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Beschreibung

Edward Conze, Verfasser eines grundlegenden Werkes über Buddha und den Buddhismus, hat zusammen mit einigen wissenschaftlichen Mitarbeitern Zeugnisse des Buddhismus aus allen Jahrhunderten zusammengetragen und aus dem Sanskrit, Chinesischen, Tibetischen, Japanischen und aus dem Pali übertragen – Zeugnisse von einzigartiger Schönheit, Weltweisheit und Glaubenskraft. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Im Zeichen Buddhas

Buddhistische Texte

Herausgegeben und eingeleitet von Edward Conze

FISCHER E-Books

Unter Mitarbeit von I. B. Horner, D. Snellgrove und A. Waley

Die Übertragung ins Deutsche besorgte Marianne Winder

Inhalt

EinleitungVorbemerkung zur deutschen AusgabeZur Geschichte der buddhistischen Texte von Edward ConzeI. I. B. Horner: Die Lehre der Alten1. Das SamghaDer Orden der Mönche und NonnenGeschicklichkeitArahantsDie Buddhistische Apokalypse2. Das DhammaDie fünf FähigkeitenDie bedingte VerursachungDas Ziel der Weisheit3. Der Buddha und Tathagata100101102103104105106107108109110111112113114115116117118119120II. Edward Conze: Das Mahayana1. Die GrundideenKritik des HinayanaDer BodhisattvaDie sechs VollkommenheitenDer Buddha2. Die neue WeisheitsschuleDie Vollkommenheit der WeisheitDie Lehre von der vollkommenen WeisheitLeereDer Keim der Buddhaschaft in allen Wesen3. Der Buddhismus des GlaubensDer GlaubeDie AndachtDie Gegenstände der AnbetungDas reine Land4. YogacarasNur-GeistDie zweifache Ichlosigkeit und die LeereDie Unwirklichkeit der WeltDer Buddha als die Grundlage von allemIII. David Snellgrove: Die TantrasDie Reinigung des Geistes177Die höchste Erleuchtung178Sarahas Liederschatz179Das Erreichen der Gewahrwerdung von Weisheit und Mitten, von Anangavajra180 Ehre sei Vajrasattva!Anmerkung über das MandalaEine Beschwörung der Prajnaparamita181Das im Innern vorgestellte Mandala182Die Geschichte des Tanti183Mila Repa und die Novizen184IV. Arthur Waley: Texte aus China und JapanEinleitung1. Aus Indien stammende Texte185. Das Gleichnis von Mir und MeinDie Heilung eines bei der Dhyana-Übung Erkrankten187. Meditation über das Element WasserDie Charakterbestimmung eines Dhyana-Schülers189. Die Armbänder190. Alle Worte sind wahr191. Buddhas Lehre192. Die Verneinung des DhyanaBeim Lesen des Dhyana-Sutra, von Po Tschü-i194. Nationalität195. Der Zwischenzustand196. Devas bevölkern die Erde wieder197. Buddhas Mitleid2. Aus China und Japan stammende Texte198. Eine Hinayana-Sekte im Frühen China199. Die Wahrhaftige Soheit200. Aus den Lebensbeschreibungen der Nonnen201. Vom Vertrauen auf das Herz202. Aus den Gesprächen des Schen-hui203. Ein hübscher Berg204. Wie man Regen herbeiführtGlossar der Sanskrit-Ausdrücke und der wichtigsten Pali-EntsprechungenBibliographieBelegstellen

Einleitung

Der Versuch einer umfassenden Anthologie buddhistischer Texte ist bis heute noch nicht unternommen worden. Die Dokumente sind auf so viele Sprachen verteilt, daß kein einzelner anstreben kann, sie alle zu kennen. Aus den Schriften in Pali wurde bisher über ein Dutzend Textsammlungen veröffentlicht, und in einer von M. Winternitz ins Deutsche übersetzten Sammlung von Mahayanastellen sind alle Seiten des Mahayana recht gut vertreten. Aber in keiner europäischen Sprache gibt es etwas Ähnliches für die Tantras oder für China und Japan. Die überragende Mehrheit der auf Sanskrit, Tibetisch und in den Sprachen des Fernen Ostens erhaltenen Texte ist noch unübersetzt. Selbst in solchen Fällen, wo Übersetzungen von Mahayanatexten existieren, wurden diese meistens zu einer Zeit ausgeführt, als die besondere Ausdrucksweise dieser Texte noch unvollkommen verstanden wurde. Erst während der letzten Jahre ist es möglich geworden, genau zu übersetzen, und jetzt, in der Mitte des 20. Jahrhunderts, besitzen wir viele Hilfsmittel, die vor fünfzig Jahren noch nicht vorhanden waren.

Alle Texte dieser Anthologie wurden nach den Originalen neu übersetzt. Die von der Fischer Bücherei herausgegebene deutsche Ausgabe wurde um einige Abschnitte und wissenschaftliche Anmerkungen gekürzt. Die Numerierung einzelner Kapitel (126ff.) weicht daher von der englischen Originalausgabe ab. Leser, die sich eingehender mit den Grundlagen buddhistischen Gedankengutes vertraut machen möchten, seien in diesem Zusammenhang auf Edward Conzes Werk »Der Buddhismus« (Kohlhammer, 2. Auflage, Stuttgart 1956) hingewiesen.

Dem Problem der Einheitlichkeit in der Wiedergabe von Fachausdrücken wurde große Beachtung geschenkt. In vielen Fällen entschieden wir uns dafür, den Ausdruck überhaupt nicht zu übersetzen, da Wörter wie Buddha, Dharma, Nirwana und andere wahrscheinlich nach einiger Zeit in die deutsche Sprache eingehen werden. In anderen Fällen kann die hier verwendete deutsche Übersetzung nur als Notbehelf betrachtet werden. Es ist z.B. unmöglich, einen deutschen Ausdruck zu finden, der den ganzen Bedeutungsreichtum eines Wortes wie Moha enthält und ausdrücken kann. Solche Schwierigkeiten sind jeder Übersetzung eigen.

Die erste Abteilung befaßt sich mit der Überlieferung des Hinayana. Der Großteil der von Miss Horner gewählten Ausdrücke wurde dem Pali-Kanon entnommen. Einige Stellen aber stammen aus nachkanonischen Werken und aus alten Kommentaren. Die Darstellung des Hinayana ist daher auf eine einzige Schule beschränkt, die der Theravadins. Auszüge zur Veranschaulichung der Überlieferungen oder besonderen Lehren der anderen siebzehn Hinayana-Schulen mußten entfallen. Diese Entscheidung wurde nur aus praktischen Gründen getroffen, d.h. hauptsächlich, weil die Theravadin-Literatur dank der Ausgaben und Übersetzungen der Pali Text Society leicht zugänglich ist. Jedenfalls beziehen sich etwaige zwischen den verschiedenen Hinayanaquellen gefundene Unterschiede nur auf kleinere Einzelheiten der Lehre, die nicht in den Bereich dieser Anthologie fallen.

Die Frage, wie das Material in diesem Teile anzuordnen sei, verursachte einige Schwierigkeiten. Schließlich einigten wir uns darauf, daß es, wie grundlegend auch die Dreiheit von Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit sein mag, zum Zwecke historischer Information doch leichter sei, das Material unter einer anderen buddhistischen Dreiheit zu gruppieren, nämlich der von Buddha, Dharma und Samgha. Die gewöhnliche Anordnung dieser Dreiheit wurde hier umgekehrt, so daß das Samgha zuerst kommt und der Buddha zuletzt. Wir hoffen, daß dadurch ein klareres Bild des Fortschrittes, den Gläubige und Sucher machen sollen, entsteht.

Als Mönche und Nonnen beginnend, in einem geregelten ›heimatlosen Leben‹, werden die Gläubigen von innen und außen durch die maßgebenden Regeln und Maßnahmen des Samgha (Mönchsorden oder Bruderschaft) so diszipliniert, daß sie immer weniger den Forderungen ihrer Sinneseindrücke nachgeben. Dadurch können sie eifriger danach streben, zugleich ein wachsendes Verständnis und Wissen vom Dharma zu erwerben und es leichter und erfolgreicher zu üben; so werden sie zu dem, was sie sein sollen, um schließlich das andere Ufer jenseits der Flüsse von Leben und Tod zu erreichen, wo sie am festen Lande stehen werden auf der Insel des Nirwana, sicher und geschützt in der Fülle der Weisheit. Nun sind sie Arahants, d.h. solche, die alles getan haben, was zu tun war, und sind ›vollendet‹.

