Im Ministerium der Lügen - Boris Bondarew - E-Book

Im Ministerium der Lügen E-Book

Boris Bondarew

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Beschreibung

Ein noch nie da gewesener Blick hinter die Kulissen der russischen Außenpolitik: Wie arbeitet das russische Außenministerium? Was sind das für Leute und wie denken sie, was veranlasst sie zu handeln? Wie entwickelte sich die russische Außenpolitik bis hin zum Ukrainekrieg, was trieb sie an und welche Mächte waren im Spiel?

Boris Bondarew war einer von sehr wenigen, die aus Protest gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine den russischen Staatsdienst unter Teilnahme der Öffentlichkeit quittierten. Über zwanzig Jahre war er in verschiedenen Funktionen im russischen Außenministerium und im diplomatischen Dienst tätig und erlebte die Obrigkeitshörigkeit, Korruption und Inkompetenz in den russischen Behörden.

Er ist Russe und Demokrat, seit seiner Kündigung lebt er unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Exil, und er will zurück – in ein anderes Russland ohne Putin.

Mit einem klaren Blick auf die Gegenwart und scharfer Kritik an der grausamen russischen Aggressionspolitik liefert er hier auch seinen Beitrag zu dem, was jetzt wichtig wird: die richtigen Überlegungen anzustellen, bereit zu sein, Russland und vor allem die russische Bevölkerung auf dem Weg zurück zu einer demokratischen Ordnung zu unterstützen.

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Ein noch nie da gewesener Blick hinter die Kulissen der russischen Außenpolitik:

Wie arbeitet das russische Außenministerium?

Was sind das für Leute und wie denken sie?

Wie verlief die Entwicklung bis hin zum Ukrainekrieg, was trieb sie an und welche Mächte waren im Spiel?

Boris Bondarew quittierte aus Protest gegen den Angriff auf die Ukraine den russischen Staatsdienst. Über zwanzig Jahre war er in verschiedenen Funktionen im russischen Außenministerium und im diplomatischen Dienst tätig gewesen. Er ist Russe und Demokrat, seit seiner Kündigung lebt er unter strengen Sicherheitsvorkehrungen im Exil, und er will zurück – in ein Russland ohne Putin. Mit einem klaren Blick auf die Gegenwart und scharfer Kritik an der grausamen russischen Aggressionspolitik vermittelt er auch eine klare Vorstellung von dem, was jetzt und in Zukunft im Umgang mit Russland wichtig wird.

Boris Bondarew

Im MinisteriumDer Lügen

Ein russischer Diplomat über Moskaus Machtspiele, seinen Bruch mit dem Putin-Regime und die Zukunft Russlands

Aus dem Russischen von David Drevs

wilhelm Heyne Verlag

München

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 2023

Copyright © 2023 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Kerstin Lücker

Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch Unter der Verwendung eines Motivs von picture alliance / imageBROKER | Michael Runkel

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-31533-7V001

www.heyne.de

Inhalt

Vorbemerkung: Der 24. Februar 2022 und die Folgen

1 Frühe Jahre

Der einarmige Held – Die wilden Neunziger – Eine Illusion zerplatzt

Moskau (1980-2001)

2 Erste Schritte als Diplomat

Nahe und ferne Nachbarn – »Es ist nicht an uns, das Zentrum zu korrigieren!« – Keine außenpolitische Strategie

Phnom Penh (2002–2006)

3 Internationale Organisationen

Kriege und Konflikte – Die fetten Nullerjahre – Medwedew als Hoffnungsträger

Moskau (2006–2009)

4 Diplomatie als Interessenvertretung

Ungenutzte Potenziale – Wahlrecht oder Wahlpflicht? – Inkompetenz und Indifferenz

Ulaanbaatar (2009–2013)

5 Rüstungsfragen und Propaganda

Ausfuhrkontrolle und Trägertechnologien – Der Maidan und die Folgen – Chemische und biologische Waffen

Moskau (2013–2019)

6 Die Vereinten Nationen

Atomwaffen und Drohnen – »Wollen Sie wirklich Krieg?« – Realitätsverlust und Ernüchterung

Genf (2019–2022)

7 Ausblick

Der Dritte Weltkrieg – Wie Putins Aggression bekämpfen? – Opposition im Exil – Eine neue Außenpolitik für Russland

Glossar:

Diplomatische Ränge und Posten in Russland

Vorbemerkung:

Der 24. Februar 2022 und die Folgen

Bomben über Kyjiw

Der 24. Februar 2022 hätte eigentlich ein ganz normaler Arbeitstag werden sollen. Tags zuvor hatte ganz Russland wie jedes Jahr seine Armee, die »Vaterlandsverteidiger« gefeiert. Als ich gegen sieben Uhr morgens aufwachte, griff ich wie gewohnt zuerst zum Mobiltelefon, um mich auf den neuesten Stand zu bringen. Die Newsfeeds hatten nur ein Thema: den Beginn von Putins »militärischer Sonderoperation«. Die russische Armee war in die Ukraine einmarschiert, Russland bombardierte Kyjiw, Charkiw, Mykolajiw, Odessa, Poltawa. Ich sah Fotos von Bombeneinschlägen, Videos von fliegenden Marschflugkörpern, endlose Staus am Stadtrand von Kyjiw. Eine Liedstrophe aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs kam mir in den Sinn: »Am 22. Juni, / Um vier Uhr in der Früh, / Da wurde Kyjiw bombardiert / Und wir wurden informiert: / Jetzt ist der da, der Krieg.« In diesem sowjetischen Gassenhauer geht es um den Angriff Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion im Juni 1941. Damals war es Hitlers Luftwaffe, die »unser« Kyjiw, – unsere Leute, unser Land – bombardierte. Nun bombardierten wir es selbst. Der Aggressor war nicht irgendein fremdes Land, sondern mein eigenes. »Unsere Leute«, das waren jetzt russische Angreifer. An diesem 24. Februar 2022 wurde mir klar: Das russische Regime hatte endgültig seine Maske fallen gelassen – es war wahrhaft faschistisch geworden und knüpfte sein weiteres politisches Überleben an den militärischen Erfolg.

Zu sagen, dass ich schockiert war, wäre eine Untertreibung. Bis zuletzt war ich überzeugt gewesen, dass es keine Invasion geben würde, denn dafür fehlten die objektiven Voraussetzungen. Die Führung des Landes, so meine – offenbar naive – Einschätzung, musste sich doch bewusst sein, dass weder unsere Streitkräfte noch unser militärisch-industrieller Komplex für einen ernsthaften Konflikt mit dem Westen gerüstet waren. Für mich stand fest, dass der Westen einem Krieg Russlands gegen die Ukraine nicht tatenlos zusehen, sondern der Ukraine beistehen würde. Ein Erfolg Putins wäre der Beweis, dass die westlichen Demokratien nicht in der Lage sind, jene zu unterstützen, die ihre Ansichten und Werte teilen, als da sind: die Unverletzlichkeit der Grenzen, die Souveränität der Völker, ihre Freiheit, die eigenen Regierungsvertreter selbst zu wählen und sich nicht von einer äußeren Macht unterwerfen zu lassen.

