Im Wald - Marcel Möring - E-Book

Im Wald E-Book

Marcel Möring

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Beschreibung

Die Stunde der wahren Empfindung.

Im Wald, in einem großen alten Haus auf einem Hügel, hat der Schriftsteller Marcus Kolpa vor langer Zeit Zuflucht vor der Welt gesucht. Doch als er die Nachricht vom Tod seiner Mutter erhält, holen ihn all die Fragen wieder ein, denen er mit seinem Einsiedlerdasein zu entkommen versucht hat. Und er muss sich eingestehen, dass er zu lange keine Gefühle an sich herangelassen hat und vergeblich die Vergangenheit verdrängen wollte …

Die Welt als heilloser Ort – niemals will und kann Marcus Kolpa das akzeptieren. Dagegen schreibt er an, darüber diskutiert er mit seinen Freunden, und deswegen wird er im Laufe der Zeit zum brillanten Zyniker. Als er Anfang der Achtziger mit seiner Frau Chaja zusammen eine Tochter bekommt, ist er für kurze Zeit glücklich. Dann verschwindet Chaja spurlos, und Marcus schreibt, während er Rebecca allein großzieht, ein Buch, das er nie vorhatte zu schreiben und mit dem er über Nacht berühmt und reich wird.
Als ihm der Trubel der Welt zu viel wird, zieht er sich mit Rebecca in ein altes Haus auf einem Hügel Im Wald zurück. Marcus scheint sich eingerichtet zu haben in seinem Leben, kultiviert seine Rolle als Eremit, auch als Rebecca erwachsen wird und fortgeht. Doch dann erreicht ihn die Nachricht, dass seine Mutter in Israel gestorben ist. Und mit einem Mal besteht sein bis dahin scheinbar so fest gefügtes Leben nur noch aus schmerzlichen Fragen: Warum ging seine Mutter fort? Wie war ihre Beziehung zu einem geheimnisvollen Amerikaner, von dem er bis dahin nie etwas gehört hat? Wer ist sein Vater? Warum ist seine Frau Chaja damals verschwunden? Lebt sie noch? Warum hat er sich all die Jahre in der Einsamkeit vergraben? Mit Hilfe seiner Tochter beginnt er, nach Antworten zu suchen und sich der Vergangenheit und den Rissen in seinem Leben zu stellen. Marcel Mörings neuer Roman ist ein beeindruckendes Gesellschaftspanorama und zugleich die packende Geschichte eines Mannes auf der Suche nach den Gefühlen, die er sich selbst nie zugestehen wollte.

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Seitenzahl: 663

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Marcel Möring

Im Wald

Roman

Aus dem Niederländischen vonHelga van Beuningen

Luchterhand

Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel Louteringsberg bei De Bezige Bij, Amsterdam.

1. AuflageCopyright © der Originalausgabe 2011 Marcel MöringCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 Luchterhand Literaturverlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbHDer Verlag konnte nicht alle Rechteinhaber ausfindig machen. Berechtigte Ansprüche mögen bitte dem Verlag gemeldet werden.Satz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-12507-3www.luchterhand-literaturverlag.deBitte besuchen Sie auch unseren LiteraturBlog www.transatlantik.defacebook.com/luchterhandverlagtwitter.com/LuchterhandLit

One need not be a Chamber – to be Haunted –

One need not be a House –

The Brain has Corridors – surpassing

Material Place –

Emily Dickinson, aus: The Complete Poems

Für Barbara

Inhalt

Glaubst du, dass du bist, wo du sein willst?

Gib mir nun endlich, was ich immer schon hatte

Dort, hinter den Bergen, in einem Land, das keiner kennt

Wohin gehen wir?

Mitten in der Nacht, in einem dunklen Wald

Dank

Glaubst du, dass du bist, wo du sein willst?

BECKY WAR FÜNF, als wir hierherzogen. Das war Ende der achtziger Jahre, und obwohl unser Umzug in ein abgelegenes Haus auf einem Hügel inmitten ausgedehnter Wälder den Beginn von etwas Neuem bedeutete, war er zugleich ein Abschluss.

