In den Sternen - Ulf von Rauchhaupt - E-Book

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Ulf von Rauchhaupt

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Beschreibung

Ein Porträt der 88 Sternkonstellationen. Unzählige Sterne leuchten am nächtlichen Himmel und haben die Menschen schon immer fasziniert. Spätestens seit der Antike wurden diese einzelnen Sterne zu Sternbildern verknüpft, um sich besser orientieren zu können. Ulf von Rauchhaupt beschreibt sie alle, von Andromeda bis Ursa Maior, der großen Bärin. Seine knappen, kurzweiligen und informativen Porträts führen ein in die Welt der Sternbilder, ihre Geschichte und den kulturellen wie wissenschaftlichen Hintergrund – und machen Lust darauf, in einer sternklaren Nacht staunend nach oben zu blicken und sie dort wiederzufinden.

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Ulf von Rauchhaupt

In den Sternen

Die 88 Konstellationen im Portrait

FISCHER E-Books

Inhalt

WidmungZur EinführungAchterschiffAdlerAltarAndromedaBärenhüterBecherBildhauerChamäleonChemischer OfenDelphinDrachenDreieckEidechseEinhornEridanusFischeFliegeFliegender FischFüchschenFüllenFuhrmannGiraffeGrabstichelGroße BärinGroßer HundHaar der BerenikeHaseHerkulesHydrusIndianerJagdhundeJungfrauKassiopeiaKentaurKepheusKleine BärinKleiner HundKleiner LöweKompassKranichKrebsKreuz des SüdensLeierLöweLuchsLuftpumpeMalerMikroskopNetzNördliche KroneOktantOrionParadiesvogelPegasusPendeluhrPerseusPfauPfeilPhönixRabeSchiffskielSchildSchlangeSchlangenträgerSchützeSchwanSchwertfischDie SegelSextantSkorpionSteinbockStierSüdliches DreieckSüdlicher FischSüdliche KroneTafelbergTaubeTeleskopTukanWaageWalfischWassermannWasserschlangeWidderWinkelmaßWolfZirkelZwillingeAnhangDas griechische AlphabetVerzeichnis der lateinischen Namen der SternbilderVerzeichnis nicht mehr aktueller Sternbildnamen

P. Gregor Helms OSB,

meinem Lehrer am Gymnasium bei St. Stephan in Augsburg,

in Dankbarkeit gewidmet

Zur Einführung

Sternbilder sind keine Naturdinge. Sie sind Produkte menschlicher Phantasie und unseres kosmischen Standpunktes. Von den markanten Fixsternen ein und derselben Konstellation können die einen nur wenige Lichtjahre von Sonne und Erde entfernt sein, während andere hundert- oder gar tausendmal weiter weg sind. Die Figur, die sie bilden, gibt es daher so nur für uns. Von anderen Planetensystemen aus gesehen, ergäben ihre Anordnungen im Raum ganz andere Figuren.

 

Das vorliegende Bändchen ist daher kein Astronomiebuch, auch wenn die 88 Sternbilder, die es vorstellt, von der Internationalen Astronomischen Union definiert und anerkannt sind. Die Texte erschienen zwischen Oktober 2010 und Juli 2012 als Serie im Wissenschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Dort wird nicht nur über naturwissenschaftliche Themen berichtet, sondern regelmäßig auch über solche aus den Kulturwissenschaften, insbesondere der Altertumsforschung. Auf knappem Raum wollen die Portraits die Sternbilder daher von möglichst mehreren Seiten zeigen: als geistesgeschichtliche Phänomene, Schatz an Mythen und Geschichten und als Orte aktueller astrophysikalischer Forschung.