Auch war mir klar, dass die Ukraine nicht mehr so schwach und gespalten dastand wie noch 2014. Die Streitkräfte des Landes waren keine schlecht ausgebildeten, unerfahrenen, zerlumpten Soldatenbürschchen mehr, sondern verfügten über moderne Waffensysteme. Außerdem wusste ich, dass Russland keine wirklichen Verbündeten hatte, die ihm helfen konnten, die Last des Krieges zu tragen. Die 2002 gegründete Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS), einst der Stolz der russischen Diplomatie, war zwar tatsächlich so etwas wie unsere »Mini-NATO«, aber es stand außer Zweifel, dass sich – von Belarus vielleicht abgesehen – kein einziges ihrer Mitglieder in eine Konfrontation Russlands mit dem gesamten Westen hineinziehen lassen würde.

Vor dem 24. Februar hatte ich den Eindruck gehabt, dass die politischen Entscheidungsträger im Land eine ähnliche Ansicht wie ich vertraten. Die Bündelung von Truppen an der ukrainischen Grenze sowie die darauffolgenden Manöver erschienen mir als Teil eines großen politischen Spiels, das darauf abzielte, der Ukraine und ihren westlichen Partnern Zugeständnisse abzuringen. Der größte Schock – und die größte Enttäuschung – dieses Tages war somit die Erkenntnis, wie wenig die Führung Russlands über die aktuelle Situation informiert war und wie weit sie sich von der Realität entfernt hatte.

Es war klar, dass die Ukrainer den russischen Streitkräften nicht mit Brot und Salz begegnen würden. Niemand würde die Kolonnen russischer Panzer mit Blumen bewerfen – eher schon mit Molotowcocktails. Es war mir ein Rätsel, wie man es – fehlgeleitet von pseudohistorischen Chimären – fertigbringen konnte, die Beziehungen zwischen diesen beiden geschichtlich, sprachlich, kulturell und familiär aufs Engste verbundenen Völkern einfach zunichtezumachen. Erschrocken nahm ich zur Kenntnis, dass wir dabei waren, uns in einen blutigen Krieg zu verwickeln, obwohl wir im eigenen Land vor gigantischen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen standen. Ich wusste: Diesen Krieg zu gewinnen ist völlig aussichtslos. Die Entwicklung unseres Landes wird dadurch um Jahrzehnte zurückgeworfen. Und das alles nur, damit einige Herrschaften vorgerückten Alters noch etwas länger ihre Paläste bewohnen und sich an ihren enormen Reichtümern ergötzen können, während Zehn-, ja vielleicht Hunderttausende ihrer Mitbürger in einem völlig unnötigen Konflikt ihr Leben lassen.

Ich begriff: Das war der Anfang vom Ende. Der Anfang vom Ende jenes Russlands, das wir kannten, jener Weltordnung, an die wir uns gewöhnt hatten, das Ende jeglicher nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine – überhaupt das Ende des bisherigen Lebens. Ich erinnerte mich an Kyjiw, das ich mehrfach besucht hatte: diese malerische, lebenswerte Stadt mit ihren wunderbaren Menschen und dem köstlichen Essen. Mir war unverständlich, wie man die Ukraine bombardieren und im selben Atemzug sagen konnte: »Wir sind ein Volk und wollen mit euch zusammenleben.«

Das Versagen der Diplomatie

Bereits an diesem Morgen des 24. Februar wusste ich, dass ich meine Kündigung einreichen würde. Ich sah mich außerstande, für diesen Staat weiterzuarbeiten. Die russische Regierung hatte schon so manche Verbrechen begangen, über die ich – zu meinem heutigen Bedauern – hinweggesehen hatte, doch mit diesem Krieg war für mich eine rote Linie überschritten und ein Verbleib im Staatsdienst durch nichts mehr zu rechtfertigen.

Da ich noch nicht wirklich glauben konnte, was geschehen war, fehlte mir die letzte Entschlossenheit, noch am selben Tag mein Kündigungsschreiben aufzusetzen. Stattdessen fuhr ich zur Arbeit und betrat dort sofort das Büro meines Chefs. Dieser machte auf mich einen verlorenen Eindruck – und wahrscheinlich wirkte ich genauso auf ihn. Als erfahrener, hochrangiger Diplomat der Ständigen Vertretung Russlands in Genf wusste er vermutlich nur zu gut, dass Putins »militärische Sonderoperation« das Ende der normalen Diplomatie bedeutete, einer Diplomatie, die auf Dialog beruht, auf der Fähigkeit einander zuzuhören, die Meinung des Gegenübers zu berücksichtigen und Kompromissentscheidungen zu treffen. Sicher, auch in den Jahren zuvor hatte die russische Diplomatie – ohne einen großen Krieg zu führen – so gut wie jeden Kompromiss abgelehnt und dabei versucht, ihre Position auf grobe, ja plumpe Art und Weise durchzusetzen. Aber wenigstens war der Dialog nie abgebrochen.

Der Krieg ist das Versagen der Diplomatie. Aber es wäre falsch zu behaupten, der Grund für die »militärische Sonderoperation« liege darin, dass russische, ukrainische und westliche Diplomaten nicht in der Lage gewesen wären, einen Kompromiss zu finden. Im Gegenteil: Dieser Akt war nichts anderes als Russlands bewusste, vorsätzliche Weigerung, den Konflikt mit der Ukraine diplomatisch zu lösen. Putin will offensichtlich keine friedliche Lösung. Ich denke, sein Ziel ist es, sich selbst, den Russen und der ganzen Welt seine Stärke zu beweisen und somit seine Forderung zu unterstreichen, dass man bei der Lösung jeglicher globalen Probleme seine Position zu berücksichtigen hat. Im Grunde geht es ihm bei alledem um eine Revanche für den so schmerzhaft empfundenen Zusammenbruch der Sowjetunion, darum, die bewährten Regeln der internationalen Beziehungen neu zu schreiben. Ein schneller militärischer Sieg über die Ukraine, in Tempo und Ausmaß gleichermaßen niederschmetternd, würde die ganze Welt zwingen, Russland und seinen unabsetzbaren Führer in neuem Licht zu sehen.

Die Reaktionen der Diplomaten

Nachdem ich das Dienstzimmer meines Vorgesetzten verlassen hatte, ohne von ihm eine klare Stellungnahme zum aktuellen Geschehen zu erhalten, betrat ich das Büro, in dem unser Referat für Abrüstungsfragen residierte. Dort besprach unser Team wie jeden Morgen bei einer Tasse Kaffee das politische Geschehen und die eigenen Arbeitspläne. An diesem Tag schmeckte meine Nespresso-Kapsel besonders schal: Mich deprimierten nicht nur die Nachrichten selbst, sondern auch das anhaltende zufriedene Grinsen vieler Kollegen. Die meisten von ihnen kamen aus dem Militär oder den Geheimdiensten und sahen in dem Geschehen nichts anderes als eine Machtdemonstration ihrer geliebten Heimat. Gewaltsame Lösungen waren für sie das beste und effektivste Mittel. Über die schneidigen Berichte der russischen Medien freuten sie sich wie Kinder und diskutierten begeistert, dass »wir es den Amerikanern mal wieder zeigen« würden.

