In der Bucht der Liebe - Helen Bianchin - E-Book

In der Bucht der Liebe E-Book

Helen Bianchin

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Beschreibung

Taylors Herz klopft zum Zerspringen, als sie das Herrenhaus an der malerischen Bucht bei Sydney betritt. Hier wird sie von nun an leben. Zusammen mit dem kleinen elternlosen Ben - und dem italienischen Millionär Dante d'Alessandri, mit dem sie sich das Sorgerecht für ihren Neffen teilt. Bisher ist sie Dante möglichst aus dem Weg gegangen. Viel zu stark ist seine Anziehungskraft, zu verwirrend sind die Gefühle, die er in ihr auslöst. Doch nun wohnt sie unter einem Dach mit ihm in dieser traumhaften Villa am Ozean, und Dante ist ihr Tag und Nacht gefährlich nahe …

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Helen Bianchin

In der Bucht der Liebe

IMPRESSUM

ROMANA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1

Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Cheflektorat:Ilse BröhlProduktion:Christel Borges, Bettina SchultGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)Vertrieb:asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013

© 2009 by Helen Bianchin Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1821 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Karin Weiss

Fotos: Masterfile/Kevin Dodge

Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86295-107-9

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

1. KAPITEL

„Muss ich heute in den Kindergarten?“

Taylor umarmte den kleinen dunkelhaarigen Jungen liebevoll, der ihr seine Ärmchen so fest um den Nacken legte, dass es ihr beinah das Herz zerriss. Egal, was kommt, ich werde ihn behüten und beschützen, schwor sie sich.

Mit seinen dreieinhalb Jahren hatte er vor gar nicht langer Zeit einen schweren Schicksalsschlag erlitten, der sein Leben völlig veränderte. Seine Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.

Praktisch von dem Augenblick an, als meine Schwester Casey verkündet hat, sie sei schwanger, gehört Ben d’Alessandri zu meinem Leben, dachte Taylor wehmütig. Gemeinsam hatten sie das Kinderzimmer eingerichtet, die Spielsachen und die Babyausstattung ausgesucht, und Caseys Mann Leon hatte die Schwestern stillschweigend und schmunzelnd gewähren lassen.

Bei der Geburt hatte Taylor ihrer Schwester zusammen mit Leon Mut zugesprochen, und anschließend hatte sie zu Tränen gerührt beobachtet, wie glücklich die beiden über ihren neugeborenen Sohn waren.

Der tragische Tod der Eltern, den Taylor und Casey als Teenager hatten verkraften müssen, hatte sie zusammengeschweißt. Sie unterstützten sich gegenseitig in ihren Berufswünschen und freuten sich gemeinsam über die Erfolge, die sie erzielten. Casey hatte Jura studiert, und Taylor war eine erfolgreiche Autorin geworden. Ein Jahr vor Bens Geburt war ihr erster Thriller erschienen.

„Warum kann ich nicht mir dir zu Dante fahren?“, fragte der Junge weiter.

Allein bei der Erwähnung des Namens von Leons Bruder verkrampfte sich Taylor der Magen.

„Du kannst ihn später sehen“, erwiderte sie sanft und betrachtete sein ernstes Gesichtchen.

„Versprochen?“

„Ja“, bekräftigte sie.

„Heute noch?“

„Wahrscheinlich.“ Sie wollte nicht zu viel versprechen. „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass er einen langen Flug hinter sich hat. Du weißt doch, er kommt aus Italien und muss gleich nach seiner Ankunft an einer wichtigen Besprechung teilnehmen.“

Ben nickte. „Mit dir, stimmt’s?“

„Ja.“

„Ihr redet über mich“, stellte er fest.

Sie war immer wieder von Neuem erstaunt darüber, wie viel der aufgeweckte Junge schon verstand und wie gut er die Zusammenhänge durchschaute. Außerdem konnte er sich für sein Alter außergewöhnlich gut ausdrücken. Ihn zu belügen wäre sinnlos.

„Klar. Du bist doch für uns der wichtigste Mensch auf der Welt. Für dich würde ich sogar mit Drachen kämpfen“, fügte sie scherzhaft hinzu.

