Ihre Patientenrechte im Gesundheitswesen - Ralf Hauner - E-Book

Ihre Patientenrechte im Gesundheitswesen E-Book

Ralf Hauner

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Beschreibung

Ansprüche kennen und durchsetzen

Von Patienten wird erwartet, dass sie mündige Entscheidungen treffen können. Doch das setzt voraus, dass sie ihre Patientenrechte kennen und wissen, welche Ansprüche ihnen gegenüber Leistungserbringern zustehen und welche Rechte sie gegenüber der Krankenkasse wahrnehmen können.

  • Welchen Arzt darf man im Notfall aufsuchen?
  • Welche Informationspflichten hat der Arzt?
  • Wer unterstützt bei Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler?
  • Welche Leistungen bezahlen die Kassen?
  • Wann sind Zuzahlungen selbst zu tragen?
  • Welche Rechte gelten nach einem Krankenhausaufenthalt?
  • Wer darf Sozialdaten verarbeiten und nutzen?

Vor dem Hintergrund der Digitalisierung des Gesundheitswesens gibt der Autor in diesem Ratgeber Ihre Patientenrechte im Gesundheitswesen einen Überblick über digitale Anwendungen wie den elektronischen Medikationsplan oder die elektronische Patientenakte.

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Seitenzahl: 638

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1. Auflage

© WALHALLA Fachverlag, Regensburg

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Kontakt: Walhalla Fachverlag Haus an der Eisernen Brücke 93042 Regensburg Tel. (09 41) 56 84-0 Fax. (09 41) 56 84-111 E-Mail [email protected] Web

Schnellübersicht

Vorwort

1. Allgemein geltende Patientenrechte

2. Ihre Rechte gegenüber Ärzten

3. Ihre Rechte bei stationärer Behandlung

4. Ihre Rechte gegenüber Apotheken

5. Ihre Rechte gegenüber Krankenkassen

Auszüge aus referenzierten Vorschriften

Vorwort

Ihre Patientenrechte kennen

Abkürzungen

Ihre Patientenrechte kennen

Ein Begriff, der immer wieder in der Gesundheitsdebatte auftaucht, ist der „mündige Patient“. Hierbei handelt es sich nicht etwa um ein Fabelwesen, sondern um einen wichtigen Terminus in der Debatte über Patientenrechte und Entscheidungshoheiten. Er spielt häufig eine Rolle, wenn der Dialog zwischen Patient und Arzt thematisiert wird. Aktuell tritt diese Formulierung vor allem im Zusammenhang mit der viel besprochenen Digitalisierung des Gesundheitswesens in den Vordergrund. Grund genug, sich mit dem mündigen Patienten und den Patientenrechten einmal genauer zu befassen.

Ein „mündiger Patient“ ist in der Lage, selbstbestimmt über die zentralen Belange der eigenen Gesundheit zu entscheiden.

Diese Stärkung des Patienten-Selbstverständnisses, der Patientenrechte und -befugnisse kann auch als „Empowerment“ beschrieben werden. Dieses Empowerment erfordert auch, dass der zu Behandelnde über Optionen und Konsequenzen gesundheitlicher Entscheidungen informiert ist und sich die, in diesem Zusammenhang ebenfalls häufig genannte, Gesundheitskompetenz aneignet. Gleichzeitig soll der Patient gesundheitsbewusste Entscheidungen treffen – sowohl im Alltag als auch bei ärztlichen Eingriffen wie einer Operation oder der Wahl einer Behandlungsmethode.

Somit basiert eine „mündige“ Entscheidung im Optimalfall auf dem Zusammenspiel aus Entscheidungsfreiheit, ärztlicher Beratung und dem Grundverständnis des Patienten für Gesundheitsthemen (Gesundheitskompetenz). Ein Patient kann nur dann mündig handeln, wenn alle diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Um eine mündige Entscheidung treffen zu können, ist es für Sie wichtig, sowohl die entsprechenden Patientenrechte zu kennen und zu wissen, welche Ansprüche Ihnen gegenüber den Leistungserbringern (z. B. Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken usw.) zustehen, als auch Ihre Rechte gegenüber der Krankenkasse, u. a. beim Thema Unterstützung bei Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler, wahrzunehmen.

Dieses Buch will Ihnen helfen, einen Überblick über die vielfältigen Rechte zu erlangen, und Ihnen auch Wege zur Durchsetzung Ihrer Ansprüche aufzeigen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde überwiegend die männliche Form gewählt. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Ralf Hauner

München, im Juli 2022

Abkürzungen

a. F.alte FassungAOKAllgemeine OrtskrankenkasseAz.AktenzeichenBAföGBundesausbildungsförderungsgesetzBASBundesamt für Soziale SicherungBGBBürgerliches GesetzbuchBMGBundesministerium für GesundheitBMV-ÄBundesmantelvertrag-ÄrzteBSGBundessozialgerichtBTBundestagBVerfGBundesverfassungsgerichtBZgABundeszentrale für gesundheitliche AufklärungDGPDeutsche Gesellschaft für PalliativmedizinDMPDisease-Management-ProgrammDVGDigitale-Versorgung-GesetzEHICEuropean Health Insurance Card(Europäische Krankenversicherungskarte)EUEuropäische Unione. V.eingetragener VereinEWREuropäischer Wirtschaftsraumff.fortfolgend(e)G-BAGemeinsamer BundesausschussGdBGrad der BehinderungGGGrundgesetzGKVGesetzliche KrankenversicherungGKV-VSGGKV-VersorgungsstärkungsgesetzGKV-WSGGKV-WettbewerbsstärkungsgesetzGOÄGebührenordnung für ÄrzteIGeLIndividuelle GesundheitsleistungenKBVKassenärztliche BundesvereinigungKHSGKrankenhausstrukturgesetzKSVGKünstlersozialversicherungsgesetzLSGLandessozialgerichtMDMedizinischer DienstMD BundMedizinischer Dienst BundMdEMinderung der Erwerbsfähigkeitn. F.neue FassungOWiGOrdnungswidrigkeitengesetzPpSGPflegepersonal-StärkungsgesetzSAPVSpezialisierte ambulante PalliativversorgungSGSozialgerichtSGGSozialgerichtsgesetzSGBSozialgesetzbuchSGB ISozialgesetzbuch – Erstes Buch(Allgemeiner Teil)SGB IVSozialgesetzbuch – Viertes Buch(Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung)SGB VSozialgesetzbuch – Fünftes Buch(Gesetzliche Krankenversicherung)SGB IXSozialgesetzbuch – Neuntes Buch(Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen)SGB XSozialgesetzbuch – Zehntes Buch(Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz)SGB XISozialgesetzbuch – Elftes Buch(Soziale Pflegeversicherung)StGBStrafgesetzbuchTSVGTerminservice- und VersorgungsgesetzUPDUnabhängige Patientenberatung DeutschlandVOVerordnungZPOZivilprozessordnung

1. Allgemein geltende Patientenrechte

Altersspezifische Besonderheiten

Behinderung

Chronische Erkrankung

Digitale Gesundheitsanwendungen

Gemeinsamer Bundesausschuss

Geschlechtsspezifische Besonderheiten

Interessenvertretung der Patienten

Lebensbedrohliche Krankheit

Medizinischer Dienst

Menschenwürdige Behandlung

Patientenbeauftragter

Patientenberatung

Patientenunterlagen

Patientenverfügung

Religiöse Bedürfnisse

Solidarität

Datenschutz und Sozialgeheimnis

Altersspezifische Besonderheiten

Die Leistungsansprüche der Versicherten werden nicht durch ihr Alter beeinträchtigt. § 2b SGB V bestimmt, dass von den Krankenkassen altersspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist. Leistungen dürfen nicht aufgrund des Lebensalters von Versicherten abgelehnt werden. Diese Regelung gilt auch für die Ansprüche im Krankenhaus.

Wenn versucht wird, ältere Versicherte aus der gesetzlichen Krankenversicherung hinauszudrängen, dann ist dies ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes.

Eine gesetzliche Krankenkasse darf sich nicht weigern, ein neues Mitglied aufzunehmen, dies wird auch Kontrahierungszwang genannt. Ein Krankenkassenwechsel ist für jeden gesetzlich Versicherten immer möglich.

Praxis-Tipp:

Sollten Sie der Meinung sein, dass Sie eine Leistung wegen Ihres Altes nicht erhalten haben, dann wenden Sie sich direkt an Ihre Krankenkasse und/oder den Patientenbeauftragten.

Bei Beschwerden gegen die Krankenkasse selbst wenden Sie sich an das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS). Es führt die Rechtsaufsicht über die bundesunmittelbaren gesetzlichen Kranken- sowie die Renten- und Unfallkassen:

Bundesamt für Soziale Sicherung

Friedrich-Ebert-Allee 38

53113 Bonn

Tel.: 02 28/6 19-0

www.bundesamtsozialesicherung.de

Auch ein Blick in das Impressum der Homepage der jeweiligen Krankenversicherung lohnt. Dort ist die zuständige Aufsichtsbehörde des Landes aufgeführt.

Behinderung

Nach § 2a SGB V ist den besonderen Belangen behinderter Menschen Rechnung zu tragen. Das gilt sowohl im Vorfeld der Leistungsinanspruchnahme (z. B. beim Aufsuchen der Krankenkasse) als auch bei der Leistungsgewährung selbst. Die Leistungsträger sind nach § 17 Abs. 1 SGB I verpflichtet, darauf zu achten, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen erhält, nämlich

in zeitgemäßer Weise,

umfassend und

zügig.