Es ist mir ein Rätsel, wie sich diese gebildeten und informierten Menschen über den Ausbruch des Krieges freuen konnten. Meine Kollegen wussten doch nur zu gut, wozu Atomwaffen in der Lage sind, schließlich diskutierten wir bei den Vereinten Nationen in Genf ständig diese Frage. Und natürlich dachte ich an nichts anderes, als Putin sagte: »Wir werden die Interessen Russlands mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln schützen.«

Wenn jemand, der mit Politik und Staatsdienst nichts am Hut hat, unter dem Einfluss von Hetze und Propaganda zu der Überzeugung gelangt, dass wir nur einem Angriff der Ukraine und der NATO auf uns zuvorgekommen sind, so kann ich das noch irgendwie verstehen. Aber wie lässt sich ein derart naiver Glaube an die »Weisheit« unserer ewigen politischen Führung bei erfahrenen Diplomaten und gestandenen Ministerialbeamten erklären?

Während meine Kollegen bereits von einer Siegesparade unserer Streitkräfte durch Kyjiw schwärmten, verbarg ich weder meine Zweifel, noch meine Besorgnis angesichts einer mehr als wahrscheinlichen Eskalation dieses Krieges. Ich sagte offen, dass Russlands militärisches Potenzial es mit den Vereinigten Staaten – vom gesamten Westen ganz zu schweigen – niemals aufnehmen könne. Die USA könnten, wenn sie wollten, ihre Waffenproduktion innerhalb relativ kurzer Zeit deutlich hochfahren, wohingegen unsere Fähigkeiten in dieser Hinsicht nur sehr begrenzt sind. Nicht zu vergessen die enorme Abhängigkeit der russischen Industrie von Importkomponenten.

»Der Westen wird sich niemals einmischen«, entgegnete ein Kollege im Brustton der Überzeugung. »Die werden sich hüten, wenn sie sehen, wie entschlossen wir sind. Und die Ukrainer werden die Beine in die Hand nehmen, gegen unsere Armee sind sie doch völlig chancenlos. Schon nächste Woche werden uns die Yankees eine neue Regelung und neue Sicherheitsgarantien anbieten. Das läuft alles wie geschmiert.«

Nicht alle Mitarbeiter der Ständigen Vertretung in Genf waren in gleichem Maße überzeugt von einem schnellen Sieg. Vor allem freuten sich natürlich die Militärangehörigen, aber auch – was besonders bitter war – unsere jüngeren, weniger erfahrenen Mitarbeiter. Offenbar waren diese noch nicht in der Lage, Informationen wirklich kritisch zu beurteilen, weshalb sie sich einfach der offiziellen Position anschlossen und der Meinung der dienstälteren Kollegen vertrauten. Schon weniger glücklich kamen mir die eher konformistisch eingestellten Mitarbeiter vor, die nie eine eigene Meinung hatten (oder diese nicht offen vertraten). Und natürlich reagierte nicht nur ich auf die jüngsten Ereignisse schockiert und deprimiert. Viele meiner Kollegen empfanden dasselbe wie ich, ich glaube, sogar Botschafter Gatilow. Als ich ihm kurz nach Kriegsausbruch begegnete, verriet sein Gesicht weder Freude noch Begeisterung. Das Ende seiner Karriere – er stand kurz vor der Pensionierung – hatte er sich sicher anders vorgestellt.

All diese unterschiedlichen Emotionen, von Jubel bis Entsetzen, hatten auf unsere Arbeit nicht die geringste Auswirkung. Selbst wenn man kategorisch anderer Meinung war, hatte man zu schweigen und nach außen hin in die allgemein aggressive Rhetorik einzustimmen. Anders ist es in Russland unmöglich, im diplomatischen Dienst zu arbeiten – heute mehr denn je.

Eine Frage der Berufsehre

Eine Kollegin, die ich als durchaus andersdenkend bezeichnen würde, wiederholte immer wieder den Satz: »Was können wir schon tun?« Aber einfach weiter zur Arbeit zu gehen war schlicht peinlich. Mir war klar: Es genügte nicht, meine Kündigung stillschweigend einzureichen. Ich wollte meine Haltung als Staatsbürger deutlich machen, wollte zeigen, dass nicht alle Diplomaten willenlose Rädchen im System waren, dass man trotzdem versuchen konnte, »etwas zu tun«. Ich wollte vor mir selbst als Mensch dastehen, nicht als gesichtsloser Beamter, dessen Meinung niemanden interessiert, weil ihm eine solche nicht zusteht. Ich schämte mich, dass ich, wenn ich mir in meinen 20 Dienstjahren hin und wieder erlaubte, Skepsis zu äußern, dies immer nur so leise getan hatte, dass es den Zorn der Obrigkeit nicht erregte.

Ich wollte meine Berufsehre wahren. Professionalität bedeutet für mich nicht nur, gute Arbeit abzuliefern, sondern auch meine Selbstachtung nicht zu verlieren, mir bewusst zu sein, dass ich etwas kann, etwas weiß und einen guten Ruf habe. Ein professioneller Diplomat kann nicht erst die Reduzierung von Atomwaffen fordern und dann aufgrund einer – reichlich vage beschriebenen – äußeren Bedrohung deren möglichen Einsatz gutheißen. Da ein systemtreuer Diplomat in Russland heute aber nur das verlautbaren kann, was Moskau billigt, hätte ich meine fachliche Meinung ändern müssen. Ich, der ich stets den Abzug amerikanischer Atomwaffen aus Europa gefordert hatte, hätte behaupten müssen, die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus diene nur dem Schutz unserer Interessen und führe nicht zu einer Eskalation.

Als Diplomat war ich es gewohnt, meine persönliche Meinung so vorsichtig wie möglich zu formulieren. Also postete ich am ersten Tag des Krieges auf meiner Seite in VK (dem russischen Facebook) – nur für meine Freunde sichtbar – ein Porträt des einstigen französischen Polizeiministers Joseph Fouché. Dieser hatte auf Napoleon Bonapartes Befehl, den Herzog von Enghien zu verhaften und zu erschießen, mit dem berühmten Satz geantwortet: »Das ist mehr als ein Verbrechen, das ist ein Fehler!« Dieser Satz beschreibt für mich in überaus treffender Weise das Wesen des Angriffs auf die Ukraine, denn auch dieser ist zweifellos ein Verbrechen: gegen die Ukraine, gegen Russland, gegen den Frieden sowie gegen jegliche Grundsätze internationaler Beziehungen, für die sich die sowjetische und russische Diplomatie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingesetzt hat. Dieser Krieg ist aber auch ein gewaltiger Fehler Putins, der Russland schon jetzt Zehn- oder sogar Hunderttausende Menschenleben gekostet hat, der im Lauf der Zeit nur noch teurer werden und das Land schlussendlich in die völlige Isolation und den Ruin treiben wird.

