zu konsumieren; und die Geschichte der Höhen und Tiefen, durch die wir als Familie dabei gegangen sind. Lieber high als stinknormal? heißt das Buch, das damals entstanden ist. Es ist ein Buch für Jugendliche. Seit es erschienen ist, sind wir weit herumgekommen und haben an vielen, vielen Schulen, in Drogenberatungsstellen, Stadtbüchereien, Gemeindesälen und Stadthallen landauf, landab Vorträge gehalten. Und immer wieder sind Eltern und Lehrer auf uns zugekommen und haben gefragt, warum wir nicht ein zweites Buch schreiben. Ein Buch für sie als Erwachsene. Eines für die, die tagtäglich mit Jugendlichen zu tun haben und sich von dem ganzen Thema Sucht und Drogen überfordert fühlen. Und so haben wir uns ein zweites Mal zusammengesetzt. Das Ergebnis ist das Buch, das Sie hier in Händen halten. Schon bei Lieber high als stinknormal? waren Interviews die Basis unserer Zusammenarbeit. Lina war damals in einer (relativ) cleanen Phase, aber es wäre kaum für sie möglich gewesen, ihre Erlebnisse und Erfahrungen selbst aufzuschreiben. Und so verbrachten wir damals viele Stunden in einem Frankfurter Café und zeichneten auf Tonband auf, was Lina erzählte. Ich, Ulla, hörte damals nur zu. (Was sich sehr viel leichter anhört, als es in Wirklichkeit war.) Und wenn ich alles aufgeschrieben hatte, gingen wir regelrecht in den Clinch miteinander.
»Das habe ich so nicht gesagt! Du hast mal wieder gar nix gepeilt!« Bei unserer ersten Sitzung war Lina völlig aus dem Häuschen, bis sie begriff, dass man an Texten so lange feilen kann, bis sie genau so dastehen, wie man es will. Danach verstanden wir uns. In dieser Phase wurden wir zum Team.
Im Prinzip sind wir unserer Arbeitsweise auch bei diesem Buch treu geblieben, nur ist es diesmal nicht Lina, die ihre Geschichte erzählt, auch wenn das Persönliche hier ebenfalls einen wichtigen Stellenwert für uns hat. Diesmal wollten wir über den Tellerrand unseres eigenen Erlebens hinausschauen und eine möglichst breit gefächerte Palette anderer Erfahrungen mit einbeziehen. Und so haben wir uns beide mit einem Aufzeichnungsgerät auf Tour begeben und unzähligen Leuten zugehört, die hautnah mit dem Thema Drogen und Sucht zu tun haben. Da wir beide Seiten hören wollten, ging Lina zu den Jugendlichen und ich zu den Erwachsenen.
Ich, das heißt in diesem Buch: Ulla. Denn zum einen wenden wir uns diesmal an Erwachsene, sodass der Schwerpunkt in den autobiographischen Schilderungen auf meiner Perspektive - sprich: der Eltern-Sicht - liegt. Und zum anderen bin ich diejenige, die die von uns beiden zusammengetragenen Materialien in Texte umgesetzt hat. Dennoch haben wir auch diesmal so lange gemeinsam an jedem einzelnen Satz gefeilt, bis wir uns beide mit dem Ergebnis identifizieren konnten.
Eines sei klargestellt: Auch wenn Interviews und autobiographische Schilderungen einen wichtigen Teil in unserem Buch einnehmen, ist dies hier keine weinerliche Betroffenheitsgeschichte nach dem Motto »Mutter rettet Tochter aus dem Drogensumpf«. Wenn einer den Drogenkonsumenten retten kann, dann er selbst und niemand sonst. So hat Lina trotz unserer intensiven Begegnung durch die Arbeit an unserem ersten Buch noch Jahre gebraucht, um aus eigenem Willen und aus eigener Kraft den Absprung aus dem Drogenkonsum wirklich zu schaffen. Nur für sich selbst ist sie clean geworden, nicht für mich. Und nur deswegen hat ihr Ausstieg jetzt Bestand.
Den persönlichen Bezug halten wir aber dennoch für bedeutsam, weil er uns den Einstieg in eine möglichst praxisnahe, informative Darstellung des Themas Sucht und Drogen ermöglicht. Erwachsene, die mit Jugendlichen zu tun haben, müssen immer ein Ohr an der Schiene der Zeit haben. Sie müssen wissen, was abgeht. Sie müssen lernen. Und am Beispiel lernt es sich noch immer am besten.
Lieber high als stinknormal? fängt mit folgenden Worten an:
Dass wir dieses Buch überhaupt zusammen geschrieben haben, ist ein Wunder. Es gab eine Zeit, da hätten wir es nicht für möglich gehalten, je wieder auch nur ein einziges Wort miteinander zu reden. Da war jede von uns in einer völlig anderen Welt und dazwischen lag ein Meer von Wut und Hass, von Lügen und Heuchelei, von Drogen, Drogen, Drogen.
Inzwischen staunen wir nicht mehr täglich über dieses Wunder. Doch ein Wunder ist es immer noch. Was sich geändert hat? Heute schleichen wir nicht mehr auf Samtpfoten umeinander herum. Wir haben, was vielleicht das Allerwichtigste ist, das gegenseitige Vertrauen wiedergefunden. Unsere Begegnungen finden heute nicht mehr im Ausnahmezustand, sondern im Alltag statt. Ulla und Lina. Mutter und Tochter. Und außerdem: ein Team.
Ulla und Lina Rhan
»Ich hätte auch gern mit meiner Tochter angegeben...«
Klassentreffen. Die meisten der Leute hier habe ich seit gut 20 Jahren nicht gesehen, und es ist, wie es auf Klassentreffen eben so ist. Alle scheinen nur eines im Sinn zu haben: den anderen zu zeigen, was aus ihnen geworden ist. Nachdem das übliche Weißt-du-nochdamals und der Tratsch über unsere alten Lehrer ausgetauscht sind, tischen wir uns gegenseitig Geschichten über unsere beruflichen Höhenflüge auf. Wenn man den mit leuchtenden Augen vorgetragenen Schilderungen zuhört, könnte man meinen, in der verräucherten Nebenstube des Wicküler am Bahnhofsplatz hätte sich ein repräsentativer Querschnitt der bundesdeutschen Crème de la Crème versammelt.
Wir sind ganz berauscht von all den vielen Erfolgsmeldungen aus unseren eigenen Reihen (und dem einen oder anderen Glas Bier oder Wein), als auf einmal das Thema im Raum steht, das ich so gern vermieden hätte: Die Familie und vor allem: der Nachwuchs. Schlagartig werde ich leise. Meine Stimmung ist wie ausgelöscht. Während sich meine ehemaligen Mitschüler mit den Einser-Notendurchschnitten, musischen Begabungen und sportlichen Höchstleistungen ihrer Wunderkinder brüsten, würde ich am liebsten wie ein Chamäleon die Farbe des Hintergrunds annehmen, um bloß ja nicht angesprochen zu werden. Aber irgendwann kommt sie doch, die Frage: »Und ihr, Ulla. Ihr habt doch auch zwei Töchter?« Alle Augen richten sich gespannt auf mich.
»Ja«, antworte ich und der Kloß in meinem Hals ist so dick, dass es mir schwerfällt, weiterzureden. »Und?« Meine ehemalige Banknachbarin strahlt mich erwartungsvoll an.
»Tja«, seufze ich. »Was soll ich sagen...« Lügen? Die Wahrheit sagen? Ich fasse meinen ganzen Mut zusammen. »Unsere Lina ist 14, und sie ist auf Drogen. Ungefähr vor einem Jahr fing es an. Wir haben alles probiert, aber sie ist uns total entglitten. Wir haben keinen Einfluss mehr auf sie. Innerhalb von ein paar Wochen ist sie völlig abgestürzt. In diesem einen Jahr ist sie überall rausgeflogen - erst aus dem Gymnasium, dann aus zig anderen Schulen. Sie hat eine totale Null-Bock-Einstellung.«
Kaum habe ich es gesagt, stecke ich schon wieder in diesem zähen Brei aus Angst und Wut und Selbstvorwürfen, der mich beim kleinsten Gedanken an meine Tochter verschlingt. Hätte ich sie nicht wenigstens an diesem einen Abend aus meinem Hirn, aus meinem Herzen verbannen können? Muss sich denn immer alles um sie drehen?! Gerhard und ich haben doch noch eine andere Tochter. Warum habe ich nicht einfach von Eva erzählt. Unserer tollen, unkomplizierten, immer liebenswerten, unübertrefflichen Eva?!
Doch es ist, als hätten meine Worte in mir eine Schleuse geöffnet. Jetzt, wo ich einmal zu reden angefangen habe, muss ich Linas ganze Geschichte loswerden. Ich kann irgendwie nicht anders. Und so schiebe ich alle Selbstzweifel beiseite, hole tief Luft und erzähle weiter.
»Tagelang kam Lina nicht nach Hause, und wir wussten nicht, wo sie war. Dauernd rief die Polizei an, weil sie wieder irgendwo bei einem Diebstahl erwischt worden war. Dann kam eine räuberische Erpressung dazu, und das Jugendamt hat sie in einem geschlossenen Heim untergebracht. Jetzt ist sie in Gauting in der Nähe von München. Sie da einweisen zu lassen, war die einzige Möglichkeit, die uns allen noch einfiel, um sie in geregelte Bahnen zu lenken und sie dazu zu kriegen, einen Schulabschluss zu machen. Bis gestern Abend habe ich gedacht, dass es klappen könnte. Dann kam der Anruf von der Heimleitung: Ihre Wohngruppe hat einen Ausflug in den Englischen Garten gemacht, und Lina hat die Gelegenheit genutzt, um sich in die Büsche zu schlagen. Jetzt weiß ich wieder nicht, wo sie ist.«
Betretenes Schweigen. Es ist so still im Raum. Man könnte eine Stecknadel fallen hören.
Das habe ich nicht gewollt, denke ich und ärgere mich, den anderen die Stimmung kaputt gemacht zu haben. Eigentlich hätte ich ja auch gern mit meinem Kind angegeben. Warum hab ich’s nicht getan? Ich hätte den Leuten doch bloß irgendeine Geschichte aufzutischen brauchen. Oder einfach von Eva erzählen!!!
 