Um Dharma darzustellen, wurde nur eine unter den zahlreichen Klassifikationen und Feststellungen im Pali-Kanon gewählt: die Fünf Fähigkeiten, die nicht nur Glauben, sondern auch Konzentration und Weisheit umfassen; und zweitens die wichtige Formel von der bedingten Entstehung oder abhängigen Verursachung, eine Lehre über den Mittelweg, der zur Ausrottung von Übel, Leiden, Ungenügen und Qual führt. »Genau das lehre ich jetzt wie einst: das Leiden und die Aufhebung des Leidens.« Einige Mittel und Wege, durch die man von den Fesseln und Banden des Nicht-Jenseits zu der Freiheit des Jenseits gelangt, die Wege der Arahants und der Buddhas, mit einer kleinen Auswahl von Gründen, die dazu veranlassen könnten, einen solchen Weg einzuschlagen, kann man in dem Kapitel ›Das Ziel der Weisheit‹ finden. Das eigentliche Ziel war, frei zu werden – frei von allen unangenehmen Bedingungen und geistigen Objekten, frei auch von den angenehmeren. Und frei zu sein im Höchsten: »So wie der große Ozean nur einen Geschmack hat, den des Salzes, so hat dieses Dharma, diese Zucht, nur einen Geschmack, den Geschmack der Freiheit.« Da dieser Geschmack der Freiheit die ganze Lehre durchdringt, wurden dafür keine einzelnen Auszüge als besondere Kategorie angeführt.

Die dritte Abteilung des ersten Teils behandelt den Buddha, der, obwohl als Mensch geboren, als Tathagata unzählbar ist, »auf keine Weise erzählbar«. Denn erlöst von der Welt und befreit von der Bezeichnung durch die fünf Skandhas (s. Glossar), kann er nicht mehr als der Mann Soundso noch als einer betrachtet werden, von dem man wahrhaftig und tatsächlich nach der Auflösung seines Körpers behaupten könnte, daß er ist, nicht ist, zugleich ist und nicht ist, und weder ist noch nicht ist. Denn weil er die Weisheit, wie sie vom Jenseitigen Ufer aus geschaut und erkannt wird, innehat, spricht und handelt er durch die Weisheit und nicht durch ein Wünschen oder Wollen; daher ist alles, was er tut, karmisch unwirksam. Deshalb ist er spurlos und unaufspürbar. »Sie nennen ihn, von dem Neigung und Abneigung und Unwissenheit abgelegt wurden: einen mit entfaltetem Selbst, Brahman-geworden, Tathagata, Buddha, der Furcht und Schrecken überholt und alles aufgegeben hat.«

Nun wenden wir uns dem zweiten Teil zu. Für das Mahayana besitzen wir schon eine ausgezeichnete, im 8. Jahrhundert von Santideva unter dem Titel ›Das Lehrbuch der Übung‹ (Sikschasamuccaya) gesammelte Anthologie. Eine wenig sorgfältige englische Übersetzung erschien im Jahre 1922. Die Sanskrit-Originale vieler Auszüge Santidevas sind jetzt unauffindbar, so daß seine Nachfolger seine Arbeit werden benutzen müssen. Unter den die Lehre betreffenden Texten sind die Prajnaparamita-Sutras besonders wichtig und daher in Dr. Conzes Auswahl stark vertreten. Die meisten davon sind noch nie zuvor übersetzt worden. Bei dem Mahayana verursacht nicht die Spärlichkeit, sondern die Fülle der Texte Schwierigkeiten. In einer Arbeit, die nicht einen Überblick über die Literaturarten und Quellen geben, sondern die Entwicklung grundlegender Ideen aufzeigen will, war es notwendig, sich auf einige wenige Texte zu beschränken.

Die Anordnung der Auszüge, die sich ziemlich genau an die Kapitel V–VII in Dr. Conzes Buch über den Buddhismus hält, ist einfach und erklärt sich von selbst. Die Übersetzung will ganz wörtlich sein; manchmal mußte dem Deutschen ein bißchen Gewalt angetan werden. Der buddhistische Stil hat viele Eigenheiten, und Dr. Conze ist der Meinung, daß manche davon in der Übersetzung wiedergegeben werden sollten, wenn auch andere Übersetzer anders darüber dachten. Es wurden nur lesbare Auszüge gewählt. Bei den Yogacarins konnte man sich jedoch nicht ganz an diese Richtschnur halten. Ihre umfangreiche Literatur ist so mit Scholastik durchsetzt, daß sie überall schwer zu lesen ist.

Im dritten Teil, der sich mit den Tantras befaßt, hat Dr. Snellgrove versucht, die Hauptthemen der Vertreter der Tantras aufzuzeigen: ihre Ablehnung aller anderen Gebräuche, ihre Überzeugung, daß die Wahrheit nur eine Sache der inneren Bewußtwerdung sei und daß diese nicht durch die Flucht aus einer Welt, zu der der Mensch wesentlich gehört, gefunden werden könne, sondern nur dadurch, daß man sie in ihrem wahren Eigensein begreift und fortfährt, in ihr zu leben. Das ist es, was man unter der Einheit von Samsara und Nirwana versteht, die für die Tantriker die höchste Vollkommenheit darstellte. Philosophisch wird diese Einheit ausgedrückt als die Einheit von Weisheit, die vollkommene Stille ist, und von Mitleid, das altruistische Tätigkeit ist und auch »Mittel« genannt wird. Kosmologisch drückt sich diese Einheit als die ständige Ausdehnung und Einziehung des phänomenalen Seins aus, die ein in Indien allgemeingültiger Begriff war. Die Endstufe von Seligkeit und vollkommener Selbst-Bewußtwerdung ist also der Zustand von ›Zwei-in-Einem‹. Die »Mittel« zur Verwirklichung dieses Zustandes enthielten ein Ritual, welches selbst ein Symbol für die zweifache Einheit ist, denn es ist zugleich Ausdruck und Idee, Tat und Bewußtwerdung, Samsara und Nirwana. So wurde der Ritus der Vereinigung von männlichem und weiblichem Yogi aufgefaßt. Doch seine Wirksamkeit hing ganz von der Machtverleihung (adhischṭhāna) durch einen bewährten Meister ab. Dies bedeutete, daß man sich seiner Führung überlassen und zuerst von ihm die Wahrheit von dem wahren Wesen der Welt lernen mußte.

Dazu wurden zwei Hauptmittel verwendet, Meditation über die Mandalas und Meditation über göttliche Formen. Der Zweck war immer derselbe, nämlich, die Erscheinungswelt in diese vorgestellten Formen umzugießen und so sich ihrer völligen Unsubstantialität bewußt zu werden. Die Wirksamkeit des Rituals hing gänzlich davon ab, daß man ›richtige Ansichten‹ hatte. Das Ritual wurde auch als innerlicher, physiologischer Akt geübt und die zwei Grundfaktoren als zwei Adern zur Rechten und zur Linken des menschlichen Körpers angesehen.

Eine erschöpfende Erörterung all dieser Ideen ist selbstverständlich hier unmöglich. Weitere Auskunft kann der Leser finden in An Introduction to Tantric Buddhism von S.B. Dasgupta, Kalkutta 1950.

Was die Werke angeht, die im 3. Teil übersetzt sind, so wurde Sarahas Liederschatz (Nr. 179), wahrscheinlich im 9. Jahrhundert, von einem der 84 »Vollkommenen« (Siddhas) geschrieben, denen die Anfänge der Tantras überlieferungsgemäß zugeschrieben werden. Er ist in Apabhramsa geschrieben, einem östlichen indischen Dialekt, aber der Text ist fehlerhaft und unklar, und für die Auslegung müssen wir uns im wesentlichen auf die tibetische Übersetzung stützen. Das Werk wurde ganz übernommen, weil es die grundlegenden tantrischen Ideen in einer verbindlichen Form zusammenfassend darstellt.

Anangavajra, ein anderer der »Vollkommenen«, schrieb »Das Erreichen der Bewußtwerdung von Weisheit und Mitteln« (Nr. 180), aus dem die ersten drei Kapitel übersetzt wurden (mit Ausnahme der Verse 11–23 des 2. Kap.). Das erste Kapitel bringt eine kurze philosophische Einleitung. Das zweite und dritte Kapitel erläutern das Verhältnis von Meister und Schüler und beziehen sich auf den eigentlichen Ritus der Vereinigung.