Putin hat nicht nur die Perspektiven seiner eigenen Herrschaft drastisch reduziert, sondern auch das Ende jenes Russlands eingeläutet, das uns vertraut war und das – trotz immer weiter angezogener Daumenschrauben – Menschen mit anderen Ansichten und Meinungen nach wie vor eine Heimat bot. Am 24. Februar 2022 hat sich Russland für immer verändert.

Wozu dieses Buch?

Die folgenden Aufzeichnungen, in denen ich meinen persönlichen Werdegang sowie Russlands Entwicklung von den 1990er-Jahren bis heute schildere und kommentiere, sollen unmittelbar Einblick in die russische Diplomatie und Außenpolitik geben, aber auch Erkenntnisse über die Mechanik des russischen Staatswesens liefern. Meine Hoffnung ist, dass der eine oder andere mit Hilfe dieses Buches ein wenig besser versteht, wie die Ereignisse der letzten Jahre jene Entwicklung nehmen konnten, die wir heute beobachten.

1 Frühe Jahre

Der einarmige Held – Die wilden Neunziger – Eine Illusion zerplatzt

Moskau (1980-2001)

Der »einarmige Held«

Ich bin am 10. September 1980 in der Moskauer Grauermann-Geburtsklinik am Kalinin-Prospekt (heute: Neuer Arbat) zur Welt gekommen – im Herzen Moskaus.

Die Familien meiner Eltern waren typische Vertreter der sowjetischen Intelligenzija. Von den Vorfahren meiner Mutter weiß ich allerdings deutlich mehr als von denen meines Vaters. Über dessen Herkunft ist mir nur bekannt, dass sein Vater wohl als Chauffeur arbeitete, und dass die Familie aus Dimitrowgrad im Gebiet Uljanowsk stammte. Mein Großvater mütterlicherseits hingegen war meine gesamte Kindheit über »anwesend« (obwohl er noch vor meiner Geburt starb), denn meine Eltern hatten seine Moskauer Wohnung geerbt, in der alles von seiner Persönlichkeit geprägt war. Auch ich selbst habe etwas von ihm, bin ich doch nach ihm benannt worden.

Mein Großvater Boris Alexandrowitsch Wladimirow wurde 1905 in Alexandropol (heute: Gjumri, Armenien) geboren. Sein Vater, Stabshauptmann Alexander Nikolajewitsch Wladimirow, hatte sich 1904 im Russisch-Japanischen Krieg bei der Belagerung von Port Arthur hervorgetan und war dafür mit dem St.-Georgs-Orden 4. Klasse ausgezeichnet worden. Er hatte damals einen Arm verloren; in der Glasvitrine unseres Wohnzimmerschranks hing eine Zeitungsnotiz über ihn mit dem Titel: »Der einarmige Held«. Seinen Dienst quittierte er als Oberst. Offenbar war dieser Erfolg in der zarischen Armee später auch der Grund dafür, dass er 1938 als Volksfeind verhaftet wurde. Lange Zeit war man in der Familie der Ansicht, er sei nach Kasachstan verbannt worden und irgendwo dort in Lagerhaft umgekommen. Aber als in den Neunzigerjahren die Archive geöffnet wurden, stellte sich heraus, dass mein Urgroßvater fast unmittelbar nach seiner Verhaftung wegen konterrevolutionärer Tätigkeit erschossen worden war. Man fragt sich natürlich, inwiefern dieser einarmige Greis, der mein Urgroßvater damals war, der Sowjetmacht damals hätte gefährlich werden können.

Alexander Wladimirows Sohn Boris war ebenfalls Offizier, nun aber natürlich in der Roten Arbeiter- und Bauern-Armee. Besonderen Ehrgeiz oder gar Karriereambitionen scheint mein Großvater nicht an den Tag gelegt zu haben – was möglicherweise auch dazu beitrug, dass er die Dreißigerjahre überlebte.

Darüber, wie er die Verhaftung und den Tod seines Vaters empfunden hat, kann ich nur spekulieren. In seinen Memoiren, die er für die Schublade schrieb und die erst 2005 veröffentlicht wurden, macht er keinen Hehl aus seiner negativen Haltung gegenüber der Politik des Sowjetstaats und den Repressionen, die zwangsläufig eine Schwächung der militärischen Führung bewirkten. Auch über die Sozial- und Außenpolitik der Kommunistischen Partei äußert er sich wenig begeistert, doch musste er seine Skepsis damals natürlich für sich behalten.

Gleichzeitig muss ihm klar gewesen sein, dass er demselben System, das seinen Vater vernichtet hatte, seine Karriere verdankte. Wie übrigens auch sein älterer Bruder Lew Alexandrowitsch, der in Tbilissi lebte und sich als Geograf um die Wissenschaft Georgiens verdient gemacht hat. Wie die beiden Brüder diese Frage für sich beantwortet haben, weiß ich nicht. Fest steht jedoch, dass mein Großvater nie auch nur einen Augenblick daran geglaubt hat, sein Vater sei an wie auch immer gearteten »konterrevolutionären Umtrieben« beteiligt gewesen, und stets von dessen absoluter Unschuld überzeugt war. Im Jahr 1958 ist Alexander Nikolajewitsch Wladimirow dann posthum rehabilitiert worden.

Als 1941 der Große Vaterländische Krieg begann, war Major Wladimirow in der Region Krasnojarsk stationiert. Seine Aufgabe bestand darin, im dortigen Sibirischen Militärbezirk aus mobilisierten Soldaten geordnete Bataillone zu bilden.

An die Front gelangte mein Großvater erst 1942 als Kommandeur der 140. Separaten Schützenbrigade. Ich erinnere mich an seine Schilderungen vom Alltag in den Schützengräben der Wolchow-Front bei Leningrad: Die Soldaten gruben sich durch den gefrorenen Boden voran. Sobald das Eis zu schmelzen begann, stieg ihnen das bitterkalte Wasser bis zur Taille, bisweilen sogar bis zur Brust. Unter diesen Bedingungen kämpften sie wochenlang, mit enormen Verlusten allein durch Unterkühlung und Krankheiten. Daran muss ich immer denken, wenn ich heute die Aufkleber mit dem Spruch »Wir können es wiederholen« auf russischen Autos sehe (eine Drohformel, die ursprünglich aus der Zeit des Siegs über Nazideutschland stammt, heute aber vor allem gegen die NATO und die USA gerichtet ist). Ich glaube kaum, dass der russische Durchschnittsbürger heute noch bereit wäre, tage- und nächtelang hüfthoch in eiskaltem Wasser zu stehen und trotzdem widerspruchslos die Befehle seiner Vorgesetzten auszuführen – das Feuer zu eröffnen und zu erwidern, den Feind anzugreifen und die Belastungen des Frontalltags zu ertragen, in ständiger Gefahr um Leib und Leben. Genau das ist nämlich der Unterschied zwischen der sowjetischen und der »putinistischen« Einstellung zum Krieg: Zu Sowjetzeiten hätte niemand gewagt, den Krieg zu verharmlosen, im Gegenteil, sein Schrecken und seine Schwere wurden stets ausdrücklich betont. Putin aber trichtert den unreifen Gemütern der Russen in seinem Siegeswahn ein, dass Krieg automatisch Sieg bedeutet, mit allem, was dazugehört: Konzerten, Paraden, Nationalstolz. Wozu das führt, erleben wir alle derzeit tagtäglich.

