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Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! »Geschafft!« Dr. Felicitas Norden lächelte ihren Mann erschöpft an. »Und wie sieht es bei dir aus? Hast Du jetzt auch Feierabend?« Dr. Daniel Norden, der Chefarzt der Behnisch-Klinik in München, küsste seine Frau auf die Nasenspitze. »Leider noch nicht. Ich muss noch einen Krankenbericht zu Ende schreiben. Fahr schon mal nach Hause. Ich komme in etwa einer Stunde nach.« Die Leitende Kinderärztin der Klinik sah zum Fenster hinaus. Über München spannte sich ein weißblauer Himmel und der Friedensengel leuchtete in der tief stehenden Sonne. Sie drehte sich zu ihrem Mann um. »Wollen wir bei dem schönen Wetter draußen essen?« »Sehr gerne«, erwiderte Daniel sofort begeistert, während er wieder hinter seinem Schreibtisch Platz nahm. »Nach dem langen Tag hier in der Klinik klingt das wie Urlaub.« Er sah sie neugierig an. »Was gibt es denn?«
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Seitenzahl: 110
Veröffentlichungsjahr: 2025
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»Geschafft!« Dr. Felicitas Norden lächelte ihren Mann erschöpft an. »Und wie sieht es bei dir aus? Hast Du jetzt auch Feierabend?«
Dr. Daniel Norden, der Chefarzt der Behnisch-Klinik in München, küsste seine Frau auf die Nasenspitze. »Leider noch nicht. Ich muss noch einen Krankenbericht zu Ende schreiben. Fahr schon mal nach Hause. Ich komme in etwa einer Stunde nach.«
Die Leitende Kinderärztin der Klinik sah zum Fenster hinaus. Über München spannte sich ein weißblauer Himmel und der Friedensengel leuchtete in der tief stehenden Sonne. Sie drehte sich zu ihrem Mann um. »Wollen wir bei dem schönen Wetter draußen essen?«
»Sehr gerne«, erwiderte Daniel sofort begeistert, während er wieder hinter seinem Schreibtisch Platz nahm. »Nach dem langen Tag hier in der Klinik klingt das wie Urlaub.« Er sah sie neugierig an. »Was gibt es denn?«
»Ich habe heute Morgen Lasagne vorbereitet. Die muss nur noch in den Ofen geschoben werden.«
»Hm, klingt gut. Mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen.«
Felicitas trat auf ihn zu und beugte sich zu ihm hinunter. »Dann stelle ich schon mal eine Flasche Rosé kalt. Heute Abend sind wir nämlich allein. Janni und Dési sind bei Freunden.«
Ihr Mann umfing ihre immer noch schlanke Taille und zog sie näher zu sich heran. »Klingt verlockend«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Ich werde mich beeilen. Übrigens«, fuhr er fort, als er sie losließ, »wir haben jetzt auch eine Urlaubsvertretung für Kollege Habermann. Und zwar einen Chirurgen, der zum 1. Oktober eine Praxis hier in München übernehmen wird.«
Seine Frau atmete erleichtert aus. »Gott sei Dank! Das war dieses Mal aber wirklich knapp. Habermann fährt ja schon in vier Tagen.«
»Du sagst es.« Mit verschwörerischem Lächeln sah Daniel zu seiner Frau hoch. »Sagt dir der Name Erik Winter etwas?«
Die Kinderärztin überlegte einen Moment, dann fragte sie erstaunt: »Du meinst doch nicht etwa den Erik Winter?«
»Genau den. Den ehemaligen Kommilitonen von unserem Daniel.«
»Das ist ja eine Überraschung! Ich habe mich oft gefragt, was aus ihm wohl geworden sein mag.«
»Das kann ich dir sagen. Nach dem Studium hat er seine Assistenzarztzeit in einer Klinik in Nürnberg absolviert, danach war er ein paar Jahre an der Uniklinik hier in München und dann ist er nach Erlangen gegangen.«
»Und jetzt will er sich hier in München selbstständig machen?«
»Er hat die Unfallpraxis von Dr. Brandt gekauft.«
»Das ist ja toll. Ich fand ihn immer sehr sympathisch. Weiß unser Sohn es schon?«
»Der hat ihn ja auf die Urlaubsvertretung in unserer Klinik aufmerksam gemacht. Die beiden haben immer noch Kontakt.«
»Super! Du, ich kann dir auch schnell was erzählen. Lena hat mich heute Nachmittag angerufen. Sie organisiert zu Annas dreißigstem Geburtstag übermorgen eine Überraschungsparty und hat uns dazu eingeladen.«
»Das ist aber kurzfristig.«
Felicitas lachte. »So sind die jungen Leute halt. Ich habe zugesagt. Da müssen wir hin. Immerhin sind die beiden mit mir verwandt.«
»In Ordnung«, stimmte Daniel gutmütig zu und wandte sich wieder seinen Unterlagen zu. »So, jetzt mach ich schnell weiter, damit der Rosé im Kühlschrank nicht so lange auf uns warten muss.«
Anna Mayer stellte ihren Wagen auf dem Personalparkplatz der Behnisch-Klinik ab und lief auf den Eingang zu. An diesem Morgen war sie spät dran. Ihre kleine Schwester hatte darauf bestanden, mit ihr zu frühstücken. »Schließlich hast du heute Geburtstag …«
Dennoch wechselte Anna wie immer ein paar Worte mit Isabella Kleinlein, die am Info-Schalter im Eingangsbereich saß, bevor sie die breite Treppe hinauf in den ersten Stock lief, wo sie im Personalzimmer ihre Schwesternkleidung anziehen wollte. Auf dem langen Flur begegnete sie ihrer Kollegin Theresa, die sie sofort herzlich umarmte.