Der Zugang zu den Sozialleistungen muss möglichst einfach gestaltet werden, insbesondere durch Verwendung allgemein verständlicher Antragsvordrucke.

Ausdrücklich vorgeschrieben ist auch, dass die Verwaltungs- und Dienstgebäude der Sozialleistungsträger frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren sind und Sozialleistungen in barrierefreien Räumen und Anlagen ausgeführt werden.

Nach § 17 Abs. 2 SGB I haben hörbehinderte Menschen das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen, insbesondere auch bei ärztlichen Untersuchungen und Behandlungen, Gebärdensprache zu verwenden. Die für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger (z. B. eine gesetzliche Krankenkasse) sind verpflichtet, die durch die Verwendung der Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen entstehenden Kosten zu tragen.

Allgemein wird im gesamten Sozialrecht der Behindertenbegriff des § 2 SGB IX verwendet. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre

körperliche Funktion,

geistige Fähigkeit oder

seelische Gesundheit

mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Schwerbehindert sind Menschen, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung (GdB) von wenigstens 50 vorliegt. Voraussetzung ist, dass sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz rechtmäßig in Deutschland haben.

Chronische Erkrankung

Nach § 2a SGB V ist den besonderen Belangen chronisch kranker Menschen Rechnung zu tragen. In den Chroniker-Richtlinien des G-BA wird näher definiert, wer als chronisch krank gilt:

In § 1 Abs. 2 dieser Richtlinien wird bestimmt, dass die Feststellung, wonach Versicherte an einer schwerwiegenden chronischen Krankheit leiden, von der Krankenkasse getroffen wird. § 2 der Richtlinien beschäftigt sich mit dem Begriff der schwerwiegenden chronischen Krankheit. Zunächst heißt es hier, dass eine Krankheit im Sinne des § 62 SGB V ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand ist, der Behandlungsbedürftigkeit zur Folge hat.

Eine Krankheit ist schwerwiegend chronisch, wenn sie wenigstens ein Jahr lang mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde (Dauerbehandlung). Außerdem muss eines der folgenden Merkmale vorhanden sein:

Es liegt Pflegebedürftigkeit des Pflegegrads 2 bis 5 nach dem SGB XI vor.

Es liegt ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 60 Prozent vor. Der GdB bzw. die MdE müssen zumindest auch durch die obige Krankheit (Dauerbehandlung) begründet sein.

Es ist eine kontinuierliche Behandlung der Gesundheitsstörung erforderlich (ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimitteltherapie, Versorgung mit Heil- und Hilfsmitteln), ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist.

Die Dauerbehandlung wird durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen. In dieser werden die dauerbehandelte Krankheit und die kontinuierlichen Behandlungserfordernisse angegeben.

In den Richtlinien wird darauf hingewiesen, dass zum Beleg für den Grad der Behinderung (GdB), die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und den Pflegegrad des Versicherten die entsprechenden bestandskräftigen amtlichen Bescheide in Kopie vorzuliegen haben. Die Krankheit muss in dem Bescheid zum GdB oder zur MdE als Begründung aufgeführt sein.

Die weitere Dauer der chronischen Behandlung ist der Krankenkasse jeweils spätestens nach Ablauf eines Kalenderjahres nachzuweisen und vom Medizinischen Dienst (MD), soweit erforderlich, zu prüfen.

Die jährliche Bescheinigung darf nur ausgestellt werden, wenn ein Arzt ein therapiegerechtes Verhalten des Versicherten feststellt. Ein solches therapiegerechtes Verhalten liegt beispielsweise bei Teilnahme an einem strukturierten Behandlungsprogramm nach § 137f SGB V (Disease-Management-Programm) vor. Versicherte, denen das Erfüllen der Voraussetzungen nicht zumutbar ist, sind davon ausgenommen. Unzumutbarkeit liegt insbesondere bei Bestehen von Pflegebedürftigkeit der Pflegegrade 2 bis 5 nach dem SGB XI oder bei einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 vor.

Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seinen Richtlinien. § 3 der Chroniker-Richtlinie bestimmt, dass der Arzt durch Ausstellung einer Bescheinigung bestätigt, dass sich Arzt und Patient über das weitere Vorgehen in Bezug auf eine Therapie verständigt haben und ein therapiegerechtes Verhalten des Patienten vorliegt. Ausgenommen von der Notwendigkeit der Feststellung des therapiegerechten Verhaltens sind – neben den vorstehend bereits aufgeführten Personen – Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Wichtig:

Eine chronische Erkrankung kann Auswirkungen auf die Höhe Ihrer Zuzahlungen haben (siehe hierzu auch Kapitel 5, Stichwort: „Zuzahlungen“).

Disease-Management-Programme

Disease-Management-Programme (DMP) sind leitliniengeprüfte Programme und stellen für die Ärzte und Patienten konkrete Behandlungsleitlinien dar. Ziel ist es, die Versorgung der Patienten zu verbessern, und der Arzt agiert hier als Lotse im Rahmen der Behandlungskoordination.

Die Teilnahme an einem solchen Programm ist freiwillig und für den Versicherten kostenlos.

Derzeit gibt es DMP für folgende Krankheiten:

Asthma bronchiale

Brustkrebs

Chronische Herzinsuffizienz

Chronischer Rückenschmerz

COPD

Depressionen

Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2

Koronare Herzkrankheit

Osteoporose

Rheumatoide Arthritis

Digitale Gesundheitsanwendungen

Das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) regelt seit 19.12.2019 den Anspruch für Versicherte auf digitale Gesundheitsanwendungen (§ 33a SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Medizinprodukten niedriger Risikoklasse, deren Hauptfunktion wesentlich auf digitalen Technologien beruht. Diese Produkte müssen dazu bestimmt sein, bei den Versicherten oder in der Versorgung durch Leistungserbringer die Erkennung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten oder die Erkennung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen zu unterstützen.

Der Anspruch umfasst nur solche digitalen Gesundheitsanwendungen, die

vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen aufgenommen wurden und

entweder nach Verordnung des behandelnden Arztes bzw. Psychotherapeuten oder mit Genehmigung der Krankenkasse angewendet werden.

Die Hersteller stellen den Versicherten digitale Gesundheitsanwendungen per elektronischer Übertragung über öffentlich zugängliche Netze oder auf maschinell lesbaren Datenträgern zur Verfügung (§ 33a Abs. 3 SGB V). Ist hiernach keine Übertragung oder Abgabe möglich, können digitale Gesundheitsanwendungen auch über öffentlich zugängliche digitale Vertriebsplattformen zur Verfügung gestellt werden. In diesen Fällen erstattet die Krankenkasse dem Versicherten die tatsächlichen Kosten bis zur Höhe der Vergütungsbeträge nach § 134 SGB V. Diese Vergütungsbeträge werden zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Herstellern digitaler Gesundheitsanwendungen aufgeteilt.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte führt ein Verzeichnis erstattungsfähiger digitaler Gesundheitsanwendungen (§ 139e SGB V). Das Verzeichnis und seine Änderungen sind vom genannten Bundesinstitut im Bundesanzeiger bekanntzugeben und im Internet zu veröffentlichen. Nähere Informationen finden Sie unter www.bfarm.de.

Praxis-Tipp:

Sie können die DiGa-App entweder durch Verordnung Ihres behandelnden Arztes und Vorlage bei der Krankenkasse erhalten oder Sie stellen direkt bei Ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Genehmigung einer DiGA-App ohne Verordnung durch den Arzt.

Gemeinsamer Bundesausschuss

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) ist das oberste Gremium der Gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen. Gebildet wird er von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (§ 91 SGB V).

Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Des Weiteren haben im Gemeinsamen Bundesausschuss die für die Wahrnehmung der Interessen der Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen ein Mitberatungsrecht und benennen hierzu sachkundige Personen.

Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten (§ 92 SGB V). Der G-BA beeinflusst damit das Leistungsgeschehen in der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblich. Er bestimmt mit den Richtlinien die medizinische Versorgung sowie die Ausgestaltung der ambulanten oder stationären Leistungen und damit letztendlich, welche Leistungen von den Krankenkassen bezahlt werden.

Die Richtlinien gelten verbindlich für die Krankenkassen, die behandelnden Ärzte und alle anderen Leistungserbringer, die mit den Krankenkassen abrechnen.

Darüber hinaus beschließt der G-BA Qualitätssicherungsmaßnahmen für das Gesundheitswesen.

Praxis-Tipp:

Die jeweiligen Richtlinien können Sie auf der Internetseite des G-BA unter www.g-ba.de einsehen.

Geschlechtsspezifische Besonderheiten

Nach § 2b SGB V sind bei den Leistungen der Krankenkassen geschlechtsspezifische Besonderheiten zur berücksichtigen.

Dieser Auftrag kann sich auf den konkreten Inhalt des Sachleistungsanspruchs nach § 2 SGB V auswirken, wenn etwa die Wirksamkeit bestimmter Leistungen, insbesondere bestimmter Medikamente, nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse geschlechtsspezifischen Unterschieden unterliegt.