Mein Großvater erlebte das Kriegsende in Deutschland. Für die Einnahme der Stadt Schneidemühl (heute: Piła in Polen) mitsamt ihrer Besatzung und Militärtechnik erhielt Generalmajor Wladimirow den Ehrentitel »Held der Sowjetunion« – die höchste Auszeichnung der UdSSR. Nach dem Krieg blieb er in der Armee, befehligte ein Korps, war Stabschef der Luftlandetruppen und diente als Militärberater in Bulgarien. 1960 schied er als Generalleutnant aus dem Militärdienst aus. Er starb 1978, zwei Jahre vor meiner Geburt.

Aus heutiger Sicht denke ich, dass sich diese Fähigkeit meiner Vorfahren, sich eine eigene Meinung zu bilden und nicht blind der Propaganda zu vertrauen, auch in einigen Entscheidungen widerspiegelt, die ich nach dem 24. Februar 2022 getroffen habe.

Internationale Handelsbeziehungen und ein Schweizer Intermezzo

Meine Eltern haben sich am Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO) kennengelernt. Meine Mutter arbeitete dort als Englischlehrerin, und mein Vater war ihr Student. Den Studienplatz am MGIMO hatte er im Rahmen der sogenannten »Arbeiterquote« bekommen. Diese Möglichkeit für die Arbeiterjugend, mit einer ordentlichen Aufnahmeprüfung an einer elitären Bildungseinrichtung zu studieren, kam Anfang der 1970er-Jahre auf, als die Staatsführung beschloss, den Nachwuchs der Nomenklatura mit Vertretern der werktätigen Klasse zu durchmischen. Mein Vater fiel damals genau in diese Kategorie und schrieb sich nach dem Wehrdienst an der Fakultät für internationale Wirtschaftsbeziehungen ein.

Nach dem Studienabschluss als »internationaler Ökonom« begann er für das Außenhandelsministerium der UdSSR zu arbeiten. Bekanntlich herrschte in der Sowjetunion ein staatliches Monopol auf den Außenhandel, für den ein eigenes, unter dem Kurznamen »Wneschtorg« bekanntes Ministerium zuständig war. Dieses residierte im selben Wolkenkratzer wie das Außenministerium am Smolenskaja-Platz – einem jener berühmten Stalin-Hochhäuser Moskaus.

Mein Vater machte im Außenhandelsministerium Karriere, wobei ihm sowohl das Studium an der renommierten Kaderschmiede als auch seine Herkunft aus einer vorbildlichen Arbeiter- und Bauernfamilie zum Vorteil gereichten. Mitte der 1980er-Jahre wurde mein Vater dann zum Kandidaten der Wissenschaften promoviert und erhielt ein Angebot, für ein sowjetisch-schweizerisches Gemeinschaftsunternehmen zu arbeiten. So landeten wir 1984 in Zürich.

Für meine Eltern war es der erste lange Auslandsaufenthalt – bislang hatten sie nur Kurzurlaube in den Ländern des sozialistischen Lagers gemacht. Das Leben in einem der reichsten und höchstentwickelten Länder Europas sollte ihre Sicht auf viele Dinge grundsätzlich verändern. Der saubere, gepflegte Zustand der Städte, die Höflichkeit der Menschen auf der Straße – all das stand in krassem Gegensatz zur sowjetischen Lebenswirklichkeit. Dazu die reiche Auswahl an Lebensmitteln in den Supermärkten, die Einkaufswagen, die Tiefgaragen, die Haltewunschtasten im öffentlichen Nahverkehr – all das war so überraschend neu, dass man sich die berechtigte Frage stellte: »Warum ist das bei uns nicht so?« Damals lernten wir zum ersten Mal, was Cornflakes, Joghurt oder Kiwis sind.

Wir wohnten in einem schönen Apartment in Witikon, einem der Vororte von Zürich. Auf Spaziergängen im nahe gelegenen Wald konnte man in der Dämmerung Rehen begegnen. Mein Vater kutschierte uns in seinem Firmenwagen durch die ganze Schweiz. Fast jedes Wochenende packten wir belegte Brote und Tee in Thermoskannen ein, um einen neuen Teil dieses kleinen, aber faszinierenden und vielfältigen Alpenlandes zu erkunden. Bereits im ersten Jahr besuchten wir sämtliche Kantone, von Genf bis St. Gallen, und machten sogar noch einen Abstecher nach Liechtenstein. Die Kollegen meines Vaters hatten für seine Reiselust nur wenig Verständnis: Sie selbst sparten brav ihre kostbaren Devisen, manche von ihnen lebten buchstäblich von Brot und Wasser.

Mein Vater war Finanzdirektor der Firma, mit einem offiziellen Gehalt von rund 7 500 Franken im Monat – eine stattliche Summe, selbst nach heutigen Maßstäben. Ausgezahlt bekam er jedoch nur 1 500 Franken, die siebeneinhalbtausend waren reine Fiktion, eine erfundene Zahl, um die Schweizer Arbeitsgesetze einzuhalten.

Im Juni 1985 erblickte meine Schwester in Zürich das Licht der Welt. Mein Vater kam selbst für die Kosten der Geburt auf – die sowjetische Führung zeigte nicht das geringste Interesse, ihre Angestellten im Ausland zu unterstützen. Kostenerstattungen für Geburten sollten Angestellte von Auslandsvertretungen erst ab den frühen 2000er-Jahren erhalten.

Auch das Ende unserer glücklichen Zeit in der Schweiz hat mit der Struktur des sowjetischen Systems zu tun: Mein Vater, der ständig die Bewegungen der Finanzmärkte beobachtete, schlug dem Generaldirektor der Firma eine Börsentransaktion vor, die zu diesem Zeitpunkt gute Gewinne abzuwerfen versprach. Sein Vorgesetzter war jedoch ein alter Parteifunktionär, der zwar sämtliche Intrigen des Machtapparats beherrschte, von Marktwirtschaft aber keine Ahnung hatte. Also gab er den Vorschlag meines Vaters nach Moskau zur Prüfung weiter.

