Im Sonnenwinkel 43 – Familienroman - Patricia Vandenberg - E-Book

Im Sonnenwinkel 43 – Familienroman E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Im Sonnenwinkel ist eine Familienroman-Serie, bestehend aus 75 in sich abgeschlossenen Romanen. Schauplätze sind der am Sternsee gelegene Sonnenwinkel und die Felsenburg, eine beachtliche Ruine von geschichtlicher Bedeutung. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Professor Jürgen Strasser stieg aus seinem Wagen und ging durch den Gar­ten auf sein Haus zu. Am Rand des Swimmingpools saß sein vier­zehnjähri­ger Sohn und aß einen Apfel. »Hallo, Chris, na, wie steht's?«, fragte Jürgen Strasser. »Totales Chaos«, erwiderte Christian unwillig. »Überall ist man im Weg.« »Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen«, sagte Jürgen Strasser lächelnd. »Reise«, brummte Christian, »was ist das schon für eine Reise. Nicht mal drei­hundert Kilometer, und anders als bei uns sieht es da bestimmt auch nicht aus. Warum dann dieser Wirbel?« Jürgen Strasser gab keine Antwort, denn seine Frau erschien in der Terras­sentür. Simone sah müde aus. Ihre großen dunklen Augen waren umschattet, das lange Haar hatte sie zu einem Pferde­schwanz zurückgebunden. »Du bist ja schon da«, sagte sie spöt­tisch. »Was für ein Wunder.« Christians Miene verfinsterte sich, und er verschwand hinter den Büschen. Jürgen Strasser sah seine Frau unsicher an. »Was habe ich dir eigentlich getan?«, fragte er heiser und ging ein paar Schritte auf sie zu. Sie warf ihm nur einen langen Blick zu, drehte sich um und ging wieder ins Haus. »Also, mein Koffer ist gepackt«, sagte die achtzehnjährige Heidi. Auch ihre Miene war dabei nicht fröhlich. »Ach, da bist du ja, Paps«, fuhr sie gleichmütig fort. »Heute mal keine Überstunden?« Es klang anzüglich, und das noch ju­gendliche und sehr interessante Gesicht von Professor Strasser verdüsterte sich. »Ferienstimmung herrscht ja nicht gerade«, stellte er fest. »Ich bin froh, wenn wir erst weiter sind.« Simone schaute ihn finster an. »Wirklich?«, fragte Simone gereizt. Darauf verschwand er wortlos in sei­nem Zimmer. »Ein bisschen netter könntest du schon zu

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Im Sonnenwinkel – 43 –

Es ist nicht leicht, berühmt zu sein

Simones Leben soll sich grundlegend ändern

Patricia Vandenberg

Professor Jürgen Strasser stieg aus seinem Wagen und ging durch den Gar­ten auf sein Haus zu. Am Rand des Swimmingpools saß sein vier­zehnjähri­ger Sohn und aß einen Apfel.

»Hallo, Chris, na, wie steht’s?«, fragte Jürgen Strasser.

»Totales Chaos«, erwiderte Christian unwillig. »Überall ist man im Weg.«

»Wenn jemand eine Reise tut, dann kann er was erzählen«, sagte Jürgen Strasser lächelnd.

»Reise«, brummte Christian, »was ist das schon für eine Reise. Nicht mal drei­hundert Kilometer, und anders als bei uns sieht es da bestimmt auch nicht aus. Warum dann dieser Wirbel?«

Jürgen Strasser gab keine Antwort, denn seine Frau erschien in der Terras­sentür.

Simone sah müde aus. Ihre großen dunklen Augen waren umschattet, das lange Haar hatte sie zu einem Pferde­schwanz zurückgebunden.

»Du bist ja schon da«, sagte sie spöt­tisch. »Was für ein Wunder.«

Christians Miene verfinsterte sich, und er verschwand hinter den Büschen. Jürgen Strasser sah seine Frau unsicher an.

»Was habe ich dir eigentlich getan?«, fragte er heiser und ging ein paar Schritte auf sie zu.

Sie warf ihm nur einen langen Blick zu, drehte sich um und ging wieder ins Haus.