Das SG Koblenz hat entschieden, dass § 2b SGB V nicht das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf der Grundlage des § 27 SGB V entwickelte Leistungsspektrum bei Transsexualität erweitert (streitig: Kostenübernahme für eine gesichtsfeminisierende Operation); SG Koblenz v. 08.04.2021 – S 1 KR 1781/19.

Praxis-Tipp:

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hält zahlreiche nützliche Informationen zu einzelnen Krankheitsbildern zur Verfügung. Nähere Informationen auf der Homepage unter www.bzga.de.

Interessenvertretung der Patienten

§ 140f SGB V sieht die Beteiligung von Interessenvertretungen der Patienten bei Fragen vor, die die gesundheitliche Versorgung betreffen. Das gilt auch für Organisationen der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen. Im Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 SGB V erhalten die genannten Organisationen auf Bundesebene ein Mitberatungsrecht. Auch in den Zulassungs- und Berufungsausschüssen (zuständig für die Zulassung von Vertragsärzten) haben sie ein Mitberatungsrecht.

In der Verordnung zur Beteiligung von Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung (Patientenbeteiligungsverordnung) sind die in den Ausschüssen zugelassenen Organisationen benannt:

Deutscher Behindertenrat (www.deutscher-behindertenrat.de)

Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen (www.bagp.de)

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. (www.dag-shg.de)

Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (www.vzbv.de)

Die Beteiligung an der Pflege wurde analog durch eine Pflegebedürftigenbeteiligungsverordnung umgesetzt. Dazu sind sechs Verbände benannt worden:

Sozialverband VdK Deutschland (www.vdk.de)

Sozialverband Deutschland (www.sovd.de)

Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (www.bag-selbsthilfe.de)

Interessenvertretung Selbstbestimmtes Leben in Deutschland e. V. (www.isl-ev.de)

Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen

(www.bagso.de)

Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (www.vzbv.de)

Diese Organisationen unterrichten ihre Mitglieder und die Bürger über deren Rechte im Sozialbereich.

Lebensbedrohliche Krankheit

Nach § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt allgemein für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dazu Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu beschließen. Solche Methoden dürfen in der vertragsärztlichen Praxis zulasten der gesetzlichen Krankenkasse nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss entsprechende Empfehlungen gegeben hat (§ 135 Abs. 1 SGB V).

Abweichend von diesen Grundsätzen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem sog. „Nikolaus-Beschluss“ vom 06.12.2005 entscheidende Ausnahmen hervorgehoben.

Der sog. „Nikolaus-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dass es zwar rechtlich zulässig sei, bestimmte Behandlungsmethoden nicht zur ärztlichen Behandlung zuzulassen, dass es hier aber Ausnahmen geben müsse. Sonst sei der Ausschluss mit den Grundrechten nicht vereinbar.

Angesprochen werden hier gesetzlich Krankenversicherte, für deren lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Diese Personen dürfen nicht von der Leistung einer von ihnen gewählten ärztlichen Behandlungsmethode ausgeschlossen werden.

Wichtig:

Voraussetzung ist allerdings, dass eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat mit den Richtlinien „Methoden Krankenhausbehandlung“ und „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ sowie der Verfahrensordnung eine entsprechende Klarstellung vorgenommen.

So wurde in § 2 Abs. 2 der Richtlinie „Methoden vertragsärztlicher Versorgung“ hervorgehoben, dass Methoden, die eigentlich nach Anlage II dieser Richtlinie ausgeschlossen sind, in diesen Ausnahmefällen angewandt werden dürfen.

Vorgeschrieben ist dann, dass der Arzt die Entscheidung zu einer Methode zu dokumentieren hat. Das gilt auch für die entsprechende Patientenaufklärung, einschließlich der Information, dass es sich um eine nach § 135 SGB V ausgeschlossene Methode handelt. Zu dokumentieren ist auch das Einverständnis des Patienten.

Zwischenzeitlich hat auch der Gesetzgeber reagiert und die Grundsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Geltung seit 01.01.2012 in § 2 Abs. 1a SGB V übernommen.

Über die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses hinaus wurde in § 2 Abs. 1a SGB V klargestellt, dass der im Nikolaus-Beschluss entwickelte Anspruch im gesamten Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung gilt. Damit wurden keine neuen Leistungen eingeführt.

Vielmehr wurden bereits geltende Anspruchsvoraussetzungen gemäß grundrechtskonformer Auslegung des Leistungsrechts im Gesetz übernommen.

Voraussetzungen für Leistungen bei lebensbedrohlicher oder tödlicher Erkrankung

Es muss eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung oder zumindest eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung in einer notstandsähnlichen Situation vorliegen.

Das kann der Fall sein, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls der tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums wahrscheinlich eintreten wird. Das gilt auch bezüglich des nicht kompensierbaren Verlusts eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion.

Für die Krankheit steht keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung oder kann im konkreten Fall nicht angewendet werden.

Sofern es sich bei der beanspruchten Leistung um ein Arzneimittel handelt, muss ausgeschlossen sein, dass der Patient in eine klinische Prüfung oder in ein Härtefallprogramm („Compassionate use“-Programm) zu diesem Arzneimittel aufgenommen werden kann.

Es muss eine – auf Indizien gestützte – nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehen.

Die Anforderungen an derartige ernsthafte Hinweise sind im Lichte des Nikolaus-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts umso geringer, je schwerwiegender die Erkrankung und je hoffnungsloser die Situation des Betroffenen im konkreten Fall ist.

Liegen diese Voraussetzungen vor, erteilt die Krankenkasse vor Behandlungsbeginn eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen (§ 2 Abs. 1a Satz 2 i. V. m. Satz 1 SGB V). Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung festgestellt.

Einem Anspruch aus Abs. 1a geht die Prüfung voraus, ob im konkreten Einzelfall aus Gründen des „Systemversagens“ die Kasse die Kosten für eine vom G-BA bislang nicht anerkannte Behandlung schon deshalb zu übernehmen hat, weil sich das Verfahren aus sachfremden Gründen verzögert hat, z. B. weil es an einem Antrag fehlte oder die Auswertung der Studienlage zu viel Zeit in Anspruch nahm.

Abzugrenzen ist der Leistungsanspruch gem. Abs. 1a auch vom Anspruch auf Versorgung mit einem Arzneimittel jenseits der Indikation, für die es zugelassen ist (sog. „Off-Label-Use“). Dazu enthält § 35a Abs. 2 SGB V eine gesonderte Anspruchsgrundlage. Im Einzelfall kann sich der Anspruch gem. Abs. 1a auch daraus rechtfertigen, dass es um die Behandlung einer sehr seltenen Krankheit geht. Voraussetzung dafür ist die Feststellung, dass die Zahl der Erkrankten so gering ist, dass wissenschaftliche Prüfungen nicht möglich sind. § 35a Abs. 3b SGB V ermächtigt den G-BA zu einer anwendungsbegleitenden Datenerhebung.

„Lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich“ beschreibt eine extreme Situation. Gemeint ist eine notstandsähnliche Lage mit einer sehr begrenzten Lebensdauer, z. B. bei palliativmedikamentöser Behandlung eine statistisch verbleibende Lebenserwartung von neun bis 15 Monaten. Wertungsmäßig damit vergleichbar ist der wahrscheinlich drohende Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen körperlichen Funktion innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraums.

Eine lebensbedrohliche Erkrankung wurde beispielsweise in folgenden Gerichtsentscheidungen bejaht:

BSG v. 04.04.2006 – B 1 KR 7/05 R – Dickdarm-Ca im Stadium III

BSG v. 26.09.2006 – B 1 KR 1/06 R – schwere pulmonale Hypertonie

BSG v. 02.09.2014 – B 1 KR 4/13 R – drohende Erblindung

LSG Niedersachsen-Bremen v. 18.12.2014 – L 1 KR 21/13 – CUP-Syndrom – Krebserkrankung bei unbekanntem Primärtumor

LSG Bayern v. 24.02.2015 – L 5 KR 343/13 – rezidivierendes Glioblastom

LSG Saarland v. 21.10.2015 – L 2 KR 189/14 – fortgeschrittenes Prostata-Ca

BSG v. 08.10.2019 – B 1 KR 3/19 R – Leukämie

LSG Baden-Württemberg v. 05.11.2019 – L 11 KR 3947/18 – drohende Erblindung aufgrund Makulaödem

LSG Nordrhein-Westfalen v. 27.02.2020 – L 5 KR 1/20 B ER – spinale Muskelatrophie beim Kleinkind

Eine lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V wurde von den Gerichten in folgenden Fällen verneint:

BSG v. 16.12.2008 – B 1 KN 3/07 KR R – Adrenomyeloneuropathie (AMN); spastische Querschnittslähmung mit Lähmungserscheinungen in den Beinen sowie Blasenfunktionsstörungen

BSG v. 04.04.2006 – B 1 KR 12/05 R – Prostata-Ca im Anfangsstadium ohne Hinweis auf Metastasen

BSG v. 04.04.2006 – B 1 KR 12/04 R – Muskelleiden (Myopathie) wegen MAD-Mangel

BSG v. 26.09.2006 – B 1 KR 14/06 R – Restless-Legs-Syndrom

BSG v. 27.03.2007 – B 1 KR 30/06 R – chronisches Schmerzsyndrom bei Querschnittslähmung

BSG v. 27.03.2007 – B 1 KR 17/06 R – MS in sekundär progredienter Verlaufsform: die durchschnittliche Überlebenswahrscheinlichkeit von MS-Patienten sei nach Krankheitsbeginn im Vergleich zur Normalbevölkerung um etwa zehn Jahre reduziert, sodass diese Erkrankung nach Auffassung des BSG von ihrem akuten Behandlungsbedarf nicht der Erkrankung Duchenne Muskeldystrophie in der Entscheidung des BVerfG v. 06.12.2005 gleichstehe (zustimmend BVerfG v. 30.06.2008 – 1 BvR 1665/07 – NJW 2008, 3556)

BSG v. 13.12.2016 – B 1 KR 1/16 R – Urtikaria-Vaskulitis mit Zungenschwielungen

BSG v. 20.03.2018 – B 1 KR 4/17 R – wiederholt auftretende Pneumonien

BSG v. 24.04.2018 – B 1 KR 10/17 R106 – Lipödem

Standardmethoden verdrängen den Anspruch auf weniger erprobte Innovationen gem. § 2 Abs. 1 SGB V. „Allgemein anerkannte“ Methoden versprechen einen Erfolg anhand nachprüfbarer Aussagen, und zwar in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen.

