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Billy Harney ist bereit, für seinen Job bei der Polizei von Chicago alles zu geben – sogar sein eigenes Leben. Und tatsächlich kommt es eines Tages beinahe zum Äußersten: Billy wird schwer verletzt in seinem Apartment gefunden, neben ihm die Leichen seiner ehemaligen Partnerin Kate und seiner Freundin Amy. Wie durch ein Wunder überlebt Billy, kann sich aber nicht an die Tatnacht erinnern. Als er selbst zum Hauptverdächtigen wird, versucht er verzweifelt die Wahrheit herauszufinden. Doch die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen zusehends …
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Seitenzahl: 574
Veröffentlichungsjahr: 2018
Buch
Die Zwillinge Patty und Billy Harney sind beide in die Fußstapfen ihres Vaters, eines Chicagoer Polizeichiefs, getreten. Doch eines Tages kommt es zu einem brutalen Überfall in Billys Apartment, bei dem Billy lebensgefährlich verletzt wird, seine Kollegin Kate und seine Freundin Amy sind tot. Nach etlichen Operationen kann Billys Leben gerettet werden, doch er hat jegliche Erinnerung an den Tathergang verloren. Und dann wird er auch noch des Doppelmords angeklagt. Verzweifelt versucht Billy herauszufinden, was wirklich geschehen ist. Aber die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen immer mehr, und die Ereignisse werden immer dramatischer …
Weitere Informationen zu James Patterson
sowie zu lieferbaren Titeln des Autors
finden Sie am Ende des Buches.
James Patterson
und David Ellis
Im Netz der Schuld
Thriller
Aus dem Amerikanischen
von Peter Beyer
ISBN: 978-3-641-22742-5V002
Patti Harney stoppt ihr Zivilfahrzeug knapp zwei Blocks vor ihrem Ziel. In den schmalen Straßen stehen die Einsatzwagen dicht gedrängt, und die Lichtbalken auf den Dächern der Streifenwagen werfen ein geschecktes Licht in die Dunkelheit. Mindestens zwanzig Polizeiautos befinden sich vor Ort.
Patti lässt den Wagen stehen und hängt sich die Kordel mit dem Polizeistern um den Hals, sodass er über ihrem T-Shirt baumelt. Für Anfang April ist es unverhältnismäßig kalt, doch Patti ist fürchterlich heiß zumute.
Sie läuft einen Block zu Fuß, bis sie das gelbe Band der äußeren Absperrung erreicht hat. Einer der vielen Officers tritt vor, um sie aufzuhalten, sieht dann ihren Stern und lässt sie passieren. Diesen Cop kennt sie nicht, und er kennt sie auch nicht. Umso besser.
Nun ist sie fast da. Schweiß brennt ihr in den Augen, das T-Shirt klebt ihr trotz der Kälte schweißnass auf der Brust, ihre Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt.
Auch ohne die vielen Police Officers, die sich unter der Außenmarkise versammelt haben, hätte sie das Gebäude mit den Eigentumswohnungen wiedererkannt. Einer dieser Cops, ein Detective wie Patti auch, schaut sie mitfühlend an.
»Mein Gott, Patti …«
Sie eilt an ihm vorbei in das Foyer des Gebäudes. Die Stimmung passt eher zu einer Beerdigung als zu einem Tatort. Officers und Detectives in Zivil stehen mit gesenkten Blicken beklommen herum, trösten einander mit von Tränen gezeichnetem Gesicht. Für so etwas hat sie keine Zeit.
Sie bahnt sich einen Weg zum Aufzug, wirft dabei einen Blick in die Ecken des Foyers, um Überwachungskameras zu registrieren – eine alte Angewohnheit, ein Reflex wie das Atmen. Dann erblickt sie eine Gruppe von Technikern. Es sind Mitglieder der Forensikabteilung, die im Aufzug mit Pinseln Rußpulver auftragen und die Wände und Knöpfe nach Fingerabdrücken absuchen. In ihren Sportschuhen wirbelt sie herum und drängt sich durch die Tür ins Treppenhaus. Sie weiß, dass es im fünften Stock passiert ist, weiß, um welche Wohnung es sich handelt.
Sie nimmt zwei Stufen auf einmal. Ihre Beine drohen ihren Dienst zu versagen, und in ihrem Magen herrscht Aufruhr. Benommen und panisch hält sie auf dem Treppenabsatz im zweiten Stockwerk inne. Völlig aufgelöst geht sie für einen Moment in die Hocke, greift sich ins Haar, sammelt sich, am ganzen Körper zitternd, während ihre Tränen auf den Beton tropfen.
Du musst das hier durchziehen, sagt sie sich.
Mit Pudding in den Beinen und einem brennenden Gefühl in der Brust sprintet sie die noch verbleibenden Stufen hinauf und stößt schließlich die Tür zum fünften Stock auf.
Hier oben geht alles ganz geschäftsmäßig zu. Fotos werden aufgenommen, die Spurensicherung widmet sich ihrer Arbeit, Männer in blauen Anzügen befragen die Nachbarn, und Ramsey von der Gerichtsmedizin ist anwesend.
Sie setzt einen Fuß vor den anderen, aber es ist, als käme sie überhaupt nicht vom Fleck, so als watete sie durch knietiefen Morast, als befände sie sich in einer Art Gruselkabinett.
»Hier können Sie nicht rein.«
»Patti.«
»Detective Harney. Patti!«
Sie spürt, wie ihr jemand eine Hand auf den Arm legt. Wie in Zeitlupe wandert ihr Blick zum Gesicht von Wizniewski; sie nimmt seinen buschigen Schnurrbart wahr, das rundliche Gesicht, den Zigarrengeruch.
»Patti, ich bin … meine Güte … es tut mir so leid.«
»Ist er … ist er …« Sie ist nicht imstande, den Satz zu vollenden.
»Alle sind es«, erwidert er. »Es tut mir furchtbar leid, dass ich derjenige bin, der es Ihnen mitteilen muss.«
Sie schüttelt den Kopf, will ihm ihren Arm entziehen.
»Sie können da nicht rein, Patti. Noch nicht.«
Wizniewski schiebt sich vor sie und versperrt ihr den Weg zur Tür.
Nur mühsam findet sie Worte. »Ich bin … Ich weiß, wie man sich an … einem Tatort verhalten muss.«
Ein Tatort. Als wäre das hier bloß irgendeine Gewalttat, mit der sie es im Verlauf ihrer Karriere zu tun bekommt.
»Nicht diesen hier, Detective. Noch nicht. Geben Sie uns die Gelegenheit, um … Patti, kommen Sie …«
Sie fegt seine Hände beiseite, stößt ihn zurück. Er ringt einen Moment mit sich, legt ihr dann beide Hände auf die Schultern.
»Patti, bitte«, sagt er. »Niemand sollte seinen Bruder so sehen.«
Sie blickt ihm in die Augen, ohne ihn wirklich anzuschauen, bemüht, alles zu verarbeiten. Bestimmt hat er recht damit, dass sie ihn lieber nicht sehen sollte, denn wenn sie ihn nicht sieht, wird er nicht tot sein, nicht wirklich fort.
Mit einem Pling kündigt der Fahrstuhl sein Halten an.
Aber der Fahrstuhl ist doch außer Betrieb, weil die Jungs von der Forensik ihn bestäubt haben. Wer benutzt den Aufzug? Da hat ohne Zweifel jemand seine Autorität spielen lassen.
»Der Chief of Detectives ist hier«, sagt jemand.
Sie schaut über Wizniewskis Schulter.
Die hoch aufgeschossene, kantige Figur, diese großen Schritte, die Adlernase, die sie nicht von ihm geerbt hat.
»Dad«, sagt sie. Das Wort bleibt ihr fast in der Kehle stecken, und nun droht sie jede Kontrolle zu verlieren.
Ihr Vater, der Chief of Detectives Daniel Harvey, hat sich rasch ein Sakko über sein zerknittertes Hemd gezogen. Sein lichter werdendes Haar ist ungekämmt, und er hat Schatten unter den Augen. »Kleines«, sagt er und breitet die Arme aus.
»Ist es wahr, Dad?«, nuschelt sie an seinem Brustkasten, während er sie fest an sich presst, als wüsste er alles, als wäre sie wieder ein kleines Kind, das sich an seinen Vater wendet, damit er ihm die Welt erklärt.
»Ich will ihn sehen«, sagt ihr Vater, nicht zu ihr, sondern zu Wizniewski. Er hakt sich bei Patti ein, als wolle er sie den Flur entlang begleiten, wendet sich dann der Tür zu.
»Ich verstehe, Sir«, sagt Wizniewski. »Aber es ist … es ist nicht … wappnen Sie sich, Sir.«
Ihr Vater schaut mit versteinerter Miene auf sie hinunter. Er ist wie ein Damm, der einem Sturm standhält. Sie nickt ihm zu.
»Gehen Sie voran, Lieutenant«, sagt er mit brechender Stimme.
Sie legt einen Schalter in ihrem Kopf um. Sie wird jetzt emotionslos sein. Sie wird jetzt Detective sein, keine Schwester. Sie wird sich einen Tatort anschauen, nicht ihren toten Zwillingsbruder. Mit aller Kraft klammert sie sich, ja krallt sich an den Arm ihres Vaters, während sie beide in den gefliesten Eingangsbereich der Wohnung treten.