Das Haus hatte fast zehn Jahre leergestanden. Während der Besichtigung hatte der Makler, ein kettenrauchender Liberaler in Blazer und grauer Flanellhose, uns triefend vor Skepsis in einer, wie es aussah, halben Ruine herumgeführt. Auf dem Dach lagen Planen zum Schutz vor dem Regen, es fehlten Türen, die Treppe war ein Wrack, und überall hing der erdige Geruch nach Schimmel und nassem Holz. Wir folgten dem Makler durch die Räume bis ganz nach oben, wo der mittlere Teil des Dachstuhls auf den Dachgeschossboden gestürzt war und der hellblaue Frühlingshimmel durch die Ritzen zwischen den Planen zu sehen war.

»Wem gehört es?«, fragte ich, als wir wieder unten waren und in dem standen, was einmal ein Salon gewesen sein musste, vom letzten Eigentümer aber offenbar als Bibliothek genutzt worden war.

»Einem Amerikaner«, sagte der Makler widerwillig.

Ich sah ihn fragend an, aber er schien keine große Lust zu haben, das Thema zu vertiefen.

»Und er ist …?«

»… zurück nach Amerika.«

Wir gingen hinaus, wo unsere Autos vor dem Waldrand warteten, sein grüner Jaguar und mein alter roter Volvo Kombi.

»Der Preis ist zu hoch«, sagte ich. »Ich mache Ihnen ein Gegenangebot.«

Der Makler lächelte abfällig.

»Hören Sie mal«, sagte ich. »Für jemand, der hierfür eine nette Provision einstreichen kann, legen Sie keine große Begeisterung an den Tag.«

Er senkte den Kopf ein wenig und sah mich unter den Augenbrauen hervor an. Dann begann er in seinen Blazertaschen zu nesteln. Er zog seine Zigaretten heraus, zündete eine an und inhalierte, als hinge er an der Sauerstoffflasche.

»Das Haus da …«, sagte er nach einer Weile. Er wich meinem Blick aus, wollte aber offenbar auch nicht auf das Haus schauen. Das Ergebnis war, dass er schließlich ziemlich visionär aus seinen Rauchwolken heraus ins Leere starrte.

Ich zog eine Augenbraue hoch und wartete auf eine nähere Erläuterung, doch die kam nicht. Ich fragte mich, wie ein so wenig gesprächiger Mann so gute Geschäfte machen konnte, dass ein Jaguar dabei herausgesprungen war.

»Was ist mit dem Haus?«

Er zuckte mit den Achseln.

»Ich find es irgendwie gruselig.«

»Warum?«

»Was?«

»Warum ist es Ihnen nicht geheuer …«

Er schüttelte den Kopf.

»Die einsame Lage … Mitten im Wald. Hier auf dem Hügel. Ich weiß nicht … Irgendwas ist mit diesem Haus.«

»Berg«, sagte ich. »Vergessen Sie nicht, wir Holländer nennen das einen Berg. Ich hab mal einen Engländer gekannt, der fragte, nachdem ich ihm erklärt hatte, dass wir unsere Hügel Berge nennen, ob ein Hügel bei uns dann vielleicht ein Loch im Boden ist.«

Es entlockte ihm kein Lächeln.

»Schauen Sie zu, dass Sie morgen erreichbar sind«, sagte ich.

Er öffnete den Mund, doch ich beschloss, ihn zu ignorieren.

»Wir sehen uns hier noch ein bisschen um«, sagte ich.

Er blinzelte und zögerte kurz. Dann stieg er in sein Auto und fuhr knirschend den Kiesweg hinunter. Ich sah ihn in den Rückspiegel schauen, während der Wagen im Wald verschwand.

»Na, mein Schatz, was hältst du davon?«

Becky, die meinen Zeigefinger umklammerte, blickte zum Haus.

»Gibt’s da Gespenster?«

»In dem Haus? Nein, ich glaube nicht. Glaubst du, dass da Gespenster drin wohnen?«

Sie nickte.