Gemeint sind therapeutische Angebote, die den Anforderungen an Qualität und Wirksamkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB V und dem Facharztstandard gem. § 630a BGB entsprechen. Ausgangspunkt für diese Prüfung ist die im Einzelfall zu ermittelnde Indikation und der sich daraus ergebende Behandlungsbedarf. Die Indikation kann auch die Diagnostik betreffen.

Die weitere Voraussetzung der „nicht ganz entfernt liegende[n] Aussicht auf Heilung“ erfordert eine Wirksamkeitsprüfung am Maßstab der vernünftigen ärztlichen Praxis. Als „Beweismittel“ akzeptiert das BSG „Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte und ähnliche, nicht durch Studien belegte Meinungen anerkannter Experten sowie Berichte von Expertenkomitees“. Erforderlich ist, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung der Heilungsfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann.

Auf Antrag erteilt die Kasse gem. § 2 Abs. 1a Satz 2 SGB V einen Bescheid, mit dem die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung festgestellt wird. Der Antrag kann auch fernmündlich oder per E-Mail gestellt werden. Der Kasse muss die Möglichkeit eröffnet werden, die Anspruchsvoraussetzungen ggf. mithilfe der Expertise des Medizinischen Dienstes (MD) (§ 275 SGB V) zu überprüfen. Das Gutachten des MD ist bei der Beurteilung durch das Gericht mit zu berücksichtigen – ggf. als sachkundiger Vortrag der Kasse. Dem Antrag beizufügen ist eine ärztliche Verordnung; Heilpraktiker kommen als Leistungserbringer nicht in Betracht.

Medizinischer Dienst

Der Medizinische Dienst und die gesetzlichen Krankenkassen wurden in der Vergangenheit stets als Einheit gesehen, schon deshalb, weil das Gesetz vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) gesprochen hatte. Nach bisherigem Recht bestand in jedem Bundesland ein MDK (§ 278 SGB V), nämlich als Arbeitsgemeinschaft, die eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts war. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft waren die Landesverbände der Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen, die Landwirtschaftliche Krankenkasse, die Ersatzkassen und die Bahn-Betriebskrankenkasse. Auf Bundesebene bestand der MDK Bund der Krankenkassen. Nach § 282 SGB V bildete der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) den MDK Bund (Medizinischer Dienst des Spitzenverbands Bund der Krankenkassen).

Das MDK-Reformgesetz vom 14.12.2019 (BGBl. I S. 2789) enthält nun unter anderem Änderungen des SGB V und des SGB XI, die zum 01.01.2020 in Kraft getreten sind. Durch die Reform wurde der MDK in „Medizinischer Dienst“ (MD) umbenannt.

Bisher war die Organisation des MDK in §§ 278 bis 283 SGB V geregelt, nach dem MDK-Reformgesetz treten an diese Stelle nun §§ 278 bis 283a SGB V.

Die MD sind auch jetzt noch die sozialmedizinischen Beratungs- und Begutachtungsdienste der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen. Sie wirken mit über 9.000 Beschäftigten daran mit, dass die Leistungen der Kranken- und Pflegekassen nach objektiven medizinischen Kriterien allen Versicherten zu gleichen Bedingungen zugutekommen. Zugleich führen sie die Begutachtung und Feststellung möglicher Abrechnungsfehler sowie Qualitätskontrollen durch. Die MD leisten hierdurch einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung einer bedarfsgerechten und qualitativ hochwertigen Versorgung.

Allerdings wird seit einigen Jahren immer wieder kritisch hinterfragt, inwieweit die MD unabhängig von den Kranken- und Pflegekassen sind.

Nach § 278 Abs. 1 SGB V wird in jedem Bundesland ein MD als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingerichtet. Die bisherige Eigenschaft als Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen entfällt. Die MD waren auch Dienstherren, da sie vom früheren Vertrauensärztlichen Dienst Beamte übernommen hatten. Diese Dienstherreneigenschaft besteht so lange fort, wie dies für die Erledigung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Danach endet die Dienstherreneigenschaft des MD, da eine künftige Beschäftigung von Beamten im MD nicht vorgesehen ist.

Von dem Grundsatz, dass in jedem Land ein MD bestehen soll, kann abgewichen werden. So kann in Ländern, in denen am 01.01.2020 mehrere MD bestanden (vgl. § 278 Abs. 3 SGB V a. F.), diese Aufteilung unverändert beibehalten werden. Das betrifft das Bundesland Nordrhein-Westfalen. Zur Klarstellung sieht der neue § 278 Abs. 1 SGB V vor, dass auch in Ländern, die bereits einen gemeinsamen MD errichtet hatten, diese Gliederung beibehalten werden kann. Das betrifft zurzeit Hamburg, Schleswig-Holstein, Berlin und Brandenburg. Die Möglichkeit weiterer Zusammenschlüsse nach dem 31.12.2019 wurde aufrechterhalten.

Nach § 278 Abs. 2 SGB V werden die Fachaufgaben des MD von Ärzten, Pflegekräften sowie Angehörigen anderer geeigneter Berufe im Gesundheitswesen wahrgenommen. Der MD stellt sicher, dass bei der Beteiligung unterschiedlicher Berufsgruppen die Gesamtverantwortung bei der Begutachtung medizinischer Sachverhalte bei ärztlichen Gutachtern und bei ausschließlich pflegefachlichen Sachverhalten bei Pflegekräften liegt. § 18 Abs. 7 SGB XI bleibt unberührt. Nach dieser Vorschrift der Pflegeversicherung werden die Aufgaben des MD durch Ärzte in enger Zusammenarbeit mit Pflegekräften und anderen geeigneten Fachkräften wahrgenommen.

Wichtig:

Die Prüfung der Pflegebedürftigkeit von Kindern ist in der Regel durch besonders geschulte Gutachter mit einer Qualifikation als Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder als Kinderarzt vorzunehmen. Der MD ist befugt, den Pflegefachkräften oder sonstigen geeigneten Fachkräften, die nicht dem MD angehören, die für deren jeweilige Beteiligung erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.

§ 278 Abs. 3 SGB V enthält einen vollständig neuen Sachverhalt. Hier wird nämlich bestimmt, dass bei jedem MD eine unabhängige Ombudsperson bestellt wird. An diese können sich sowohl Beschäftigte des MD bei Beobachtung von Unregelmäßigkeiten, insbesondere Beeinflussungsversuchen durch Dritte, als auch Versicherte bei Beschwerden über die Tätigkeit des MD vertraulich wenden.

Mit der Aufgabe einer Ombudsperson können z. B. Rechtsanwälte betraut werden, die einer beruflichen Geheimhaltungspflicht unterliegen. Es ist bei Bedarf auch zulässig, dass mehrere MD dieselbe Person als Ombudsperson benennen.

Medizinischer Dienst Bund (MD Bund)

Der MD Bund wurde als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet und tritt als solche an die Stelle des MD des Spitzenverbands der Krankenkassen (§ 281 SGB V). Dieser war als eingetragener Verein mit dem GKV-Spitzenverband als einzig stimmberechtigtes Mitglied organisiert. Durch die Aufstellung des MD Bund als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts wird dieser organisatorisch vollständig vom GKV-Spitzenverband gelöst.

Die Aufgaben des MD Bund regelt § 283 SGB V. Danach koordiniert und fördert der MD Bund die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der MD in medizinischen und organisatorischen Fragen. Er trägt Sorge für eine einheitliche Aufgabenwahrnehmung. Außerdem berät er den Spitzenverband Bund der Krankenkassen in allen diesem zugewiesenen medizinischen Fragen. Diese Regelungen entsprechen dem bisherigen Recht.

§ 283 Abs. 2 SGB V bestimmt über die neue Kompetenz des MD Bund zum Erlass von Richtlinien, welche nach bisheriger Fassung dem GKV-Spitzenverband vorbehalten war. Nach der in der Gesetzesbegründung vertretenen Auffassung bedeutet dies einen weiteren wichtigen Schritt bezüglich einer unabhängigen Selbstverwaltung der Gemeinschaft der MD.

Aufgaben des MD

Die wesentlichen Aufgaben des MD bestehen in Begutachtung und Beratung. Einzelheiten ergeben sich aus § 275 SGB V. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist verpflichtet, eine gutachterliche Stellungnahme des MD einzuholen.