Sie kennt die Wohnung. Der Flur öffnet sich zu einem großen Wohnraum, links befindet sich eine kleine Küche, dahinter sind Schlafzimmer und Bad. Das ist mehr oder weniger Standard bei den mehrgeschossigen Wohnblocks mit Eigentumswohnungen in Chicago, aber diese hier kennt sie, war schon einmal hier.
Erst gestern.
Als sie eintreten, erstirbt in der Wohnung schlagartig jedes Geräusch, so als habe jemand die Hand erhoben, um Ruhe einzufordern. Alle, die damit beschäftigt sind, etwas zu bestäuben, etwas zu fotografieren, Proben zu entnehmen oder sich zu besprechen – alle halten inne, als der Chief of Detectives und seine Tochter den Raum betreten.
Patti schaut sich mit professionellem Blick um. Im Wohnzimmer, dem Hauptwohnraum, sind keine Anzeichen eines Kampfes zu erkennen. Das Mobiliar steht an Ort und Stelle, die Fliesen sind glänzend und sauber. Nichts Ungewöhnliches außer dem, was die Detectives und Techniker bis gerade eben getan haben.
Jemand hat die Klimaanlage auf volle Leistung gestellt. Die Luft ist frisch und kühl, wodurch sich die Leichenflecke in Grenzen halten sollten …
Leichenflecke. Die Leiche meines Bruders.
»Sie sind im Schlafzimmer«, informiert Wizniewski sie und geht voran. »Also, dort kann ich Sie wirklich nicht reinlassen, Chief, das müssen Sie verstehen. Sie sind ein direkter Familienangehöriger eines der …«
»Ich will nur einen Blick hineinwerfen. Ich gehe nicht rein, Lieutenant.« Ihr Vater spricht auf diese präzise, entschlossene Art und Weise, die er an sich hat. Wahrscheinlich ist sie die Einzige, die das Zittern in seiner Stimme heraushört.
Pattis Blick huscht umher, ohne irgendwo hängen zu bleiben. Amy hat die Wohnung sauber gehalten. Patti hat in ihrer Laufbahn oft erlebt, dass jemand versucht hat, einen Tatort zu reinigen, doch dieser hier weist keinerlei Anzeichen dafür auf, dass jemand vor Kurzem geschrubbt oder gesprayt oder versucht hätte, Blutflecken zu entfernen oder verstreute Überbleibsel mit dem Staubsauger aufzusaugen. Im Wohnzimmer und in der Küche ist es nicht zu Gewalttätigkeiten gekommen.
Was immer geschehen ist, hat sich im Schlafzimmer abgespielt.
Rotes Tatortband, die innere Absperrung, verwehrt den Zugang zum Schlafzimmer.
Mit einer beschützenden Geste, die es ihm erlaubt, als Erster in das Schlafzimmer zu schauen, postiert sich ihr Vater behutsam vor Patti. Er beugt sich über das rote Band vor, holt tief Luft und dreht sich nach rechts, um hineinzuschauen.
Sofort kneift er die Augen zusammen und wendet sich ab. Reglos hält er den Atem an, schluckt heftig, macht die Augen wieder auf. Jetzt sind sie stumpf, von Schrecken erfüllt. Dann dreht er sich um und schaut erneut hin.
»Was in Gottes Namen ist hier vor sich gegangen?«, murmelt er.
Sie hört, wie Wizniewski einen tiefen Seufzer ausstößt. »Die Position der Leichen, das alles … es sieht ganz nach dem aus, was es zu sein scheint, Sir.«
Patti wappnet sich, schiebt sich an ihrem Vater vorbei und schaut ins Zimmer.
Drei Leichen. Kate – Detective Katherine Fenton – liegt tot auf dem Teppich. Ihre leeren Augen starren zur Decke hinauf, über dem rechten Auge befindet sich ein einzelnes Einschussloch. Ein ziemlich sauberer Schuss, nur ein kleines Rinnsal Blut ist aus der Wunde ausgetreten, das andere Blut ist, der Schwerkraft geschuldet, wahrscheinlich durch die Austrittswunde im Hinterkopf geflossen. Der Teppich unter ihr, von ihrem goldbraunen Haar bedeckt, ist durchnässt. Ihre Glock liegt knapp außerhalb der Reichweite ihrer linken Hand.
Patti konzentriert sich auf Kate. Nicht weil sie noch nie eine Leiche gesehen hätte (sie hat Dutzende gesehen), und auch nicht weil sie Kate gemocht hätte (hat sie nicht). Sondern weil der Anblick dem vorzuziehen ist, was bis jetzt nur am Rand ihres Sichtfelds erschienen ist.
Zwei Leichen liegen auf dem Bett – ihr Bruder Billy und Amy Lentini, beide nackt. Amy hat eine Schusswunde in der Herzgegend, ein einzelner Schuss. Ihr Körper ist ausgestreckt, ihr Kopf fällt beinah vom linken Bettrand herunter. Hinter Amy ist gerade noch ein großer Blutfleck zu sehen, dort, wo das Blut versickert ist.
Und dann …
Billy. Mit wild hämmerndem Herzen heftet sie ihren Blick auf seinen Körper. Schweißgebadet schaut sie auf ihren Zwillingsbruder, der aufrecht auf dem Bett sitzt, ein Blutrinnsal zieht sich über seine rechte Gesichtshälfte, der Kopf hängt zur Seite, die Augen sind friedlich geschlossen.
Wären da nicht das Blut und die Wunde, könnte man meinen, er schliefe. Und das konnte er immer auf eine Art, wie sie es nie vermochte. Sie muss immer auf der Seite schlafen, ein Kissen zwischen die Beine geklemmt. Anders Billy. Er konnte die ganze Nacht auf einem Sessel oder aufrecht sitzend im Bett schlummern. Er konnte sogar mitten während des Geometrieunterrichts ein Auge zumachen und schlafen, ohne das geringste Geräusch zu verursachen, ohne zu schnarchen, zusammenzuzucken oder sonst etwas zu tun, das ihn verraten hätte. Er konnte genauso gut unbemerkt schlafen, wie er unbemerkt leben und überhaupt so ziemlich alles unbemerkt tun konnte. Hinter seiner unnachgiebigen, freundlichen Miene konnte er seine Ängste verbergen, seine Gefühle, seine Gedanken. Sie war die Einzige, die das von ihm wusste, die Einzige, die ihn verstand.
Du schläfst bloß, Billy.
Bitte. Ich bin’s, Billy, komm schon. Schlag die Augen auf und sag: »Überraschung!«
Bitte schlaf nur.
»Man kann es natürlich noch nicht mit Gewissheit sagen«, klärt Wizniewski ihren Vater auf. »Tatsächlich sieht es aber ganz danach aus, als wäre Detective Fenton hereingekommen, hätte die beiden überrascht und das Feuer eröffnet. Billy hat zurückgeschossen. Sie haben sich gegenseitig erschossen. Die verdammte Schießerei am O.K. Corral, hier, in diesem Schlafzimmer.«
»Mein Gott.«
Nein, denkt Patti bei sich. So ist das hier nicht abgelaufen.
Ihre Beine drohen einzuknicken, und ihr schwirrt der Kopf. Jemand zieht sie weg, es ist ihr Vater, und sosehr sie sich davor gefürchtet hatte, Billy zu sehen, so fürchtet sie sich jetzt noch mehr davor, den Blick von ihm abzuwenden.
Ihr Vater zieht Patti wieder zurück ins Wohnzimmer. Sämtliche Officers halten inne mit dem, was sie gerade tun, starren Vater und Tochter so an, als wären sie Ausstellungsstücke in einem Museum.
Rettungssanitäter mit Leichensäcken in den Händen schlüpfen an Patti vorbei und gehen ins Schlafzimmer.
Leichensäcke. Sie erträgt den Gedanken nicht.
»Wir gehen bei dieser Sache ganz nach Vorschrift vor«, sagt ihr Vater in den Raum hinein. »Das ist mein Sohn da drinnen, ja, aber er war ein Cop. Vor allem anderen war er ein Cop. Und zwar ein verdammt guter. Erweisen Sie ihm und Detective Fenton die Ehre, indem Sie bei diesem Fall alles richtig machen. Alles nach Vorschrift, Leute. Keine Fehler. Keine abgekürzten Verfahren. Geben Sie Ihr Bestes. Und löst …«
Ihr Vater unterdrückt die Tränen. Die Leute im Raum nicken ernst. Pattis Brustkorb ist wie zugeschnürt, und sie ringt heftig nach Luft.
»Löst mir diesen Fall«, bringt ihr Vater den Satz zu Ende. »Klärt dieses Verbrechen auf.«
Plötzlich bekommt Patti Platzangst, dreht sich um und geht zur Tür. Das hier ist nicht real, beschließt sie. Das hier ist nicht geschehen.
»Oh mein Gott!«
Sie vernimmt diese Worte, als sie gerade an der Tür angelangt ist. Nicht aus dem Mund ihres Vaters und auch nicht von einem der Officers im Hauptraum.
Sondern von einem der Rettungssanitäter.
»Ich fühle einen Puls! Da ist ein Puls!«, schreit der Mann. »Der hier lebt noch!«
Detective Billy Harney rieb sich fröstelnd die Hände, und auch die weißen Atemwölkchen, die er ausstieß, brachten ihm vor Augen, wie kalt Chicago Mitte März sein konnte. Drei Stunden im SUV waren genug. Er hasste Observierungen. Auch wenn diese hier seine Idee gewesen war. Sein Fall.