„Und mit Löwen.“

Sie küsste ihn auf die Stirn. „Wenn es sein müsste, mit dem ganzen Königreich der Tiere“, versicherte sie ihm feierlich, ehe sie beide in fröhliches Lachen ausbrachen.

„Macht Dante das auch für mich?“

Sich seinen Onkel als Helden vorzustellen fiel ihr überhaupt nicht schwer. Mit seiner imposanten Gestalt und den breiten Schultern wirkte er absolut perfekt. Doch es waren vor allem seine strengen und markanten Gesichtszüge, die Aufmerksamkeit erregten. Seine sündhaft faszinierenden dunklen Augen schienen unendlich viel zu versprechen, sein prüfender, forschender Blick hingegen verursachte ihr ein seltsames Unbehagen.

Kennengelernt hatte sie ihn auf der Verlobungsfeier ihrer Schwester, zu der er extra aus New York eingeflogen war. Ein einziger Blick hatte genügt, um Wünsche in ihr zu wecken, die sich niemals erfüllen würden. Sie hatte Mühe gehabt, die außer Kontrolle geratenen Emotionen zu beherrschen und sich seiner starken Ausstrahlung zu entziehen, die ihr buchstäblich die Sprache verschlug und den Atem raubte.

Dieser Mann beflügelte ihre Fantasie wie kein anderer, und sie konnte sich gut vorstellen, in seinen Armen schwach zu werden. Und genau deshalb war sie auf der Hut und machte lieber einen Bogen um ihn. Sie befürchtete jedoch, dass er wusste, was in ihr vorging. Darauf deutete jedenfalls sein spöttischer Gesichtausdruck hin, als er sie am Ende des Abends zum Abschied federleicht auf die Lippen küsste. Ihr Herz hatte angefangen zu rasen, und verräterische Wärme hatte sich in ihrem Körper ausgebreitet.

„Taylor?“, unterbrach Ben ihre Gedanken.

Rasch nahm sie sich zusammen, imitierte einen Schwerthieb und setzte eine entschlossene Miene auf. „Dante schlägt alle mit seinem mächtigen Schwert in die Flucht.“

Bens Augen wurden immer größer. „Hat er wirklich ein echtes Schwert?“

„Nein, aber das weiß ja niemand.“ Mit Ben auf dem Arm stand sie auf. „So, mein Liebling, es ist Zeit, in die Kita zu fahren. Es macht dir doch Spaß, mit anderen Kindern zu spielen, oder?“

„Ja, es ist ganz okay.“

Sie griff nach ihrer Tasche, schloss die Tür ihrer Dreizimmerwohnung ab und fuhr mit dem Jungen im Aufzug in die Tiefgarage im Untergeschoss, wo ihr kleiner Wagen stand.

Während der kurzen Autofahrt plauderte sie mit dem Jungen über alles Mögliche, um ihn abzulenken. Doch er wirkte beunruhigend in sich gekehrt, als sie ihn in die Obhut der Kindergärtnerin gab. Seine Stimmung hellte sich aber beim Anblick seiner beiden besten Freunde, die auf ihn zuliefen, schlagartig auf. Er strahlte über das ganze Gesicht. Alles, was ihn zuvor bedrückt hatte, schien vergessen, und er winkte ihr lachend nach.

Es brach ihr fast das Herz, ihn hier zurückzulassen. Es war jedoch wichtig für ihn, dass sein Leben nach dem tragischen Verlust seiner Eltern so normal wie möglich weiterging.

Taylor hatte dem Kleinen nach dem Tod seiner Mutter und seines Vaters nach besten Kräften geholfen und dafür gesorgt, dass er sich in den ersten Wochen danach sicher und geborgen fühlte. Allerdings war es für ihn nicht leicht gewesen, mit seinem Kummer und Schmerz zurechtzukommen.

Immer wieder hatte Ben bitterlich geweint, und sie hatte ihn getröstet, so gut sie konnte. Sie selbst hingegen hatte niemanden, der sie in die Arme nahm, wenn sie in der Nacht voller Verzweiflung den Tränen freien Lauf ließ.