»Happy birthday to you ...«, trällerte die Krankenschwester fröhlich.
»Pscht«, flüsterte Anna verlegen. »Häng das bloß nicht an die große Glocke, sonst gratulieren mir gleich auch noch alle Patienten. Und du weißt ja …« Sie seufzte.
Ja, Theresa Sailer wusste. Anna stand nicht gerne im Rampenlicht.
Doch Annas Bedenken erwiesen sich schnell als überflüssig. Denn in der nächsten Sekunde schon wurde sie über Lautsprecher in den Operationssaal gerufen. Ein Notfall. Ein älterer Mann mit schwerster Kehlkopfdiphtherie.
Als Anna den OP betrat, stand das Operationsteam schon bereit. Lediglich Dr. Norden fehlte noch. Der Patient lag bereits auf dem Tisch, von den grellen Deckenleuchten angestrahlt. Er war blaurot im Gesicht. Jetzt stürzte auch der Chefarzt in den weiß gefliesten Raum. Er war nicht allein. In seiner Begleitung befand sich ein großer, schlanker Mann. Er trug ebenfalls Operationskleidung. Anna legte gerade die für den Luftröhrenschnitt erforderlichen Instrumente bereit. Die Doppeltür lag genau in ihrem Blickfeld. Als sie kurz hochsah, zuckte sie beim Anblick des Dunkelhaarigen zusammen.
»Das ist Dr. Winter«, stellte Chefarzt Dr. Norden seinen Begleiter vor. »Die Urlaubsvertretung von Kollege Habermann. Dr. Winter war gerade im Haus und hat mich gebeten, an der Operation als Zuschauer teilnehmen zu dürfen. Sie können sich hinterher miteinander bekannt machen. Jetzt fehlt die Zeit dazu.«
Danach wandte er sich seinem Patienten zu. Anna stellte sich neben ihren Chef und reichte ihm das Skalpell für den Luftröhrenschnitt. In den nächsten Minuten, in denen nur das Piepen der Überwachungsapparate und die leisen Befehle Dr. Nordens in dem Operationssaal zu hören waren, arbeitete Anna mit der Ruhe und Präzision einer Maschine. Innerlich jedoch war sie seltsam aufgeregt. Die Urlaubsvertretung für Dr. Habermann stand ihr schräg gegenüber. Sie musste sich zusammennehmen, um nicht zu Dr. Winter hinüber zu sehen.
Erik Winter … Natürlich war er in den vergangenen fünf Jahren ein wenig älter geworden. In sein immer noch volles Haar hatten sich an den Schläfen ein paar silbrige Fäden gemischt. Er war auch ein bisschen kräftiger geworden, aber im Großen und Ganzen hatte er sich nicht verändert. Männlich, braun gebrannt und umwerfend attraktiv. Damals hatte ihr dieser Mann viele schlaflose Nächte bereitet. In Gedanken an diese schlimme Zeit seufzte sie unwillkürlich in sich hinein.