Es folgt eine Anmerkung über das Mandala, das eines der Meditationsmittel des Schülers ist. Nr. 181 endlich zeigt die Stufen des inneren Reintegrationsprozesses. Die Wörter selbst haben hier eine rein symbolische Bedeutung angenommen, und die vier Buddha-Leiber werden als im menschlichen Leibe existierend aufgefaßt. Diese ganze Meditation ist eine Verlebendigung der Lehre, daß die ganze Wahrheit in uns existiert (s. Verse 48 und 89 von Sarahas Lied).

Dr. Arthur Waleys Einleitung zum vierten Teil, der eine Auswahl aus den chinesischen und japanischen Quellen enthält, findet man auf Seite 223–225.

Die Herausgeber

 

Februar 1953.

Vorbemerkung zur deutschen Ausgabe

Die Genauigkeit der deutschen Übersetzung wurde unter Hinzuziehung der Originale noch einmal sorgfältig überprüft. Es ist somit Gewähr gegeben, daß dem deutschen Leser eine authentische und dem englischen Original textlich gleichwertige Ausgabe vorliegt.

Edward Conze

Edward Conze

Zur Geschichte Der Buddhistischen Texte

Die literarische Gesamtleistung der Buddhisten war ungeheuer, aber wir besitzen nur noch Bruchstücke davon. Deshalb wird eine Geschichte des Buddhismus immer ein tastender, fragmentarischer Versuch bleiben müssen. Über 400 Jahre lang wurde die Tradition nur mündlich durch Deklamatorenschulen übermittelt. Vieles in den älteren Schriften deutet auf mündliche Überlieferung hin, wie z.B. die vielen Wiederholungen und eine Vorliebe für Verse und zahlenmäßige Listen. Da man lange Zeit mündliche Überlieferung bevorzugte, sind viele gerade der ältesten Dokumente verlorengegangen.

Das Alter der Schriften ist weithin unsicher. In der Überlieferungsgeschichte des Buddhismus treten nur wenige Namen und noch weniger feste Daten heraus. Deshalb kann der Versuch, moderne geschichtskritische Methoden auf die Geschichte des Buddhismus anzuwenden, den Historiker beinahe zur Verzweiflung treiben. In ihrem Textbuch der historischen Methode stellen Langlois und Seignobos fest, daß »ein Dokument, dessen Autor, Zeit und Herkunft sich nicht feststellen lassen, völlig unbrauchbar« sei. Gerade das trifft aber leider auf die meisten Dokumente zu, die wir der Geschichte des Buddhismus zugrunde legen. Die Hindus haben historischen Daten gegenüber fast immer völlige Gleichgültigkeit an den Tag gelegt. Verglichen mit der Unwandelbarkeit der Wahrheit, sehen sie den Wechsel der historischen Ereignisse als unwichtig an. Die indischen Buddhisten hatten dieselbe Einstellung. Selbst für ein so grundlegendes Datum wie die Lebenszeit des Buddha variieren die Angaben auf das stärkste. Moderne Gelehrte nehmen als Todesjahr gewöhnlich 483 v.Chr. an. Die buddhistische Tradition in Indien aber ergibt eine ganze Anzahl anderer Daten, z.B. 852 v.Chr. oder 652 oder 552 oder 353 und sogar 252. Natürlich kann unser Versuch, die historische Abfolge der Ereignisse der buddhistischen Geschichte festzustellen, ohne den sicheren Rahmen einer Zeitbestimmung immer nur mehr oder weniger überzeugende Vermutung bleiben. Man muß allerdings zugeben, daß die buddhistische Einstellung gegenüber festen Datierungen, mag sie auch dem Gelehrten das Leben schwer machen, nicht ganz so abwegig ist, wie sie uns zunächst erscheint. Das Dharma als solches hat keine Geschichte. Nur die äußeren Umstände, unter denen es wirkt, sind dem Wechsel unterworfen. Und viele Ereignisse von höchster geistiger und religiöser Bedeutung finden in einem historischen Werk überhaupt keinen Platz. Die Mehrzahl der Erlebnisse und Erfahrungen der alten Weisen und Heiligen in ihrer Einsamkeit bleibt dem Historiker unzugänglich.

Ferner haben die Buddhisten nur wenige Namen bewahrt, weil es sich in der besten Zeit für einen Mönch nicht schickte, sich durch literarische Arbeiten einen Namen zu machen. Es kam ihnen nicht darauf an, wer etwas gesagt hatte, sondern nur, ob es wahr und förderlich war und mit der Tradition übereinstimmte. Originelle, neue Gedanken waren nicht beliebt, und anonym zu bleiben, war Vorbedingung und Folge der Heiligkeit. Eine solche Haltung hat ihre Vorzüge. Wenn eine große Anzahl von Menschen sich völlig darauf konzentriert hat, ihrer religiösen Entwicklung und Vervollkommnung zu leben, und wenn eine ganze Gemeinschaft lange Zeit hindurch ununterbrochen auf dieses Ziel hinarbeitet, so dürfte das Resultat nach dem Ablauf von mehreren Jahrhunderten ziemlich eindrucksvoll sein.

Übrigens dürfen wir Namen selbst da, wo sie erwähnt werden, nicht ohne weiteres akzeptieren. Berühmten Männern, wie Ashvaghosha, Nagarjuna und Vasubandhu, wurden so viele Werke zugesprochen, daß fromme Überlieferung später in manchen Fällen ihre Lebenszeit über viele Jahrhunderte hin ausdehnte, während die moderne historische Kritik die größten Schwierigkeiten hat, die verschiedenen Persönlichkeiten auseinanderzuhalten, die sich manchmal hinter einem Namen verbergen.

Trotzdem ist eine ungefähre Datierung der literarischen Überlieferung möglich. So ist es z.B. wahrscheinlich, daß der Suttanipata eine Anzahl der ältesten Texte enthält, die wir überhaupt besitzen, einmal der archaischen Sprache wegen, in der sie abgefaßt sind, und dann, weil ein Kommentar zu einem Teil des Suttanipata sich in dem Kanon der Theravadins findet. Unsere Vermutungen über die relative Datierung der buddhistischen Schriften, ihr zeitliches Verhältnis zueinander, können sich auf sprachliche oder auf dogmatische Gründe stützen. Wo es sich um dogmatische Gründe handelt, besteht immer die Gefahr, daß man sich – wie es in der Vergangenheit nur zu oft geschehen ist – eine rein willkürliche Vorstellung von einem primitiven Buddhismus macht und dann alles andere dementsprechend datiert.

Sehr nützlich sind die chinesischen Übersetzungen, die immer mit großer Sorgfalt die Zeit ihrer Abfassung angeben und so den Schluß erlauben, daß die entsprechende indische Vorlage einige Zeit vor diesem Datum verfaßt wurde. Aber selbst dann ergibt sich, daß die Abfassung gerade der wichtigsten Werke sich über eine lange Zeit erstreckt haben muß. Schriften wie das Mahavastu und der Lalitavistara enthalten Material, das aus der Zeit von 200 v.Chr. bis 600 n. Chr. stammen mag. In Büchern wie »Der Lotos des guten Gesetzes« oder »Die Vollkommenheit der Erkenntnis« sind die letzten Kapitel um Jahrhunderte älter als die ersten.

Alles Schrifttum, das uns erhalten ist, findet sich in drei großen Sammlungen zusammengefaßt:

1. Das Pali Tripitaka. Dieses enthält Schriften der Theravadins, einer der Hinayana-Schulen. Die Schriften der anderen Hinayana-Schulen sind zum Teil in Sanskrit und Chinesisch erhalten, aber die meisten sind verloren.

2. Das chinesische Tripitaka. Sein Aufbau ist weniger streng und im Laufe der Zeit viel verändert worden. Der älteste Katalog von 518 n. Chr. erwähnt 2113 Werke, von denen wir 276 noch besitzen. Der Kanon ist 972 zum erstenmal gedruckt worden. Die neueste japanische Ausgabe, der Taisho Issaikyo von 1924–1929, verzeichnet 2184 Werke in 55 Bänden von je 1000 Seiten[1].