»Also, mein Koffer ist gepackt«, sagte die achtzehnjährige Heidi. Auch ihre Miene war dabei nicht fröhlich.

»Ach, da bist du ja, Paps«, fuhr sie gleichmütig fort. »Heute mal keine Überstunden?«

Es klang anzüglich, und das noch ju­gendliche und sehr interessante Gesicht von Professor Strasser verdüsterte sich.

»Ferienstimmung herrscht ja nicht gerade«, stellte er fest. »Ich bin froh, wenn wir erst weiter sind.«

Simone schaute ihn finster an.

»Wirklich?«, fragte Simone gereizt.

Darauf verschwand er wortlos in sei­nem Zimmer.

»Ein bisschen netter könntest du schon zu Paps sein«, sagte Heidi. »Ich gehe jetzt noch mal weg.«

»Wohin?«, fragte Simone.

»In die Eisdiele. Unsere Clique ist auch nicht erbaut, dass ich aufs Land verschoben werde.«

»Eure Clique, wenn ich das schon höre«, murmelte Simone.

Die Tochter schüttelte unwillig den Kopf.

»Kennenlernen müsstest du sie halt mal, Mami, dann würdest du nicht mehr meckern«, meinte Heidi. »Aber du verschanzt dich in deinen vier Wänden, guckst nicht aus der Wäsche und versagst dir jede Abwechslung, weil unser Professor ein Arbeitstier ist. Also, tschüs, bis nachher.«

Wenn es nur die Arbeit wäre, die ihn beansprucht, dachte Simone deprimiert. Aber da gab es seit einiger Zeit noch einen anderen Grund, der ihn immer häufiger von zu Hause fernhielt. Simone war nicht davon zu überzeugen, dass der Urlaub im Sonnenwinkel eine Entspannung bringen würde. Sie kannte sich selbst nicht mehr. So plötzlich hatte sich vor ein paar Wochen ihr Familienleben verändert. Die Harmonie war dahin. Und das schlimmste an allem war, dass sie mit Jürgen nicht mehr so sprechen konnte wie früher, bevor es diese Vivian Bergmeister gab. Anfangs hatte Jürgen erwähnt, dass er in ihr eine ungewöhnlich begabte Studentin hätte, und dass es die reinste Freude sei, auch noch ehrgeizige und pflichtbewusste junge Menschen im Hörsaal zu haben. Aber dann hatte er immer seltener von Vivian gesprochen, und später war er sogar verlegen geworden, wenn Simone nach Vivian fragte.

Simone war achtunddreißig und noch immer eine sehr aparte Frau. Sie und Jürgen waren zwanzig Jahre verheiratet und hatten eine glückliche Ehe geführt. Sie liebten sich und ihre Kinder. Simone hatte nie einen Zweifel daran gehegt, dass es immer so bleiben würde, nachdem die Unkenrufe verstummt waren, dass sie viel zu jung für eine Ehe gewesen wäre.

In ihre Gedankengänge hinein läutete das Telefon. Geistesabwesend nahm sie den Hörer ab. Eine weibliche Stimme meldete sich. Vivian Bergmeister! Höflich fragte sie, ob sie Jürgen sprechen könne. Einfach Jürgen! Simone gab es einen Schlag. Sie war keiner Antwort fähig, aber ihr Mann stand schon im Zimmer.

Sie legte den Hörer auf das Tischchen. »Für dich«, brachte sie mühsam hervor, dann ging sie, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, aus dem Zimmer.

Simone hastete die Treppe empor. Sie war noch nicht fertig mit dem Packen. Mechanisch legte sie die Kleidungsstücke in den Koffer, mit ihren Gedanken weit entfernt. Kann ich bitte Jürgen sprechen, dröhnte es in ihren Ohren. So weit war es also schon. Warum wollte er dann überhaupt noch mit ihnen verreisen. Um den Auerbachs im Sonnenwinkel ein unverändert harmonisches Familienleben zu demonstrieren? Es dauerte einige Zeit, bis sie die Schritte ihres Mannes die Treppe heraufkommen hörte. Sie hob nicht den Kopf, als er eintrat.