Keiner hatte damit gerechnet, dass der schlimmste Fall jemals eintreten würde, für den ihre Schwester und ihr Schwager Vorsorge getroffen hatten. Die beiden hatten bestimmt, dass sie und Dante das Sorgerecht für Ben gemeinsam ausüben sollten, falls ihnen einmal etwas zustoßen würde. Während Taylor den kleinen Wagen durch die Stadt lenkte, fragte sie sich, ob das überhaupt funktionieren könnte, denn Dante lebte in Italien und sie in Australien. Mit anderen Worten, sie waren viel zu weit voneinander entfernt, um ihren Neffen gemeinsam großzuziehen.

Nächtelang hatte sie gegrübelt und sich alle möglichen Lösungen ausgedacht, von denen ihr jedoch keine einzige Erfolg versprechend erschien.

Da Ben ein d’Alessandri war, befürchtete sie allerdings, dass Dante sie unter Druck setzen und ihr etwas vorschlagen würde, womit sie nicht einverstanden sein konnte. Und das machte sie ganz krank. Doch sie war fest entschlossen, sich mit allen verfügbaren Mitteln zu wehren, falls Dante versuchte, ihr den Kleinen wegzunehmen.

Nachdem Dante d’Alessandri aus dem Flieger gestiegen war, ging er durch die Passkontrolle und durchquerte die Ankunftshalle. Wenige Meter vom Eingang entfernt stand die schwarze Limousine für ihn bereit. Er begrüßte seinen Chauffeur freundlich, ehe er sich auf den Rücksitz sinken ließ und sich entspannt zurücklehnte.

Innerhalb weniger Minuten hatten sie den Flughafen von Sydney hinter sich gelassen und fuhren im heftigen Regen, der auf die Windschutzscheibe prasselte, in Richtung Innenstadt.

Nach den Ereignissen der letzten Wochen passte das Wetter zu seiner Stimmung. Er hatte sich mit dem plötzlichen Tod seines Bruders und seiner Schwägerin auseinandersetzen und seine verwitwete Mutter, die in Florenz lebte, trösten müssen. Natürlich hatte er sie nach Sydney zur Beerdigung begleitet und war mit ihr nach Italien zurückgeflogen.

Sein einige Jahre jüngerer Bruder und er hatten sich sehr nahegestanden. Nach dem Studium hatten sie sich dem Wunsch ihres Vaters gefügt und sich in dem Familienunternehmen hochgearbeitet. Ihm selbst war es vorbehalten gewesen, in dem Stammhaus in Italien zu arbeiten, während Leon nach Australien geschickt wurde, um die Niederlassung in Sydney zu leiten.

Obwohl sie sich nicht mehr so oft hatten sehen können, waren sie in ständigem Kontakt geblieben, hatten miteinander telefoniert und regelmäßig E-Mails ausgetauscht.

Jetzt war er nach Sydney gekommen, um Leons Nachlass zu regeln und die erforderlichen Schritte im Zusammenhang mit dem Sorgerecht für den Sohn seines Bruders zu unternehmen. Glücklicherweise war der Kleine an dem Tag, als seine Eltern bei dem schrecklichen Unfall ums Leben kamen, nicht zu Hause, sondern im Kindergarten gewesen.

Dante hatte versprochen, Ben im Falle eines Falles großzuziehen, und das würde er selbstverständlich jetzt tun, so wie es Leon und Casey in ihrem Testament bestimmt hatten.

Bei der Hochzeit seines Bruders mit Casey Adamson vor fünf Jahren war er Trauzeuge gewesen, und er und Caseys Schwester Taylor waren Bens Taufpaten. Damit hatten Taylor und er sich verpflichtet, für den Jungen zu sorgen, wenn es einmal erforderlich sein würde.

Das war natürlich als reine Vorsichtsmaßnahme gedacht gewesen, denn niemand hatte ernsthaft damit gerechnet, dass ein solches Szenario jemals eintreten und der Junge seine Eltern verlieren würde. Taylors Bild stieg vor ihm auf, und Dante kniff die Augen zusammen. Sie war eine große, schlanke junge Frau mit dunkelblondem Haar. Er hatte sie auf der Verlobungsfeier seines Bruders kennengelernt, und auf der Hochzeitsparty war sie seine Tischdame gewesen. Zuletzt waren sie sich auf Leons und Caseys Beerdigung begegnet und hatten versucht, sich gegenseitig Trost zuzusprechen.

