Immanuel Kant. 100 Seiten - Claudia Blöser - E-Book

Immanuel Kant. 100 Seiten E-Book

Claudia Blöser

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Beschreibung

 Alles über den großen Philosophen und seine Wirkung bis in die Gegenwart       Kants philosophische Methode ist die Kritik, die auch vor der Vernunft selbst keinen Halt macht. Vehement verteidigt er die Freiheit des Menschen und damit unser Selbstverständnis als moralisch verantwortliche Wesen. Auf nur 100 Seiten wird hier die Attraktivität seiner Ideen für uns heute gewürdigt, wie etwa sein hoffnungsvoller Blick auf die Zukunft der Menschheit: eine großartige Lektüre für jeden an Philosophie Interessierten, der sich ein Bild von Leben und Nachwirken dieses außergewöhnlichen Denkers machen möchte.

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Seitenzahl: 115

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Claudia Blöser

Immanuel Kant. 100 Seiten

Reclam

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

Für Matthias und David

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Durchgesehene Ausgabe 2024

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH nach einem Konzept von zero-media.net

Bildnachweis: siehe Anhang; Autorenfoto: © Claudia Blöser

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962200-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020704-8

www.reclam.de

Inhalt

1. Annäherungen an Kant

2. Vom Wissen zum Glauben

3. Freiheit und moralisches Gesetz

4. Das Schöne und Erhabene, das Lebendige und die Brücke zwischen Natur und Freiheit

5. Politik und Fortschritt – Der Weg zum ewigen Frieden

6. Aufklärung damals und heute

Lektüretipps

Zu dieser Ausgabe

Dank

Bildnachweis

Leseprobe aus Hegel. 100 Seiten

1. Annäherungen an Kant

Meine erste Begegnung mit Kant bestand in der Lektüre eines schmalen Büchleins mit dem Titel Kant für Anfänger. Ich war Abiturientin und hatte noch nie eine Zeile Philosophie gelesen. Genau kann ich mich nicht mehr erinnern, woher die Neugier kam, mit der ich das Büchlein in die Hand genommen hatte. Doch vermutlich hatte sie mit der Faszination für das gründliche Durchdenken der Welt zu tun. Die Fragen, mit denen Kant alles »Interesse der Vernunft« und damit der Philosophie zusammenfasst, lassen mich bis heute nicht los: »Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?«. Dies sind Fragen, die uns als Menschen unmittelbar angehen, wenn wir über unseren Platz in der Welt nachdenken. Einerseits wirken sie einfach. Andererseits sind sie so allgemein und umfassend, dass man kaum weiß, wie man überhaupt anfangen soll, über sie nachzudenken. Wie konnte Kant beanspruchen, auf diese Fragen allgemeingültige Antworten zu geben?

Über einen längeren Umweg bin ich tatsächlich zu einer Promotion über Kant gekommen. Der Umweg umfasste ein gesamtes Physikstudium. Wie ich später erst verstanden habe, berührte sich mein Interesse an den Naturwissenschaften mit meinem Interesse an Kant, und zwar in dreifacher Hinsicht. Auch Kant hat sich in den ersten Jahren seiner akademischen Tätigkeit fast ausschließlich mit naturwissenschaftlichen Themen beschäftigt und in seiner Allgemeinen Naturgeschichte und Theorie des Himmels (1755) eine Theorie der Planetenentstehung entwickelt, die sich als ›Kant-Laplace-Theorie‹ sogar bestätigen ließ. Doch wäre er damit nicht unsterblich geworden.

Spannender sind zwei andere Fragen, die Kant angesichts des Siegeszugs der Naturwissenschaften, insbesondere der Newton’schen Physik, umtreiben:

Zum einen geht es um die methodische Frage, ob sich die Philosophie von der naturwissenschaftlichen Herangehensweise eine Scheibe abschneiden könnte.

Zum anderen ist Kants Werk von der Frage geprägt, was den Menschen ausmacht: Ja, der Mensch ist Teil der Natur und als solcher auch naturwissenschaftlich beschreibbar. Doch das ist nicht alles. Der Mensch ist auch vernünftig und frei, er ist ein Wesen, das sich dank seiner Vernunft orientieren und selbstbestimmt handeln kann. Auf 100 Seiten möchte ich einen Eindruck davon geben, wie Kant die menschliche Freiheit versteht, wo er sie am Werk sieht und wie er sie gegen Kritiker verteidigt.