3. Der tibetische Kanjur und Tanjur. Der Kanjur ist eine Sammlung von Sūtras und enthält entweder 108 oder 100 Bände. Von diesen handeln 13 von dem Vinaya oder der mönchischen Disziplin, 21 von Prajñāpāramitā oder der vollkommenen Erkenntnis, 45 enthalten verschiedene Sūtras und 21 tantrische Texte. Der Tanjur gibt in 225 Bänden die Kommentare und die Shastras. Der Tanjur zerfällt in drei Teile: Der erste Teil enthält in nur einem Bande 64 Hymnen, der zweite in 86 Bänden 2664 Kommentare zu tantrischen Texten. Der dritte Teil ist weniger einheitlich. Er enthält 38 Kommentare zu Prajñāpāramitā in 15 Bänden, dann, in Band 16–33, die Shastras der Mādhyamika-Schule, dann Kommentare zu einer Reihe von Sūtras (Band 34 bis 43) und schließlich die Shastras der Yogācārins (Band 44–61). Soweit die Mahāyāna-Texte. Es folgen etwa 30 Bände wissenschaftlicher Schriften des Hīnayāna. Mit Band 94 des dritten Teiles sind dann die eigentlich buddhistischen Shastras abgeschlossen. Dann folgen 30 Bände mit Übersetzungen aus dem Sanskrit über Logik, Dramatik, Medizin, Handwerk, Gewerbe und Nationalökonomie und schließlich 13 Bände tibetischer Schriften über technische Gegenstände.

4. Eine Anzahl von Schriften ist in Sanskrit erhalten, es gibt aber keine Sammlung und keinen Kanon. –

In dem Bedürfnis, ihre Abneigung gegen das Christentum deutlich zu machen, haben viele Schriftsteller die Geschichte des Buddhismus in einem viel zu reinen Lichte dargestellt; man darf nicht ganz vergessen, daß auch die Buddhisten sich gelegentlich so aufgeführt haben, wie wir es in vielen Fällen von Christen gewöhnt sind. In Tibet z.B. gab es um 900 v.Chr. einen bösen König Lang Darma, der die Mönche verfolgte. Er wurde von einem buddhistischen Mönch ermordet. Die offizielle tibetische Geschichtsdarstellung pries den Mörder wegen seines »Mitleids für den König, der durch die Verfolgung des Buddhismus Sünde auf Sünde häufte«, und spätere Generationen haben, weit davon entfernt, die Tat zu verurteilen, den Mönch heilig gesprochen. Fast alle europäischen Darstellungen preisen die Gelbe Kirche, die in den letzten 300 Jahren Tibet beherrscht hat. Sie behaupten, der Sieg dieser Sekte über die älteren Roten Sekten beruhe auf der höheren Bildung Tsong-kha-pas, der strengeren Moral seiner Anhänger und auf der Tatsache, daß die Gelbe Kirche so gut wie völlig frei sei von Magie und Aberglauben. Bis zu einem gewissen Grade mag das zutreffen. Aber man darf nicht vergessen, daß der Erfolg der Ge-lug-pa zum Teil erst möglich geworden war durch die militärische Hilfe der Mongolen, die während des 17. Jahrhunderts immer wieder die Klöster der gegnerischen Roten Sekten verwüsteten und den Führer der Gelben Kirche, den Dalai Lama, nachdrücklich unterstützten.

Im 11. Jahrhundert führte König Anuruddha von Burma einen Krieg gegen das benachbarte Königreich Thaton, um sich eines Exemplares der heiligen Schriften zu bemächtigen, da der König von Thaton sich geweigert hatte, ihm eine Abschrift zu überlassen. In einem so kriegerischen Lande wie Japan waren die Klöster während des Mittelalters eine Quelle ständiger Unruhe, und die Mönche fielen von ihren Bergfesten aus dauernd mit großen bewaffneten Haufen in Kyoto ein. Ein Beispiel einer volkstümlichen Bewegung, die die buddhistische Terminologie verwendete, ohne vor Gewaltanwendung zurückzuschrecken, bieten die Boxer. Diese Verbindung zwischen sozialer Auflehnung und buddhistischem Glauben ist in China sehr alt, und die Vorläufer der Boxer, wie z.B. die weiße Lotossekte, haben in der Geschichte Chinas eine große Rolle gespielt. In Burma beleidigten die Engländer die religiösen Empfindungen der Burmesen unter anderem dadurch, daß sie den Verkauf von Alkohol erlaubten und förderten. Sie zerstörten auch die Grundlagen der mönchischen Disziplin, indem sie die Hierarchie der Kirche auflösten. In der Folge verbreitete sich eine Art von politischem Buddhismus, dem keine Gegenkraft im Wege stand. Ein volkstümlicher Führer, Saya San, veröffentlichte z.B. im Jahre 1930 einen Aufruf, in dem es nach Maurice Collis hieß: »Im Namen unseres Herrn und zum größeren Ruhme unserer Kirche erkläre ich, Thupannaka Galon Raja, den Krieg gegen die heidnischen Engländer, die uns versklavt haben.«

Man könnte noch viele solche Beispiele anführen. Im ganzen gesehen, bedauern die Buddhisten derartige Vorgänge und sehen sie als ein Zeichen der Schwäche an, die durch die eingeborene Verderbtheit der menschlichen Natur zu erklären ist. In Indien leisteten die Mönche keinen Widerstand, als die hephtalitischen Hunnen und später die Mohammedaner die Klöster plünderten, ihre Insassen töteten, die Bibliotheken verbrannten und die heiligen Bilder zerstörten. Infolge dieser Angriffe verschwand die Organisation der buddhistischen Kirche zunächst in Gandhara und dann in ganz Nordindien.

 

Die Haupttrennungslinie des buddhistischen Denkens ist die zwischen Hīnayāna und Mahāyāna. Im Hinayana finden wir zunächst die Alte Weisheitsschule, die sich etwa 200 Jahre nach Buddhas Nirwana in zwei Linien spaltet: im Osten Indiens die Schule der Theravādins, die heute noch in Ceylon, Burma und Siam herrschend ist; und im Westen die Sarvāstivādins, die 1500 Jahre hindurch blühten und Mathura, Gandhara und Kaschmir als ihre Zentren hatten. Außerdem gab es noch eine Anzahl anderer Schulen, von denen wir jedoch aus Mangel an schriftlicher Überlieferung so gut wie nichts wissen: Die Mahāsanghikas organisierten von etwa 250 v.Chr. an in Magadha und, im Süden, um Amaravati eine besondere Sekte von Buddhisten, die von der Alten Weisheitsschule abgefallen waren; diese Sekte ging erst zugrunde, als der Buddhismus in Indien überhaupt zerstört wurde.

Diese liberalere Richtung der Mahāsanghikas entwickelte sich bald unter dem Namen Mahāyāna zu einer neuen Schule, die, nicht unmittelbar, aber im Laufe von etwa 400 Jahren, sich wiederum in verschiedene Linien teilte. Jede dieser Schulen vertrat eine der vielen Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Lehre. Die um etwa 150 n. Chr. von Nagarjuna gegründeten Mādhyamikas erwarteten das Heil von der Ausübung der Weisheit, worunter sie die Kontemplation der Leere verstanden. Da sie ihre Grundsätze in bewußtem Gegensatz zu denen der Alten Weisheitsschule entwickelten, sprechen wir von einer Neuen Weisheitsschule. Eine andere Schule, die mit den Mādhyamikas eng zusammenhing, legte den Nachdruck auf den Glauben an die Buddhas und Bodhisattvas und an die Ergebenheit ihnen gegenüber. Allerdings wurden in der von den Mādhyamikas unternommenen Systematisierung manche der Gedanken des frühen Mahāyāna vernachlässigt; diese wurden später infolge der Parallelentwicklung im Hinduismus wieder stärker betont. Der Einfluß der Samkhya-Yoga-Philosophie zeigt sich in der um 400 n. Chr. von Asanga gegründeten Yogācāra-Schule, die das Heil von der als Yoga bekannten introspektiven Meditation erwartete. Schließlich rief die Entwicklung des Tantra im Hinduismus nach 500 n. Chr. eine magische Form des Buddhismus unter dem Namen Vajrayāna (Diamantfahrzeug) hervor, die die Erleuchtung von magischen Übungen erhoffte. Das Diamantfahrzeug wurde besonders in Nepal, Tibet, China, Japan, Java und Sumatra sehr einflußreich. Außerhalb Indiens entwickelten sich aus der Vereinigung des Mahayana mit lokalen Elementen einige im wahren Sinne des Wortes neue Schulen. Bemerkenswert unter ihnen sind in China und Japan die Ch’an- (Meditations-) Schule und der Amidismus, in Tibet die Nyin-ma-pa, die viel von dem aus Nordasien stammenden Schamanismus und der tibetischen Bön-Religion übernahmen.