Dante erinnerte sich, wie tapfer Taylor die Tränen während der Trauerzeremonie zurückgehalten hatte und wie sie schließlich doch zusammengebrochen war. Sie hatte sich jedoch rasch wieder unter Kontrolle gehabt. Dann hatten sie an dem kühlen Tag lange Zeit zusammen am Grab gestanden, während der Wind mit ihrem langen Haar spielte.

Er war ihr sehr dankbar, dass sie sich wie selbstverständlich um Ben kümmerte und ihn gleich nach dem tragischen Unfall bei sich aufgenommen hatte, denn er hatte wegen dringender geschäftlicher Termine nicht früher nach Sydney zurückkehren können.

Als die Limousine jetzt vor dem großen Gebäude anhielt, sah Dante auf die Uhr. Fast auf die Minute pünktlich, dachte er und stieg aus. Er eilte durch die Eingangshalle auf die Rezeption zu, und er wurde von einer Mitarbeiterin der Anwaltskanzlei in das geräumige und exklusiv ausgestattete Direktionszimmer geführt. Dort begrüßte er Leons Rechtsanwalt freundlich, ehe er sich zu der jungen Frau umdrehte, die aufgestanden war.

„Hallo, Taylor.“ Dante drückte ihr die Hand und küsste sie auf die Wange.

Sie trug eine perfekt sitzende schwarze Hose, die ihre langen Beine betonte, dazu eine elegante helle Seidenbluse und einen breiten braunen Ledergürtel. Die hochhackigen Schuhe machten sie noch größer, als sie sowieso schon war.

Nach seiner Rückkehr nach Florenz hatte Dante mit ihr in regelmäßigem E-Mail-Kontakt gestanden und sich informieren lassen, wie es seinem Neffen ging. Auch den heutigen Termin mit dem Rechtsanwalt hatte sie ihm auf diesem Weg bestätigt.

Ihm war bewusst, wie nahe sie und Casey sich gestanden hatten. Doch als Persönlichkeiten hätten sie nicht verschiedener sein können. Casey war eine lebhafte, humorvolle junge Frau gewesen, die gern und oft lachte. Ihr Mann und ihr Sohn waren ihr Ein und Alles gewesen. Taylor hingegen wirkte sehr distanziert und schien immer auf der Hut zu sein, und genau das fand er so ungemein faszinierend.

Bei einigen seltenen Gelegenheiten hatte sie die Maske sekundenlang fallen lassen, so bei Caseys und Leons Trauung und auch bei Bens Taufe, als sie versprach, sich als seine Patin jederzeit gut um ihren Neffen zu kümmern. Dass sie auf der Trauerfeier die Fassung verlor, war kein Wunder.

Ihre Verletzlichkeit, die sie normalerweise gut zu verbergen verstand, berührte Dante zutiefst. Taylor weckte in ihm den Wunsch, sie zu erobern, die Mauer, die sie um sich her errichtet hatte, zu durchbrechen und ihre wahre Natur zu entdecken, vielleicht sogar ihr Herz zu gewinnen.

Es kam ihm vor wie eine einzige Herausforderung, der er sich jedoch während der kurzen Begegnungen noch nicht hatte stellen können und wollen.

„Hallo, Dante“, begrüßte sie ihn. Ihre Stimme klang warm und herzlich, und er hatte das eigenartige Gefühl, sie könne seine Gedanken lesen. Doch das hielt er für unmöglich.

Als Vorstand der d’Alessandri Corporation stand er in dem Ruf, stets besonnen zu reagieren, einen klaren Kopf zu bewahren und sich, wenn es sein musste, rücksichtslos durchzusetzen. Solche Eigenschaften waren für die Führung des multinationalen Unternehmens von Vorteil und hatten ihn zu einem der reichsten Männer Europas gemacht. Eins der Geheimnisse seines Erfolgs war, dass er sich nicht in die Karten schauen ließ.