Ich nahm sie auf den Arm und ging über den Rasen. Da standen wir nun vor dem riesigen Gebäude und schauten auf die toten Augen der Fenster und den geschlossenen Mund der Flügeltür.

»Und was tun wir dagegen?«

Becky wand sich in meinen Armen, und ich setzte sie ab. Sie rannte in ihrem Flatterkleidchen bis zum Rand der Rasenfläche, blieb da stehen, legte die Hände an den Mund und rief, so laut sie konnte: »Buh!«

»Ich denke, das hat geholfen«, sagte ich, als ich neben ihr stand. »Kein Gespenst traut sich zu bleiben, wenn Rebecca Kolpa ›Buh!‹ ruft. Meinst du, ich soll auch noch mal rufen?«

Sie blickte zu mir auf und dachte kurz nach. Dann schüttelte sie den Kopf.

»Nein«, sagte ich. »Ich glaube auch nicht, dass Gespenster vor mir Angst haben.«

»Ich jag sie weg«, sagte Becky.

Ich nickte.

»Immer«, sagte sie.

Ich hob sie hoch und ging mit ihr zum Auto.

»Becky verjagt die Gespenster«, sagte ich. »Ich verlass mich drauf.«

Ein halbes Jahr später zogen wir um. Während dieser sechs Monate hatten ein schweigsamer Bauunternehmer und ein ebenso schweigsamer Trupp von Handwerkern das Dach abgedichtet, Heizungsrohre unter die Fußböden und Elektroleitungen unter Putz verlegt und eine Menge anderer Dinge getan, die für mich unsichtbar blieben, dem Bauunternehmer zufolge aber »ap-so-lutt not-wän-dig« waren, wie er unablässig beteuerte, sobald er wieder mit einer Rechnung über zusätzliche Arbeiten ankam.

Es war Oktober. Wir hielten auf dem knirschenden Kies der kreisförmigen Auffahrt. Eine milde Herbstsonne stand knapp über den Baumkronen und legte ein weiches, altes Licht über unser neues Haus. Es war trocken und noch nicht kalt.

Becky, die eine Woche später sechs werden würde, sprang aus dem Auto und rannte auf den Rasen, der mitten in dem Kieskreis lag. Dort blieb sie stehen. In ihrem knallroten Wintermantel glich sie einem Waldwesen, einer Märchenfigur, die hier bereits mehr zu Hause war als ich.

Ich lud unsere Koffer aus und trug sie zur Haustür, wo ich sie nebeneinander auf die oberste Treppenstufe stellte. Dann sah ich mich um. Becky stand noch immer mitten auf dem Gras und starrte aufs Haus. Ich ging zu ihr und stellte mich neben sie.

»Na, Rotkäppchen, woran denkst du?«

Sie schob ihre Hand in meine und schaute weiter starr geradeaus. Erst nach einer kleinen Weile blickte sie zur Seite, ziemlich ernst, und sagte dann mit leisem Nachdruck: »Die Gespenster sind fort.«

»Gesp…«

Ich hatte nicht gedacht, dass ihre Angst so tief saß. Seit der Besichtigung war davon nicht mehr die Rede gewesen. Vielleicht hätte ich es ansprechen sollen. Aber ich war zu beschäftigt gewesen mit dem Umbau, dem Aussuchen der Materialien, dem ganzen Kleinkram des Alltags.

Ich hatte sie aus einer Umgebung herausgeholt, die sie kannte – die Schule, in die sie erst seit einem Jahr ging, ihre Freunde und Freundinnen –, und jetzt nahm ich sie mit in ein abgeschiedenes Haus auf einem Hügel im fernen Osten des Landes. Um uns herum nichts als dichte Wälder und hügelige Heideflächen. Hatte ich zu wenig Rücksicht auf meine Tochter genommen, während ich mit Scheuklappen auf mein Ziel zustürmte: einen Ort auf der Welt, an dem ich unsichtbar und unerreichbar sein konnte?

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