Es begann mit dem Tod einer Studentin, einer Studentin im vorletzten Studienjahr an der University of Chicago. In der Gegend um den Campus – Hyde Park – gab es ein paar üble Ecken, und alle glaubten an einen ganz normalen Großstadtmord. Doch keiner wusste, was Billy dank eines Downloads der Daten auf ihrem Handy herausgefunden hatte, nämlich dass die junge Frau in ihrer Freizeit als Hostess anschaffen gegangen war. Sie arbeitete über ein Internetportal, das am Tag nach ihrem Tod aus dem Netz verschwunden war, und ihre Textnachrichten deuteten darauf hin, dass sie einen bestimmten Kunden bedient hatte, der bereit gewesen war, für seine ungewöhnlichen Bedürfnisse ungewöhnliche Dollarbeträge springen zu lassen.
Kurz gesagt stand er darauf, sie beim Sex zu würgen.
Der Mann war freier Makler, verheiratet, Vater von mehreren Kindern und scheffelte in einer Woche mehr Geld als Billy in zwei Jahren. Er war einer von denen, die sich zu ihrer Verteidigung eine ganze Armee erstklassiger Anwälte leisten konnten. Weil Billy wollte, dass dieses Arschloch unvorsichtig wurde und sich entspannte, ließ er durchsickern, ein des Mordes an der Studentin Verdächtiger befände sich in Haft und das Ganze sähe nach einem stinknormalen Überfall in Hyde Park aus. Anschließend heftete sich Billy an die Fersen des verschissenen Maklers.
Vor genau einer Woche, um Punkt 21 Uhr, hatte der Makler das rote Sandsteinhaus unten an der Straße betreten. Billy hatte ihn auf Video aufgenommen, war sich jedoch nicht sicher, was drinnen vor sich ging, und hielt den Ball daher flach. Nach kurzer Observierung war ihm klar, dass es sich um einen Edelpuff handeln musste.
Wenn man also davon ausging, dass dieser Kerl feste Termine hatte – und darauf hätte Billy seinen Arsch verwettet –, dann musste heute Abend der Abend sein. Es galt also, den Mann mit heruntergelassenen Hosen zu erwischen und ihm einen einfachen Deal anzubieten: Ich verzichte darauf, dich wegen Verstoßes gegen das Prostitutionsgesetz zu verhaften, wenn du mir dafür ein paar Fragen über eine tote Studentin beantwortest. Das war Billys Ziel. Es war immer besser, in dem Moment mit einer Vernehmung zu beginnen, wenn der Befragte sich vor Angst in die Hosen machte und alles daransetzte, dem Fragenden entgegenzukommen.
Er schob den Ärmel seines Mantels hoch und schaute auf seine Armbanduhr. Halb neun. Er blies sich den warmen Atem in die gewölbten Hände.
»Sosh, wie ist die Lage?«, fragte er in sein Funkgerät Soscia, den Cop in einem der anderen Fahrzeuge, die zwei Blocks weiter die Ostseite des Gebäudes überwachten.
»Bereit und willig«, erklang Soshs Antwort über Billys drahtlosen Ohrhörer. »So wie deine Schwester.«
»Meine Schwester würde dich nicht mit der Kneifzange anfassen.«
»Harney, komm wieder in den Wagen!« Die Aufforderung stammte von seinem Partner, Katherine Fenton, die noch im warmen Auto saß.
»Sosh, wie schlägt sich eigentlich dein Frischling?« Soscia hatte einen neuen Detective an seiner Seite, ein netter junger Kerl namens Reynolds. »Ich habe ihm heute das Mittagessen spendiert.«
»Teufel, das weiß ich doch. Er meinte, es sei deine Idee gewesen, den Burrito mit ein paar extra Pintobohnen belegen zu lassen. Und jetzt hänge ich seit drei Stunden mit ihm in diesem Kastenwagen herum.«
Billy grinste. So übel waren Observierungen gar nicht. »Hey, Crowley, bist du noch wach?«
Die Frage galt den Insassen des dritten Wagens, Crowley und Benson.
»Und wie, ich kriege gleich noch einen Herzkasper vor lauter Aufregung. Wie viele Cops braucht man eigentlich, um einen einzigen Verdächtigen zu schnappen?«
Dieses Argument hatte neben Crowley auch Sosh vorgebracht. Aber sie befanden sich hier im Schickimicki-Viertel der Stadt, der Gold Coast, und hier wollte er keinen Fehler machen. Bei dieser Sache wollte er alte Hasen wie Sosh und Crowley dabeihaben.
»Was denn, Crowley, wärst du jetzt etwa lieber woanders? Ich weiß, dass deine Alte nicht zu Hause ist, denn sie sitzt jetzt in diesem Moment bei Sosh im Wagen.«
»Tja, dann ist bei Sosh jetzt also auch tote Hose.«
Es war verdammt kalt hier draußen. Er war gerade mal zehn Minuten aus dem Auto heraus und verspürte bereits einen beißenden Schmerz in den Zehen.
Er öffnete die Beifahrertür und stieg wieder in den warmen SUV. Detective Fenton – Kate – warf ihm einen Blick aus dem Augenwinkel zu.
»Hey.« Billy erstarrte auf seinem Sitz. »Auf zwei Uhr. Endlich regt sich was.«
»Stimmt.« Kate sprach in ihr Funkgerät. »Weiße männliche Person geht auf der Astor in nördliche Richtung. Brauner Mantel, braune Mütze.«
Katie ist immer so angestrengt, dachte Billy. Der Mann ist die einzige Person weit und breit, also kann er uns gar nicht durch die Lappen gehen.
Aber er ließ das unkommentiert. Wenn man Kate sagte, sie solle mal einen Gang herunterschalten, war es so, als werfe man ein Streichholz in eine Benzinlache. »Habt ihr ihn, Crowley?«
»Und ob. Er lächelt gerade freundlich in die Kamera.«
»Ich kenne den Kerl«, erklärte Fenton. »Echt jetzt, oder? Das ist doch der Typ aus dieser Show.«
»Was für eine Show?«
»Diese Show … mit den Filmrezensionen … Front Row oder so ähnlich.«
»Stimmt.« Er hatte die Sendung gesehen. The Front Row mit … an den Namen konnte er sich nicht erinnern. »Allein dafür sollten wir ihn verhaften.«
»Ja … das ist er«, sagte Sosh. »Brady Wilson.«
Sie warteten ab, bis der Filmkritiker die Stufen des Sandsteinhauses hinaufgetigert war. Noch bevor er den Summer drückte, öffnete ein Mann in dunklem Anzug die Tür und ließ ihn ein.
»Schick«, sagte Crowley. »Glauben wir, dass er geschäftlich hier ist?«
»Na klar, was denn sonst«, versetzte Billy. »Alle drei Etagen gehören dem gleichen Kerl. Angeblich wohnt er auch dort, aber seit ich an der Sache dran bin, habe ich noch nie ein Anzeichen dafür gesehen, dass das Haus wirklich bewohnt ist. Drei Etagen, wahrscheinlich acht oder zehn Schlafzimmer.«
»Da platzen wir also vielleicht in eine richtig feuchtfröhliche Party rein.«
»Vielleicht sollten wir die Sitte mit ins Boot nehmen«, schlug Billy vor, wohl wissend, welche Reaktion er darauf ernten würde.
»Scheiß auf die Sitte«, sagte Katie. »Das hier ist unser Bier.«
»Ach du heiliger Strohsack«, sagte Sosh. »Ach du heiliger, verschissener Strohsack.«
»Drück dich klar aus, Sosh.«
»Ihr werdet nie glauben, wer gerade an mir vorbeigegangen ist. Crowley, habt ihr das auf Video?«
»Verstanden, wir haben … Heilige Mutter Gottes.«
»Sagt ihr mir jetzt endlich mal, was Sache ist?«
Billy wünschte, er hätte ein leistungsstarkes Nachtsichtgerät dabei. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Er angelte ein Fernglas vom Rücksitz und richtete es auf die Stufen des Gebäudes, die gerade ein älterer Herr zur Haustür hinaufstieg.
»Nun sieh mal einer an«, sagte Billy. »Wenn das mal nicht Seine Exzellenz Erzbischof Michael Xavier Phelan ist.«
»Herr, er ist Deiner nicht würdig …«
Billy war sich nicht im Klaren darüber, ob er aufgeregt oder enttäuscht sein sollte. Seine Partnerin Kate hatte sich hingegen entschieden – sie war hellauf begeistert. Diese Sache war soeben zu einem Fall geworden, dem viel öffentliche Aufmerksamkeit zuteilwerden würde.
»Nun bleibt alle mal schön auf dem Teppich, Leute«, sagte Billy. »Wahrscheinlich geht er bloß rein, um jemandem die Beichte abzunehmen.«
Ein schwarzer SUV, ganz ähnlich dem Wagen, in dem Billy saß, hielt an der Bordsteinkante vor dem Sandsteinhaus. Soweit Billy es durch das Fernglas in dem fahlen Licht erkennen konnte, waren die Scheiben getönt. Das war sonderbar, denn getönte Scheiben waren in diesem Bundesstaat bis auf ganz wenige Ausnahmen tabu.
Ausnahmen wie beispielsweise Fahrzeuge, in denen Regierungsbeamte befördert wurden.
Billy schwenkte sein Fernglas auf das Nummernschild hinunter, um es dann wieder zu heben.
»Ach du Scheiße«, sagte er. »Ich rufe jetzt lieber Wizniewski an.«
»Wieso das denn?«, fragte Kate und hüpfte dabei fast aus ihrem Sitz.
Billy schüttelte den Kopf.