Auch wenn die Sternbilder selbst keine astrophysikalische Tatsachen sind, so verdanken sie sich doch einer solchen, nämlich dem Umstand, dass unsere Sonne sich an ihre galaktische Umgebung mit vielen, aber nicht zu vielen anderen Sternen teilt. Befände sie sich jenseits des Randes unserer Heimatgalaxie oder sogar irgendwo draußen in den Weiten des intergalaktischen Raumes, so böte sich uns vielleicht an ein oder zwei Stellen der eindrucksvolle Anblick benachbarter Sternnebel. Doch ansonsten sähen wir nur schwarzen Himmel. Wohnten wir dagegen tief in einer sogenannten elliptischen Galaxie oder in einem Kugelsternhaufen, so stünden die Sterne in der Regel so dicht und gleichförmig am Firmament, dass wir darin ebenso selten wiedererkennbare Muster fänden wie in der Körnchenmasse eines Mohnkuchens. Doch, ob Zufall oder nicht, weder das eine noch das andere ist der Fall. Die Sonne kreist am Rande, aber nicht ganz am Rande einer flachen spiralförmigen Galaxie, der Milchstraße. Damit ergibt sich von der Erde aus gesehen ein Firmament, das weder sehr spärlich noch sehr gleichmäßig mit Sternen besetzt ist. Stattdessen ist ihre Verteilung zugleich reich und abwechslungsreich genug, um unser Auge einzuladen, darin Figuren zu erkennen.

Der Mensch dürfte das immer schon getan haben. Dabei war er nicht der erste Erdenbewohner mit einem Blick für den Sternenhimmel. Anfang 2013 veröffentlichten Biologen eine Studie, der zufolge afrikanische Mistkäfer sich beim Transport ihrer Kotkugeln am Band der Milchstraße orientieren, und schon länger ist bekannt, dass Vögel und Robben des nachts ihren Weg mit Hilfe der Sterne finden. Strukturen am Nachthimmel zu erkennen, um sich von ihnen die Richtung weisen zu lassen, das war zunächst eine lebenspraktische Übung, die noch gar keines symbolischen oder mythischen Interesses bedurfte.

Ein solches ist zuerst vor etwa 40000 Jahren in der jüngeren Altsteinzeit nachweisbar. Aus dieser Epoche stammt die früheste erhaltene figürliche Kunst, und es ist wenig plausibel, dass Wesen, die Bildwerke schaffen, den Sternenhimmel betrachten, ohne dort Bilder zu sehen. Das müssen natürlich nicht unsere heutigen Sternbilder gewesen sein, aber vielleicht Teile davon oder aber andere auffällige Fixsterngruppierungen (»Asterismen«, wie der Fachjargon sie nennt) wie das Sommerdreieck. Überliefert sind die altsteinzeitlichen Asterismen nicht, es sei denn, man glaubt umstrittenen Hypothesen, nach denen einige Höhlenmalereien, etwa die in der Höhle von Lascaux, stellare Bezüge haben.

Spätestens in der Jungsteinzeit, die mancherorts bereits vor 10 000 Jahren einsetzte, dürfte der Fixsternhimmel eine neben der nächtlichen Orientierung zweite lebenspraktische Bedeutung bekommen haben: Die langsamen Verschiebungen der Asterismen im Laufe eines Jahres konnten kalendarische Funktionen haben, um Ackerbauern die Termine für Aussaat oder Ernte anzuzeigen. Historisch greifbar ist solche Praxis allerdings erst bei den frühesten Schriftkulturen der Sumerer und Ägypter, und bis in diese Zeit lassen sich auch einige der heute gebräuchlichen Sternbilder zurückverfolgen.

Damals war das Firmament noch voller Götter. Religion, Mythos und Lebenspraxis bildeten eine, zuweilen sehr komplex strukturierte Einheit. Im antiken Griechenland begann sich das mit dem Erwachen der theoretischen Wissenschaft zu ändern. Der vielzitierte Übergang vom Mythos zum Logos machte auch vor dem Firmament nicht halt. So befasste sich der Universalgelehrte Eratosthenes von Kyrene (etwa 276 bis 195 v.Chr.) zwar noch intensiv mit den Sagen hinter den überlieferten Sternbildern und Asterismen, doch das Streben nach einem widerspruchsfreien System überschattete jedes vielleicht noch vorhandene religiöse Interesse am Himmelsrund. Spätestens für den großen Astronomen und Geographen Klaudios Ptolemaios (etwa 90 bis 168 n.Chr.) waren die Konstellationen vor allem das, was sie in der Himmelskunde noch heute sind: ein System zur genaueren Verortung astronomischer Objekte. War mit Eratosthenes aus der Mythologie des Sternenhimmels Mythographie geworden, wurde mit Ptolemaios daraus Uranographie, eine Geographie des Himmels.