Ein bis zwei Monate später kam die Antwort: Dem Zentrum gefiel die Idee und es gab grünes Licht. Das Problem war nur, dass sich die Marktbedingungen inzwischen geändert hatten. Der Vorschlag meines Vaters war ökonomisch nicht mehr ratsam, das Projekt wurde nie umgesetzt. Nach alter sowjetischer Gewohnheit schob der Generaldirektor die Schuld auf meinen Vater: Dieser zeige keinerlei Diensteifer und leiste seinen Anweisungen nicht Folge. Mein Vater ließ das nicht auf sich sitzen und übermittelte Moskau seine Sicht der Dinge. Es kam zum Eklat, und wie so oft in solchen Situationen wurden sowohl mein Vater als auch der Generaldirektor in die Heimat abberufen.

Das Ende der Sowjetunion

1987 ging ich wieder in Russland zur Schule. Die Perestroika war in vollem Gange, der Wandel lag förmlich in der Luft, auch wenn niemand so recht wusste, wohin diese Veränderungen führen würden, und alle auf das Schlimmste gefasst waren. Ende der 1980er-Jahre diskutierte man in Moskau ernsthaft eine angeblich bevorstehende Hungersnot.

Diese Veränderungen betrafen auch das wichtigste Propagandamittel: das Fernsehen. Die Sitzungen des Kongresses der Volksdeputierten – damals immerhin das formal höchste Machtorgan der UdSSR – wurden nun live übertragen. Das hatte es noch nie gegeben: Mit angehaltenem Atem folgten die Menschen den Reden, die mit der Zeit immer kontroverser wurden und an Schärfe und Polemik gewannen. Zum ersten Mal kam in der Politik unseres Landes so etwas wie Öffentlichkeit auf.

Was Politik – und Geschichte – wirklich sind, wurde mir am Morgen des 19. August 1991 bewusst, noch mitten in den Sommerferien. Ich wachte auf und ging in die Küche, um zu frühstücken. Dort saßen bereits meine Eltern, meine Großmutter und meine Tante – in tiefem Schweigen, offenbar hörten sie gerade Radio. Es lag eine Spannung in der Luft, die ich nicht verstand. Als ich fragte, was passiert sei, antwortete meine Mutter tonlos: »Es hat einen Putsch gegeben. Gorbatschow ist gestürzt worden. Niemand weiß, ob er noch lebt.«

Ich war verblüfft. Natürlich hatte ich in Geschichtsbüchern von Umstürzen, Revolten und Verschwörungen gelesen, aber all das war mir wie Legenden aus grauer Vorzeit erschienen, die nichts mit dem wirklichen Leben zu tun hatten. Und nun auf einmal: ein Putsch. Mitten in Moskau. Im Hier und Jetzt. Totale Ungewissheit machte sich breit, und mich ergriff Angst vor dem, was noch kommen würde. Was mich vor allem beunruhigte, war die Tatsache, dass auch die Erwachsenen keinen Hehl aus ihrer Besorgnis machten.

Während der folgenden drei Tage herrschte überall extreme Anspannung. Meine Eltern gingen zu den Barrikaden, die die Verteidiger des demokratischen Russlands unter der Führung von Boris Jelzin vor dem Sitz des Obersten Sowjets und des Volksdeputierten-Kongresses gegen die Putschisten, eine Gruppe von Funktionären der Kommunistischen Partei KPdSU, errichtet hatten. Wie bekannt, scheiterte der Putsch, die Verschwörer wurden verhaftet – und auf einmal ergriff die Bevölkerung eine Art Euphorie. Alle hatten das Gefühl, dass die sowjetische Diktatur nun endgültig zusammengebrochen war und dass Freiheit, Demokratie und marktwirtschaftlicher Wohlstand auf uns warteten.

Die Anfänge der Marktwirtschaft

Die neue Freiheit machte sich zunächst in der Presse bemerkbar: Auf einmal wurde überall von Kapitalverbrechen berichtet – von Raub, Vergewaltigung und Mord. Bis dato waren solche Artikel strengstens zensiert worden. Ab 1992 leiteten die neuen russischen Behörden radikale Wirtschaftsreformen ein: Das Außenhandelsmonopol und die staatliche Preisregulierung wurden abgeschafft. Die wichtigste Aufgabe bestand darin, eine neue Schicht von Privateigentümern zu schaffen, auf die sich die demokratischen Reformen stützen konnten. In der UdSSR hatte es nur den Begriff des »persönlichen Eigentums« gegeben, der all das bezeichnete, was jeder Bürger selbst besitzen durfte, also Kleidung, Schuhe und andere persönliche Gegenstände. Der Rest gehörte ausnahmslos dem Staat, war »Volkseigentum«. Die Umwandlung von Staats- in Privateigentum wurde somit zu einem der wichtigsten Punkte der politischen Agenda, zur entscheidenden Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung Russlands.

Die russischen Reformer wählten einen radikalen Ansatz: die sogenannte »Voucher-Privatisierung«. Man schätzte einfach das gesamte Volkseigentum auf 1,5 Billionen Rubel und teilte dies durch die Einwohnerzahl des Landes von 150 Millionen. Auf jeden Bürger, gleich welchen Alters, entfielen somit 10 000 Rubel. Jeder hatte Anspruch auf einen sogenannten »Voucher«, dessen Nennwert genau diesem Betrag entsprach. Diesen durften die Bürger nach Belieben verwenden: verkaufen, verschenken, verpfänden oder aber – wie eigentlich vorgesehen – gegen Anteile an privatisierten Unternehmen und andere Wertpapiere eintauschen, das neu erworbene Kapital also verantwortungsvoll in Vermögenswerte investieren. So sollte allmählich eine Klasse kleiner und mittlerer Eigentümer – das Rückgrat und der Motor des demokratischen Wandels – entstehen.

Natürlich war dieses Kalkül überaus naiv: Menschen, die noch nie etwas von Marktwirtschaft, Investitionen, Privateigentum und Wertpapieren gehört hatten, sollten von heute auf morgen zu Eigentümern werden und Verantwortung für ihre Wertanlagen übernehmen? Für die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung waren diese Voucher nichts weiter als merkwürdige, bunt bedruckte Papierchen. Was natürlich innerhalb kürzester Zeit alle möglichen Geschäftemacher auf den Plan rief, die den Leuten diese Gutscheine zu Spottpreisen abkauften. Manch einer war damals bereit, seinen Voucher für ein paar Flaschen Wodka herzugeben. Allmählich erwarben Betrüger somit Tausende und Abertausende von Gutscheinen, die sie mit Hilfe korrupter Beamter und anderer »hilfreicher« Personen in Anteile an Fabriken, Betrieben und anderen Unternehmen umwandelten. Eine neue Gruppe »effektiver« Eigentümer entstand: die ersten Oligarchen. Diese kamen zumeist aus der sowjetischen Nomenklatura und den Komsomol-Organisationen, doch mischten auch die Gründer der ersten, damals noch sowjetischen Genossenschaften kräftig mit. Jedenfalls witterten nur eine Handvoll Menschen diese Goldader, während die große Mehrheit der Bevölkerung auf derartige Veränderungen vollkommen unvorbereitet reagierte.