„Nehmen Sie bitte Platz“, forderte der Rechtsanwalt Dante und Taylor auf, ehe er sich an den Schreibtisch setzte und einen Stapel Unterlagen zu sich heranzog. „Wir wollten über das Sorgerecht sprechen, das Sie gemeinsam für Caseys und Leons Sohn übernehmen sollen. Ich nehme an, Sie haben bestimmte Vorstellungen, wie es jetzt weitergehen soll.“

„Ben fühlt sich bei mir sehr wohl“, erklärte Taylor ruhig. „Ich arbeite zu Hause, sodass es keine Probleme hinsichtlich der Betreuung gibt. Ich bin mir sicher, Casey hätte sich gewünscht, dass ich die Hauptbezugsperson ihres Sohnes bin.“

„Ich schlage vor, dass Ben bei mir in Italien aufwächst“, hielt Dante dagegen und warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. „Er wird sowieso nach seiner Ausbildung in das Familienunternehmen eintreten, das ist bei uns Tradition. Leon hätte nicht anders entschieden.“

Taylor sank der Mut. „Das kommt überhaupt nicht infrage“, wies sie den Vorschlag scharf zurück. „Nach dem Verlust der Eltern kannst du Ben nicht auch noch aus der vertrauten Umgebung herausreißen. Momentan wäre es für ihn eine Zumutung, in einem ihm fremden Land und mit Menschen zurechtkommen zu müssen, die er nicht kennt und deren Sprache er nicht versteht. Damit wäre Casey nie einverstanden gewesen. Für sie war es selbstverständlich, dass ihr Sohn in Sydney aufwächst“, fügte sie mit wachsender Besorgnis hinzu.

„Casey und Leon hätten sich auch nie vorstellen können, so früh zu sterben“, wandte Dante ruhig ein. „Leider ist alles anders gekommen, als die beiden es geplant hatten.“

Sie betrachtete ihn prüfend: seine strengen Gesichtszüge, die faszinierenden dunklen Augen, die vollen Lippen und schließlich die breiten Schultern, die das Jackett des eleganten, perfekt sitzenden Maßanzugs betonte, und seine große, schlanke Gestalt. Er war einen ganzen Kopf größer als sie, obwohl sie schon die meisten anderen Frauen und viele Männer überragte.

Jedenfalls schien er seinem Ruf gerecht zu werden. Er strahlte Macht und Entschlossenheit aus, schien rücksichtslos und gefährlich zu sein, also ein Mann, mit dem nicht zu spaßen war.

Vor dem tragischen Unglück hatte Taylor ihn in weitaus besserer Stimmung erlebt. Er hatte viel gelacht und Casey genauso herzlich und liebevoll behandelt wie seinen Bruder.

Eine Zeit lang hatte sich Taylor in seiner Gesellschaft sehr wohlgefühlt und sogar darüber nachgedacht, ob sich zwischen ihnen mehr entwickeln könnte. Doch ein Jahr nach Bens Geburt war sie von einem Einbrecher brutal überfallen worden, und seitdem scheute sie davor zurück, sich auf eine intime Beziehung einzulassen.

„Du bist viel zu oft geschäftlich unterwegs“, entgegnete sie. „Wie willst du den Jungen dann abends ins Bett bringen und ihm eine Gutenachtgeschichte vorlesen? Wem soll er seine Träume erzählen, seine Ängste anvertrauen, und von wem soll er sich trösten lassen, wenn er traurig ist? Und mit wem soll er lachen und fröhlich sein?“ Leidenschaftlich und engagiert vertrat sie ihren Standpunkt, während sie insgeheim verzweifelt nach einem Ausweg aus der schwierigen Situation suchte.

„Als Alternative kann ich dir anbieten, dass Ben mehrere Monate hintereinander bei dir lebt und dann genauso lange bei mir“, erwiderte er.

Die grünen Punkte in ihren haselnussbraunen Augen schienen dunkler zu werden und erinnerten Dante an das üppige Grün der Rebstöcke seiner Weinberge in der Toskana.