Das Werk des Ptolemaios und damit auch die bei ihm kanonisierten 48 antiken Sternbilder blieben das gesamte Mittelalter über maßgeblich – für das lateinische und byzantinische genauso wie für das arabische. Mit dem Anbruch der Neuzeit, den Entdeckungsfahrten zu den Meeren der Südhalbkugel sowie der Erfindung des Teleskops, wurde dieses System dann zu eng und zu löchrig zugleich. Neue Sternbilder wurden gesehen und Namen dafür gefunden, in denen sich nicht selten die Frömmigkeiten ihrer Epoche spiegelte: So führte der protestantische Theologe Petrus Plancius (1552 bis 1622) biblische Motive wie Kreuz oder Taube ein, und der Franzose Nicolas Louis de Lacaille (1713 bis 1762) feierte mit neuen Konstellationen wie »Mikroskop« oder »Kompass« das Zeitalter der Aufklärung. Auch an Versuchen, politische Propaganda an den Himmel zu bringen hat es nicht gefehlt.

Dem uranographischen Wildwuchs, der sich stellenweise daraus ergab, machte erst die Internationale Astronomische Union auf ihrer ersten Tagung im Rom im Jahr 1922 ein Ende. Damals wurde die Himmelskugel in 88 Areale unterteilt und ihnen definitive lateinische Namen zugewiesen, wobei jedoch auf größtmögliche Übereinstimmung mit den traditionellen Sternbildern und ihren bis dahin gebräuchlichen Namen geachtet wurde. Nur die politischen Sternbilder der Neuzeit fielen allesamt unter den Tisch. Seit 1922 ist damit genau definiert, welche Asterismen Sternbilder sind.

Die Geschichte der Sternbilder ist voller sonderbarer und nicht selten amüsanter Details, die sich am besten anhand der einzelnen Konstellationen besichtigen lassen, wozu der Leser auf den folgenden Seiten eingeladen ist. Die Texte wurden für die Buchausgabe leicht überarbeitet und in eine alphabetische Reihenfolge gebracht. Wie bereits in der Zeitung bauen sie nicht aufeinander auf und können unabhängig voneinander gelesen werden – zum Preis gelegentlicher Redundanzen. Um die erwähnten Sterne auf den beigefügten Karten auffindbar zu machen und diese nicht mit Beschriftungen zu überfrachten, wurde die auch in der modernen Astronomie und Astrophysik übliche Benennung der hellsten Sterne einer Konstellation mit griechischen Lettern verwendet. Die ausgeschriebenen Namen aller Buchstaben des griechischen Alphabets findet man bei Bedarf im Anhang auf Seite 290.

Bleibt nur noch, allen von Herzen zu danken, ohne deren Hilfe, Rat und Kritik dies alles nicht zustande gekommen wäre. Dieser Dank gilt natürlich vor allem meinen Kollegen vom Wissenschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: Sonja Kastilan, Tilman Spreckelsen und Jörg Albrecht sowie Eckhart Kaiser, der alle Karten gezeichnet hat und nie klagte, wenn ich wieder einmal ganz andere Linien eingezeichnet haben wollte als die Vorlagen auf der Website der Internationalen Astronomischen Union zeigten. Nicht zuletzt danke ich auch Vlada Philipp und Katrin Bolsinger sehr herzlich für ihre engagierte Unterstützung. Gewidmet ist das Büchlein Pater Gregor Helms OSB, meinem Lehrer für Mathematik und Astronomie am Gymnasium St. Stephan in Augsburg. Denn dank ihm wurde aus meinem Staunen über die Sterne erst die Freude an der Wissenschaft dahinter.