»Weil gerade der Bürgermeister von Chicago aus diesem Wagen gestiegen ist.«
Einen Block von seinem Observierungspunkt entfernt stieg Billy in die Limousine. Im Wagen stank es nach Zigarrenrauch. Wizniewski verbreitete diesen Geruch ständig.
Wizniewski wandte sein Mondgesicht Billy zu. »Wie viele sind drinnen?«
»Wir haben zwölf Personen reingehen sehen«, erwiderte Billy. »Nie zwei zur gleichen Zeit. Als wäre alles zeitlich so abgestimmt, dass niemand einen anderen zu Gesicht bekommt. So diskret, wie es nur geht. Sieben von ihnen konnten wir nicht identifizieren. Einer von ihnen ist mein Tatverdächtiger bei dem Mord an der Studentin, der Makler. Ein anderer ist dieser Filmkritiker, der eine eigene Sendung hat, Brady Wilson. Und dann ist da noch so ein Schwarzer, Soshs Partner zufolge ein Rapper namens Chocolate Q.«
»Wofür zum Teufel steht das denn?«
Billy schaute Wizniewski an. »Das frage ich ihn, sobald ich ihn verhaftet habe.«
Wizniewski rieb sich die Augen. »Und ihr seid euch sicher, was den Erzbischof angeht?«
»Absolut.«
»Und der …« Wizniewskis Lippen formten ein B, aber er war nicht imstande, das Wort über die Lippen zu bringen.
»Es ist der Bürgermeister, kein Zweifel. Seine Sicherheitsleute haben ihn abgesetzt, sind aber nicht mit reingegangen. Ihr Auto parkt am Ende des Blocks. Wie viele sind wir?«
»Ich habe zehn Uniformierte abrufbereit«, erwiderte Wizniewski.
Zehn plus die sechs Detectives sollten ausreichen.
»Sie müssen das nicht tun«, sagte Wizniewski. »Das wissen Sie.«
Damit wollte er sagen, dass Billy nicht alle zu verhaften brauchte. Er konnte das tun, weshalb er hergekommen war, nämlich den des Mordes an der Studentin Verdächtigen zu verhaften, und ansonsten beide Augen zudrücken.
Du Hosenscheißer. Wizniewski dachte immer an morgen, war immer darauf bedacht, die Karriereleiter zu erklimmen, immer gut für einen politischen Schachzug im Büro. Diese Sache konnte so oder so ausgehen, wurde nun auch Billy klar. Immerhin wurde der Polizeipräsident vom Bürgermeister ernannt. Vielleicht war Ersterer nicht besonders glücklich darüber, wenn Letzterer einkassiert wurde; ging der Bürgermeister unter, galt das womöglich auch für ihn. Billy konnte für diese Sache eine 1+ mit Sternchen ins Zeugnis bekommen, es konnte aber de facto auch das Ende seiner Karriere im Department bedeuten. Gleiches galt für Wizniewski. Diese Sache konnte das Beste sein, was ihrer beider Karriere jemals widerfahren war – oder das Schlechteste. Ein Typ wie Wizniewski, der immer die politischen Konsequenzen abwog, vermied derlei Risiken.
Doch Billy war anders gepolt als Wizniewski. Für ihn war es einfach. Es lief auf drei Worte hinaus: Mach deinen Job. Alles, was darüber hinausging, führte nur dazu, dass man nicht mehr sein Bestes gab. Es vernebelte einem die Sicht und bewirkte, dass man nicht mehr der Cop war, der man sein sollte.
Mach deinen Job. Ihm lag ein hinreichender Verdacht dafür vor anzunehmen, dass hier eine unmittelbare Straftat vorlag, und das war alles, was zählte.
»Ziehen Sie mich von dem Fall ab?«, fragte Billy.
»Nein, nein.« Wizniewski winkte ab. »Ganz und gar nicht.«
Ganz und gar nicht, denn das wäre für Wizniewski noch schlimmer gewesen: Einem Detective die Order zu erteilen, er solle ein Verbrechen nicht untersuchen, weil ein hochrangiger Amtsträger darin verwickelt war – so etwas konnte die Entlassung aus dem Polizeidienst nach sich ziehen, vielleicht sogar eine strafrechtliche Anklage. Wizniewski war ein viel zu vorsichtiger Politiker, als dass er jemals so etwas aktenkundig werden lassen würde.
»Alles, was Sie ab jetzt tun, wird genauestens geprüft werden«, sagte Wizniewski. »Journalisten, interne Dienstaufsicht, Strafverteidiger – alle werden Sie unter die Lupe nehmen. Das begreifen Sie schon, oder? Ich will damit nur sagen, dass es für mich okay wäre, wenn Sie das jetzt nicht durchziehen wollen. Falls Sie es bei dem Mordverdächtigen belassen und alles andere außen vor lassen wollen. Wir sind nicht von der Sitte. Es ist nicht unser Job, Freier und Nutten zu verhaften.«
Statt eine Antwort zu geben, wartete Billy nur ab.
»Wenn Sie das hier versauen«, sagte Wizniewski, »könnte es die letzte Verhaftung sein, die Sie vornehmen werden. Es könnte schlechtes Licht auf Ihren Vater werfen. Und auf Ihre Schwester. Sie könnten sich daran auf vielerlei Weise die Finger verbrennen. Das haben Sie nicht nötig, Billy. Vor Ihnen liegt eine vielversprechende Karriere.«
Als deutlich wurde, dass Wizniewskis Ansprache beendet war, wandte sich Billy ihm zu. »Kann ich jetzt meinen Job erledigen?«
Mit mürrischer Miene und einer wedelnden Handbewegung entließ ihn Wizniewski.
Billy stieg aus dem Wagen in die beißend kalte Luft hinaus und hielt auf das Sandsteinhaus zu.
Billy und sein Partner, Detective Kate Fenton, näherten sich dem schwarzen SUV, der an der Ecke geparkt war und in dem die Security-Mitarbeiter des Bürgermeisters saßen. Mit seinem Stern in der Hand trat Billy an die Fahrertür heran.
Die getönte Scheibe glitt herunter. Offensichtlich verärgert wandte sich ein kräftiger Mann mittleren Alters den Detectives zu.
»Sie parken vor einem Hydranten«, sagte Billy.
»Wir sind vom Sicherheitsdienst des Bürgermeisters.«
»Und deshalb gilt die Straßenverkehrsordnung für Sie nicht?«
Über diese Frage dachte der Mann eine Weile nach. »Wollen Sie, dass ich den Wagen bewege?«
»Ich will, dass Sie und Ihr Team aus dem Wagen steigen.«
»Warum müssen wir aus dem Wagen steigen?«
»Sie müssen aus dem Wagen steigen, weil ein Police Officer es Ihnen befohlen hat«, erklärte Billy.
Nun glitt die Fensterscheibe hinter dem Fahrersitz herunter. »Ich bin Ladis«, sagte der Mann auf dem Rücksitz. »Ehemals Chicago Police Department.«
»Gut. Dann können Sie ja Ihren Freunden erklären, dass es nötig ist, einer rechtmäßigen polizeilichen Anordnung Folge zu leisten.«
Es dauerte eine Weile, doch dann stiegen alle drei Männer aus dem Wagen. Billy entschied sich für den ehemaligen Cop, Ladis. »Wie kontaktieren Sie den Bürgermeister beziehungsweise wie kontaktiert er Sie?«
Die Frage schmeckte Ladis nicht, doch widerwillig gab er Antwort: »Er drückt zweimal auf die Rautetaste auf seinem Telefon beziehungsweise wir tun es.«
»Wer hat alles so ein Telefon?«
Ladis schaute die anderen an. »Wir drei und der Bürgermeister.«
»Geben Sie mir Ihre Telefone. Alle drei.«
»Das ist unmöglich.«
Billy trat näher an Ladis heran. »Wir knöpfen uns dieses Sandsteinhaus vor«, sagte er, »und wir wollen nicht, dass jemand vorzeitig davon erfährt. Händigen Sie mir Ihre Telefone aus, sonst verhafte ich Sie wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen, Befehlsverweigerung und allem anderen, was mir noch einfällt, bis ich Sie in den Hochsicherheitstrakt gekarrt habe, vor dem dann schon mehr als ein Dutzend Reporter warten werden.«
Diese Erklärung leuchtete Ladis ein, sodass er und die anderen ihre Telefone aushändigten. Ein junger Beamter in Uniform schlenderte auf den SUV zu. »Dieser Officer wird bei Ihnen im Wagen bleiben«, sagte Billy. »Er wird verärgert reagieren, falls einer von Ihnen versuchen sollte, in irgendeiner Form zu kommunizieren, SMS, E-Mail, Anruf, was auch immer. Bleiben Sie einfach im Auto sitzen und hören Sie Radio. Haben Sie mich verstanden?«
»Verstanden«, sagte Ladis.
»Ach, eines noch«, fügte Billy hinzu. »Borgen Sie mir mal Ihren Mantel.«
Billy ging auf das Sandsteinhaus zu und stieg die Stufen hinauf. Oben angekommen drückte er auf den Summer und wartete.
»Hallo?«, ertönte eine Stimme durch die Gegensprechanlage.
»Sicherheitsdienst des Bürgermeisters«, sagte Billy, während er dafür sorgte, dass das Emblem auf seinem Mantel klar und deutlich für möglicherweise vorhandene Überwachungskameras zu erkennen war. »Ich muss ihn sprechen.«
»Der Bürgermeister ist nicht hier.«
»Wir haben ihn gerade hierhergefahren, Sie Vollpfosten. Ich muss mit ihm sprechen.«
Das Licht im Vorraum ging an. Ein großer, breiter Mann im Anzug öffnete die Tür. Sein Jackett wies in Hüfthöhe eine Ausbeulung auf. Er war bewaffnet. Und wahrscheinlich gefiel es ihm nicht, Vollpfosten genannt zu werden.