»Ich kann mir vorstellen, was du da im Augenblick durchmachst«, kommt es auf einmal von Elke, die eben noch vom Einser-Abitur ihres Ältesten geschwärmt hatte. »Meine Jüngste ist magersüchtig. Sie wiegt nur noch 39 Kilo. Bei 1,70 m Körpergröße. Momentan ist sie gerade mal wieder in der Klinik. Ich kann machen, was ich will - ich komme einfach nicht an sie ran. Es fühlt sich so an, als hätte sie sich hinter einer Wand aus Eis verschanzt.«
Kaum hat Elke von den Problemen mit ihrer Tochter berichtet, meldet sich Hiltrud zu Wort. Sie hatte eigentlich gar keine Kinder haben wollen - bis sie vor zwei Jahren einen »Pillenunfall« hatte. Resultat: Zwillinge. Die es noch dazu eilig hatten, auf die Welt zu kommen: In der 34. Schwangerschaftswoche drängten sie ans Licht. Und mit ihnen brachen all die vielen Komplikationen des Frühchen-Eltern-Daseins über Hiltrud und ihren Mann herein. Und auf einmal reden alle durcheinander. Das Eis ist gebrochen und einer nach dem anderen legt die strahlende Maske des Achwie-bin-ich-toll-Geschwätzes ab. Jeder von uns hat irgendetwas zu erzählen, das nicht so gut gelaufen ist. Götter gibt es eben keine unter uns. Wir sind doch alle menschlich.
Es wird eine lange Nacht. Um halb zwei fängt die Wirtin im Wicküler an, die Stühle an den Nebentischen hochzustellen. Langsam wird es Zeit zu gehen. Es fällt uns schwer, Abschied zu nehmen. Es ist so viel Nähe zwischen uns, wir verstehen uns so gut, fühlen uns so verstanden.
Draußen vor der Tür werden die letzten Visitenkarten ausgetauscht. Und die üblichen Versprechen, sich künftig nicht mehr aus den Augen zu verlieren. Das Merkwürdige an der Sache: Die drei Frauen, die zu Schulzeiten meine besten Freundinnen waren, haben sich tatsächlich gemeldet. Inzwischen treffen wir uns gelegentlich in dieser Vierer-Runde. Und wenn eine von uns jemanden zum Reden braucht, findet sie in diesem Kreis immer ein offenes Ohr.