Beispiel:

Die Mitarbeiter der Krankenkassen müssen entscheiden, ob die Voraussetzungen zur Leistungsbewilligung gegeben sind. Insbesondere in schwierigen Fällen – wie etwa unter dem Stichwort „Lebensbedrohliche Krankheit“ beschrieben (vgl. Seite 22, Nikolaus-Beschluss) – sind sie als Nichtmediziner oft überfordert. Hier springt der MD mit seiner Fachkompetenz ein. Im Zusammenhang mit dem Nikolaus-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat der MD Bund eine Begutachtungsanleitung entwickelt. Hier werden die einzelnen Schritte beschrieben, die vom Arzt des MD zu beachten sind. Als Ergebnis seiner Begutachtung empfiehlt der MD die betroffene Maßnahme oder er teilt der Krankenkasse mit, dass sie sozialmedizinisch nicht zu empfehlen sei. Die Krankenkasse hat aufgrund der Begutachtung und deren Ergebnisse zu prüfen, ob die Leistung zu gewähren ist oder nicht. Im Regelfall wird sie der Empfehlung des MD folgen.

Die Verpflichtung zur gutachterlichen Stellungnahme bei Erbringung von Leistungen besteht insbesondere hinsichtlich der Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung. Diese Voraussetzung kann bei allen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zutreffen, auch bei Heil- oder Hilfsmitteln.

Ein Hauptfall, in dem der MD tätig wird, ist die Erstellung eines Gutachtens im Fall der Arbeitsunfähigkeit, mit dem der Behandlungserfolg, insbesondere durch Einleitung von Maßnahmen für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, sichergestellt werden soll. Auch zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit kann eine Stellungnahme vom MD eingeholt werden. Siehe nähere Ausführungen dazu auf S. 34.

Eine gutachterliche Stellungnahme kann auch zur Einleitung von Rehabilitationsleistungen (Notwendigkeit, Art, Umfang, Dauer von Rehabilitationsmaßnahmen) sowie zur Koordinierung dieser Teilhabeleistungen und einer diesbezüglichen Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger angefordert werden (siehe §§ 19 bis 29 SGB IX). Die Stellungnahme wird im Benehmen mit dem behandelnden Arzt eingeholt.

Nach § 275 Abs. 2 SGB V können auch stichprobenartig Stellungnahmen eingeholt werden. Das betrifft Leistungen zur Vorsorge und medizinischen Rehabilitation nach §§ 23, 24, 40 und 41 SGB V, aber auch Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen im Rahmen von Mutter-Kind- oder Vater-Kind-Maßnahmen. Geprüft wird hier die Notwendigkeit der Leistungen unter Zugrundelegung eines ärztlichen Behandlungsplans vor Bewilligung und regelmäßig bei beantragter Verlängerung.

Auslandsbehandlung

Die Krankenkassen haben eine Prüfung durch den MD auch dann vornehmen zu lassen, wenn es um die Kostenübernahme einer Behandlung im Ausland geht. Dabei ist zu prüfen, ob die Behandlung nur im Ausland möglich ist. Hier ist § 18 SGB V zu beachten. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen. Der Anspruch auf Krankengeld ruht in diesem Fall nicht. Im Übrigen kann die Krankenkasse auch weitere Kosten für den Versicherten und für eine erforderliche Begleitperson ganz oder teilweise übernehmen.

Häusliche Krankenpflege – Zahnersatz

Der MD prüft zudem, ob und für welchen Zeitraum häusliche Krankenpflege länger als für den Grundanspruch von vier Wochen erforderlich ist.

Nach § 37 Abs. 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in besonderen Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen, neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte. Voraussetzung ist, dass Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder ein stationärer Aufenthalt durch häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird.

Die häusliche Krankenpflege umfasst die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall.

Allerdings kann in begründeten Ausnahmefällen die Krankenkasse einen längeren Zeitraum bewilligen. Voraussetzung ist, dass der MD festgestellt hat, dass dies aus den oben genannten Gründen erforderlich ist.

Seit 01.01.2016 erhalten Versicherte nach § 37 Abs. 1a SGB V an geeigneten Orten im vorstehenden Sinne wegen schwerer Krankheit oder akuter Verschlimmerung einer Krankheit die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung.

Insbesondere erfolgt das nach:

einem Krankenhausaufenthalt

einer ambulanten Operation

einer ambulanten Krankenhausbehandlung

Der Anspruch besteht in diesen Fällen bis zu vier Wochen je Krankheitsfall und soweit keine Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung vorliegt.

In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der MD festgestellt hat, dass dies aus den angesprochenen Gründen erforderlich ist.

Darüber hinaus umfasst die häusliche Krankenpflege auch die ambulante Palliativversorgung (§ 37 Abs. 2 SGB V; vgl. S. 117).

Des Weiteren überprüft der MD, ob eine Versorgung mit Zahnersatz aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist (§ 27 Abs. 1 SGB V).

Stationäre Behandlung

Wird eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (bei Leistungserbringung) bei Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V durchgeführt, hat diese zeitnah zu erfolgen. Sie ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse anzuzeigen.

Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale i. H. v. 300 Euro zu entrichten.

Strukturprüfung durch den MD bei den Krankenhäusern

Krankenhäuser haben die Einhaltung von Strukturmerkmalen aufgrund des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels nach § 301 Abs. 2 SGB V durch den MD begutachten zu lassen, bevor sie entsprechende Leistungen abrechnen. Krankenhäuser haben die für die Begutachtung erforderlichen personen- und einrichtungsbezogenen Daten an den MD zu übermitteln.

Die Krankenhäuser erhalten vom MD in schriftlicher oder elektronischer Form das Gutachten und bei Einhaltung der Strukturmerkmale eine Bescheinigung über das Ergebnis der Prüfung, die auch Angaben darüber enthält, für welchen Zeitraum die Einhaltung der jeweiligen Strukturmerkmale als erfüllt angesehen wird.

Krankenhäuser, die die strukturellen Voraussetzungen nach § 301 Abs. 1 SGB V nicht erfüllen, dürfen die Leistungen ab dem Jahr 2022 nicht vereinbaren und nicht abrechnen. Soweit Krankenhäusern die Bescheinigung über die Einhaltung der Strukturmerkmale nach § 301 Abs. 2 SGB V aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem 31.12.2021 vorliegt, können diese Krankenhäuser bis zum Abschluss einer Strukturprüfung bislang erbrachte Leistungen weiterhin vereinbaren und abrechnen.

Aufgaben bei Arbeitsunfähigkeit

Bei Arbeitsunfähigkeit sind die Krankenkassen verpflichtet,

zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen der Leistungsträger für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, oder

zur Beseitigung von Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit eine gutachterliche Stellungnahme des MD einzuholen (§ 275 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit werden insbesondere in Fällen angenommen, in denen Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind. Das Gleiche gilt, wenn der Beginn der Arbeitsunfähigkeit oft auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wurde, der aufgrund zahlreicher von ihm ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auffällig geworden ist (§ 275 Abs. 1a SGB V).

Die Prüfung muss unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Dabei kann auch der Arbeitgeber verlangen, dass die Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des MD zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einholt. Die Krankenkasse kann von einer Beauftragung des MD absehen, wenn sich die medizinischen Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit eindeutig aus den der Krankenkasse vorliegenden ärztlichen Unterlagen ergeben.

Die Krankenkassen dürfen für den Zweck der Feststellung, ob bei Arbeitsunfähigkeit eine gutachtliche Stellungnahme des MD einzuholen ist, im jeweils erforderlichen Umfang grundsätzlich nur die bereits nach § 284 Abs. 1 SGB V rechtmäßig erhobenen und gespeicherten versichertenbezogenen Daten verarbeiten. Sollte die Verarbeitung bereits bei den Krankenkassen vorhandener Daten für den Zweck nicht ausreichen, dürfen die Krankenkassen nur folgende versichertenbezogene Angaben im jeweils erforderlichen Umfang erheben und verarbeiten:

Angaben dazu, ob eine Wiederaufnahme der Arbeit absehbar ist und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt eine Wiederaufnahme der Arbeit voraussichtlich erfolgt

Angaben zu konkret bevorstehenden diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die einer Wiederaufnahme der Arbeit entgegenstehen

Die Krankenkassen dürfen die Angaben bei den Versicherten grundsätzlich nur schriftlich oder elektronisch erheben. Außerdem ist eine telefonische Erhebung zulässig, wenn die Versicherten in die telefonische Erhebung zuvor schriftlich oder elektronisch eingewilligt haben. Die Krankenkassen haben jede telefonische Erhebung beim Versicherten zu protokollieren; die Versicherten sind hierauf sowie insbesondere auf das Auskunftsrecht nach Artikel 15 der Verordnung (EU) 2016/679 hinzuweisen. Versichertenanfragen der Krankenkassen im Rahmen der Durchführung der individuellen Beratung und Hilfestellung nach § 44 Abs. 4 SGB V bleiben unberührt. Die Krankenkassen dürfen im Rahmen einer Anfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Leistungserbringer weitere Angaben erheben und verarbeiten. Den Umfang der Datenerhebung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V unter der Voraussetzung, dass diese Angaben erforderlich sind

zur Konkretisierung der auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufgeführten Diagnosen,

zur Kenntnis von weiteren diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die in Bezug auf die die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Diagnosen vorgesehen sind,

zur Ermittlung von Art und Umfang der zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit ausgeübten Beschäftigung oder

bei Leistungsempfängern nach dem SGB III zur Feststellung des zeitlichen Umfangs, für den diese Versicherten zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen.