Die schöpferische Kraft buddhistischen Denkens versiegte etwa 1500 Jahre nach Buddhas Nirwana. Während der letzten 1000 Jahre sind neue Schulen von Bedeutung nicht mehr entstanden, und die Buddhisten haben nur, so gut sie konnten, das große Erbe der Vergangenheit bewahrt. Es ist möglich, daß sich die Lotosblume der buddhistischen Lehre nach 1500 Jahren völlig entfaltet hatte und daß nichts wesentlich Neues mehr zu erwarten ist. Allerdings stellen die Lebensbedingungen unserer industrialisierten Zivilisation eine Herausforderung dar, die wohl zu einer neuen Synthese führen könnte.

Aus: Edward Conze, Der Buddhismus. Wesen und Entwicklung. Kohlhammer Verlag, 2. Auflage, Stuttgart 1956.

Erster Teil Die Lehre der Alten von I.B. Horner

Das Samgha

Der Orden der Mönche und Nonnen

1. Bekehrung des Anathapindika und Spende des Jeta-Haines

Der Hausvater Anathapindika, mit der Schwester eines Bankiers in Rajagaha verheiratet, begab sich in Geschäften zu seinem Schwager, bei dem der Orden mit dem Buddha an der Spitze für den nächsten Tag eingeladen war. Und der Bankier schärfte seinen Sklaven und Dienern ein, des Morgens früh aufzustehen und Suppen, Reis, Ragouts und Gemüse zu kochen. Da dachte der Hausvater Anathapindika bei sich: »Wenn ich früher hierher kam, schob dieser Hausvater alle seine Pflichten beiseite und tat nichts, als Begrüßungszeremonien mit mir auszutauschen, aber jetzt scheint er aufgeregt zu sein und schärft seinen Sklaven und Dienern ein, morgen ganz früh aufzustehn und verschiedene Sachen zu kochen. Ist vielleicht eine Hochzeit im Gange, oder wird ein großes Opferfest veranstaltet, oder ist König Seniya Bimbisara aus Magadha für morgen mit seinen Truppen eingeladen?« Und er fragte den Bankier, was vorgehe.

»Es gibt weder eine Hochzeit, Hausvater, noch wurde König Seniya Bimbisara mit seinen Truppen eingeladen. Aber ein großes Opferfest wurde von mir anberaumt: der Orden wurde für morgen eingeladen mit dem Buddha an der Spitze.«

»Hausvater, sagtest du Buddha?«

»Buddha sagte ich, Hausvater.«

»Hausvater, sagtest du Buddha?«

»Buddha sagte ich, Hausvater.«

»Hausvater, sagtest du Buddha?«

»Buddha sagte ich, Hausvater.«

»Selbst zu dem Laut Buddha, Buddha kann man schwer in der Welt kommen. Könnte ich diesen Herrn, den Arahant, den vollkommenen Buddha, besuchen gehen?«

»Nicht jetzt, aber morgen früh.«

Da legte sich der Hausvater Anathapindika nieder und dachte so viel an den Buddha, daß er dreimal des Nachts aufstand, da er glaubte, der Tag sei angebrochen. Als er sich dem Tore des Kühlen Haines näherte, öffneten es Geister-Wesen. Aber als er die Stadt hinter sich ließ, verschwand das Licht, und Dunkelheit brach herein; und solche Furcht, Bestürzung und Schrecken stiegen in ihm auf, daß er von dort umkehren wollte. Aber der Yakkha Sivaka ließ unsichtbar seine Stimme hören:

»Hundert Elefanten, Pferde und Wagen mit Mauleselinnen,

Hunderttausende Mädchen, geschmückt mit juwelenbesetzten Ohrringen –

All diese sind nicht den sechzehnten Teil einer Schrittlänge wert.

Geh weiter, Hausvater, geh weiter, Hausvater.

Weitergehen ist besser für dich, nicht Umkehr.«

Dann verschwand die Dunkelheit, und das Licht kehrte zurück, so daß Anathapindikas Furcht, Bestürzung und Schrecken sich legten.

Darauf näherte er sich dem Kühlen Hain, wo der Herr im Freien auf und ab wandelte. Der Herr sah ihn und stieg herab von dem Platz, auf dem er auf und ab gewandelt war, und sprach zu Anathapindika: »Komm, Sudatta.« Mit dem Gedanken »Der Herr nennt mich bei meinem eigentlichen Namen[2]« neigte er sein Haupt zu den Füßen des Herrn und sagte, er hoffe, der Herr fühle sich wohl. Der Herr antwortete:

»Ja, er fühlt sich immer wohl, der Brahmane, der Nirwana erreicht hat,

Der nicht von Lüsten befleckt ist, abgekühlt, ohne ›Grundlage‹[3],

Der alle Klammern zerrissen hat und sich abgewendet hat von den Sorgen des Herzens.

Ruhig lebt er und glücklich, da er den Seelenfrieden erlangt hat.«

Dann redete der Herr über verschiedene Dinge zu dem Hausvater Anathapindika – über das Geben, über die sittliche Gewohnheit und über den Himmel; er erläuterte die Gefahr, die Eitelkeit, die Verworfenheit der Sinnenfreuden, den Vorteil beim Verzicht auf sie. Als der Herr merkte, daß der Sinn des Hausvaters Anathapindika bereit war, formbar, von Behinderungen befreit, erhoben, erfreut, da erklärte er ihm die Lehre vom Dhamma, die die Buddhas selber entdeckt haben: das Leiden, seine Entstehung, seine Aufhebung, den »Weg«. Und wie ein reines Tuch ohne schwarze Flecken leicht Farbe annimmt, gerade so erschien die Schau des Dhamma, staublos, fleckenlos, dem Hausvater Anathapindika, als er auf diesem Platz dort saß, und er sah: »Was immer der Entstehung unterworfen ist, all das ist auch der Beendigung unterworfen.« Dann, als er Dhamma geschaut hatte, Dhamma erreicht hatte, Dhamma erkannt hatte, sich in Dhamma versenkt hatte, über den Zweifel hinweggeschritten war, die Unsicherheit abgelegt hatte und ohne die Hilfe eines anderen volles Vertrauen in die Unterweisung des Lehrers gewonnen hatte, sprach Anathapindika so zu dem Herrn:

»Das ist ausgezeichnet, Herr. So wie man das aufstellen kann, was umgestürzt war, oder aufdecken, was verhüllt war, oder einem Verirrten den Weg zeigen kann oder eine Öllampe in das Dunkel tragen mit dem Gedanken, daß die mit Visionskraft Begabten Gestalten sehen könnten, so wird Dhamma in manch einer Form vom Herrn erklärt. Ich selbst, Herr, nehme zu dem Herrn meine Zuflucht, zum Dhamma und zu dem Orden der Mönche. Möge der Herr mich als Laienschüler annehmen, mich, der ich bei Ihm Zuflucht nehmen will, solange mein Leben währt. Und, Herr, möge der Herr einwilligen, morgen zusammen mit dem Mönchsorden ein Mahl mit mir einzunehmen.« Der Herr willigte durch sein Schweigen ein …

Dann zog der Hausvater Anathapindika, nachdem er seine Geschäfte in Rajagaha erledigt hatte, aus nach Savatthi. Am Wege schärfte er den Leuten ein: »Männer, baut Klöster, machet Wohnplätze bereit, sorgt für Geschenke: ein Buddha ist in der Welt erstanden, und der Herr, den ich eingeladen habe, wird diese Straße entlangziehen.« Die Leute folgten seinen Anweisungen. Und als der Hausvater Anathapindika in Savatthi angekommen war, schaute er um sich und dachte:

»Wo ist nun aber ein Platz, wo der Herr wohnen könnte, weder zu weit vom Dorfe noch zu nahe, zum Kommen und Gehen geeignet, leicht zugänglich denen, die dahin kommen wollen, nicht überfüllt mit Menschen bei Tage, lautlos und stille bei Nacht, fern von den Ausdünstungen des Pöbels, abgeschlossen und zur Versenkung geeignet?«