Einen Augenblick blieb er unschlüssig an der Tür stehen.

»Kann ich dir helfen?«, fragte er mit gepresster Stimme. Simone gab keine Antwort. Als er dann aber auch schwieg, gingen ihre Nerven durch.

»Du solltest besser mit ihr verreisen«, sagte sie zornerfüllt.

»Können wir nicht mal vernünftig reden, Mone?«, fragte Jürgen.

»Vernünftig?«, fragte sie aggressiv. »Könnte ich bitte Jürgen sprechen«, äffte sie dann Vivian nach. »Sehr aufschlussreich, findest du nicht?«

»Nimm das doch nicht so tragisch«, sagte er. »Du weißt doch, wie die jungen Leute heutzutage sind.«

»Und ich weiß auch, wie schnell alte Esel sich aufs Glatteis begeben«, schleuderte sie ihm ins Gesicht.

»Dieser Ton passt nicht zu dir«, sagte er unwillig, aber mit aller Beherrschung.

»Es ist nicht schmeichelhaft, wenn man die Wahrheit gesagt bekommt«, fuhr Simone wütend fort. »Lass mich jetzt in Ruhe. Wenn ich Inge Auerbach nicht so gern hätte, würde ich überhaupt nicht fahren.«

»Du siehst alles falsch, Simone«, versuchte er einzulenken. »Mit Vivian verbinden mich doch nur gemeinsame Interessen.«

»Und unsere Ehe wird wohl nur noch von den Kindern zusammengehalten«, flüsterte sie mit erstickter Stimme.

Eine Zeit war Schweigen zwischen ihnen, dann begann er: »Du bist nervös. Ein Tapetenwechsel wird uns guttun. Wir werden bestimmt Zeit finden, ein klärendes Gespräch zu führen, Simone. Wo ist eigentlich Heidi?«, fragte er dann.

»Sie geht auch ihre eigenen Wege«, sagte Simone mit tränenerstickter Stimme.

Vielleicht wäre alles gut gewesen, wenn er sie jetzt in die Arme genommen hätte, aber das tat Jürgen Strasser nicht.

*

Heidi hatte nicht gelogen. Sie hatte sich mit ihrer »Clique« getroffen. Es waren ein halbes Dutzend junger Leute, doch eigentlich war sie nur wegen Bill gekommen. Bill Hope war ein junger Amerikaner, Student der Medizin im achten Semester, und ein junger Mann, den man durchaus auch seinen Eltern vorzeigen konnte. Was Heidi bisher daran gehindert hatte, war die Spannung, die in der Familie herrschte.

Für Heidi war Bill nicht nur ein Freund. Sie war verliebt bis über beide Ohren in den schlaksigen, großen Jungen mit den humorvollen Augen, der sie auch der tristesten Stimmung entreißen konnte. Doch heute war auch Bill bekümmert.

»Drei Wochen sind eine lange Zeit, Heidi«, sagte er. Sein Deutsch war perfekt. Man merkte ihm kaum den Ausländer an.

»Kannst mich ja mal besuchen«, sagte Heidi, bemüht, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Ich werde dich auch vermissen«, fügte sie bebend hinzu.

Sein schmales Gesicht war ernst, seine sonst so lustigen Augen blickten nachdenklich.

»Gehen wir noch ein Stück?«, fragte er. »Ich möchte gern mit dir allein sein.«

Sie gingen und wurden mit großem Hallo verabschiedet. Die anzüglichen Bemerkungen, die aber durchaus nicht böse gemeint waren, hörten sie nicht mehr.

»Und wenn dir nun ein anderer begegnet?«, fragte Bill sehr direkt.

»Was machst du dir für Gedanken. Das wird bestimmt nicht der Fall sein, Bill«, flüsterte Heidi. Ihre Hand stahl sich in seine, und so gingen sie weiter.

»Wenn ich nur schon fertig wäre mit dem Studium, dann würde ich dich auf der Stelle heiraten«, sagte Bill.

Heidi lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Wirklich, Bill?«, fragte sie.