Die erhobenen und verarbeiteten versichertenbezogenen Daten dürfen von den Krankenkassen nicht mit anderen Daten zu einem anderen Zweck zusammengeführt werden und sind zu löschen, sobald sie nicht mehr für die Entscheidung, ob bei Arbeitsunfähigkeit eine gutachtliche Stellungnahme des MD einzuholen ist, benötigt werden.

Die Krankenkasse hat, solange ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht, dem Arbeitgeber und dem Versicherten das Ergebnis des Gutachtens über die Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, sofern die Bescheinigung des Vertragsarztes davon abweicht (§ 277 Abs. 2 SGB V). Die Mitteilung darf keine Angaben über die Krankheit des Versicherten enthalten.

Sonstige Prüfungen im Krankenversicherungsbereich

Im Rahmen ihres pflichtmäßigen Ermessens können außerdem Krankenkassen prüfen, ob sie in einem der in § 275 Abs. 3 SGB V aufgeführten Fälle eine Prüfung durch den MD durchführen lassen wollen:

vor Bewilligung eines Hilfsmittels, ob das Hilfsmittel erforderlich ist (§ 33 SGB V) – der MD hat hierbei den Versicherten zu beraten; er hat mit den Orthopädischen Versorgungsstellen zusammenzuarbeiten

bei Dialysebehandlung, welche Form der ambulanten Dialysebehandlung unter Berücksichtigung des Einzelfalls notwendig und wirtschaftlich ist

die Evaluation durchgeführter Hilfsmittelversorgungen

ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist (§ 66 SGB V – vgl. Kapitel 2, Stichwort: „Behandlungsfehler und Konsequenzen“, S. 67)

Wirkung der Untersuchung durch einen Arzt des MD

Die Gutachter des MD sind bei der Wahrnehmung ihrer fachlichen Aufgaben nur ihrem Gewissen unterworfen (§ 275 Abs. 5 SGB V). Sie sind nicht berechtigt, in die ärztliche Behandlung einzugreifen.

Der MD ist befugt, den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und den sonstigen Leistungserbringern, über deren Leistungen er eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat, die erforderlichen Angaben über den Befund mitzuteilen.

Mitteilungspflichten des MD

Mit Gesetz vom 11.07.2021 wurde eingeführt, dass der Medizinische Dienst der Krankenkasse das Ergebnis der Begutachtung und die wesentlichen Gründe für dieses Ergebnis mitzuteilen hat.

Der MD ist befugt und in dem Fall, dass das Ergebnis seiner Begutachtung von der Verordnung, der Einordnung der erbrachten Leistung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Abrechnung der Leistung mit der Krankenkasse durch den Leistungserbringer abweicht, verpflichtet, diesem Leistungserbringer das Ergebnis seiner Begutachtung mitzuteilen; dies gilt bei Prüfungen von Behandlungsfehlern nur, wenn die betroffenen Versicherten in die Übermittlung an den Leistungserbringer eingewilligt haben.

Fordern Leistungserbringer nach der Mitteilung mit Einwilligung der Versicherten die wesentlichen Gründe für das Ergebnis der Begutachtung durch den MD an, ist dieser zur Übermittlung dieser Gründe verpflichtet. Der MD hat den Versicherten die sie betreffenden Gutachten im Rahmen der Beurteilung von Behandlungsfehlern schriftlich oder elektronisch vollständig zu übermitteln.

Die Krankenkasse hat, solange ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts besteht, dem Arbeitgeber und dem Versicherten das Ergebnis des Gutachtens des MD über die Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, wenn das Gutachten mit der Bescheinigung des Kassenarztes im Ergebnis nicht übereinstimmt. Die Mitteilung darf keine Angaben über die Krankheit des Versicherten enthalten.

Praxis-Tipp:

Die Weitergabe des Begutachtungsergebnisses steht unter dem Vorbehalt, dass der Versicherte damit einverstanden ist. Widerspricht der Versicherte, darf der Befund nicht an die Leistungserbringer weitergegeben werden.

Mitwirkungspflichten der Patienten

In den bisherigen Ausführungen ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass die Krankenkassen berechtigt sind, die Versicherten durch den MD begutachten zu lassen. Zwangsläufig ergibt sich daraus, dass Versicherte von Ärzten des MD oder sonstigen Personen untersucht werden.

Fraglich ist aber, ob und inwieweit die Versicherten gesetzlicher Krankenkassen verpflichtet sind, entsprechende Untersuchungen durchführen zu lassen, und was geschieht, wenn sie dies nicht tun.

Hier ist zunächst festzustellen, dass die Versicherten gesetzlicher Krankenkassen bestimmten Mitwirkungspflichten unterliegen. Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 60 bis 67 SGB I.

§ 60 SGB I sieht vor, dass jemand, der Sozial- bzw. Sozialversicherungsleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben hat, die für die Leistung erheblich sind. Auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ist auch der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen.

Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, müssen unverzüglich mitgeteilt werden. Außerdem sind Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers (z. B. Krankenkasse) Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.

In § 61 SGB I ist vorgesehen, dass derjenige, der Sozial- bzw. Sozialversicherungsleistungen beantragt oder erhält, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers zur mündlichen Erörterung des Antrags oder zur Vornahme anderer für die Entscheidung über die Leistungen notwendiger Maßnahmen persönlich zu erscheinen hat.

Die Rechtsgrundlage für die Teilnahme an Untersuchungen durch den MD ist § 62 SGB I. Wer danach Leistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers, also der Krankenkasse, ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind.

Praxis-Tipp:

Wer auf Verlangen eine Untersuchung durchführen lässt, kann auf Antrag Erstattung seiner notwendigen Auslagen (z. B. Fahrtkosten) und seines Verdienstausfalls in angemessenem Umfang erhalten (§ 65a SGB V). Das gilt auch, wenn eine Untersuchung nachträglich als notwendig anerkannt wird.

Grenzen der Mitwirkung

Die Grenzen der Mitwirkung werden in § 65 SGB I behandelt. Die Mitwirkungspflichten entfallen, sofern

a)

ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozial- bzw. Sozialversicherungsleistung steht,

b)

ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder

c)

der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann. Letzteres kann auch im Rahmen der Amts- oder Rechtshilfe geschehen (vgl. dazu § 3 SGB X).

Was in Zusammenhang mit b) als „wichtiger Grund“ anzusehen ist, kann nach allgemeiner Auffassung nur individuell unter sorgfältiger Interessenabwägung beurteilt werden.

In der Person des Leistungsberechtigten liegende wichtige Gründe können z. B. seine Gehunfähigkeit, Erkrankung oder Bettlägerigkeit, die Notwendigkeit überhöhter körperlicher Anstrengung oder besonders schwierige Familienverhältnisse sein, die die Anwesenheit des Berechtigten erfordern. Auch sonstige Umstände seelischer, familiärer und sozialer Art sind zu berücksichtigen.

Nach § 65 Abs. 2 SGB I können Behandlungen und Untersuchungen abgelehnt werden,

bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,

die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder

die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten.

Folgen fehlender Mitwirkung

Die Folgen fehlender Mitwirkung beschreibt § 66 SGB I. Wer nicht alle notwendigen Unterlagen beibringt, zum Erörterungstermin nicht erscheint oder sich nicht untersuchen lässt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, muss damit rechnen, dass der Leistungsträger (Krankenkasse) die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ohne weitere Ermittlungen ganz oder teilweise versagt oder entzieht. Das gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich (also vorsätzlich; Vorsatz ist das Wissen um den schädigenden Erfolg einer Handlung oder eines Unterlassens) die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

Leistungen, die wegen Pflegebedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit, Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder bereits gewährt werden, können nicht ohne weitere Ermittlungen bzw. Wertung entzogen werden. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass wegen des Verstoßes gegen die Mitwirkungspflicht die Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung sowie die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt wird. Diese in § 66 Abs. 2 SGB I niedergelegten Grundsätze sprechen auch die Fälle an, in denen eine Aufforderung zur Untersuchung beim MD zur Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit nicht befolgt wird.

Praxis-Tipp:

Bei der Versagung oder dem Entzug von Sozial- bzw. Sozialversicherungsleistungen ist unbedingt § 66 Abs. 3 SGB I zu beachten. Danach dürfen Leistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachkommt.

Dabei genügt es nicht, wenn der Sozialleistungsträger lediglich unter Wiedergabe des Gesetzestextes darauf hingewiesen hat, dass die Leistung ganz oder teilweise versagt werden könne, wenn die Versicherten ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachkommen. Ein solcher Hinweis erfüllt die Anforderungen des § 66 Abs. 3 SGB I nicht, weil er nicht unmissverständlich und konkret die Entscheidung bezeichnet, die im Einzelfall beabsichtigt ist.

Vielmehr muss der Sozialleistungs- bzw. Sozialversicherungsträger die konkret in Betracht kommende Mitwirkungspflicht darlegen, das heißt erklären, aus welchem Grund gerade ein persönliches Erscheinen oder eine Untersuchungsmaßnahme erforderlich ist. Außerdem muss eindeutig und leicht verständlich, richtig und vollständig darauf hingewiesen werden, mit welchen Rechtsfolgen der Betroffene rechnen muss.