Da sah der Hausvater Anathapindika Prinz Jetas Lustwäldchen, und das war weder zu weit vom Dorfe noch zu nahe … und er wendete sich an Prinz Jeta: »Junger Herr, gib mir das Lustwäldchen, damit ich dort ein Kloster errichten kann.«

»Das Lustwäldchen ist nicht verkäuflich, Hausvater, selbst um den Preis von hunderttausend (Münzen).«

»Das Kloster ist hiermit gekauft worden, junger Herr.«

»Das Kloster ist nicht gekauft worden, Hausvater.«

Sie fragten die obersten Gerichtsräte, ob es gekauft worden sei oder nicht, und die sagten: »Als der Preis von dir festgesetzt wurde, junger Herr, wurde das Kloster gekauft.« Und so breitete der Hausvater Anathapindika, der Goldmünzen in Wagen herausgebracht hatte, den Preis von Hunderttausend in dem Jeta-Hain aus. Aber die Goldmünzen, die das erste Mal herangefahren wurden, waren nicht genug, um einen kleinen freien Platz beim Portal zu bedecken. Und so forderte der Hausvater Anathapindika die Leute auf: »Geht zurück, liebe Leute, bringt mehr Goldmünzen; ich will diesen freien Platz damit bedecken.«

Da dachte Prinz Jeta bei sich: »Das kann keine gewöhnliche Sache sein, auf die der Hausvater so viele Goldmünzen verwendet«, und er sprach zu Anathapindika:

»Bitte, Hausvater, laß mich diesen freien Platz bedecken, gib ihn mir, er soll mein Geschenk sein.«

Da dachte der Hausvater Anathapindika: »Dieser Prinz Jeta ist ein vorzüglicher, weithin bekannter Mann; gewiß ist der Glaube von so bekannten Männern wie ihm an dieses Dhamma und diese Zucht sehr wirksam«, und überließ den freien Platz dem Prinzen Jeta. Und Prinz Jeta baute ein Portal auf dem freien Platz. Der Hausvater Anathapindika aber ließ Wohnungen bauen und Zellen, Vorhallen, Hörsäle, Feuersäle, Hütten für das Erlaubte, Klosette, Wandelhallen, Brunnen, Baderäume, Lotosteiche und Schuppen.

2. Die Bekehrung des Generals Siha und das Fleischessen

Der General Siha, ein Schüler der Jainas, saß einst unter einigen prominenten Licchavis, die den Buddha, das Dhamma und den Orden lobpriesen; und Siha wurde von großer Sehnsucht ergriffen, den Herrn zu sehen. Schließlich ging er, ohne die Jainas um Erlaubnis gefragt zu haben, und erzählte dem Herrn verschiedene Dinge, die er von seiner Lehre gehört hatte, und er fragte ihn, ob diese Dinge wahr seien oder Verfälschungen, denn »wir wollen, Herr, wahrhaftig nicht den Herrn falsch darstellen«. Da erklärte Gotama dem Siha, daß es wahr sei, daß er das Vermeiden des falschen Verhaltens von Körper, Sprache und Gedanken, seine Verabscheuung, sein Ausbrennen und auch die Pflege des richtigen Verhaltens lehre, das Sich-Abwenden von Leidenschaft, Haß und Verwirrung, die Vermeidung wiederholten Werdens, und daß er eine Lehre des Vertrauens verkünde und seine Schüler darin ausbilde.

Als er so gesprochen hatte, sprach General Siha zu dem Herrn: »Das ist ausgezeichnet, Herr … Möge mich der Herr zum Laienschüler annehmen. Ich nehme meine Zuflucht bei Ihm von heute an, solange das Leben dauert.«

»Untersuche nun die Sache gründlich, Siha, denn es ist gut, daß bekannte Männer wie du das tun.«

»Ich bin froh und zufrieden, daß der Herr das zu mir sagt. Wenn Mitglieder anderer Sekten mich zum Schüler gewinnen würden, hätten sie ein Banner durch ganz Vesali getragen mit der Bekanntmachung, daß ich einer ihrer Schüler geworden sei. Aber der Herr befahl mir, die Sache gründlich zu untersuchen. Und so nehme ich zum zweiten Mal, Herr, meine Zuflucht zu dem Herrn und zu dem Dhamma und zu dem Orden der Mönche. Möge mich der Herr zum Laienschüler annehmen. Ich nehme meine Zuflucht bei Ihm von heute an, solange das Leben dauert.«

»Lange Zeit, Siha, war deine Familie eine Brunnenquelle für die Jainas. Wirst du daran denken, denen, die sich an dich wenden, Almosen zu geben?«

»Ich bin froh und zufrieden, daß der Herr das zu mir sagt. Denn ich hatte gehört, daß der Einsiedler Gotama gesagt habe, daß Gaben nur ihm selbst und seinen Schülern gegeben werden sollen, nicht an andere, und daß nur solche Gaben gute Früchte tragen würden, nicht Gaben an andere. Aber der Herr hat mich daran gemahnt, auch den Jainas zu geben. Wir werden, Herr, wohl die passende Zeit dafür wissen. Und so nehme ich zum dritten Mal, Herr, meine Zuflucht zu dem Herrn und zu dem Dhamma und zu dem Orden der Mönche. Möge mich der Herr zum Laienschüler annehmen. Ich nehme meine Zuflucht bei Ihm von heute an, solange das Leben dauert.«

Dann sprach der Herr über verschiedene Dinge mit dem General Siha[4].

Und als er Dhamma geschaut, erreicht, gewußt hatte und sich in es versenkt hatte, über den Zweifel hinweggeschritten war, die Unsicherheit abgelegt und ohne die Hilfe eines anderen volles Vertrauen in die Unterweisung des Lehrers gewonnen hatte, lud er den Herrn für den nächsten Tag zu einem gemeinsamen Mahl mit ihm und dem Orden der Mönche ein. Und der Herr willigte durch sein Schweigen ein. Und so bat General Siha einen Mann, auszugehen und herauszufinden, ob Fleisch erhältlich sei[5], und ließ während der Nacht köstliche, nahrhafte Speisen bereiten. Am Morgen sagte er zu Gotama, das Mahl sei fertig, und er ging mit dem Mönchsorden zusammen zu Sihas Wohnung und setzte sich auf den für ihn bestimmten Sitz.

Da schwenkten nun viele Jainas ihre Arme, und ihre Klagen schallten durch alle Straßen von Vesali: »Heute wurde ein fettes Tier von General Siha getötet und zu einem Mahl für den Einsiedler Gotama bereitet, und er hat von diesem Fleisch gegessen, obwohl er wußte, daß es absichtlich für ihn getötet worden war und daß die Tat seinetwegen getan worden war.«

Jemand flüsterte diese Berichte General Siha ins Ohr. »Genug«, antwortete er. »Schon lange versuchen diese Ehrwürdigen, den Buddha, das Dhamma und den Orden in Mißkredit zu bringen. Aber sie sind eitel, schlecht und lügnerisch und schaden diesem Herrn nicht, da sie ihn verleumden durch Dinge, die nicht den Tatsachen entsprechen. Ja, selbst um unseres Lebensunterhalts willen würden wir nicht absichtlich etwas Lebendiges seines Lebens berauben.«

Dann setzte sich General Siha, nachdem er mit eigener Hand den Mönchsorden mit dem Buddha an der Spitze bedient und zufriedengestellt hatte, in einer ehrerbietigen Entfernung nieder, nachdem der Herr gegessen und seine Hand von der Schüssel zurückgezogen hatte. Und als der Herr den General Siha mit seinen Reden von dem Dhamma erregt, erfreut, beglückt und entzückt hatte, ging er fort. Nachdem er diese wohldurchdachten Reden geführt hatte, wandte er sich an die Mönche und sagte:

»Mönche, man soll nicht wissentlich Fleisch, das absichtlich für einen getötet worden ist, genießen. Wer immer es genießt, begeht eine Übeltat. Ich erlaube euch, Mönche, Fisch und Fleisch zu essen, das in drei Hinsichten ganz rein ist: wenn man nicht gesehen, gehört oder vermutet hat, daß es absichtlich für einen Mönch getötet wurde.«

3. Die Weihung Pajapatis der Großen

Einst wohnte der Buddha unter den Sakyans in Kapilavatthu in dem Kloster Banyan. Da nahte sich die Gotamidin Pajapati die Große und grüßte den Herrn, und in ehrerbietiger Entfernung stehend, sprach sie zu ihm:

»Herr, es wäre gut, wenn Frauen aus ihrem Heim auszögen in die Heimatlosigkeit in dieses Dhamma und dieses von dem Tathagata verkündete Erziehungssystem.«

»Sei vorsichtig, Gotami, mit dem Auszug von Frauen aus dem Heim in die Heimatlosigkeit in dieses Dhamma und dieses von dem Tathagata verkündete Erziehungssystem.«

Ein zweites und ein drittes Mal wiederholten sie beide diese Worte. Und Pajapati, die glaubte, daß der Herr den Auszug von Frauen nicht erlaubte, grüßte den Herrn betrübt, gekränkt, mit tränenüberströmtem Gesicht, und weinend ging sie ehrfurchtsvoll von ihm fort.