»Würdest du ja sagen?« Seine Lippen streichelten flüchtig ihre Stirn.

»Zweifelst du daran?«, fragte Heidi zurück.

Über eine gemeinsame Zukunft hatten sie noch nie gesprochen, und doch hatte auch sie schon davon geträumt. Mit Bill verstand sie sich einfach wunderbar, und das war noch nie der Fall gewesen, obgleich sie sich über Verehrer nicht hatte zu beklagen brauchen. Aber Heidi war ein kritisches junges Mädchen, hellwach und viel zu gescheit, um ihre Gefühle unbedacht zu verschwenden.

»Aber was kann ich dir schon bieten«, fuhr Bill mit rauer Stimme fort.

»Darauf kommt es doch nicht an. Blöd ist nur, dass ich noch so jung bin«, erklärte sie.

»Und du meinst, dass deine Eltern ein Machtwort sprechen würden?«

»Weiß man es? Bei uns herrscht zur Zeit dicke Luft. Ich weiß auch nicht warum. Aber Mami ist gereizt, und Paps hat nie Zeit. Aber wenn wir jetzt mal wieder alle beisammen sind, werde ich die Zeit nützen und meine Eltern auf ihren zukünftigen Schwiegersohn vorbereiten.«

»Am wichtigsten ist es, dass du mir treu bleibst, Heidi«, sagte Bill verhalten. »Du weißt nicht, was du mir alles bedeutest. Wenn ich dich verlieren würde …«

»Psst, nicht weiterreden«, fiel sie ihm schnell ins Wort. Und dann schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn.

Bill hielt sie so fest umschlungen, dass sie kaum noch Luft bekam.

»Wenn es möglich zu machen ist, besuche ich dich«, sagte er zärtlich, »aber ich möchte nicht, dass du Ärger mit deinen Eltern bekommst.«

»Das werde ich schon deichseln«, sagte Heidi zuversichtlich. »Vergiss mich nicht, Bill.«

Das brauchte sie nicht zu sagen. Für Bill gab es nur Heidi. Früher hatte er sich nie um Mädchen gekümmert, sondern nur daran gedacht, sein Studium so schnell wie nur möglich hinter sich zu bringen. Vor drei Monaten hatten sie sich kennengelernt, und von der ersten Minute an gehörte sein Herz Heidi, diesem bezaubernden, natürlichen Mädchen.

»Wenn wir uns nur immer lieben«, flüsterte er, aber er wusste nicht, dass Jürgen Strasser einmal ähnliche Worte zu Simone gesagt hatte, als diese so alt war wie ihre Tochter, und auch sie den Widerstand ihrer Eltern besiegen mussten, bis sie die Einwilligung zur Heirat bekamen.

»Mami war auch erst achtzehn, als sie Paps geheiratet hat«, sagte Heidi gedankenvoll. »Ich werde sie schon auf unsere Seite bringen.«

*

Am nächsten Morgen starteten sie. Simone sah übermüdet aus. Heidi war still und in sich gekehrt, Christian mürrisch und Jürgen Strasser verschlossen wie eine Auster.

Das kann ja gut werden, dachte Simone. Die Auerbachs werden einen schönen Eindruck von uns bekommen.

Eigentlich hatten sie ihnen nur einen kurzen Besuch machen wollen, um die alte Freundschaft wieder aufzufrischen, aber als Inge Auerbach dann vom Fohlenhof schrieb, und wie wunderschön und romantisch es im Sonnenwinkel sei, hatte Simone den Vorschlag gemacht, dort den ganzen Urlaub zu verbringen. Dann konnte sie wenigstens mal wieder mit einer vernünftigen Frau reden. In ihrer inneren Zerrissenheit sehnte sie sich danach. Jürgen hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt, und die Kinder hatten sich schließlich gefügt, wenn Christian auch lieber mit seinen Freunden in ein Zeltlager gefahren wäre und Heidi überhaupt keine Lust auf eine Ferienreise zeigte.

So war jeder mit seinen Gedanken beschäftigt, auch Jürgen Strasser, der unentwegt überlegte, warum Vivian Bergmeister gestern noch diesen Blödsinn machen musste mit dem Anruf, der Simone so aggressiv gestimmt hatte.