Wenn der Betroffene bereits Gründe vorgebracht hat, weshalb er zum Termin nicht erscheinen kann oder ein Erscheinen nicht für notwendig erachtet, muss der Leistungsträger zumindest darauf hinweisen, dass diese Argumente aus seiner Sicht einer (vorübergehenden) Versagung oder Entziehung der Leistung nicht entgegenstehen.

Ein rückwirkender Leistungsentzug wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten ist im Übrigen nicht möglich.

Wird die Mitwirkung durch den Mitwirkungspflichtigen nachgeholt (Beispiel: Der Versicherte begibt sich nachträglich doch noch zum MD), kann der Leistungsträger Sozialleistungen, die er versagt oder entzogen hat, nachträglich ganz oder teilweise erbringen (§ 67 SGB I). Er hat hier sein pflichtmäßiges Ermessen zu beachten.

Unterstützung bei Behandlungsfehlern

§ 66 SGB V sieht eine Unterstützung der Versicherten bei Behandlungsfehlern vor. Die Krankenkassen sollen demnach die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind, unterstützen.

In diesem Zusammenhang ist § 275 Abs. 3 Nr. 4 SGB V zu erwähnen. Danach können die Krankenkassen den MD mit der Prüfung beauftragen, ob Versicherten bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern ein Schaden entstanden ist.

Die Unterstützungsleistung der Krankenkasse umfasst keine Übernahme der Kosten der Rechtsverfolgung. Vielmehr geht es hier in erster Linie um Beratung und eben um Untersuchungen durch den MD, die dann Ausgangspunkt für ein Schadensersatzverfahren des Versicherten sein können. Jedenfalls gibt eine solche Untersuchung in der Regel wichtige Anhaltspunkte, ob Schadensersatzansprüche durchgesetzt werden können.

Hinsichtlich weiterer Ausführungen zur Unterstützung bei Behandlungsfehlern wird auf das Stichwort „Behandlungsfehler und Konsequenzen“ in Kapitel 2 verwiesen.

Weitergabe von Unterlagen und Daten an den MD

Die Krankenkassen sind verpflichtet, dem MD die für die Beratung und Begutachtung erforderlichen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Dabei dürfen Unterlagen, die der Versicherte über seine Mitwirkungspflichten nach §§ 60, 65 SGB I hinaus seiner Krankenkasse freiwillig selbst überlassen hat, an den MD lediglich dann weitergegeben werden, wenn der Versicherte eingewilligt hat (§ 276 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 67b Abs. 2 SGB X). Wird die Einwilligung beim Betroffenen eingeholt, ist er auf den Zweck der vorgesehenen Verarbeitung oder Nutzung der in den Unterlagen enthaltenen Daten hinzuweisen. Das gilt auch für die Folgen der Verweigerung der Einwilligung.

Die Einwilligung und der Hinweis bedürfen der Schriftform, soweit nicht wegen besonderer Umstände eine andere Form angemessen ist. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden, ist die Einwilligungserklärung im äußeren Erscheinungsbild der Erklärung hervorzuheben.

Im Übrigen darf der MD Sozialdaten nur erheben und speichern, soweit dies für die Prüfungen, Beratungen und gutachterlichen Stellungnahmen nach § 275 SGB V erforderlich ist (§ 276 Abs. 2 SGB V).

Definition: Sozialdaten

Sozialdaten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person, die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle (insbesondere: Sozialleistungsträger) im Hinblick auf ihre Aufgaben nach dem SGB verarbeitet werden (§ 67 Abs. 2 SGB X). Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die den Sozialdaten gleichgestellt sind, sind dagegen alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

Haben die Krankenkassen aufgrund des § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V eine gutachterliche Stellungnahme oder Prüfung durch den MD veranlasst, sind die Leistungserbringer (z. B. Ärzte) verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des MD unmittelbar an diesen zu übermitteln. Diese Verpflichtung gilt in dem Maße, als dies für die gutachterliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich ist.

Die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Sozialdaten dürfen nur für die in § 275 SGB V genannten Zwecke verarbeitet oder genutzt werden. Für andere Zwecke ist dies nur zulässig, soweit es durch Vorschriften des SGB angeordnet oder erlaubt ist. Die Sozialdaten sind nach fünf Jahren zu löschen.

Der MD hat Sozialdaten zur Identifikation des Versicherten getrennt von den medizinischen Sozialdaten des Versicherten zu speichern.

Im Übrigen ist durch technische und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur den Personen zugänglich sind, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen.

Ziehen die Krankenkassen den MD oder einen anderen Gutachterdienst nach § 275 Abs. 4 SGB V zurate, können sie ihm mit Erlaubnis der Aufsichtsbehörde bestimmte Aufträge erteilen. Sie können ihn nämlich beauftragen, Datenbestände leistungserbringer- oder fallbezogen für zeitlich befristete und im Umfang begrenzte Aufträge nach § 275 Abs. 4 SGB V auszuwerten. Die versichertenbezogenen Sozialdaten sind vor der Übermittlung an den MD oder die anderen Gutachterdienste zu anonymisieren.

Beauftragt der MD einen Gutachter, ist die Übermittlung von erforderlichen Daten zwischen MD und dem Gutachter zulässig, soweit dies zur Erfüllung des Auftrags erforderlich ist (§ 276 Abs. 2b SGB V).

Praxis-Tipp:

Sie haben einen Anspruch gegenüber der Krankenkasse und auch dem MD, Auskunft darüber zu erhalten, welche Daten von Ihnen gespeichert sind und welche Informationen von Ihnen weitergegeben worden sind.

Aus Art. 15 der Verordnung (EU) 2016/679 i. V. m. § 83 Abs. 1 SGB X ergibt sich, dass dem Betroffenen auf Antrag über die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, und über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, Auskunft zu erteilen ist. Das Bundessozialgericht hat mit einem Urteil vom 13.11.2012 (Az. B 1 KR 13/12 R) klargestellt, dass sich dieser Auskunftsanspruch auch auf das zum Zwecke der Datenübermittlung verwandte Übermittlungsmedium bezieht (z. B. unverschlüsselte E-Mail).

Sie können die Auskunft beim Datenschutzbeauftragten der Krankenkasse oder beim MD kostenlos anfordern. Die Anschriften und Adressen finden Sie auf den jeweiligen Internetseiten.

Menschenwürdige Behandlung

Nach § 70 Abs. 2 SGB V sind die Krankenkassen und die Leistungserbringer verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken. Diese Vorschrift bindet nun sowohl Krankenkassen als auch die Leistungserbringer und entfaltet für die Versicherten einen Rechtsanspruch auf eine menschenwürdige Behandlung.

Nach § 70 Abs. 1 SGB V wird geregelt, dass die Versorgung der Versicherten ausreichend und zweckmäßig sein muss, das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf und in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden muss. Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz aus § 12 SGB V wird hier also nochmals wiederholt, und zwar auch im Verhältnis zu den Leistungserbringern.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot muss damit bei jeder Entscheidung gegen das Gebot der humanen Krankenbehandlung abgewogen werden. Das gilt insbesondere, wenn der Zustand des Kranken nach ärztlicher Ansicht hoffnungslos ist. Human ist eine Krankenbehandlung in diesen Fällen auch dann, wenn eine Notoperation durchgeführt wird, obwohl ein Versterben absehbar ist. Das Sozialgericht Hannover hat in seinem Urteil vom 28.04.2010 (Az. S 19 KR 961/08) festgestellt, dass der Gedanke der humanen Krankenbehandlung neben dem Wirtschaftlichkeitsgebot steht und bei der Frage der Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung stets zu berücksichtigen ist. Als „verwerflich“ sah es das Gericht an, die Bedürftigkeit der Krankenhausbehandlung einer Patientin unter Hinweis auf den nahenden Tod der Frau abzulehnen.

Eine humane Krankenbehandlung bedeutet zudem, den Bedürfnissen Sterbender gerecht zu werden, etwa durch Palliativ- oder Hospizversorgung.

Manchmal gibt es Klagen darüber, man würde als Versicherter einer gesetzlichen Krankenkasse schlecht behandelt werden, zumindest schlechter als Privatpatienten.

Jedenfalls sollten Sie immer mit dem Anspruch auftreten, menschenwürdig behandelt zu werden – wobei unter Behandlung nicht unbedingt nur die ärztliche Behandlung als solche zu verstehen ist. Vielmehr betrifft dies auch die Art und Weise, wie mit Patienten bzw. Versicherten umgegangen wird.

Praxis-Tipp:

Wenden Sie sich bitte an Ihre Krankenkasse, wenn Sie im konkreten Einzelfall der Meinung sind, von einem Leistungserbringer nicht human behandelt worden sein. Sie können sich auch direkt an die Ärztekammer des Bundeslandes oder an die Kassenärztliche Bundesvereinigung wenden.

Beschwerden gegen die Krankenkasse selbst können auch beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) vorgebracht werden, die Adresse finden Sie unter dem Stichwort „Altersspezifische Besonderheiten“ (vgl. S. 14).