Dann machte sich der Herr auf nach Vesali. Und auch Pajapati, die ihr Haar abgeschnitten und safrangelbe Kleider angelegt hatte, machte sich mit einigen Sakyan-Frauen nach Vesali auf. Bei dem Giebelsaal angekommen, blieb sie außerhalb des Portals stehen, mit geschwollenen Füßen, staubbedeckten Gliedern, tränenüberströmtem Gesicht und weinend. Der ehrwürdige Ananda sah sie, und als er von ihr den Grund ihres Kummers hörte, bat er sie, einen Augenblick zu warten, während er den Herrn nach seiner Meinung über den Auszug von Frauen aus dem Heim in die Heimatlosigkeit fragte. Aber der Herr antwortete ihm, wie er Pajapati geantwortet hatte. Und so dachte Ananda: »Wie wäre es, wenn ich jetzt den Herrn auf einem anderen Wege fragen würde?«, und er sprach zu dem Herrn:

»Sag, Herr, sind Frauen, die aus dem Heim ausgezogen sind in die Heimatlosigkeit, in dieses Dhamma und dieses von dem Tathagata verkündete Erziehungssystem, imstande, die Früchte des Stromerreichens, des Einmal-Wiederkehrens und Nicht-Wiederkehrens und der Arahantschaft zu gewinnen?«

»Ja, Ananda.«

»Wenn dem so ist, Herr – und, Herr, die Gotamidin, Pajapati die Große, hat große Dienste geleistet: sie war des Herrn Tante, Pflegemutter, Amme und Milchgeberin, denn als die Mutter des Herrn verschied, säugte sie ihn –, wäre es gut, Herr, wenn Frauen das Ausziehen aus dem Heim in die Heimatlosigkeit erlangen könnten.«

»Wenn, Ananda, die Gotamidin Pajapati die Große diese acht wichtigen Regeln annimmt, möge das ihre Weihe sein:

Eine Nonne, selbst wenn sie ein Jahrhundert lang geweiht ist, soll einen Mönch, selbst wenn er denselben Tag geweiht wurde, ehrerbietig grüßen, sich von ihrem Sitze erheben, ihm mit gefalteten Händen entgegengehen und ihm vorschriftsmäßig huldigen.

Eine Nonne darf die Regenzeit nicht an einem Wohnort verbringen, wo kein Mönch ist.

Jeden halben Monat soll eine Nonne von dem Mönchsorden zwei Dinge verlangen: das Datum des Observanztages und des Tages, an dem man um die Ermahnung kommt.

Nach der Regenzeit muß eine Nonne beide Orden[6] hinsichtlich dreier Dinge ›auffordern‹: was als Missetat gesehen, gehört und vermutet wurde.

Eine Nonne, die gegen diese wichtige Regel verstößt, muß sich vierzehn Tage lang vor beiden Orden der Manatta-Zucht[7] unterwerfen.

Nachdem sie als Novizin sich zwei Jahre lang in den sechs Regeln geübt hat[8], soll sie bei beiden Orden um die Weihe bitten.

Ein Mönch darf auf keine Weise von einer Nonne beschimpft oder geschmäht werden.

Von heute an ist die Ermahnung von Mönchen durch Nonnen verboten, die Ermahnung von Nonnen durch Mönche ist nicht verboten.

Jede dieser Regeln soll eingehalten, befolgt, geachtet, verehrt werden und darf von einer Nonne während ihres ganzen Lebens nie verletzt werden. Wenn Pajapati, Ananda, diese acht wichtigen Regeln annimmt, soll das ihre Weihe sein.«

Als Ananda Pajapati über die Sache berichtet hatte, sagte sie:

»Wie wenn eine Frau oder ein Mann, Ananda, jung, in zartem Alter und schmuckliebend, mit gewaschenem Kopf, einen Kranz, den man ihnen gegeben hat, sei er aus Lotosblumen oder Jasminblüten oder einer süß duftenden Schlingpflanze, in beide Hände nehmen und auf ihren Kopf setzen würden – ebenso nehme ich, geehrter Ananda, diese acht wichtigen Regeln an, die während meines ganzen Lebens nie verletzt werden sollen.«

Dann wendete sich Pajapati an den Herrn und fragte ihn, welche Verhaltungsmaßregeln sie in bezug auf die anderen Sakyan-Frauen befolgen solle. Als der Herr sie mit Reden von Dhamma erfreut und entzückt hatte, ging sie fort; und der Herr sagte zu den Mönchen: »Ich erlaube, Mönche, daß Nonnen von Mönchen geweiht werden.«

Diese Nonnen sagten zu Pajapati: »Die Dame ist nicht geweiht und wir auch nicht, denn es wurde von dem Herrn festgelegt, daß Nonnen von Mönchen geweiht werden sollen.« Pajapati teilte das dem ehrwürdigen Ananda mit, der es dem Herrn übermittelte. Der sagte: »Damals, Ananda, als die acht wichtigen Regeln von Pajapati angenommen wurden, war das eine Weihe.«

Da wendete sich Pajapati selbst an den Herrn und sagte, in ehrerbietiger Entfernung stehend, zu ihm:

»Herr, welche Verhaltungsmaßregeln sollen wir hinsichtlich jener Regeln zur Ausbildung von Nonnen, die dieselben sind wie die für Mönche, befolgen[9]?«

»Ihr sollt sie üben, so wie die Mönche es tun.«

»Und welche Verhaltungsmaßregeln sollen wir hinsichtlich der Regeln für die Ausbildung von Nonnen, die nicht die gleichen wie die für die Mönche sind, befolgen?«

»Ihr sollt euch in diesen Regeln ausbilden, so wie sie festgelegt sind.«

4. Visakha, die Laienanhängerin

Nachdem Visakha, Migaras Mutter, von dem Herrn mit Reden von Dhamma erregt, erfreut, beglückt und entzückt worden war, bat sie ihn, einzuwilligen, am nächsten Tag zusammen mit dem Mönchsorden ein Mahl von ihr anzunehmen. Der Herr willigte durch sein Schweigen ein. Da fiel gegen Ende der Nacht ein starker Regenguß auf alle Erdteile, und der Herr sagte zu den Mönchen: »Mönche, so wie es in dem Jeta-Hain regnet, so regnet es auf alle Erdteile. Laßt eure Körper naß werden vom Regen, dies ist die letzte große Wolke über allen Erdteilen[10].«

Als die Zeit für das Mahl gekommen war, sandte Visakha eine Dienerin zum Kloster, um dort zu sagen, wie spät es sei. Sie sah die Mönche, die ihre Gewänder abgelegt hatten und sich den Regen auf ihre Leiber laufen ließen, aber sie dachte, es seien Nackte Asketen[11] und keine Mönche. Da wandte sich der Herr an die Mönche und sagte: »Mönche, nehmt eure Eßschalen und eure Gewänder, es ist Zeit für das Mahl.« – Als Visakha den Mönchsorden mit dem Buddha an der Spitze mit köstlicher, nahrhafter Speise bedient und zufriedengestellt hatte, setzte sie sich in ehrerbietiger Entfernung nieder und sprach zu dem Herrn:

»Herr, ich bitte den Herrn um acht Wohltaten.«

»Visakha, die Tathagatas sind über das Verrichten von Wohltaten hinaus.«

»Herr, diese sind zulässig und untadelhaft.«

»Sprich weiter, Visakha.«

»Ich möchte, Herr, mein Leben lang gern dem Orden Kleider für die Regenzeit geben, Speise für die Ankommenden (in Klöstern), Speise für die Ausziehenden, Speise für die Kranken, Speise für die, die sie pflegen, Arznei für die Kranken, einen ständigen Vorrat von Reiswasser, und Badegewänder für den Nonnenorden.«

»Doch aus welchem besonderen Grund, Visakha, bittest du den Tathagata um diese acht Wohltaten?«

»Herr, meine Dienerin sagte zu mir, es seien keine Mönche in dem Kloster, sondern Nackte Asketen ließen sich den Regen auf den Körper laufen. Unrein, Herr, ist Nacktheit, und unziemlich. Aus diesem besonderen Grund möchte ich mein Leben lang gern dem Orden Kleider für die Regenzeit geben.