Vielfalt und Einheit

Eine weitere Motivation für dieses Büchlein besteht darin, Leserinnen und Lesern einen Eindruck von der Vielfalt und Einheit des kantischen Denkens zu geben. Wer einen Blick auf auch nur einige Titel der kantischen Texte wirft, wird sofort sehen, dass Kants Philosophie extrem vielfältig ist: Da gibt es eine Knappe Darstellung einiger Gedanken über das Feuer (1755, seine Magisterarbeit, die einer heutigen Doktorarbeit entspricht), Neue Erhellung der ersten Grundsätze metaphysischer Erkenntnis (seine Dissertation zum Erwerb der Lehrbefugnis an der Universität, ebenfalls 1755), Versuch über die Krankheiten des Kopfes (1764), Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik (1766), Von der Form der Sinnen- und Verstandeswelt und ihren Gründen (Inauguraldissertation zum Antritt seiner Professur für Logik und Metaphysik 1770), Von den verschiedenen Rassen der Menschen (1775), Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784), Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786), Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1794) oder Zum ewigen Frieden (1795).

Die Inhalte, über die Kant im Laufe seines Lebens nachgedacht hat, reichen also von den Grundlagen der Naturwissenschaft bis zu politischen Idealen wie dem ewigen Frieden. Kants Werk führt eindrücklich vor Augen, dass Philosophie keine Spezialwissenschaft ist. Sie hat keinen festgelegten Gegenstand, sondern kann sich jeden Gegenstand zum Thema machen.

Genauso eindrücklich wie die Vielfalt ist jedoch die Einheit von Kants Schaffen: Kant ist ein durch und durch systematischer Denker. Das ermöglicht die Entdeckung verblüffender Zusammenhänge: Wer hätte gedacht, dass ein und dieselbe philosophische Methode sowohl ein neues Verständnis von Raum und Zeit als auch die Begründung des Moralgesetzes erlaubt? Oder dass das Gefühl des Erhabenen, das sich beim Blick auf die Alpen einstellen kann, Ähnlichkeiten mit dem Gefühl haben könnte, das unser Bewusstsein moralischer Gebote begleitet?

Kant gewinnt diese Perspektive, die seiner Philosophie Einheit verleiht, erst im Laufe seines Schaffens. Die Werke, die ihn zu einem der größten Philosophen der Menschheitsgeschichte machen, verfasst er mit über 50 Jahren. Es sind die drei ›Kritiken‹: Kritik der reinen Vernunft (1781), Kritik der praktischen Vernunft (1788) und Kritik der Urteilskraft (1790). Doch wie sieht Kants Lebensweg aus, der zu diesen Werken führt?

Ursprünge: Familie und Heimatstadt

Nur allzu bekannt ist Heinrich Heines Spott, dass Kant »weder Leben noch Geschichte« hatte, und stattdessen ein »mechanisch geordnetes, fast abstraktes Hagestolzenleben« lebte. Doch dieses Bild ist eine Karikatur. Es geht vor allem auf die Äußerungen von Kants frühen Biographen zurück, die sich auf Kants letzte Lebensjahre stützen. Allerdings ist das Bild des hochbetagten Kant keinesfalls repräsentativ für sein gesamtes Leben: Als Privatdozent an der Universität ist er als »eleganter Magister« bekannt, der viel für gutes Essen und Trinken übrighat. Doch beginnen wir am Anfang.

Kant wird am 22. April 1724 (als ›Emanuel‹ Kant – später lässt er seinen Namen ändern) in Königsberg geboren und stirbt dort kurz vor seinem 80. Geburtstag am 12. Februar 1804. Er verlässt, sieht man einmal von den Anstellungen als Hauslehrer im Königsberger Umland ab, seine Heimatstadt nie. Doch das bedeutet nicht, dass Kant ein provinzielles Leben geführt hätte. Kants Königsberg würden wir heute als multikulturell und kosmopolitisch bezeichnen: Es ist die Hauptstadt von Ostpreußen und steht als wichtiges Handelszentrum in vielfältigen Beziehungen zur restlichen Welt. Kant schätzt seine Heimatstadt als einen »schicklichen Platz zu Erweiterung sowohl der Menschenkenntnis als auch der Weltkenntnis […], wo diese, auch ohne zu reisen, erworben werden kann« (VII: 120, Anm.).

Er wächst als Sohn eines Riemermeisters, der aus Leder Geschirre für Pferde anfertigte und für die Ausstattung von Kutschen zuständig war, in einfachen Verhältnissen auf. Später sollte er sich anerkennend über seine Eltern äußern: Die Erziehung, die sie ihm haben zuteilwerden lassen, hätte von der moralischen Seite betrachtet gar nicht besser sein können. Doch leicht hat es die Familie nicht: Von den neun Kindern sterben vier in jungen Jahren, und die Mutter wird 1737 beerdigt, als Kant erst 13 Jahre alt ist.