 

Bad Soden am Taunus, 1. Februar 2013

UvR

Achterschiff

Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts verzeichneten alle Sternkarten ein Sternbild mit dem Namen Argo navis, das »Schiff Argo«. Natürlich sollte es jenes Gefährt darstellen, das sich einst der thessalische Prinz Iason mit Hilfe der Göttin Athene hatte bauen lassen. Dort heuerten dann so ziemlich alle Heroen an, die älter als der Trojanische Krieg sind, darunter etwa Herakles, Theseus oder Peleus, der Vater des Achill. Mit dieser fünfzig Mann starken Superheldentruppe, den Argonauten, segelte Iason dann nach Kolchis ins heutige Georgien, um das Goldene Vlies zu ergattern. Für dieses Fell des sagenhaften Widders Chrysomallos (»Goldflocke«) hoffte Iason, den Thron seiner Heimatstadt Iolkos zu erlangen, der seinem Vater geraubt worden war.

Die Argonautensage ist ähnlich abenteuerlich wie die heute bekanntere Irrfahrt des Odysseus und war bei Griechen und Römern äußerst beliebt. Wie sehr, das lässt sich auch an der Dimension des Sternbildes ablesen, das sie verherrlichte. Es nahm mehr als ein Zwölftel des Himmelshalbrunds ein und war damit die größte der 48 antiken Konstellationen – dreißig Prozent größer als die zweitplatzierte Hydra.

Zu groß, befanden französische Astronomen in den 1760er Jahren. Zu dieser Zeit waren Europäer nämlich schon lange auf allen Weltmeeren unterwegs und hatten festgestellt, wie viel es in dem Riesensternbild zu sehen gibt. Teile des Milchstraßenbandes vor allem – und darin etliche offene Sternhaufen wie M 46, M 47 und M 93, die Charles Messier um diese Zeit in seinen Katalog 110 bemerkenswerter Himmelsobjekte aufnahm, oder der bereits mit bescheidenen Teleskopen gut beobachtbare Sternhaufen NGC2477.

Von Griechenland aus gesehen, erhebt sich das Schiff Argo jedoch nie besonders weit aus dem oft dunstigen Himmel im Süden, und in unseren Breiten spitzen alljährlich nur im Januar die Heckaufbauten der Argo über den Horizont. Daher zerlegten die neuzeitlichen Himmelskundler das Schiff kurzerhand in drei handlichere Teile: die Segel (lateinisch Vela), den Schiffskiel (Carina) und – als größtes der drei – das Achterdeck (Puppis). Allerdings ging man dabei nicht so weit, nun auch die Bezeichnungen der hellen Sterne zu ändern, so dass jeder griechische Buchstabe im ganzen Feld der früheren Argo bis heute nur einmal auftaucht. Daher gibt es im Achterdeck keinen Stern α und auch kein β oder γ. Vielmehr ist der hellste Stern hier erst der blaue Überriese ζ Puppis.

Vierbeiner achteraus. Da schließt sich das Sternbild Großer Hund an.

Adler

Bei manchen Sternbildern kann man endlos darüber debattieren, wie die Sterne korrekt zu verbinden sind. Auch den Adler (lateinisch Aquila) muss man nicht zwingend so sehen wie hier gezeigt. Andere Himmelskarten ziehen Linien zwischen den Sternen ϑ und β Aquilae sowie zwischen γ und ζ, um die Schwingen des Vogels zu verdeutlichen. Beide Male jedoch wird der Hauptstern α Aquilae alias Atair oder Altair zum Kopf gezählt. Doch schon der arabische Name, der von »An-nusar at-ta’ir« (fliegender Adler) kommt, weckt Zweifel, ob diese Sicht eine allzu lange Tradition hat.

Nicht, dass man in diesem markanten Areal, wo dunkle Materiewolken die Milchstraße in zwei Bänder teilt, nicht schon früh die Gestalt eines Adlers gesehen hätte. Einen »Mul a Mushen«, Stern des Vogels, erkannten hier bereits im dritten Jahrtausend vor Christus die Sumerer. Und spätestens für ihre babylonischen Nachfolger war jener Vogel ein Adler. Wie in anderen Fällen übernahmen ihn die Griechen und machten sich ihren eigenen mythologischen Reim darauf. Für sie war der Adler ein Attribut des Zeus, doch ließ das viele Möglichkeiten offen. In einer Interpretation verfolgt der göttliche Adler das weiter nördlich gelegene Sternbild Schwan. Doch dies passt nicht zu dessen Orientierung, nach der die beiden Vögel dann entweder aufeinander zufliegen würden oder der Schwan dem Adler folgt.