„Glaubst du wirklich, wir würden ihm damit einen Gefallen tun, dass er sich alle paar Monate an eine andere Umgebung gewöhnen muss? Wie soll er sich da jemals irgendwo sicher und geborgen fühlen?“ Taylor konnte kaum glauben, dass Dante es ernst meinte. „Er ist doch erst dreieinhalb Jahre alt.“

„Sicher, aber seine Großmutter wird ihm die Liebe und Aufmerksamkeit schenken, die er braucht. Außerdem werde ich ein qualifiziertes Kindermädchen engagieren“, erklärte Dante geduldig und irgendwie nachsichtig. „Du kannst ihn natürlich jederzeit auf meine Kosten in Florenz besuchen“, fuhr er betont sanft fort. „So kannst du dich regelmäßig vergewissern, wie gut er sich eingelebt hat und wie glücklich er in der neuen Umgebung ist.“ Er sah sie aufmerksam an und überlegte, ob ihr bewusst war, über wie viel Macht er verfügte. „Darüber hinaus müssen wir entscheiden, welche Schulen er besuchen soll. Eine exklusive Internatsschule ist sicher das Richtige für ihn.“

Das wird ja immer schlimmer, schoss es ihr durch den Kopf. „Nein, das ist völlig ausgeschlossen“, lehnte sie vehement ab. „Ist dir nicht bewusst, dass ich für Ben schon immer die zweitwichtigste Bezugsperson war und ich ihn so sehr liebe wie ein eigenes Kind?“

Dante lehnte sich in dem Sessel zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. „Okay, dann bist du vermutlicht bereit, alles zu tun, damit er sich wohlfühlt und glücklich ist, oder?“

Er erinnerte sie an einen Tiger, der seine Beute beobachtete, um sich jeden Moment daraufzustürzen.

„Ja, natürlich“, antwortete sie, ohne zu zögern.

Er betrachtete sie nachdenklich. „Da offenbar keiner von uns beiden damit einverstanden ist, dass der andere die alleinige Betreuung übernimmt, verrat mir doch bitte, welche Lösung dir vorschwebt.“

„Wie auch immer wir uns entscheiden, es muss in Bens Interesse sein“, erwiderte sie ausweichend, weil sie beim besten Willen keinen Vorschlag machen konnte, der sich mit ihren und seinen Vorstellungen vereinbaren ließ und dem sie beide zustimmen konnten.

„Zumindest in dem Punkt sind wir uns einig.“ Dante wandte sich an den Rechtsanwalt. „In Leons und Caseys Testament wird ausdrücklich das gemeinsame Sorgerecht betont, oder?“

„Ja, aber …“

„Bedeutet das, dass wir jede Entscheidung, die Ben betrifft, übereinstimmend treffen und immer einer Meinung sein müssen?“

Der Mann runzelte die Stirn. „Na ja, es kommt vielleicht darauf an, wie man es interpretiert.“

Taylor versteifte sich und sah Dante misstrauisch an. „Worauf willst du hinaus?“

Er drehte sich wieder zu ihr um. „Da wir uns nicht einigen können, bleibt nur noch eine Lösung übrig: Wir beide leben mit Ben unter einem Dach und ziehen ihn zusammen groß. So bekommt er die beste Betreuung. Wir beide sind immer für ihn da und seine engsten Bezugspersonen.“

Es verschlug ihr fast die Sprache. „Das ist doch lächerlich“, fuhr sie ihn schließlich an. „Selbst wenn es überhaupt infrage käme, wäre meine Wohnung viel zu klein für uns drei.“

Das leichte Lächeln, das seine Lippen umspielte, schien so gar nicht zu seinem ernsten Blick zu passen. „Mein Haus in Watsons Bay ist mit sieben Schlaf-, zwei voneinander unabhängigen Arbeitszimmern, einem Fitnessraum und einem Swimmingpool ausgestattet. Die Einliegerwohnung habe ich meiner Haushälterin zur Verfügung gestellt. Es ist also Platz genug für uns alle vorhanden. Das ist doch eigentlich eine akzeptable Lösung, oder? Während meiner Geschäftsreisen kümmerst du dich allein um Ben, sodass sich für dich nicht viel ändert.“

Glaubt er das wirklich?, überlegte sie fassungslos.

„Deine Einwände sind damit ja wohl ausgeräumt“, fuhr er seidenweich fort. „Ben lebt weiterhin in Sydney bei dir, du bist die meiste Zeit mit ihm allein und kannst außerdem die Vorteile genießen, die sich dir in meinem Haus bieten.“

„Das scheint ein sehr großzügiges Angebot zu sein“, meinte der Rechtsanwalt und blickte Taylor erwartungsvoll an.