Kants Mutter ist stark vom Pietismus beeinflusst, also von einer evangelischen Glaubensrichtung, die großen Wert auf individuelle Frömmigkeit legt. Da Fragen der Religion in Kants Werk immer wieder eine Rolle spielen, wird gerne spekuliert, wie groß der Einfluss war, den die religiöse Umgebung seiner Kindheit auf sein Denken hat. Wie wir sehen werden, versucht seine Ethik jedoch gerade, Moral unabhängig von Religion zu begründen.

Auch in Bezug auf die religiöse Erziehung, die Kant während seiner Schulzeit im Collegium Fridericianum (der sogenannten ›Pietisten-Herberge‹) zuteilwird, äußert er sich später ablehnend: Unabhängiges Denken werde im Keim erstickt, stattdessen herrschten strenge Zucht und Disziplin sowie der Druck zur religiösen Bekehrung. Allerdings bietet für Kant der Schulbesuch auch eine Chance: Er ermöglicht ihm eine solide Bildung, die ihn auf den Besuch der Universität vorbereitet.

Kant als Student

Nach dem Drill der Schulzeit genießt Kant die Freiheit umso mehr, die sich ihm ab 1740 an der Universität, der Albertina, eröffnet. Wie alle Studenten besucht er von Anfang an Vorlesungen in Philosophie. Doch während dies üblicherweise nur die Vorbereitung für eine der ›oberen Fakultäten‹ (Theologie, Rechtswissenschaft oder Medizin) ist, scheint sich Kant von Anfang an ganz der Philosophie verschrieben zu haben.

Kant ist knapp bei Kasse: Er betreut andere Studenten für Geld, aber auch im Austausch gegen Luxusartikel wie Kaffee und Weißbrot. Den unter Studenten üblichen Trinkspielen oder Raufereien zieht er das Billardspiel vor. Das beherrscht Kant so gut, dass es ihm auch zur Geldeinnahme dient – bis er so gut wird, dass niemand mehr mit ihm spielen möchte. Daraufhin verlegt er sich aufs Kartenspielen, das später sogar Eingang in seine Anthropologievorlesung findet: Es »gewöhnt uns unsere Affekte zurückzuhalten und kann so auf die Moralität Einfluss haben« (XXV,2: 1318).

In dem Jahr, in dem Kant sein Studium aufnimmt, stirbt Friedrich Wilhelm I., der König von Preußen, dessen repressive Regierung starken Einfluss in Königsberg und an der Universität ausgeübt hatte. Sein Nachfolger Friedrich II. (›der Große‹) tritt für religiöse Toleranz ein; er ist Atheist und interessiert sich sehr für Philosophie und Literatur. Mit dem neuen Herrscher zieht auch ein liberalerer Geist an der Universität ein. Dennoch spielen Verfolgungen und Zensurakte weiterhin eine Rolle in Königsberg. Wie wir sehen werden, gerät auch Kant später in Konflikt mit dem Zensurbüro.

Er verlässt 1748 die Universität – ohne Abschluss. Bis heute ist unklar geblieben, warum er keine Abschlussarbeit eingereicht hat: Liegt es an Geldsorgen nach dem Tod seines Vaters 1746? Oder daran, dass der Text, der seine Abschlussarbeit hätte werden können (die Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte), aus theologischen Gründen für seine Lehrer nicht annehmbar war? Kant äußert in dieser Schrift Ansichten, die zum pietistischen Glauben, der Wille sei frei, in Spannung zu stehen scheinen. Der Text wird zwar nicht Kants Abschlussarbeit, aber doch seine erste Buchveröffentlichung.

Nachdem er die Universität verlassen hat, geht Kant einige Jahre lang einer der üblichen Beschäftigungen für mittellose Gelehrte nach: Er wird (in der Nähe von Königsberg) Hauslehrer. Auch wenn er sich selbst für einen schlechten Hauslehrer hält, mit seinen Dienstherren hat er Glück: Vor allem mit den Keyserlings wird ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden. Über 30 Jahre ist er regelmäßiger Tischgast und nimmt gewöhnlich den Ehrenplatz zur Rechten der Gräfin ein.