Die Voucher-Privatisierung hat ihre erklärten Ziele nie erreicht. Anstatt eine Schicht von Privateigentümern zu schaffen, bewirkte sie, dass die Bürger sogar ihr – ohnehin rein formales – Anrecht auf das Volkseigentum verloren: Riesige Vermögenswerte landeten in den Händen einer kleinen Zahl von Menschen, die diese sofort umzuverteilen begannen, und zwar nach allen Regeln der Kunst, kriminelle Methoden eingeschlossen. Kein Wunder also, dass die Medien in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre so oft von Auftragsmorden berichteten. Es war diese – von vielen als »räuberisch« bezeichnete – Privatisierung, die jegliches Vertrauen in das so geschaffene Eigentum untergrub. Anstatt eine Gesellschaft mit möglichst vielen Privateigentümern zu schaffen, sorgten die Reformer für eine extreme Polarisierung des Vermögens: Die meisten Menschen in Russland sind heute bitterarm und hassen diese kleine Gruppe, die sich damals mit unlauteren Methoden riesige Vermögenswerte unter den Nagel riss. Ebendiese Mehrheit betrachtet das Vermögen der Oligarchen noch heute als illegitim, im Grunde als Diebesgut – und hat damit zweifellos recht.

1993 wuchsen die Spannungen zwischen Präsident Jelzins Unterstützern und seinen Gegenspielern, die vor allem im Obersten Sowjet saßen – einem Relikt des sowjetischen Systems, das damals die Rolle des Parlaments einzunehmen versuchte. Auch in den Zeitungen und im Fernsehen trat dieser Konflikt deutlich zutage. Erste Anzeichen einer bevorstehenden Eskalation waren die Zusammenstöße bei der Demonstration zum 1. Mai 1993 in Moskau. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, es gab sogar Tote. Die Ereignisse hinterließen allgemein einen verstörenden Eindruck, ein Bürgerkrieg schien in der Luft zu liegen.

Verfassungskrise

Die tatsächliche Krise begann am 21. September 1993, als Jelzin einen Erlass zur Auflösung des Obersten Sowjets unterzeichnete, sich dieser aber einfach weigerte, aufgelöst zu werden. Beim »Weißen Haus«, dem Sitz des Obersten Sowjets in Moskau, versammelten sich die Gegner des Präsidenten. Der Anblick dieser zum Teil radikalen, militanten Clique ließ die Zukunft des Landes ziemlich unsicher erscheinen.

Die angespannte, nervöse Atmosphäre zog sich über Tage hin. Am 3. Oktober kam es schließlich zur blutigen Auseinandersetzung: Die Jelzin-Gegner stürmten das Moskauer Rathaus und versuchten das Fernsehzentrum Ostankino zu besetzen. Jegor Gaidar, ehemaliger Regierungschef und Urheber der Wirtschaftsreformen, rief im Fernsehen alle Jelzin-Anhänger auf, sich zum Gebäude des Rathauses zu begeben. Auch mein Vater folgte dem Aufruf.

Die Nacht vom 3. auf den 4. Oktober verbrachten wir vor dem Fernseher. Die Nerven bis zum Zerreißen gespannt, verfolgten wir die Nachrichten und versuchten zu verstehen, was gerade passierte. Am nächsten Morgen war klar, dass es gelungen war, die Aufständischen ins Weiße Haus zurückzudrängen. Panzer hatten den Platz auf der Brücke davor besetzt und das Feuer auf das Gebäude eröffnet. Wir, die wir eben noch Sowjetbürger gewesen waren, trauten unseren Augen kaum: Der Aufstand der Jelzin-Gegner wurde niedergeschlagen, und im Dezember 1993 wurde eine neue Verfassung verabschiedet, die alle formalen Relikte der Sowjetherrschaft beseitigte und die Regierungsform einer »superpräsidentiellen« Republik begründete. 

Der Erste Tschetschenienkrieg

Gleichzeitig wurde Tschetschenien, eine kleine autonome Republik im Nordkaukasus, zunehmend zum Brennpunkt. Bereits seit dem Ende der 1980er-Jahre, als die Perestroika in vollem Gang war und sich die wirtschaftlichen Probleme der UdSSR verschärften, hatten einige Sowjetrepubliken von einer eigenen Souveränität geträumt – als dann die ersten Republiken mit der Erklärung ihrer Unabhängigkeit begannen, sprach man später ironisch von der »Parade der Souveränitäten«. Diese setzte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion fort: Nationale Teilrepubliken Russlands – etwa Tatarstan oder Jakutien – strebten die Unabhängigkeit an, unter anderem befeuert durch eine unbedachte Äußerung Jelzins, die Regionen könnten sich so viel Souveränität nehmen, »wie in sie reinpasst«. Der tschetschenische Separatismus nahm dies mit großer Begeisterung auf, zumal dort mit General Dudajew ein Populist an der Macht war, der nationalistische und religiöse Gefühle schürte. Es kam zu ethnischen Säuberungen: Russen wurden ausgeraubt, aus ihren Häusern verjagt, gegen Lösegeld entführt, versklavt und oft einfach ermordet. Solche Vorfälle breiteten sich schließlich auch auf angrenzende russische Regionen wie das Gebiet Stawropol aus.

Zudem wanderten nun immer mehr Nordkaukasier in die Großstädte Zentralrusslands ein. Da diese Bevölkerungsgruppe zumeist eine hohe Kriminalitätsrate aufwies, führte dies vor dem Hintergrund des allgemein sinkenden Lebensstandards und anderer wirtschaftlicher Probleme zu einem Anstieg der Fremdenfeindlichkeit in Russland. Auch gab es unter den Tschetschenen und anderen Kaukasiern immer wieder solche, die sich bewusst provokant verhielten. Kaum in den russischen Städten angekommen, benahmen sie sich wie Platzhirsche und behandelten die einheimischen Russen wie Bürger zweiter Klasse. Mädchen und Frauen, die ihren Vorstellungen zufolge nicht »anständig« gekleidet waren, wurden einerseits aggressiv angegangen, andererseits wie selbstverständlich durch Hinterherpfeifen oder Klapse auf den Hintern belästigt. Oft entstanden daraus interethnische Konflikte, die nicht selten blutig oder sogar tödlich endeten. Die Täter wurden aber nur selten bestraft: Sie fanden Schutz in ihrer Diaspora, die ihnen die Strafverfolgungsbehörden durch Bestechung vom Leib hielten. (In dieser Zeit entstand in Russland der Begriff der »Diaspora« als ethnisch-krimineller Gemeinschaft.) Kein Wunder, dass ihnen dieses Verhalten bei uns keine große Sympathie und somit auch ihrem Unabhängigkeitskampf kaum Respekt einbrachte.