Dr. Erik Winter war Assistenzarzt an der Münchner Uniklinik gewesen, wo sie als Krankenschwester gearbeitet hatte. Er war verlobt gewesen – und trotzdem hatte sie sich in ihn verliebt. Wie so viele andere junge Schwestern auch. Doch für sie hatte sich diese Verliebtheit zu einem Albtraum entwickelt. Sie hatte sich zu sehr in ihre Gefühle hineingesteigert. Nachts hatte sie wach gelegen und geweint, teils aus Kummer und teils aus Wut über sich selbst, dass sie so dumm gewesen war, sich in einen Mann zu verlieben, der für sie immer unerreichbar sein würde. Aber sie hatte nichts dagegen tun können. Erst nachdem sie gekündigt und in die Behnisch-Klinik gewechselt hatte, verloren sich ihre Gefühle für den attraktiven Arzt.
»Herzstillstand!« Die panisch klingende Stimme des Anästhesisten riss Anna jäh aus ihren Gedanken.
Nach der ersten Schrecksekunde begann Dr. Norden sofort mit der Herzmassage. »Cardiazol oder Adrenalin!«, rief er ihr dabei zu. »Was Sie zuerst greifen können. Und Sauerstoff. Schnell!«
Anna eilte zu dem Medizinschrank, riss eine Ampulle auf und lief zurück zum Operationstisch, wo der Chefarzt versuchte, die Atmung des Mannes manuell wieder in Gang zu bringen. Sie zog die Spritze auf und traf mit ruhiger Hand auf Anhieb die Armvene des Patienten. Erleichtert atmete sie auf. Derweil hatte ihre Kollegin dem Patienten die Sauerstoffmaske aufs Gesicht gesetzt.
»Atmung wieder regelmäßig«, meldete der Anästhesist.
Ein Aufatmen ging durch den Raum. Die akute Lebensgefahr war gebannt. Danach verlief die Operation ohne weitere Komplikationen. Bei allem, was Anna tat, glaubte sie den Blick Dr. Winters auf sich zu spüren. Als sie kurz hochsah, trafen sich ihre Blicke. Ob er sie trotz des Mundschutzes und der Haube erkannte?
Nachdem der Chefarzt den Schnitt vernäht hatte, bedankte er sich bei seinem Team und verließ mit Erik Winter zusammen den Operationssaal. Ihm folgten der Anästhesist und die zweite OP-Schwester. Anna bummelte noch herum. Sie wollte eine direkte Begegnung mit dem attraktiven Chirurgen noch etwas hinausschieben.
Doch nur ein paar Minuten später öffnete sich die Doppeltür des OPs wieder und Dr. Winter stand im Rahmen. »Schwester Anna! Was für ein Zufall, Sie hier zu treffen.«
Seine Stimme klang genauso dunkel und ruhig wie damals. Melodisch, angenehm. Und sein Lächeln war noch genauso anziehend. Beides traf sie wie ein Schlag in die Magengrube.
Das gibt es doch nicht, sagte sie sich mit hämmerndem Herzen, als ihre Hand in seiner großen lag, die so viel Geborgenheit und menschliche Wärme versprach. Sie fühlte, wie die Aura dieses Mannes sie erneut gefangen nahm. Wie konnte das sein nach fünf Jahren, in denen sie immer weniger – und hinterher gar nicht mehr - an ihn gedacht hatte?
»Sie erinnern sich also noch an mich?«, kam es ihr mit unsicherem Lächeln über die Lippen.
Schon im nächsten Moment ärgerte sie sich über diese idiotische Frage. Natürlich erinnerte er sich, sonst hätte er sie wohl nicht angesprochen.
»Aber sicher«, erwiderte Erik Winter mit einem blitzenden Blick aus seinen samtbraunen Augen, der ihr weiche Knie machte.
Er hatte sich nicht verändert. Er war immer noch der gleiche Charmeur wie damals.
»Seit wann arbeiten Sie hier?«, erkundigte er sich im Plauderton, dabei lehnte er sich lässig mit verschränkten Armen an die weiß gekachelte Wand, als würde er sich auf eine längere Unterhaltung einstellen.
»Seit einem Jahr«, antwortete sie. »Vorher war ich drei Jahre in der Arabellaklinik.«
»Was macht Ihre Schwester? Wie alt ist sie jetzt?«
Annas Geschichte war in der Münchner Uniklinik damals nur allzu bekannt gewesen. Die junge Krankenschwester hatte nach dem Unfalltod ihrer Eltern die Mutterrolle für ihre elf Jahre jüngere Schwester übernehmen müssen, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt selbst gerade erst zwanzig gewesen war.