Was für ein raffinierter Schachzug, Dante hat mich überaus geschickt ausmanövriert, dachte sie wie betäubt. „Ich werde darüber nachdenken“, war alles, was ihr in dem Moment dazu einfiel. Sie stand auf, bedankte sich bei dem Anwalt und wandte sich zum Gehen.

Dante war jedoch schneller als sie. Er hielt ihr die Tür auf und begleitete sie zu den Aufzügen. Sie fühlte sich ihm gegenüber seltsam hilflos und konnte nicht verhindern, dass ihre Haut kribbelte.

„Ich möchte meinen Neffen so rasch wie möglich sehen“, erklärte er.

„Das habe ich mir gedacht. Er ist im Kindergarten“, erwiderte sie ruhig.

„Wann holst du ihn ab?“

„Um drei Uhr.“

In dem Moment glitt die Tür des Fahrstuhls vor ihnen auf, und sie fuhren nach unten. In der engen Kabine war Taylor sich Dantes Gegenwart allzu sehr bewusst. Es war eigentlich unglaublich, wie sehr der dezente Duft seines Aftershaves ihre Sinne erregte. Dante hatte sie schon immer aus dem inneren Gleichgewicht gebracht und ihren Seelenfrieden gestört.

War er ihr etwa nicht gleichgültig? Du hast allen Grund, Männern zu misstrauen, mahnte eine kleine innere Stimme. Glücklicherweise hatten sie in dem Moment das Erdgeschoss erreicht, und sie atmete erleichtert auf.

„Hast du schon gegessen?“, fragte Dante, während sie die Eingangshalle durchquerten.

„Warum willst du das wissen?“, antwortete sie verblüfft.

„Wir könnten bei einem Imbiss alles besprechen und die Einzelheiten klären.“

„Dazu müssen wir nicht in ein Restaurant gehen.“

„Okay, ich komme auch gern mit zu dir“, entgegnete er.

Entsetzt blickte sie ihn an und brauchte einige Sekunden, ehe sie sich von dem Schock erholt hatte. „Ich kenne hier in der Nähe einige nette Cafés. Dort können wir eine Kleinigkeit essen und uns unterhalten.“

Er ignorierte ihren Vorschlag und ging mit ihr in ein exklusives Restaurant, wo sie zu einem freien Tisch geführt wurden.

„Ich mag es nicht, wenn …“

„Wenn du nicht alles unter Kontrolle hast?“, unterbrach Dante sie betont nachsichtig.

„Alles unter Kontrolle zu haben ist offenbar dein Vorrecht“, stellte sie ärgerlich fest.

Er studierte die Getränkekarte und erkundigte sich dann, was sie trinken wollte.

„Nur ein Mineralwasser.“ Sie war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren, und hatte nicht übel Lust, ihm irgendetwas an den Kopf zu werfen.

„Das würde ich dir nicht raten“, sagte er leicht belustigt, als hätte er ihre Gedanken erraten.

Es reichte ihr, sie stand auf und griff nach ihrer Tasche.

„Setz dich bitte wieder hin“, forderte er sie auf und hielt sie am Handgelenk fest.

Sie blickte ihn zornig an. „Warum?“

„Es geht um Ben“, erinnerte er sie.

Sogleich stieg das Bild des Kleinen vor ihr auf. Sie sah ihn vor sich mit seinen großen, traurigen Augen. Natürlich würde sie alles für den Jungen tun. „Es wird nicht funktionieren.“

„Wovon redest du?“

„Dass wir zusammen unter einem Dach leben, wird nicht gut gehen.“ Ihre Stimme klang gereizt.

„Es ist aber für Ben das Beste.“

Sie unterdrückte die Entgegnung, die ihr auf der Zunge lag, weil in dem Augenblick der Ober die Bestellung entgegennehmen wollte.

„Taylor?“ Dante sah sie fragend an.

Nach kurzem Zögern wählte sie einen Caesar Salad – Dante orderte ein Steak – und wartete, bis sie wieder allein waren, ehe sie Dante vorwarf: „Du bist unfair.“