Der Mann machte die Tür einen Spaltbreit auf. »Warum rufen Sie ihn nicht an?«, wollte er wissen.
»Tja, das ist das Problem«, erwiderte Billy, beugte sich vor und drückte die Tür ganz auf. Dann trat er ein und versetzte dem Mann einen raschen Jab gegen die Kehle. Der gab ein ersticktes Würgen von sich, bevor er gänzlich die Fähigkeit verlor, Geräusche zu machen.
»Grün, grün«, rief Billy in das Mikrofon an seinem Kragen. Gleichzeitig packte er den Hünen, warf ihn gegen das Treppengeländer und hielt die Tür dabei mit einem Fuß offen.
Von weiteren Officers gefolgt stürmten die anderen Detectives die Stufen hinauf.
»Hände auf das Geländer, Beine auseinander!«, befahl Billy, bevor er den Hünen einem der Uniformierten übergab. »Er trägt links eine Waffe an der Hüfte.«
Und er hat Halsschmerzen.
Billy ging voran. Die Beleuchtung war schummrig, und in der Luft waberte der Geruch von Räucherwerk. Eine Treppe führte ins Obergeschoss. Daneben befand sich eine Tür, die zu so etwas wie einem Wandschrank führte. Der leise Klang von Musik – ein satter Bass – drang von unten zu ihnen.
»Crowley«, wies Billy an, »sichern Sie das Erdgeschoss. Sosh …«
Mit einer Schrotflinte im Anschlag kam ein Mann hinter einem Vorhang direkt vor Billy zum Vorschein. Bevor Billy Polizei, keine Bewegung! rufen konnte, kümmerte sich Katie um ihn. Sie fegte den Lauf der Schrotflinte beiseite, rammte dem Mann das Knie in die Eier und jagte ihm, als er sich vor Schmerzen vornüberkrümmte, das andere Knie in die Magengrube. Lautlos sackte der Mann zu Boden, während Katie triumphierend die Schrotflinte hochhielt.
Tja, das war das.
Erneut kam ein Mann hinter dem Vorhang hervor – es war wie bei einer Zirkusnummer –, und erneut agierte Katie, bevor Billy auch nur einen Pieps von sich geben konnte, indem sie dem Mann den Lauf der Schrotflinte ins Gesicht schmetterte, worauf er rücklings zu Boden krachte.
Leg dich nicht mit Katie an.
Billy dirigierte die Kollegen in Uniform weiter ins Haus und hinauf. Er selbst ging zu der Tür neben der Treppe und öffnete sie. Es handelte sich tatsächlich um einen Wandschrank, allerdings um einen der sonderbaren Art – er hatte keine Querstange, an der man hätte Mäntel aufhängen können. Auch auf dem Boden war nichts. Es gab nicht einmal Kleiderhaken.
Dafür war der satte Bass nun deutlicher zu hören.
Billy trat in den Wandschrank, legte die Hand auf die hintere Wand und drückte. Sofort gab sie nach. Es war eine falsche Wand, die Tür führte zum Souterrain.
Billy bedeutete einigen Uniformierten, ihm zu folgen. Mit der Waffe im Anschlag ging er die Treppe hinab ins Untergeschoss. Die Musik hämmerte ihm in den Ohren.
Ob sie den Aufruhr über sich gehört hatten?
Wahrscheinlich nicht. Es hatte den Anschein, als sei der Raum gegen Geräusche von außen isoliert.
Die Musik war laut, die Stimme der Sängerin klang sinnlich, übertönte den Bass geradezu wie ein Stöhnen. Als Billy auf der untersten Stufe angelangt war, schwenkte er mit der Waffe im Anschlag herum.
Die schummrige Beleuchtung warf ein purpurfarbenes Licht. In der Mitte des Raums befand sich eine Stripper-Stange, um die sich geschmeidig eine nackte Frau wand, kopfüber und mit den Beinen den glänzenden Stahl umklammernd. Überall um sie herum befanden sich mehr oder weniger entkleidete Frauen in erotischen Kostümen. Hier die unanständige Krankenschwester, dort das katholische Schulmädchen, dann eine Domina – hier und da Männer, einige ebenfalls in Kostümen, allesamt mit Masken, um ihr Gesicht zu verbergen.
Da die Anwesenden sich in ihren Fantasien verloren hatten, bemerkte sie keiner von ihnen sofort. Der Barkeeper, der sich von ihm aus in der Drei-Uhr-Position befand, war der Erste, und da er im Dunkeln hinter einem kleinen Tresen stand, stellte er für sie eine Bedrohung dar.
»Polizei – keine Bewegung!«, rief Billy, die Waffe auf den Barmann gerichtet. Der hielt Billy die offenen Handflächen entgegen, während dieser auf ihn zuging.
Dann brach Chaos aus. Die Mitglieder seines Teams, die hinter Billy standen, bellten Anordnungen und befahlen allen, sich flach auf den Boden zu legen. Fliehen konnte keiner der Anwesenden, denn der einzige Ausgang war von der Polizei versperrt, und keiner von ihnen war in einer Position, in der er sich der Autorität von einem halben Dutzend Polizisten, die ihre Schusswaffen auf sie gerichtet hatten, hätte widersetzen können.
Billy zählte sechs Männer. Zwölf hatten das Gebäude betreten.
»Crowley, wie ist die Lage?«, fragte er in sein Funkgerät.
»Erdgeschoss gesichert. Fenton hat sich um die einzigen beiden Gorillas gekümmert.«
»Sosh, wie sieht es im Obergeschoss aus?«
»Alles klar. Hier oben ist nur die Chefin des Ladens.«
Zwölf Männer hatten das Haus betreten, die drei Tölpel, die sie überwältigt hatten, nicht eingerechnet. Die fehlenden befanden sich weder im Obergeschoss noch im Erdgeschoss. Wo also waren sie?
Dann bemerkte er in der Ecke des Raums eine weitere Tür.
Billy stieß die Tür auf. Sie war dick gepolstert wie die Wand auch – ebenfalls schallgedämmt, mutmaßte er. Das leuchtete ein bei einem Sexclub oder was zur Hölle das hier sein mochte.
Er trat in einen langgezogenen Flur, auf dem zu beiden Seiten jeweils drei Türen abgingen.
Sechs weitere Männer, sechs Schlafzimmer.
Er bedeutete Sosh, Kate und einigen Uniformierten, ihm in den Flur zu folgen, und wies jedem von ihnen eine Tür zu. Alle hatten ihre Waffe im Anschlag, und den Detectives baumelte ihr Stern an einer Kordel um den Hals.
Auf Billys Zeichen hin traten sechs Mitglieder des Chicagoer Police Departments gleichzeitig sechs verschiedene Türen auf.
»Polizei – keine Bewegung!«, rief Billy, während er einen dunklen Raum betrat, der nur vom Lichtschein der Straßenlaterne erleuchtet wurde. Auf einem Bett nahm er Bewegung wahr. Er schaltete das Licht ein und wiederholte brüllend seinen Befehl. Zwei Personen, beide nackt, der Mann auf der Frau liegend, bemühten sich hektisch, ihre Blöße zu bedecken. Aber sie waren unbewaffnet, stellten keine Bedrohung dar. Bedroht war hier nur ihre eigene Würde.
Die Frau wirkte jung. Sehr jung. Womöglich war sie minderjährig.
Der Mann war dreimal so alt wie sie.
»Auf den Boden! Beide! Gesicht nach unten auf den Boden!«
Sie gehorchten. Billy drehte dem Mann die Hände hinter den Rücken und legte ihm Handschellen an. »Miss, wie alt sind Sie?«
»Zweiundzwanzig«, sagte sie mit bebender Stimme.
Gegen seine ursprüngliche Absicht legte er nun auch ihr Handschellen an. »Wenn Sie zweiundzwanzig sind, bin ich der Kaiser von China. Und Sie, Sir, wie heißen Sie?«
»Was?«
»Wie heißen Sie, Sir?«
»Mein Name ist … John Barnes.«
Billy hockte sich neben ihn. »John Barnes, sagten Sie?«
»Ja … ja.«
»Okay. Dann lag ich wohl daneben. Einen Moment lang dachte ich nämlich, Sie wären Erzbischof Phelan. Aber das hochrangigste Mitglied meiner Kirche in dieser Stadt würde ja wohl nicht die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nehmen, einer, die, wie mir scheint, noch minderjährig ist. Denn das wäre ja noch schlimmer als eine Anzeige wegen Prostitution. Das wäre sexueller Missbrauch einer Minderjährigen.«
»Oh nein. Oh mein Gott. Oh Gott, hilf mir …«
»Tja, von daher ist es schon von Vorteil, dass Sie John Barnes sind.«
Billy trat ein paar Schritte zurück und spähte in den Flur. Mittlerweile wimmelte es dort von Polizisten. Billy bedeutete einem Uniformierten, das Zimmer zu sichern.
In diesem Moment trat Detective Soscia aus einem anderen Zimmer und nickte Billy zu. »Der Bürgermeister möchte mit dem Verantwortlichen sprechen«, sagte er breit grinsend.