Gräfin Caroline Charlotte Amalia von Keyserling, Kreidezeichnung von Kant, um 1755

Der ›elegante Magister‹

Als er 1755 an die Universität als Privatdozent (magister legens) zurückkehrt, lebt er, wie damals für Privatdozenten üblich, ohne festes Gehalt nur von den Vorlesungsgebühren der Studenten. Entsprechend umfangreich ist seine Lehrtätigkeit (viele Kurse bedeuten letztlich viele Einnahmen): Logik, Metaphysik, Mathematik und Physik gehören zu seinem Pensum, genauso wie Geographie und Ethik, Anthropologie und Pädagogik. Er ist ein beliebter Dozent. Ein Student der ersten Stunde, Ludwig Borowski, der Kant ein Leben lang die Treue hielt und später zu seinen ersten Biographen gehört, berichtet, dass Kants Vorlesungen mit »Witz und Laune« gewürzt sind und das eigene Denken fördern:

Sie werden, das wiederholte er seinen Schülern unablässig, bei mir nicht Philosophie lernen, aber – philosophieren; nicht Gedanken bloß zum Nachsprechen, sondern denken. Aller Nachbeterei war er herzlich gram.

Offenbar sieht Kant seine Lehrtätigkeit auch als ein aufklärerisches Projekt: Herzstück seiner Pädagogik ist die Anregung zum Selberdenken. 1784 sollte er das in seiner berühmten Schrift Was ist Aufklärung? zum Leitspruch der Aufklärung erklären: »Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!« (VIII: 35).

Die fünfjährige russische Okkupation Königsbergs im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) bringt für Kant auch Vorteile: Er bessert seinen Lebensunterhalt durch den Unterricht russischer Offiziere auf. Außerdem genießt er den sozialen und kulturellen Einfluss der liberalen Besatzung: Eine offenere Lebensweise verdrängt den pietistischen Ernst, üppige Tafelfreuden die preußische Sparsamkeit. Kant ist als ›eleganter Magister‹ bekannt, der mit Goldschnur eingefasste Röcke trägt und sich ungezwungen in der High Society der adligen Offiziere und reichen Kaufleute bewegt.

Die Tischgesellschaft: Lebenspraxis und Philosophie

Emil Doerstling, Tischgesellschaft Kants, 1892/93

Eine Konstante in Kants Lebensführung besteht in der Freude an gutem Essen und Trinken in Gemeinschaft: »Allein zu essen (solipsismus convictorii) ist für einen philosophirenden Gelehrten ungesund« (VII: 279 f.). Zunächst nimmt er sein Mittagessen in Gasthäusern ein – dabei will er keinesfalls in seiner akademischen Blase bleiben, sondern mit anderen ins Gespräch kommen. Kant ist in kulinarischer Hinsicht anspruchsvoll, sodass sein Freund Theodor Gottlieb Hippel, später geadelt und Oberbürgermeister von Königsberg, scherzend prophezeit, er werde noch eine Kritik der Kochkunst schreiben. Ab 1787 lädt er Freunde zum Mittagessen zu sich nach Hause ein, eine Mahlzeit, die sich bisweilen bis in den späten Nachmittag ausdehnt.

Das gemeinsame Essen ist für Kant mehr als eine persönliche Vorliebe: Sie ist mit seinen philosophischen Auffassungen eng verbunden. Es geht beim gemeinsamen Essen neben dem sinnlichen Genuss darum, »einander selbst zu genießen«.

Wenn ich eine Tischgesellschaft aus lauter Männern […] nehme, so wie sie nicht bloß gemeinschaftlich eine Mahlzeit, sondern einander selbst zu genießen die Absicht haben […]: so muss diese kleine Tischgesellschaft nicht sowohl die leibliche Befriedigung – die ein jeder auch für sich allein haben kann, – sondern das gesellige Vergnügen, wozu jene nur das Vehikel zu sein scheinen muss, zur Absicht haben. (VII: 278)

Diese auffällige Formulierung erinnert an Kants moralphilosophische Auffassung, Personen seien ›Selbstzwecke‹ (die wir noch näher kennenlernen). Anders gesagt: Es geht den Anwesenden bei der Tischgesellschaft wechselseitig um sich selbst – sie treffen sich nicht nur um des Essens, sondern um ihrer selbst willen.

Eine gelungene Tischgesellschaft versteht Kant nicht als Produkt des Zufalls, sondern als Ergebnis richtiger Grundsätze. Das beginnt schon bei der Anzahl der geladenen Gäste: Diese soll »nicht unter der Zahl der Grazien und auch nicht über die der Musen« (VII: 278) liegen, also nicht weniger als drei und nicht mehr als neun betragen. Nur so ließe sich einerseits die Einheit des Gesprächs wahren, das bei einer größeren Anzahl in viele Gespräche zerfallen würde. Andererseits sei eine Vielfalt von Standpunkten garantiert, die es erlaube, die eigene Meinung im vertrauten Rahmen zur Diskussion zu stellen. Um dieses Vertrauen zu schützen, ist »Verschwiegenheit« (VII: 279) Pflicht.