Verbreiteter scheint sowieso die Version gewesen zu sein, nach der es sich bei dem Adler um den Göttervater höchstselbst handelt, der auf den trojanischen Prinzen Ganymed zustürzt, um ihn als besonders wohlgestalteten Mundschenk im Olymp zu requirieren. Insofern Ganymed dabei aber mit dem südöstlich benachbarten Sternbild Wassermann identifiziert wurde, müsste sich der Kopf eher bei ϑ Aquilae befinden. Ähnliches gilt für die mythographisch gleichwohl uneindeutige Ausrichtung des Adlers, die sich auf dem Globus Farnese findet, einer plastisch bebilderten Himmelskugel, die um 150 n.Chr., in der Zeit des großen Astronomen Ptolemaios, ein vermutlich 350 Jahre älteres hellenistisches Vorbild kopierte. Ptolemaios allerdings hatte sein eigenes Konzept. In die Südhälfte des Sternbilds setzte er Antinoos, den jungen Günstling Kaiser Hadrians, der nun statt Ganymed vom Adler des Zeus zum Olymp getragen wird. Tatsächlich war Antinoos nach seinem mutmaßlichen Unfalltod im Nil vom Kaiser zum Gott erklärt worden. So handelt es sich hier wohl um eine der vielen konstellaren Referenzen von Astronomen an ihre Obrigkeit, über welche die Geschichte wieder hinweggegangen ist. Und daher dürfen wir uns insbesondere den Adler heute vorstellen, wie wir wollen.

Bei Zeus, wo hat er nur seinen Kopf?

Altar

Die meisten der 48 antiken Sternbilder stellen Lebewesen dar, reale wie mythische. Zu den wenigen unbelebten Gegenständen am Himmel, die der Astronom Klaudios Ptolemaios im zweiten Jahrhundert auflistete, gehört der Altar. So – lateinisch Ara – bezeichneten die Römer das Sternbild. Bei den Griechen hieß es Thymiaterion, was eigentlich »Weihrauchkessel« bedeutet.

Er ist heute kein sehr bekanntes Sternbild, was vor allem mit seiner für Mitteleuropa extrem südlichen Lage zu tun haben dürfte. Zu sehen gäbe es hier genug. Da sich das Band der Milchstraße – also die sternreiche Hauptebene unserer Heimatgalaxie – durch das Areal des Altars zieht, wimmelt es hier unter anderem von offenen Sternhaufen. Besonders eindrucksvoll ist aber der Kugelsternhaufen NGC6397. Kugelsternhaufen sind nicht Teil der galaktischen Ebene, sondern umkreisen die Milchstraße in Bahnen aller möglichen Orientierungen. Kugelhaufen, die sich in Blickrichtung zur Milchstraßenebene befinden, sind daher oft von ebendieser verdeckt. Dass man NGC6397 so gut sieht, liegt an seiner besonders geringen Entfernung. Mit 8000 Lichtjahren ist er der zweitnächste Kugelsternhaufen nach M 4 im Skorpion, und bereits mit kleinen Teleskopen ist die 400000 Sonnen umfassende Sternwolke auszumachen. Trotzdem wurde sie erst 1752 entdeckt – von Südafrika aus.

Im mediterranen Altertum allerdings war dem Sternbild größere Prominenz beschieden, zumindest bei Seeleuten. Jedenfalls überliefert Aratos von Soloi um 275 v.Chr., dass auf dem Meer mit südlichen Stürmen zu rechnen sei, wenn bei sonst bedecktem Himmel die Sterne des Altars zu sehen sind. Das Gebilde, zu dem sich die alten Griechen diese Sterne ordneten, dürfte unterschiedlich gewesen sein. Auch heute noch findet man in den Sternkarten den Altar in ganz verschiedenen Formen. In der hier gezeigten bilden die Sterne δ, γ, β, ζ und η Arae den eigentlichen Altar und die Linie von β nach α den Rauch der darauf verbrannten Opfergabe.