Billy steckte den Kopf in das Zimmer. Der Bürgermeister, Francis Delaney, saß aufrecht auf dem Bett. Er hatte sich ein Laken um die Hüfte geschlungen, die Hände hatte man ihm hinter dem Rücken in Handschellen gelegt, und das wenige Haupthaar, das dem Mann geblieben war, stand fast senkrecht ab. Er hatte ein knallrotes Gesicht, vielleicht noch vom Sex, wahrscheinlicher jedoch von der Demütigung, die ihm nun zuteilwurde.
»Sind Sie der verantwortliche Detective?«, fragte der Bürgermeister.
»Das bin ich.«
»Könnten Sie die Tür schließen?«
Billy zuckte mit den Schultern. »Könnte ich, tue ich aber nicht. Sie hatten heute Abend bereits Ihr Vergnügen. Und nichts für ungut, aber Sie sind nicht mein Typ.«
Der Bürgermeister verstand den Witz nicht, den Billy gerissen hatte. »Das ist … das ist eine heikle Situation.«
»Für einen von uns beiden schon.«
»Nun … ich habe mich gefragt, ob hier womöglich ein wenig Diskretion in Betracht gezogen werden könnte.«
»Diskretion? In Betracht? Ich betrachte Sie als Trottel, weil Sie Ihre Position für ein billiges Vergnügen aufs Spiel setzen. Ich betrachte Sie als selbstsüchtiges Stück Scheiße, weil Sie die Leute, die Sie gewählt haben, verarschen. Reicht Ihnen das?«
Der Bürgermeister ließ den Kopf hängen. »Ich bin ein guter Bürgermeister für diese Stadt. Das bin ich wirklich.«
»Sie wollen sagen, wenn Sie gerade mal nicht die Altersrenten der Polizisten kürzen, um den Haushalt auszugleichen?«
Nun witterte der Bürgermeister einen Ausweg und schaute auf. »Vielleicht sollten wir uns darüber mal unterhalten«, sagte er.
»Klar. Gehen wir doch mal irgendwann zusammen ein Tässchen Kaffee trinken.«
»Nein. Ich meine … vielleicht ist das ja etwas, was Sie und ich hier und jetzt miteinander ausarbeiten könnten.«
Billy hockte sich hin, sodass er sich auf Augenhöhe mit dem Bürgermeister befand. »Wollen Sie damit sagen, dass Sie Ihre Haltung in Bezug auf unsere Pensionen ändern, wenn ich Sie laufen lasse?«
Das pausbäckige, rundliche Gesicht des Bürgermeisters nahm wieder Farbe an, während er, ganz Politiker, Billy hoffnungsvoll in die Augen schaute. »Nun, was wäre, wenn ich das damit sagen wollte?«
»Wenn Sie das damit sagen wollten«, erwiderte Billy, »dann würde ich Sie auch noch wegen versuchter Bestechung festnehmen.«
Als Billy das Zimmer verließ, stieß er auf Sosh. Dem hatten die Ereignisse des Abends den Schweiß auf die markante Stirn getrieben. »Und ich dachte schon, das hier wäre eine langweilige Observierung«, sagte er. »Willst du mal die Chefin von dem Laden hier kennenlernen? Gegen die sieht Heidi Fleiss aus wie eine Pfadfinderin.«
Die folgende Stunde verbrachte Billy damit, Beweise zu sichern. Er sorgte dafür, dass der Schauplatz unten auf Video aufgenommen wurde, jeder Verhaftete fotografiert wurde, sämtliche Namen aufgenommen wurden (schockierenderweise gaben einige Personen falsche Namen an), und begann damit, in dem Haus nach Aufzeichnungen zu suchen.
Als sämtliche Verhaftete in der grünen Minna saßen und die uniformierten Beamten ihre Marschbefehle bekommen hatten, fand sich Billy alleine mit Sosh im Erdgeschoss wieder.
»Die Bordellwirtin«, sagte Billy. »Statten wir ihr doch mal einen Besuch ab.«
Als sie gerade die Treppe hinaufgehen wollten, kam ihnen Goldie entgegen – Lieutenant Mike Goldberger, Billys Favorit in den Reihen der Polizeitruppe, sein Mentor, sein Vertrauter, einer der ganz wenigen Leute, denen er bedingungslos vertraute.
»Da bist du also«, sagte Goldie und klatschte Billy ab. »Großer Abend für dich. Wollte dir bloß gratulieren. Dachte, du wärst auch oben, um dich rühmen und lobpreisen zu lassen.«
»Oben?«
»Oh ja. Der stellvertretende Polizeipräsident ist oben.«
»Wirklich?«
»Klar. Die Sache verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Bei Wizniewski klingt es so, als hätte er die ganze Sache geleitet. Man sollte meinen, es wäre eine One-Man-Show gewesen, mit ihm als Hauptdarsteller.«
»Was für ein Arschloch«, sagte Sosh.
»Mach, dass du nach oben kommst«, sagte Goldie. »Stell dich ins Rampenlicht. Ich wollte deinen Namen in die Runde werfen, aber Wizniewski hat spitze Ellbogen. Nochmals Glückwunsch, mein Junge.«
Goldie muss man einfach gernhaben. Billy und Sosh gingen hinauf.
Im Obergeschoss befand sich, wie Goldie angekündigt hatte, der stellvertretende Polizeipräsident. Mit breitem Grinsen schüttelte er Wizniewski die Hand und klopfte ihm mit der anderen Hand auf die Schulter. Der stellvertretende Polizeipräsident war vom Bürgermeister für den Spitzenjob übergangen worden und von daher nun nicht im Geringsten unglücklich darüber mitanzusehen, wie der Bürgermeister hopsgenommen wurde. Nachdem der Bürgermeister versucht hatte, die Pensionsansprüche der Polizei zu kürzen, galt dies für jeden Cop.
Wizniewski nickte Billy und Sosh zu, sagte jedoch nichts und stellte sie auch nicht dem stellvertretenden Polizeipräsidenten vor. Sosh murmelte etwas wenig Schmeichelhaftes vor sich hin, doch Billy machte es im Grunde nichts aus. Mach deinen Job. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht?
Sie kamen an einem Büro vorbei, worauf Billy kurz stehen blieb und einen Blick hineinwarf. Das Zimmer war picobello; in ihm stand ein wunderschöner Schreibtisch aus Ahornholz, auf dem ordentlich sortiert mehrere Stapel Papiere lagen. Ein Computer war aber nicht zu sehen. Kate durchkämmte den Raum gerade mit mehreren Uniformierten von oben bis unten. Sie hatten alle Schranktüren geöffnet, blätterten die Bücher durch, die in den Regalen standen, schlugen den Teppich zurück, das volle Programm.
»Wie ist die Lage?«, erkundigte sich Billy.
Katie trat auf ihn zu. »Du weißt schon, dass Wizniewski dort drüben alle Lorbeeren für die Verhaftung einheimst?«
Billy zuckte mit den Schultern. »Habt ihr was im Arbeitszimmer gefunden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Keine Aufzeichnungen. Kein Computer. Sogar der Aktenvernichter ist leer. Jede Menge Bargeld, aber das war’s auch schon.«
Eine allzu große Überraschung war das nicht. Dokumente im Computer waren fast so übel wie E-Mails und Textnachrichten – einmal angelegt konnten sie nie wieder wirklich gelöscht werden. Diese Leute hier waren Profis. Natürlich mussten sie Aufzeichnungen haben, aber nur von der Sorte Bleistift und Papier.
»Kein kleines schwarzes Buch?«, fragte Billy.
Katie schüttelte den Kopf. »Es muss eines geben. Aber hier ist es nicht.«
Billy deutete mit dem Kopf auf das Zimmer nebenan. »Sprechen wir mal mit der Puffmutter.«
Sie gingen ein Zimmer weiter. Dort saß Crowley mit einer Frau, die nicht besonders glücklich wirkte. Sie sah gut aus, war im mittleren Alter, schlank, hatte blond gefärbtes Haar und trug einen eleganten blauen Anzug.
»Darf ich euch Ramona Dillavou vorstellen?«, sagte Crowley, der hundemüde aussah. »Sie ist Chefin dieses Etablissements. So ist es doch, Ramona, nicht wahr?«
»Fick dich!«, schnauzte sie und verschränkte die Arme. »Ich muss keinen Ton zu Ihnen sagen.«
»Ich habe ihr ihre Rechte vorgelesen«, sagte Crowley und verdrehte die Augen. »Irgendwie schwant mir, dass sie die Ansprache schon einmal gehört hat.«
Billy trat auf die Frau zu. »Wo ist Ihr Computer?«, fragte er.
»Ich muss darauf nicht antworten.«
»Ich finde ihn so oder so. Verraten Sie es mir lieber gleich.« Billy zog einen kleinen Notizblock, an den ein Stift geklemmt war, aus seiner Innentasche. »Ich werde mir sogar eine Notiz machen, dass Sie kooperativ waren. Und dann male ich noch ein Smiley daneben.«
»Fick dich!«, keifte sie erneut.
»Und was ist mit Ihrem Buch?«
»Was für ein Buch? Meine Bibel?«
»Kommen Sie schon.« Katie trat gegen das Stuhlbein, worauf die Frau ein wenig in Schräglage geriet. »Spucken Sie es aus.«
»Ich habe keinen Computer. Ich habe auch kein Buch.«
»Hören Sie, Lady«, sagte Katie.
»Mein Name ist nicht Lady. Mein Name ist Ramona. Und dich nenne ich Bullenschlampe.«
Sosh biss sich auf den Knöchel. Katie war niemand, mit dem man sich anlegen wollte.