Rückblende: Wie alles begann

Das will doch jede(r)...
... gut dastehen vor den anderen.
Oder?
 
Und dann das:
Am frühen Nachmittag - ich sitze gerade vor dem PC und brüte über einer schwierigen Textpassage - klingelt das Telefon. Noras Mutter ist am Apparat. Frau Borchert. Nora ist Linas beste Freundin und geht mit ihr in eine Klasse. Die beiden sind vom ersten gemeinsamen Schultag an unzertrennlich gewesen. Frau Borchert sagt, sie müsse mal mit mir über Lina reden. Sie würde sie in letzter Zeit gar nicht mehr wiedererkennen. Und dann erzählt sie mir, meine Tochter hätte der ihren aus heiterem Himmel die Freundschaft gekündigt. Gnadenlos habe sie sie mit der neuen Clique, mit der sie sich in letzter Zeit herumtreibe, fertiggemacht. Nora traue sich seither kaum noch in die Schule und sie verstehe die Welt nicht mehr, wo doch Lina immer ihre allerbeste Freundin gewesen sei und sie alles, aber auch wirklich alles, zusammen gemacht hätten. Zu einer Party hätte ihr Lina eine Einladungskarte mit den Worten geschrieben: »Komm ruhig vorbei. Wir haben noch einen schönen Platz in der Mülltonne für dich!«
 
 
Copyright © 2009 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlag: fuchs_design, München Umschlagmotiv: getty images/Alex Cao Illustrationen: Lina und Ulla Rhan
eISBN : 978-3-641-03325-5
 
 
Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem gesamten lieferbaren Programm finden Sie unter www.koesel.de
 
Leseprobe
 

www.randomhouse.de