Patientenbeauftragter

§ 140h SGB V regelt, dass die Bundesregierung eine Beauftragte oder einen Beauftragten für die Belange der Patienten zu bestellen hat. Der beauftragten Person ist die für die Erfüllung ihrer Aufgabe notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen. Das Amt endet, außer im Fall der Entlassung, mit dem Zusammentreten eines neuen Bundestags.

Seit dem 12.01.2022 ist Stefan Schwartze Beauftragter der Bundesregierung. Die Adresse seines Büros lautet:

Friedrichstraße 108

10117 Berlin

E-Mail: [email protected]

Tel.: 030/1 84 41 34 24

Fax: 030/1 84 41 44 99

Homepage: www.patientenbeauftragte.de

Der Patientenbeauftragte ist gleichzeitig Bevollmächtigter für Pflege und somit auch für Fragen aus der Pflegeversicherung zuständig.

Die Aufgaben des Patientenbeauftragten werden in § 140h Abs. 2 SGB V bestimmt. Seine Aufgabe ist es, darauf hinzuwirken, dass die Belange von Patienten besonders hinsichtlich ihrer Rechte auf umfassende und abhängige Beratung und objektive Information berücksichtigt werden.

Diese Beratungs- und Informationspflicht besteht für Leistungserbringer, Kostenträger und Behörden im Gesundheitswesen.

Der Patientenbeauftragte ist auch bei Fragen der Sicherstellung der medizinischen Versorgung zu beteiligen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe soll er sich dafür einsetzen, dass unterschiedliche Lebensbedingungen und Bedürfnisse von Frauen und Männern beachtet und in der medizinischen Versorgung sowie in der Forschung geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt werden (vgl. S. 20).

Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben beteiligen die Bundesministerien den Patientenbeauftragten bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben, soweit sie Fragen der Rechte und des Schutzes von Patienten behandeln oder berühren.

Alle Bundesbehörden und sonstigen öffentlichen Stellen im Bereich des Bundes unterstützen den Patientenbeauftragten bei der Erfüllung seiner Aufgabe.

Der Patientenbeauftragte soll die Rechte der Patienten umfassend in allgemein verständlicher Sprache und in geeigneter Form zusammenstellen und zur Information der Bevölkerung bereithalten.

Praxis-Tipp:

Nähere Informationen erhalten Sie auf der Homepage des Patientenbeauftragten und Sie können auch per Mail jederzeit in Kontakt mit ihm treten.

Patientenberatung

Seit mehreren Jahren fördert der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Einrichtungen der unabhängigen Patientenberatung dauerhaft. Rechtsgrundlage ist § 65b SGB V. Gefördert werden Einrichtungen, die Verbraucher in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen informieren und beraten. Die Information und Beratung muss qualitätsgesichert und kostenfrei erfolgen.

Die finanzielle Förderung durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen erfolgt mit dem Ziel, die Patientenorientierung im Gesundheitswesen zu stärken und Problemlagen im Gesundheitssystem aufzuzeigen. Auf den Inhalt oder den Umfang der Beratungstätigkeit darf der Spitzenverband keinen Einfluss nehmen.

Die Förderung einer Einrichtung zur Patienten- und Verbraucherberatung setzt deren Nachweis über ihre Neutralität und Unabhängigkeit voraus.

Die Vorbereitung der Vergabe der Fördermittel und die Entscheidung darüber, wer diese Mittel bekommt, erfolgt durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen im Einvernehmen mit dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung.

Die Fördermittel werden jeweils für eine Laufzeit von sieben Jahren vergeben. Der Patientenbeauftragte und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen werden bei der Vergabe und während der Förderung durch einen Beirat beraten. Dieser tagt unter der Leitung des Bundesbeauftragten mindestens dreimal im Jahr. Ihm gehören Vertreter der Wissenschaften und Patientenorganisationen sowie zwei Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit und ein Vertreter des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an.

Im Fall einer angemessenen Beteiligung der privaten Krankenversicherungen an der Förderung wird dem Beirat auch ein Vertreter der privaten Krankenversicherungen angehören. Im Jahr 2021 betrug die Fördersumme 9,6 Millionen Euro und wird in den Folgejahren entsprechend der prozentualen Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV angepasst.

Die Fördersumme umfasst auch die für die Qualitätssicherung und die Berichterstattung notwendigen Aufwendungen.

Die Fördermittel werden durch eine Umlage der Krankenkassen gemäß dem Anteil ihrer eigenen Mitglieder an der Gesamtzahl der Mitglieder aller Krankenkassen erbracht.

Praxis-Tipp:

Die Patientenberatungsstellen werden aus den Versichertenbeiträgen finanziert, sodass für die Beratungen keine extra Kosten mehr anfallen.

Die unabhängige Patientenberatung wird seit 01.01.2016 von der Sanvartis GmbH durchgeführt:

Tel.: 0800 011 77 22

E-Mail: [email protected]

www.sanvartis.de

Derzeit wird überlegt, die jetzige Form der Patientenberatung ggf. in eine Stiftung zu übertragen, wo die Interessen der Beteiligten neutraler beurteilt werden können.

Patientenunterlagen

Dokumentationspflichten des Behandelnden

Bei jeder medizinischen Maßnahme besteht eine Dokumentationspflicht des Behandelnden (§ 630f BGB), die in einer Patientenakte fortlaufend zu führen ist.

Diese Dokumentation dient einerseits der Therapiesicherung, andererseits der Rechenschaftslegung gegenüber den Patienten und den Kostenträgern, die diese Aufzeichnungen nutzen, um Abrechnungen zu prüfen.

Die Aufzeichnung muss über Folgendes informieren:

Personalien des Patienten

Dauer, Beginn und Ende der Behandlung

Krankengeschichte (Anamnese)

Untersuchungsergebnisse, Messergebnisse, Laborergebnisse, Röntgenbilder und sonstige bildgebende Diagnostik (CT, MRT), Operationsberichte, Narkoseprotokolle

Diagnose und Befunde

Therapiemaßnahmen, verordnete Medikamente inklusive Dosierung

Unerwartete Zwischenfälle (z. B. Wechsel des operierenden Arztes, Abbruch der Behandlung auf Wunsch des Patienten)

Aufklärungsmaßnahmen gegenüber dem Patienten

Einwilligungen des Patienten

Die Aufbewahrungspflicht für die Dokumentation beträgt nach Abschluss der Behandlung zehn Jahre. Im Einzelfall sind längere Aufbewahrungsfristen zu beachten, beispielsweise die Aufbewahrungsvorschriften nach der Röntgenverordnung oder der Strahlenschutzverordnung.

Einsichtsrecht in Patientenakte

Die Patienten haben einen Anspruch darauf, „unverzüglich“ Einsichtnahme in ihre Patientenakte (auch Krankenakte genannt) zu nehmen (§ 630g BGB). Dieser Anspruch gilt, soweit der Einsichtnahme nicht erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Die Gefahr einer gesundheitlichen Schädigung wird häufig in Fällen der Psychiatrie oder der Psychotherapie angenommen. Wird die Einsichtnahme verweigert, muss das begründet werden.

Das Recht zur Einsichtnahme beschränkt sich dabei auf die medizinischen Sachverhalte, das heißt Diagnosen, Befunde, Verordnungen von Medikamenten, Operationsberichte sowie Röntgen- und Ultraschallaufnahmen. Persönliche Eindrücke über den Patienten darf der Arzt unkenntlich machen.

Die Unterlagen dürfen eingesehen, nicht aber im Original gefordert werden. Es besteht allerdings ein Anspruch auf Kopien oder elektronische Versionen. Die Kosten dafür müssen die Patienten tragen. Da Kopien von Röntgenbildern und anderer bildgebender Diagnostik sehr teuer sind, empfiehlt es sich, um eine leihweise Überlassung zu bitten. Sollen Röntgenbilder einem weiterbehandelnden Arzt als Information dienen, schreibt § 28 Abs. 8 Röntgenverordnung vor, dass der derzeit behandelnde Arzt diese im Original einem später untersuchenden oder behandelnden Arzt vorübergehend überlassen kann, wenn dadurch eine weitere Untersuchung mit Röntgenstrahlung vermieden werden kann.

Dritten darf nur ausnahmsweise Zugang zu den Krankenakten gewährt werden, etwa wenn der Patient die Schweigepflicht aufgehoben oder eine Vollmacht zur Einsichtnahme der Akten erteilt hat. Eltern haben immer ein Einsichtsrecht in die Krankenakten ihrer minderjährigen Kinder.

Nach dem Tod des Patienten haben auch die Erben ein Einsichtsrecht, es sei denn, der Einsichtnahme steht der ausdrückliche oder mutmaßliche Wille des Patienten entgegen.

Wichtig:

Ein Recht zur Einsichtnahme besteht in der Regel auch in Unterlagen bei Krankenkassen, Rentenversicherungen und Berufsgenossenschaften sowie in die Pflegedokumentation bei stationärem Heimaufenthalt. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 08.09.2015 (Az. B 1 KR 36/14 R) klargestellt, dass dies auch dann gilt, wenn der Arzt Angestellter der Krankenkasse ist.

Recht der Einsichtnahme in Kostenabrechnung

Da bei gesetzlich Versicherten Arzt bzw. Leistungsträger und Krankenkasse direkt miteinander abrechnen, erfährt der Patient im Regelfall nicht, was die medizinische Leistung gekostet hat.

§ 305 Abs. 2