»Aber was soll’s«, fuhr Ramona fort. »Wahrscheinlich kriegst du nicht einmal einen Cop rum, dich zu ficken.«
Billy zuckte zusammen. Sosh kniff die Augen zu.
»Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, sagte Katie. »Auf der anderen Seite …«
Katie versetzte der Frau eine so schallende Ohrfeige, dass sie vom Stuhl fiel.
»Das war sie, meine andere Seite«, kommentierte sie.
Billy stellte sich zwischen Katie und die Frau, die nun auf dem Boden lag. »Geh mal frische Luft schnappen«, sagte er zu Katie.
»Scheiße, ich werd dich verklagen!«, rief Ramona. »Ich werd dich verklagen, du Schlampe!«
Billy reichte der Frau die Hand. Sie starrte ihn eine Weile zornig an, bevor sie seine Hand nahm und sich wieder auf den Stuhl setzte. »Ramona«, sagte er, »wir können den Laden hier auf der Suche nach dem Buch auf den Kopf stellen. Oder Sie können uns sagen, wo es ist, dann müssen wir das nicht tun. Also, ich weiß doch, dass Sie einen Boss haben. Meinen Sie vielleicht, der freut sich, wenn Sie uns zwingen, Wände aufzustemmen und Teppiche rauszureißen?«
Guter Cop, böser Cop. Das war nur deshalb ein Klischee, weil es stimmte.
Ramona, die immer noch Schmerzen von der Ohrfeige hatte und auf deren Wange sich eine beträchtliche Schwellung bildete, schüttelte wie ermattet den Kopf. »Sie werden kein kleines schwarzes Buch finden«, sagte sie.
»Als Nächstes werden wir dann Ihr Wohnhaus durchsuchen. Uns bleibt keine Wahl.«
»Ich will einen Anwalt«, forderte sie.
Et voilà! So sei es denn.
»Die uniformierten Kollegen sollen hierbleiben, bis sie es gefunden haben«, sagte Billy zu Sosh. »Wir treiben einen Richter auf und holen uns einen Durchsuchungsbefehl für ihr Wohnhaus. Früher oder später werden wir dieses kleine schwarze Buch finden.«
Einer großartigen Razzia musste auch ein großartiger Abend folgen. Billy und Kate gingen ins Hole in the Wall, eine Bullenkneipe in der Nähe der Hochbahn-Station Rockwell. Zehn Jahre zuvor hatten zwei pensionierte Cops das Hole übernommen, es saniert und die frohe Botschaft verkündet, dass Cops hier vergünstigte Drinks bekamen – und schon brummte der Laden. Seit ein paar Jahren gab es hier eine Bühne samt Mikrofon in einer Ecke, und einmal die Woche konnte abends dort jeder auftreten. Diese Nummer wurde derart beliebt, dass bald eine Institution daraus wurde. Seitdem zog der Laden immer mehr Bullen und die entsprechenden Dienstmarken-Häschen in ihrem Gefolge an, zudem Leute, die eigens wegen der Auftritte kamen. Viele Besucher, auch Billy, waren davon überzeugt, dass dieser Laden es mit den Comedy-Clubs an der Wells Street hätte aufnehmen können.
Als Kate und Billy eintraten, wurde ihnen ein königlicher Empfang bereitet. In einem Gedränge, das einem Rugbyspiel alle Ehre gemacht hätte, wurden die beiden rasch voneinander getrennt. Die Leute packten Billy, schlugen ihm auf die Schulter, nahmen ihn in den Schwitzkasten, hoben ihn mit ungestümen Umarmungen hoch, zerzausten ihm das Haar, schoben ihm Gläser mit Bourbon oder Tequila vor die Nase – die er natürlich annahm, da er nicht unhöflich sein wollte. Bis er und Kate endlich einen Tisch gefunden hatten, war er halb betrunken, sein Haar war zerzaust wie das eines kleinen Jungen, und er befürchtete, sich den einen oder anderen Muskel gezerrt zu haben.
»Mir schwant, die haben alle von den Verhaftungen Wind bekommen«, sagte er zu Kate, die ähnlich derangiert aussah wie er.
Auf dem Stehtisch vor ihnen landeten zwei Gläser Ale, begleitet von der ernst gemeinten Anweisung, ihr Geld sei »heute Abend hier nicht erwünscht«. Billy erhob sein Glas und genehmigte sich einen großen, genussvollen Schluck. Ja, es war ein toller Abend. Die Journalisten fielen wie die Geier über die Sensation her. Der Erzbischof? Der Bürgermeister von Chicago? Das durfte sich niemand entgehen lassen. Jeder zweite Cop in dem Schuppen war gerade damit beschäftigt, sein Smartphone herumzureichen beziehungsweise Zeitungsartikel und Posts auf Facebook und Twitter zu lesen. Der Bürgermeister hatte sich weder gegenüber der Polizeigewerkschaft noch in Sachen Pensionen als Menschenfreund erwiesen, sodass hier keine Träne über seinen Fall vergossen wurde. Das mit dem Erzbischof stand auf einem anderen Blatt. Manche waren aufgebracht, insbesondere die gläubigen Katholiken in der Polizeitruppe, von denen es viele gab. Andere hingegen nutzten die Gelegenheit, um die Kirche mit beißendem Spott zu überschütten, wobei der eine oder andere die Grenzen der politischen Korrektheit überschritt. Einige Cops gaben zu bedenken, dieses Mal sei ein Priester wenigstens mit einer Frau und nicht mit einem Messdiener erwischt worden.
Kate amüsierte sich prächtig. Weit mehr noch als Billy war sie ein Action-Junkie. Hätte man ihr einen Schreibtischjob zugewiesen, hätte sie sich binnen einer Stunde die Pistole an die Schläfe gesetzt. Sie liebte kriminalistische Arbeit, aber was sie noch mehr liebte, waren die Razzien, die Konfrontationen, der Adrenalinkick. Sie war aus den richtigen Gründen Cop geworden, nämlich wegen des Kampfes der Guten gegen die Bösen. Aber für sie war es noch mehr. Für sie war es ein Kontaktsport.
Er schaute sie an, wie sie an dem Tisch stand, den sie beide sich gesichert hatten. Ihr Blick war auf den Fernsehbildschirm in der Ecke gerichtet, auf dem fortlaufend über die Verhaftungen berichtet wurde. Sie trug einen dünnen Pulli mit tiefem Ausschnitt und hautenge Bluejeans. Darin gab sie eine ziemlich gute Figur ab. An der Southern Illinois University war sie ein Volleyball-Star gewesen, und mehr als zehn Jahre später besaß sie immer noch einen athletisch gebauten Körper. Dabei halfen natürlich Taekwondo- und Boxunterricht, den sie nahm. Gleiches galt für die Halbmarathonläufe, an denen sie teilnahm. Manchmal ermüdete Billy allein beim Gedanken an all das, was Kate so machte.
Aber nicht heute Abend. Er war nicht müde. Wie Kate versetzten auch ihn die Verhaftungen in helle Aufregung. Zwar redete er sich immer ein, eine Verhaftung sei wie die andere – mach einfach weiter deinen Job –, aber nach dem, was heute Abend geschehen war, konnte er nicht verhehlen, dass auch ihn ein kleiner Nervenkitzel erfasste.
Ständig kam jemand auf ihn zu, beglückwünschte ihn und riss über Bürgermeister und Erzbischof Witze, die mit zunehmendem Alkoholpegel immer vulgärer wurden. Als er sich irgendwann einmal Kate zuwendete, erblickte er Wizniewski, der seinen Arm um sie gelegt hatte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Kate hatte ein Grinsen aufgesetzt, doch Billy kannte sie besser als jeder andere. An ihrer steifen Haltung und dem gequälten Lächeln erkannte er, dass sie sich eher einen Einlauf verpassen als sich von Wizniewski becircen lassen würde.
Oh, Wizniewski. Der Kerl, der zu Anfang versucht hatte, Billy die Verhaftungen auszureden, der Politiker, der Angst davor hatte, diese Razzia könne den Status quo durcheinanderbringen, der dann aber den Wendehals gab und beim stellvertretenden Polizeipräsidenten die Lorbeeren einheimste. Und da war er nun und besaß auch noch die Frechheit, hier aufzukreuzen, als wäre er einer der ihren.
»Da bist du ja. Der Mann der Stunde.«
Das war Mike Goldberger – Goldie – in natura. Goldie war ein eher zurückhaltender Typ, der anders als Billy und dessen Kumpel nicht allzu viel zechte und becherte, sodass man ihn nur selten im Hole zu Gesicht bekam.
»Lass dich nicht allzu sehr volllaufen«, ermahnte er Billy mit erhobenem Zeigefinger. »Es könnte sein, dass du morgen an einer Pressekonferenz teilnehmen musst.«
Auch Billy war bereits in den Sinn gekommen, dass es im Laufe der folgenden Tage immer wieder Pressekonferenzen geben würde. Doch er war davon überzeugt, dass Wizniewski dabei hinter dem Polizeipräsidenten stehen würde, nicht er.