»Lena geht es gut«, antwortete Anna, bemüht, sich ihre Überraschung darüber, dass er sich nach Lena erkundigte, nicht anmerken zu lassen. »Sie ist gerade mitten im Abitur.«
»Und Sie leben immer noch zusammen?«
Sie nickte und lächelte ihn an. Dieses Mal jedoch nicht unsicher, sondern distanziert. Was sollte dieser Small Talk? Wollte er nur seine männliche Wirkung auf sie austesten? So wie er es in der Uniklinik bei fast jeder Schwester gemacht hatte? Obwohl er verlobt gewesen war.
Im nächsten Moment hörte sie ein leises Piepen. Erik Winter sah auf seine Armbanduhr. »Ich muss gehen«, sagte er hastig. »Dr. Norden und ich haben noch was zu besprechen.« Er schenkte ihr sein charmantes Lächeln und fügte hinzu: »Aber ich hoffe, dass wir uns demnächst ein bisschen ausführlicher unterhalten können. Ich freue mich wirklich sehr darüber, Sie hier wiederzusehen.«
*
Als Anna an diesem Abend aus der Klinik kam, waren alle Gäste ihrer Geburtstagsparty bereits da. Lena fing ihre Schwester an der Haustür ab.
»Was ist denn das?«, fragte Anna verblüfft. Ihr waren die Autos vor dem kleinen Einfamilienhaus aufgefallen.
»Stell jetzt keine Fragen«, schnitt Lena ihr das Wort mit geheimnisvoller Miene ab. »Mach dich frisch und zieh dir was anderes an. Heute wird gefeiert.«
»O nein!«, rief Anna gequält aus. »Du weißt doch ganz genau, dass ich …«
»Keine Widerrede«, entschied ihre jüngere Schwester energisch. »Du wirst nur einmal dreißig.«
Lenas runde Wangen glänzten vor Aufregung. Die Neunzehnjährige hatte sich alle Mühe gegeben, die Party geheim zu halten. Was gar nicht so einfach gewesen war. Alle Einkäufe und Vorbereitungen mussten ja im Verborgenen gemacht werden. Und das war auch Anna bewusst. Was blieb ihr also anderes übrig, als Lenas Anweisung Folge zu leisten? Die Gäste waren, wie es aus dem Wohnzimmer zu hören war, bereits in bester Stimmung.
Sie duschte rasch, schlüpfte in ein schlichtes schwarzes Jerseykleid, das ihre gute Figur auf dezente Weise zur Geltung brachte, und steckte ihr blondes Haar auf. Wimperntusche, ein Hauch von Rouge und Lippenstift – fertig! Bei ihrem Eintritt ins Wohnzimmer verstummten alle Gespräche.
Felicitas und Daniel Norden saßen in den Sesseln vor dem Terrassenfenster. Neben ihnen an der Bücherwand gelehnt stand ihr ältester Sohn Daniel, der sich gerade mit ihrer Kollegin Theresa unterhielt. Alexander Norden, der deutsch-spanische Neffe des Chefarztes und seine Freundin Sina plauderten mit Lena. Thomas Assmann schenkte gerade Sekt in die acht Gläser, die auf einem Tablett auf dem Bartisch standen. Sein kleiner Sohn Toby, auf den Lena mehrmals in der Woche nachmittags aufpasste und sich damit ihr Taschengeld verdiente, saß vor dem Fernseher in der an das Wohnzimmer angrenzenden kleinen Bibliothek und schaute einen Kinderfilm.
Theresa stimmte als Erste Happy Birthday an. Die anderen fielen lautstark ein. Anna ließ den Gesang und die darauffolgenden Glückwünsche lächelnd über sich ergehen. Dann servierte Thomas Assmann den Sekt. Der junge Witwer, dessen Villa auf dem Nachbargrundstück der beiden Schwestern stand, war im Laufe der vergangenen Monate zum guten Freund der Familie geworden. Thomas besaß eine Softwarefirma – und schien ein Auge auf Anna geworfen zu haben. Zumindest glaubte Lena das.
Der Abend entwickelte sich ganz nett. Da sich alle kannten, kam auch gleich eine ungezwungene Stimmung auf. Nur das Geburtstagskind war innerlich nicht so recht bei der Sache. Immer wieder musste Anna über die Begegnung mit Erik Winter nachdenken.
Welch ein Zufall, dass ausgerechnet er die Urlaubsvertretung für Dr. Habermann übernommen hatte. Als wenn es in ganz Deutschland keine arbeitslosen Ärzte gegeben hätte, die sich durch Vertretungen wirtschaftlich über Wasser hielten. Sie ärgerte sich über den Schock, den sie bei dem Wiedersehen empfunden hatte. Und über dieses undefinierbare Gefühl, das sie befiel, wenn sie, wie jetzt, an ihn dachte.