Wer darauf nun was opfert oder räuchert und warum, darüber gibt es, wie so oft, recht verschiedene Ansichten. Laut Eratosthenes waren es die olympischen Götter höchstselbst, die an dem Altar ihren Bündnis-Eid vor dem Kampf gegen die Titanen ablegten und ihn nach ihrem Sieg unter die Sterne versetzten. Einer anderen, bei Aratos referierten Tradition zufolge opfert ein Kentaur hier ein wildes Tier, da der Altar sich mit den beiden westlich anschließenden Sternbildern Wolf und Kentaur zu solch einer Szene komplettieren lässt. Ein Mythos dazu ist allerdings nicht überliefert.

Sieht man ihn rauchen, alles andere aber nicht, dann rasch in den Hafen.

Andromeda

Im November kann man von Mitteleuropa abends am Zenit das Personal einer der beliebtesten Sagen des Altertums bewundern: der von Perseus und Andromeda. Neben dem Helden und der äthiopischen Königstochter selbst wären da ihre Eltern Kepheus und Kassiopeia sowie das Seeungeheuer Ketos (Walfisch), vor dem Andromeda durch Perseus errettet wird.

Den Kopf der Prinzessin kann man sich bei α Andromedae vorstellen. Dieser Stern, der modernen Astronomen vor allem durch seinen abnorm hohen Gehalt an Quecksilber ein Begriff ist, trägt auch den Namen Sirrah. Das kommt vom arabischen »Surrat al-Faras« (Nabel der Stute), da der weiße Stern lange dem Nachbarsternbild Pegasus zugerechnet wurde, mit dem Andromeda zusammenhängt.

Deren Bauchregion liegt dagegen bei β Andromedae alias Mirach, was vom arabischen Mi’zar (Schurz) kommen soll und damit zeigen würde, dass auch die Araber den Mittelteil der Dame hier verorteten. Der Grieche Eratosthenes allerdings spricht von drei Sternen am Gürtel Andromedas und dürfte damit neben β und μ Andromedae jenes Objekt gemeint haben, das Astronomen heute als M 31 oder NGC224 führen und das die größte Attraktion des ganzen Sternbildes darstellt: die Andromeda-Galaxie.

Sie ist das entfernteste Objekt, das mit bloßem Auge zu sehen ist. 2,2 Millionen Lichtjahre weit ist diese Spiralgalaxie weg, die man bei guten Sichtbedingungen als ovalen Nebel erkennen kann. M 31 ist etwas größer als die Milchstraße, ähnelt ihr aber so weit, um einen Eindruck davon zu geben, wie unsere Heimatgalaxie aussähe, könnten wir sie von außen betrachten.

Zu gewisser Prominenz hat es in letzten Jahren auch der sonnenähnliche Stern υ Andromedae gebracht. Seit 1996 wurden drei jupiterähnliche Planeten entdeckt, die um ihn kreisen – und das, obwohl es sich um den Teil eines Doppelsternes handelt, wie man erst seit 2002 weiß. Zuvor hatte man geglaubt, langfristig stabile Planetenbahnen seien nur um Einzelsterne möglich. Natürlich kann man die Planeten niemals direkt sehen. Aber vorstellen darf man sie sich ja – in etwa vor Andromedas linkem Knie.

Die Königstochter mit ausgebreiteten Armen. Rettung naht von links.

Bärenhüter

Vor Einbruch der Dunkelheit scheint das All ziemlich leer. Blickt man aber um Mitte April herum in der Abenddämmerung an eine Stelle südöstlich des Zenits, so sieht man dort im letzten Blau bereits einen Stern: Arktur, den mit 36,7 Lichtjahren Entfernung sonnennächsten roten Riesen und hellsten Stern am Nordhimmel.