Jürgen Strasser, sonst ein so gescheiter Mann, war in dieser Beziehung etwas naiv. Es hatte ihm sehr geschmeichelt, dass die junge, hübsche und dazu wirklich sehr intelligente Vivian sich so sehr auf ihn einstellte, und vielleicht war es auch von seiner Seite ein recht heftiger Flirt geworden, aber sein Familienleben wollte er dadurch nicht gefährdet wissen. Konflikte mochte er gar nicht, und bis gestern hatte er sich überhaupt keine Gedanken gemacht, dass schon Konflikte bestanden.

*

»Wann kommt denn der Besuch, Mami?«, fragte Bambi Auerbach.

»Mittags werden sie da sein«, erwiderte Inge.

»Kommen sie erst zu uns?«, wollte sie wissen. Da nur ein erwachsenes Mädchen und ein vierzehnjähriger Junge zu den Strassers gehörten, war Bambi nicht allzu begeistert über diesen Besuch, aber da ihre Mami sich freute, sagte sie das nicht.

»Ja, so ist es verabredet, und deswegen werden wir erst zu Mittag essen, wenn sie da sind.«

»Dann wird Papi mit dem Professor wieder gescheit reden«, meinte Bambi. »Sind sie wenigstens nett?«

Einige trübe Erfahrungen hatte Bambi schon mit den Kollegen von Professor Werner Auerbach gemacht, vor allem mit deren Kindern, die nie ihren Vorstellungen entsprochen hatten, weil sie es langweilig im Sonnenwinkel fanden und schrecklich überspannt waren. Sie hoffte sehr, dass sie nicht wieder ein Fiasko erlebten.

Immerhin beruhigte es sie, dass die Familie Strasser im Fohlenhof wohnen und sich das Beisammensein doch nur auf begrenzte Zeit beschränken würde.

Weiterhin fand sie es auch beruhigend, dass bei ihnen noch keine Ferien waren und ihr Bruder Hannes so nicht dauernd mit diesem Christian zusammenhocken konnte. Es genügte ihr vollkommen, dass Hannes im Sonnenwinkel ein paar Freunde hatte, mehr brauchten es nicht zu werden, denn für sie sollte Hannes schließlich auch noch Zeit haben. Bambi, die mit abgöttischer Liebe an ihrem großen Bruder hing, wurde leicht eifersüchtig.

»Ich bin gespannt, ob Jonny knurrt, wenn sie kommen«, sagte sie.

»Das will ich doch nicht hoffen«, meinte Inge Auerbach lächelnd.

Jonny war Bambis Collie, und sie gab sehr viel darauf, wie er auf Gäste reagierte. Knurrte er, stand es für Bambi fest, dass man mit den Leuten vorsichtig sein musste.

Jonny lag phlegmatisch in der Sonne und rührte sich nicht, als sie ihn zu einem Spaziergang bewegen wollte.

»Wenn es dir zu heiß ist, kannst du ja in den Schatten gehen«, meinte sie, »aber so transusig brauchst du auch nicht zu sein.«

Jonny blinzelte, erhob sich ge­mächlich und streckte sich erst einmal ausgiebig.

»Du wirst schon richtig faul«, sagte Bambi. »So alt bist du doch noch gar nicht.«

Wenn Jonny hätte reden können, hätte er ihr gesagt, dass er gern mal faulenzte, wenn Bambi dafür auch kein Verständnis hatte. Sie konnte nicht lange an einem Platz sitzen, wenn so schönes Wetter war.

»Gehen wir mal zu Ricky«, sagte Bambi. »Mal sehen, was sie heute kocht.«

Und fröhlich trabte sie mit dem Hund davon.

Ihre Schwester Ricky, verheiratet mit dem Studienrat Dr. Fabian Rückert und Mutter des kleinen Henrik, wohnte nur ein paar Häuser weiter.