Die schwierige Lage im Kaukasus ging einher mit dem wachsenden Gefühl der Schwäche und Demütigung Russlands in der Welt. Die anfängliche Euphorie der späten Achtzigerjahre, die Hoffnung, der »Westen« werde uns schon helfen, begann sich in dem Augenblick zu verflüchtigen, als die Inflation ins Unermessliche wuchs, die Preise täglich neue Rekorde brachen und keine Woche ohne Berichte über kriminelle Banden und Auftragsmorde verging. Viele Menschen waren einfach in dieses neue Leben hineingeworfen worden, ein Leben, dessen Regeln sie nicht kannten und auf das sie völlig unvorbereitet waren. Alte Menschen, die in der Sowjetzeit leidlich gut (wenn auch nicht annähernd so komfortabel wie Sowjetnostalgiker heute behaupten) von ihren Renten hatten leben können, waren über Nacht zu Bettlern geworden. Auf den Straßen waren plötzlich überall Obdachlose zu sehen. Die logische Folge war, dass Präsident Jelzin und der von ihm verkörperte »demokratische Kurs« des Landes zusehends an Popularität verloren.

Ich erinnere mich noch deutlich, was ich als Teenager empfand, als ich die Zeitungsmeldung las, russischsprachige Rentner würden in einem der baltischen Staaten schlecht behandelt. Die Erkenntnis, dass ein so großes und starkes Land wie Russland nicht in der Lage war, seinen ehemaligen, von »baltischen Faschisten« drangsalierten Bürgern zu helfen, schnürte mir damals förmlich die Luft ab. Genau hier liegt die Wurzel des russischen Ressentiments – im Gefühl der Verbitterung angesichts der eigenen Schwäche und Hilflosigkeit.

Der Einmarsch russischer Truppen in das aufständische Tschetschenien im Dezember 1994 wurde von vielen als verspäteter, aber richtiger Schritt empfunden: Die tschetschenische Bevölkerung hielt man ganz allgemein für Banditen. Schon bald wurde aber deutlich, dass dies ein langer und schwerer Krieg werden würde. Der grauenhafte Neujahrssturm auf Grosny, der mit einer blutigen Niederlage endete, die schlecht ausgerüsteten russischen Soldaten und die schwache Moral der Gesellschaft ließen die allgemeine Unterstützung für diese Kampagne schwinden. Es war klar, dass der Krieg nicht richtig geführt wurde. Dies lag entweder am Unvermögen des russischen Militärs oder an der Korruption in Moskau und schmutzigen politischen Machenschaften.

Viele Jahre später unterhielt ich mich mit einem Offizier, der im Ersten Tschetschenienkrieg unter dem berühmten General Lew Rochlin gedient hatte. Er erzählte mir, dass Rochlin einmal den Befehl erhielt, mit seiner Kolonne nach einem bestimmten Bewegungsplan vorzustoßen, seine Truppen jedoch bewusst eine andere Route nehmen und die von Moskau übermittelte von eigenen Aufklärern überprüfen ließ. Als diese zurückkehrten, berichteten sie, sie hätten an allen wichtigen Punkten der offiziellen Route tschetschenische Hinterhalte entdeckt. Offensichtlich hatte hier jemand aus der russischen Armeeführung dem Feind Informationen zugetragen – sicher nicht ohne Gegenleistung.

Die kollektive Psyche unserer Gesellschaft, durch die Wirtschaftsreformen ohnehin schon traumatisiert, wurde durch diesen Krieg nur noch mehr geschwächt. Die Geiselnahmen durch tschetschenische Kämpfer im Krankenhaus von Budjonnowsk (1995), der Überfall auf Kisljar durch eine Gruppe tschetschenischer Rebellen (1996) und der anschließende Frieden von Chassawjurt, von der Mehrheit in Russland als beschämende Kapitulation empfunden, begruben endgültig das Ansehen Präsident Jelzins und der ihm nahestehenden Anhänger demokratischer Reformen.

Die »erste Welle« der Oligarchie

War Jelzin 1990 noch im ersten Wahlgang gewählt worden, lag er in den Umfragen Anfang 1996 bei nur wenigen Prozent. Von seiner einstigen Glaubwürdigkeit und Popularität war nichts mehr übrig. Dennoch startete er 1996 seinen Wahlkampf mit dem Slogan: »Wähle oder du verlierst«. Jelzins wichtigster Gegenspieler war damals der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Gennadi Sjuganow. In einer massiven Propagandakampagne griff Jelzin unter anderem auch auf die sogenannte »administrative Ressource« zurück, also seinen Vorteil als Amtsinhaber, organisatorische und finanzielle Quellen nutzen zu können. Dadurch gelang es ihm schließlich, im zweiten Wahlgang zu gewinnen. Ob die Stimmen damals korrekt ausgezählt wurden, wage ich nicht zu beurteilen. Es ist jedoch bekannt, dass das Team des Präsidenten bereits Ende 1995 mit Oligarchen-Gruppierungen verhandelte. Als Gegenleistung für ihre Unterstützung im Wahlkampf kamen sie im Zuge sogenannter Bürgschaftsauktionen (auch bekannt als »Darlehen gegen Aktien«-Programm) in den Besitz gigantischer Staatsvermögen. Es war dies die zweite und letzte Phase der Entstehung von Jelzins Oligarchie, der Oligarchie der »ersten Welle«. Man kann sagen, dass in den Jahren 1995 und 1996 der oligarchische Kapitalismus in Russland endgültig Gestalt annahm. Diese Leute, die praktisch die gesamte Wirtschaft kontrollierten, sollten für den kranken und ständig betrunkenen Jelzin hinter den Kulissen das Land regieren.

Doch selbst solch einflussreichen Personen kann man ihre Privilegien wieder entziehen. Dass das gar nicht so kompliziert ist, hat Wladimir Putin bewiesen. Jedenfalls war schon nach wenigen Jahren seiner Herrschaft von den Oligarchen nichts mehr übrig: Die einen setzten sich ins Ausland ab, wo sie plötzlich verstarben, andere hatten mehr Glück und haben all die Jahre (ebenfalls im Ausland) auf großem Fuß gelebt – bis zum Einmarsch Russlands in die Ukraine. Heute wiederholen sie – wie übrigens die meisten Andersdenkenden – den Satz: »Was können wir schon tun?« und fordern im gleichen Atemzug, dass die Sanktionen gegen sie aufgehoben werden.

Dabei war es gerade der oligarchische Kapitalismus, all die Abramowitschs, Deripaskas, Awens und Fridmans, die Putin damals den Weg zur Macht ebneten. Dieser versprach ihnen im Gegenzug das stabile, ungestörte Funktionieren ihres parasitären Systems in feindlicher Umgebung – worunter die gesamte restliche Bevölkerung Russlands zu verstehen ist.