Arktur heißt auch α Bootis. Der lateinische Name seines Sternbildes schreibt sich auch Boötes, dabei markiert ö keinen Umlaut, sondern eine getrennte Aussprache beider o: Bo-ootes. Das kommt vom griechischen Wort für »pflügen«, das seinerseits mit »Rind« zu tun hat. Wörtlich bedeutet Bootes dann »Ochsentreiber«, was aber nur für die alten Römer einen Sinn ergab, sahen die doch im benachbarten Asterismus des Großen Wagens die »sieben Dreschochsen«. Für die Griechen allerdings war dies das Hinterteil der Großen Bärin, und so nannten sie den Bootes auch Arktophylax, zu Deutsch: Bärenhüter.

Im Altertum war er nur diese eistütenförmige Figur. Als neuzeitliche Astronomen darangingen, die gesamte Himmelsfläche auf Sternbilder zu verteilen, platzierten sie nebenan zwei neue Konstellationen, die später wieder dem Bootes zugeschlagen wurden: im Norden den Mauerquadrant (Quadrans Muralis) und im Süden den Berg Mänalus (Mons Maenalus).

Letzterer knüpfte an eine der Sagen an, die sich um das Sternbild ranken. Am Maenalus soll die von Zeus missbrauchte Kallisto als Bärin gelebt haben, in die Hera sie verwandelt hatte, bis sie fast von ihrem eigenen Sohn Arkas getötet worden wäre. Und um diesen Arkas handele es sich beim Bärenhüter. Einer anderen Deutung zufolge ist es Ikarios, der erste Mensch, den Dionysos im Weinbau unterwies, der aber mit Bären nichts zu tun hatte. Eher aus römischen Quellen könnte eine dritte Version stammen, die in dem Mann den Erfinder des Pfluges sieht, den die Landwirtschaftsgöttin Ceres zum Dank an den Himmel versetzen ließ. Allerdings waren die Sterne des Bärenhüters auch im alten Mesopotamien mit dem Ackerbau verknüpft, seit die Sumerer sie dem Sturmgott Enlil zugeordnet hatten.

Damit scheint der Bärenhüter für Mythenforscher interessanter als für Astronomen. Denn die werden den eklatanten Mangel an Nebeln oder Galaxien hier beklagen. Er setzt sich eigentümlich bis in die tiefsten Tiefen des Alls fort: Knapp über dem Arktur liegt das Zentrum des »Bootes-Void«, eines immensen Volumens von 250 Millionen Lichtjahren Durchmesser, das sich bis in die angrenzenden Sternbilder ausdehnt und kaum eine Galaxie enthält. Es ist die leerste Raumregion unseres Universums.

Der Eistütenmann schwingt eine Sichel oder was auch immer.

Becher

Was treibt sich am Sternenhimmel nicht alles herum: Menschen, Tiere, allerlei Gerätschaften. Einen rechten Mummenschanz führen die Sterne dort für uns auf, karnevalesk auch insofern, als das Treiben bei aller Phantasie nie wirklich lustig ist.

Das gilt sogar für jenes Sternbild, das man noch am ehesten mit einem fröhlichen Fest assoziieren würde: den Becher, lateinisch »Crater«. Seine astronomische Belanglosigkeit ist schon daran erkennbar, dass α Crateris entgegen der Konvention nicht der hellste Stern des Sternbildes ist – δ Crateris ist 1,7 Mal heller. Bereits im Altertum hat man hier also nicht besonders genau hingeschaut, obgleich das Sternbild da schon bekannt war.

Auch seinen Namen hatte es damals schon: Das griechische »Krater«, von dem auch unser Wort für trichterförmige Erdlöcher stammt, bezeichnete ursprünglich aber kein Trinkgefäß, sondern einen Krug zum Mischen von Wein und Wasser. Denn puren Wein zu trinken war in der Antike verpönt und wäre angesichts des damaligen Standes der Winzertechnologie in vielen Fällen auch unbekömmlich gewesen. Der Mischkrug also war, zusammen mit dem darin eingesetzten Weinkühler, dem Psykter, bis in die hellenistische Zeit ein unentbehrliches Utensil für jedes antike Trinkgelage.