Und wenn Jonny den Namen Ricky hörte, dachte er an Charly, seinen Vater, der dem jungen Ehepaar gehörte. Charly war jetzt schon in den Hundejahren, in denen man nicht mehr unternehmungslustig war. Er bewachte lieber den kleinen Henrik, der in seinem Schaukelstühlchen auf der Terrasse saß und in seiner noch unverständlichen Babysprache vor sich hin plapperte.

»Na, ist euer Besuch schon da?«, fragte Ricky ihre kleine Schwester.

Bambi verzog das Gesicht und schnitt eine Grimasse.

»Mittags kommen sie«, erwiderte Bambi. »Was kochst du denn heute?«

»Gulasch«, antwortete Ricky.

»Machst du nicht ein bisschen oft Gulasch?«, fragte Bambi altklug.

»Das geht schnell, und Fabian isst es gern«, meinte Ricky.

»Und zu kauen braucht man auch nicht viel, wenn es schön weich ist«, meinte Bambi. »Kennst du die Strassers, Ricky?«

»Erinnern kann ich mich nicht mehr so recht an sie. Es ist schon fünf Jahre her, dass ich sie nicht mehr gesehen habe.«

»Da war ich noch ein Baby«, bemerkte Bambi. »Deswegen kann ich mich gar nicht an sie erinnern.«

Sie beschäftigte sich dann mit dem kleinen Henrik, der sie laut jauchzend begrüßte. Wenn Bambi mit ihren sechs Jahren auch noch eine sehr junge Tante war, so konnte man sich doch keine liebevollere vorstellen.

»Hoffentlich kommen die Strassers nicht so spät«, meinte Bambi. »Ich habe nämlich Hunger, und Mami will mit dem Essen warten, bis sie da sind.«

»Du kannst ja bei uns essen, wenn es dir zu lange dauert«, schlug Ricky vor, aber davon war Bambi auch nicht gerade begeistert. Sie wollte nichts sagen, aber großes Vertrauen in Rickys Kochkünste hegte sie nicht, und außerdem gab es bei ihnen Kalbsrouladen, die sie bedeutend lieber aß als Gulasch.

Sie sah noch zu, wie Ricky Henrik fütterte, dann machte sie sich auf den Heimweg. Schon von weitem sah sie den großen grünen Wagen vor dem Haus stehen, und drinnen fand gerade die Begrüßung statt.

*

Simone ist urlaubsreif, war Inge Auerbachs erster Eindruck.

Was ist denn Jürgen für eine Laus über die Leber gelaufen, dachte Werner Auerbach.

Das Haus ist bildschön, dachte Heidi, und Christian machte sich indessen burschikos mit Hannes bekannt, der ihn skeptisch musterte.

Dann traten Bambi und Jonny in Erscheinung. Simone wurde lebhafter.

»Soll das etwa das Baby sein?«, fragte sie staunend.

»Die Jahre vergehen, Simone«, sagte Inge rasch.

»Ich gehe schon zur Schule«, erklärte Bambi, die doch nicht mehr mit dem Baby von einst verglichen werden wollte. Und dann beobachtete sie Jonny scharf, der aber nicht knurrte. Er gab Pfötchen und verzog sich dann in die Küche, aus der verführerische Düfte stiegen.

Bald setzte man sich zu Tisch.

Beim Essen wurde die Stimmung dann etwas gelockerter. Man kam sich näher.

Heidi fand Bambi so entzückend, dass schnell ein Kontakt hergestellt war.

Es fiel nur Inge auf, dass Simone und Jürgen ganz offensichtlich vermieden, sich anzusehen und miteinander zu sprechen. Sie machte sich ihre Gedanken.

Nach dem Essen gingen Hannes und Christian in den Garten. Buben ihres Alters interessierten sich nicht für die Gespräche der Erwachsenen, die sich doch um alte, gemeinsame Erinnerungen drehten. Auch Heidi fand daran keinen Geschmack.

»Zeigst du mir auch ein bisschen die Umgebung, Bambi?«, fragte sie, und das tat Bambi gern. Ihrem Sonnenwinkel konnte sie nur ein Loblied singen, und sie war sehr angetan von Heidi, weil diese es hier sehr schön fand.