Und dann zieht ein ankommender Mönch, der nicht an die Straßen und Almosenorte gewöhnt ist, noch um Almosen bettelnd herum, wenn er müde ist. Aber wenn er meine Speise für die Ankommenden ißt, dann wird er erst um Almosen betteln, wenn er an die Straßen und Almosenorte gewöhnt ist, und nicht so müde werden.

Und dann, Herr, kann ein ausziehender Mönch, während er Speise für sich sucht, von der Karawane vergessen werden oder er mag vielleicht, wenn er müde eine Reise antritt, an dem Ort, zu dem er gehen will, zu unrechter Zeit[12] ankommen. Doch wenn er meine Speise für die Ausziehenden ißt, werden diese Dinge ihm nicht zustoßen.

Und dann, Herr, wenn ein kranker Mönch keine passenden Mahlzeiten erhält, wird entweder seine Krankheit noch schlimmer werden oder er wird verscheiden. Nicht aber, wenn er meine Speise für die Kranken ißt.

Und dann, Herr, wird ein Mönch, der die Kranken pflegt und zugleich Speise für sich sucht, zu einer Zeit Speise für die Kranken bringen, wenn die Sonne hoch oben steht, und so wird er sein Mahl versäumen. Aber wenn er meine Speise für die, die die Kranken pflegen, gegessen hat, wird er zur rechten Zeit Speise für die Kranken zurückbringen und so sein Mahl nicht versäumen.

Und dann, Herr, wenn ein kranker Mönch keine geeigneten Arzneien erhält, wird entweder seine Krankheit noch schlimmer werden oder er wird verscheiden. Doch wird das nicht geschehen, wenn er meine Arznei für die Kranken benützen kann.

Und dann, Herr, wurde Reiswasser von dem Herrn in Andhakavinda erlaubt, da er an seine zehn Vorzüge dachte. Da ich, Herr, diesen besonderen Grund im Sinne habe, möchte ich für mein Leben gern dem Orden einen ständigen Vorrat von Reiswasser geben.

Es geschah einmal, daß Nonnen zusammen mit Prostituierten nackt in derselben Furt des Flusses Aciravati badeten, und die Prostituierten machten sich lustig über sie und sagten: ›Warum in aller Welt wird das heilige Leben von euch, ihr Damen, geführt, solange ihr noch so jung seid? Es ist doch besser, die Sinnenfreuden jetzt zu genießen? Wenn ihr alt seid, könnt ihr das heilige Leben führen; so werdet ihr beide Vorteile haben.‹ Die Nonnen schämten sich. Unrein, Herr, ist Nacktheit für Frauen, abscheulich und unziemlich. Da ich, Herr, diesen besonderen Grund im Sinne habe, möchte ich für mein Leben gern dem Nonnenorden Badegewänder geben.«

»Es ist sehr gut, Visakha, daß du den Tathagata um diese acht Wohltaten bittest. Ich erlaube dir, Visakha, diese acht Wohltaten.« Darauf wandte sich der Herr, nachdem er diese wohldurchdachten Reden geführt hatte, an die Mönche und sagte:

»Ich bewillige, Mönche, Kleider für die Regenzeit, Speise für die Ankommenden, für die Ausziehenden, für die Kranken, für die, die sie pflegen, Arzneien für die Kranken, einen ständigen Vorrat von Reiswasser und Badegewänder für den Nonnenorden.«

5. Spaltung

Als sich Devadatta in der Einsamkeit der Versenkung hingab, stieg der folgende Gedankengang in seinem Geiste auf: »Wem könnte ich wohl so gefällig sein, daß mir, weil er an mir Gefallen findet, viel Gewinn und Ehre zufallen wird?« Und er dachte an Prinz Ajatasattu. Seine eigene Gestalt ablegend und die eines mit einem Schlangengürtel bekleideten Knaben annehmend, zeigte er sich auf dem Schoße des Prinzen. Voller Schrecken fragte der ihn, wer er sei.

»Ich bin Devadatta.«

»Wenn dem wirklich so ist, zeige dich, bitte, in deiner eigenen Gestalt.« Und Devadatta legte die Gestalt des Knaben ab und stand in seinem Obermantel und seinen Gewändern mit seiner Eßschale vor dem Prinzen Ajatasattu. Der fand großen Gefallen an diesem Zauberkunststück, wartete ihm morgens und abends mit fünfhundert Wagen auf und brachte ihm fünfhundert Portionen von in Milch gekochtem Reis als Speisegabe dar. Und in Devadatta, der von seinen Gütern, seinen Ehren und seinem Ruhm überwältigt war und dessen Sinn davon besessen war, stieg der heftige Wunsch auf, den Mönchsorden zu leiten. Und sofort nahm des Devadatta übernatürliche Kraft ab.

Damals war Kakudha, der Koliyer, gerade gestorben und war in einem geisterzeugten Körper als junger Deva wiedererschienen. Er wendete sich an den ehrwürdigen Moggallana, dessen Diener er gewesen war, und warnte ihn vor Devadattas Gelüste. Darauf warnte Moggallana den Herrn. Der Herr antwortete:

»Moggallana, dieser törichte Mann wird sich selbst verraten. Es gibt fünf Arten von Lehrern in der Welt: den Lehrer, dessen sittliche Gewohnheiten nicht rein sind oder dessen Art des Lebensunterhalts oder dessen Art, Dhamma zu lehren, oder dessen Auslegung oder dessen Schau des Wissens. Aber in jedem dieser Fälle gibt er vor, daß er rein sei und daß seine sittliche Gewohnheit und so weiter rein, sauber und unbefleckt seien. Obwohl seine Schüler dies von ihm wissen, denken sie: ›Wenn wir das den Hausvätern erzählen würden, hätte er das nicht gern, und wie könnten wir etwas von ihm sagen, das er nicht gern hätte?‹ Überdies willigt er ein, das Erforderliche an Gewändern, Nahrungsspenden, Wohnplätzen und Arzneien für die Kranken anzunehmen (und dadurch erlaubt er den Gebern, Verdienst zu erwerben). Was je einer tun wird, daran wird man ihn erkennen. Moggallana, ein solcher Lehrer wird von seinen Schülern beschützt und erwartet Schutz von ihnen.

Doch ich, Moggallana, bin rein in meiner sittlichen Gewohnheit, in der Art des Lebensunterhalts, des Dhammalehrens, der Auslegung und der Schau des Wissens. Und ich bestätige, daß ich rein bin und daß meine sittliche Gewohnheit und so weiter rein, sauber und unbefleckt sind. Mich schützen keine Schüler, und ich erwarte keinen Schutz von ihnen.«

Dann setzten sich einige Mönche zu dem Herrn und erzählten ihm, wie Prinz Ajatasattu morgens und abends mit fünfhundert Wagen dem Devadatta aufwartete und als Speisegabe fünfhundert Portionen von in Milch gekochtem Reis darbrachte.

»Beneidet Devadatta nicht um die gewonnenen Güter, Ehren und Ruhm. Denn solange Prinz Ajatasattu morgens und abends zu ihm geht, kann man nur erwarten, daß Devadattas heilsamer Geisteszustand immer schwächer wird und nicht wächst, genau so wie ein wilder Hund immer wilder wird, wenn man ihm eine Blase an die Nase wirft. Devadattas Güter, Ehren und Ruhm verletzen und vernichten ihn nur, genau so wie ein Bananenbaum oder ein Bambus- oder Zuckerrohr verletzt und vernichtet werden, wenn sie Früchte tragen, oder eine Mauleselin, wenn sie empfängt.

Denn wahrlich, den Bananenbaum zerstört seine eigene Frucht,

Seine Frucht den Bambus, seine Frucht das Zuckerrohr,

So zerstört die Ehre den Narren,

Wie die Mauleselin ihr werdendes Junges.«