»Wie ist dir bei der ganzen Sache zumute?«, fragte Goldie. »Heute Abend. Alles klar mit der Razzia?«
Billy nickte. »Ich denke schon. Alles ging ganz nach Vorschrift. Mir lag auf jeden Fall ein hinreichender Verdacht vor.«
»Okay.« Goldie wirkte nicht überrascht. Hinreichender Verdacht war eine niedrige Schwelle für eine Durchsuchung. »Nichts Ungewöhnliches?«
»Der Bürgermeister hat versucht mich zu bestechen.«
Goldie fuhr zurück. »Ernsthaft?«
»Tja, jedenfalls war er im Begriff, es zu tun. Er meinte, vielleicht könnten wir gemeinsam an dem Pensionsproblem arbeiten, das wir haben. Es ging so in die Richtung: Wenn ich ihn aus der Hintertür schlüpfen ließe, würde er seine Meinung in Bezug auf unsere Anpassungen an die Lebenshaltungskosten ändern.«
»Du hättest Ja sagen sollen«, frotzelte Goldie, ohne eine Miene zu verziehen.
»Ich habe versucht, noch ein paar Freikarten für die Hawks für mich rauszuholen.«
»Mach nicht einmal …« Goldie zog ihn dicht an sich heran. »Mach nicht einmal Witze darüber.«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Und ich weiß, dass du es weißt. Aber ernsthaft, Billy. Diese Sache könnte hässlich werden.« Er senkte das Kinn und schaute zu Billy hoch. »Einige der mächtigsten Männer der Stadt sind heute Abend in den Schmutz gezogen worden, und falls du es noch nicht mitbekommen haben solltest, Menschen mit Macht gefällt es nicht, ihre Macht aufzugeben. Sie werden tun, was immer sie tun müssen. Sie werden losgehen, auf wen auch immer sie losgehen müssen. Cops inbegriffen.«
»Scheiß auf sie.«
»Es kommen bereits Fragen auf«, sagte er. »Fragen zur Beweisaufnahme. Fragen wie ›Wo ist das kleine schwarze Buch?‹. Wie konnte das verschwinden?«
»Wir haben das Haus von oben bis unten auf den Kopf gestellt. Es gibt kein …«
»Herrgott, ich weiß das doch, Billy. Ich bin auf deiner Seite.«
So viel wusste Billy auch. Goldie war sein Schutzengel, seit Billy in den Polizeidienst eingetreten war. Womöglich übertrieb Goldie, doch er hatte ein Gespür für derlei Dinge im Department.
»Sieh dich vor«, flüsterte Goldie Billy ins Ohr. »Halte dich ab sofort an die Regeln. Hilf alten Damen über die Straße. Rette ertrinkende Welpen aus dem Lake Michigan.«
Er versetzte Billy einen festen Klaps auf die Brust.
»Du wirst mit der Lupe betrachtet, mein Freund«, sagte er. »Gib niemandem einen Grund, dich zu verbrennen.«
Patti Harney sah zu, wie ihr Bruder Billy auf die behelfsmäßige Bühne in der Ecke des Hole in the Wall taumelte. Er war der Mann der Stunde, obwohl er das Rampenlicht nicht suchte. Das tat er nie. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass Billy jemals versucht hätte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sich gebrüstet oder Werbung für sich gemacht hätte. Ihm schien die Aufmerksamkeit auf ganz natürliche Weise zuzufallen. Die Leute fühlten sich von ihrem Zwillingsbruder so angezogen, wie es bei ihr nie der Fall war.
Zwei Cops drängten Billy förmlich das Mikrofon auf. Er war heute Abend nicht in bester Verfassung, ein halbes Dutzend Gläser Bourbon und eine Handvoll Biere waren wohl noch niedrig geschätzt – aber alles, was Billy tat, wirkte mühelos. Wie er sich jetzt beispielsweise einfach das Mikro schnappte, um spontan Witze zu reißen. So etwas hätte Patti in nackte Panik versetzt. Billys Einstellung hingegen lautete: Was zum Teufel soll’s denn? Waren sie beide wirklich binnen weniger Minuten aus demselben Geburtskanal gekommen?
»Ich bin Harney«, raunte Billy in das Mikro, als die Menge sich beruhigt hatte. »Ihr wisst ja, dass man ab und zu mal lachen muss. Andernfalls rastet man in dieser Stadt aus. Also lachen wir jetzt mal ein bisschen.«
»Du bist der Richtige dafür!«, rief einer der Cops, die dicht bei Billy standen. Es war ein Streifenpolizist, der für die West Side zuständig war und so aussah, als wäre er auch Bodybuilder. Billy bedeutete dem Mann, auf die Bühne zu kommen. Was immer der stämmige Officer getragen haben mochte, als er die Bar betreten hatte, nun war es nur noch ein enges weißes Unterhemd, sodass seine Muskelpakete und seine glänzende Glatze zur Geltung kamen.
Billy legte den Arm um den Mann. »Ich möchte mich bei Meister Proper für sein Kommen heute Abend bedanken«, sagte er.
Die Menge grölte, obwohl einige der jüngeren Cops die Anspielung womöglich nicht verstanden.
»Meister … darf ich Sie Meister nennen? Dieser Meister bekämpft schon seit Jahrzehnten meisterhaft den Schmutz in der Stadt.«
Wie kann er nur so improvisieren?, fragte sich Patti. Sie bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge und stieß dabei auf Detective Katherine Fenton, die an einem Stehtisch stand und lachend ihren Partner oben auf der Bühne beobachtete.
»Hey, Kate«, sagte Patti.
Kates Miene schlug fast unmerklich um. Dann fing sie sich wieder und lächelte abwesend. »Hi, Patti.«
Oberflächlich betrachtet war Katherine Fenton ein guter Partner für Billy, denn sie ergänzten einander. Kate war sehr emotional und aggressiv, Billy hingegen gelassen, weniger abweisend, selbstsicherer, versuchte es immer mit Humor.
Aber Patti und Kate waren nie miteinander ausgekommen. Warum, das fiel Patti schwer in Worte zu fassen. Patti war immer höflich gegenüber Kate, sagte nie ein böses Wort zu ihr. Sie hatte nichts Konkretes getan, das Kate einen Grund dafür gab, sie nicht zu mögen.
Ihre Vermutung aber war, dass es irgendwie zu einem Konkurrenzkampf zwischen ihnen beiden um Billy gekommen war. Kate wollte diejenige sein, die Billy am nächsten stand, was wegen seiner Zwillingsschwester aber nicht möglich war.
Du wirst ihn nie so gut kennen wie ich, Kate. Dazu wird es nie kommen.
»Glückwunsch zum großen Abend«, sagte sie zu Kate.
»Danke«, erwiderte Kate, den Blick nach wie vor auf die Bühne gerichtet.
»Ich gehe mindestens einmal im Monat in die Kirche, um mir Absolution für meine Sünden erteilen zu lassen«, sagte Billy zum Publikum. »Heute Abend hat zum ersten Mal ein Priester bei mir die Beichte abgelegt.«
Das kam an. Die Leute grölten ausgelassen und stießen übertriebene Stoßseufzer aus. Billy mochten alle. Er wusste, wie er die Menge bedienen musste. Und nun bediente er auch sein Mobiltelefon, das er hochkant auf einen Barhocker auf der Bühne gestellt hatte. Billy zeichnete seine Bühnenauftritte mit seiner Handykamera auf und lud sie auf eine Facebook-Seite hoch, die er mit einem Mann namens Stewart teilte, den er drei Jahre zuvor im Krankenhaus kennengelernt hatte, als Billy diese scheußliche Zeit durchgemacht hatte.
Gott nochmal – drei Jahre war das schon her? Für Patti fühlte es sich an wie gestern. Und nun schau sich einer Billy an: Nach dieser ganzen Scheiße, dieser Tragödie, an der die meisten anderen zerbrochen wären, war er immer noch gut in Form. Sie wäre daran zerbrochen. Billy hingegen machte seelenruhig einfach weiter, so als würde die ganze Scheiße, die auf ihn zukam, einfach von ihm abprallen.
Verändert hatte es ihn, wie sollte es auch nicht, aber auf eine Art und Weise, die selbst Patti nicht begriff. Man hätte Billy eine Pistole an die Schläfe setzen können, und er hätte sich immer noch nichts anmerken lassen.
Sie beobachtete, wie Kate Billy beobachtete, und was sie sah, gefiel ihr nicht. Kate, das musste sie einräumen, war umwerfend attraktiv. Sie hatte sich das rotbraune Haar zurückgebunden, hatte große grüne Augen, einen straffen, athletischen Körper – die Art Schönheit, die sie für die meisten Männer unnahbar machte. Auch Billy bot einen attraktiven Anblick, war hoch aufgeschossen und gut gebaut und hatte ein ganz natürliches, umwerfendes Lächeln. Mehr als einmal war Patti der Gedanke gekommen, er und Kate könnten etwas miteinander anfangen. Aber bislang hatte sie bei keinem der beiden etwas in dieser Richtung erkennen können, erst heute Abend, erst in diesem Moment, als sie Kate ins Gesicht schaute, während diese Billy auf der Bühne sah.
Ja, da war es, in ihren Augen, in einem Moment der Unachtsamkeit, während der Alkohol ihre Gefühle durcheinanderbrachte, als sie glaubte, niemand beobachte sie.
Aber ich beobachte dich, Kate.
Als Billy geendet hatte, erhob er sein Glas, und alle spendeten Applaus. Als er verebbte, stellte Patti ihr Glas auf den Tisch und trat nahe an Kate heran.
Sie kam ihr so nahe, dass Kate sie nicht ignorieren konnte, ohne unhöflich zu sein. Widerwillig und mit hochgezogenen Brauen wandte Kate sich Patti zu.
»Billy ist einer der Guten«, sagte Patti.
»Er ist der Beste«, pflichtete Kate ihr bei.