In der Ferne so nah - Manfred Otzelberger - E-Book

In der Ferne so nah E-Book

Manfred Otzelberger

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Beschreibung

Mindestens jede achte Liebe ist inzwischen eine Fernliebe. Vier Millionen Menschen wollen oder müssen regelmäßig Abschied voneinander nehmen. Die Tendenz ist steigend, es gibt inzwischen eine "Generation mobil". Welche Chancen und Risiken bergen diese Wochenendbeziehungen? Fördert das getrennte Zusammenleben Selbstverwirklichung oder Entfremdung? Wird das Leben ohne gemeinsamen Alltag intensiver oder verliert es an Sinn? Die Autoren, selbst ein Fernliebenpaar, befragten über 100 Betroffene, wie sie ihre Liebe auf Distanz leben, wie sie den Abschied zelebrieren oder die Ankunft feiern. Sie verraten ihre Tricks, die Sehnsucht zu lindern und die Zeit allein zu genießen, ergänzt mit praktischen Tips von Therapeuten und Wissenschaftlern.

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Seitenzahl: 381

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Freymeyer/Otzelberger

Karin Freymeyer Manfred Otzelberger

In der Ferne so nah

Lust und Last

Die Geschichten in diesem Buch basieren auf Gesprächen mit Betroffenen. Namen und biographische Details wurden auf Wunsch einiger Interviewpartner geändert.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage, September 2013 (entspricht der 2. Druck-Auflage von März 2001)

© Christoph Links Verlag GmbH, 2000

Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel. (030) 44 02 32-0

www.christoph-links-verlag.de, [email protected]

Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos von © juliemahlke - Fotolia.com

Lektorat: Ulrike Weidner

Satz: Medienhaus Froitzheim AG, Berlin

ISBN: 978-3-86284-219-3

Inhalt

Vorworte

Die Fernliebe ist eine Herausforderung

Die Fernliebe ist eine Gefahr

Der Boom der Fernbeziehungen

Arbeit und Liebe: Die neuen Religionen der Leistungs- und Spaßgesellschaft?

Mobilität und Flexibilität: Was die Wirtschaft von uns will und selbst verweigert

»Dual-Career Couples«: Frauen gehen eigene Wege

Forschungsbedarf gibt es genug: Interviews mit Elisabeth Beck-Gernsheim und Norbert F. Schneider

Die klassischen Fernbeziehungen

Seemänner: Die Braut des Matrosen ist die See

LKW-Fahrer: Welche Frau macht das mit?

Soldaten: Die Liebe leidet

Piloten und Stewardessen: Wer fliegt zu wem?

Politiker in Berlin: Noch nicht einmal eine Wochenendehe

Prominente: Liebe im Rampenlicht

Neue Liebes- und Lebensmodelle

Mythos Nahbeziehung: Haben sich Fernliebenpaare mehr zu sagen?

Halb Single, halb Paar: Was Fernbeziehungen so attraktiv macht

Der autonome Mensch: Die große Chance, sich in der Fernliebe zu entwickeln

Die Intervall-Lieben: Intensität und Abstand

Die Utopie: Der Traum von der freien Liebe

Vereinigte Staaten von Europa: Euro-Lieben

Die Fernstenliebe: Wenn tausende Kilometer trennen

Den Alltag getrennt zusammen leben

Die Sehnsucht: Ein bittersüßes Gefühl

Die Schmerzen: Der Verlust von Geborgenheit

Die Zeit: Das kostbarste Gut

Der Abschied: Immer ein kleiner Tod

Die Ankunft: Von Null auf Hundert?

Der Urlaub: Ein Ausnahmezustand

Das Gespräch: Zum Wesentlichen vordringen

Streiten: Verdrängen hilft nicht

Der Liebesbrief: E-Mail, SMS oder Papier

Das Telefon: Geliebte Stimme

Die Projektion: Wenn man sich ein falsches Bild macht

Zärtlichkeit und Sex: Jetzt oder nie

Die Eifersucht: Das Gespenst der Ängstlichen

Der Seitensprung: Die große Katastrophe?

Die Freunde: Unverständnis und Bewunderung

Die Vision: Gemeinsame Ziele

Die Kinder: Einer wird zum Alleinerziehenden

Zusammenziehen: Das Übergangsknirschen

Die Trennung: Der Traum ist aus

Exkurs: Paartherapie für Fernliebende – ein modernes Konzept

Epilog: Haben sich die Entbehrungen gelohnt?

Das ABC der Fernliebe

Anhang

Anmerkungen

Danksagung

Vorworte

Die Fernliebe ist eine Herausforderung

Bangemachen gilt nicht, dachte ich mir, als ich im Sommer 1999 die schrecklich schöne Nachricht erhielt: Meine Freundin, die am Bamberger Theater als Dramaturgin gearbeitet hatte, wollte sich verändern: Unter 100 Bewerberinnen und Bewerbern wurde sie ausgesucht, die Studiobühne im Musischen Zentrum der Universität Bochum zu leiten. Ein attraktiver Job, den sie nicht ausschlagen durfte, wenn ihr die weitere berufliche Entwicklung wichtig war – ich gönnte ihr die Chance von Herzen und freute mich erst einmal mir ihr. Mächtig stolz war ich auf sie und merkte erst später, daß meine Reaktion sie irritierte, ja, daß sie ein bißchen beleidigt war: weil ich mir die Gefahren der Trennung nicht sofort in düstersten Farben ausmalte, weil ich sie nicht zurückhalten wollte, weil ich sie scheinbar leichtfertig gehen ließ.

Schon vorher hatten wir beileibe nicht jede Nacht nebeneinander gelegen. Wir führten eine Fernbeziehung, deren Entbehrungen aber erträglich waren: Sie inszenierte Theaterstücke in Bamberg, während ich in Bayreuth als Redakteur arbeitete. 70 Kilometer Distanz waren das, 45 Minuten trennten uns, wenn wir Gas gaben. Ein Katzensprung gegenüber den 600 Kilometern zwischen Bayreuth und Bochum.

Mein Chefredakteur hatte sofort einen passenden Spruch des asiatischen Weisheitslehrers Lao-Tse parat: »Die Entfernung ist für die Liebe wie der Wind für das Feuer. Das starke facht er an, das schwache bläst er aus.« Tröstlich, sehr tröstlich. Zudem war ich aus früheren Beziehungen fernliebenerprobt und glaube an die Macht der Liebe, die Berge versetzen kann. Na ja, zumindest Hügel, aber es waren auch nicht die Alpen zwischen uns. »Wenn wir wirklich füreinander geschaffen sind, halten wir das aus«, sagte ich zu meiner skeptischen Liebsten. »Dann ist es eine sinnvolle Prüfung, die uns noch viel stärker zusammenbringt. Lieben wir nicht beide die Freiheit, arbeiten wir nicht sehr intensiv an unseren Projekten und Geschichten, für die wir dann viel mehr Zeit haben werden, lehnen wir nicht das bürgerliche Aufeinanderhocken ab, gehen nicht viele Lieben an zuviel Nähe zugrunde?« Ich verbreitete in meiner Hilflosigkeit einen robusten Zweckoptimismus: Was andere Paare schaffen, kriegen wir doch auch hin – Durchhalteparolen, die von Herzen kamen. Auch wenn ich manchmal selbst nicht meiner Meinung war: Mir ist es grundsätzlich wesensfremd, von vornherein die Flinte ins Korn zu werfen. Da halte ich es mit Konfuzius: »Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als auf die Dunkelheit zu schimpfen.« Die Kerze war die Bahn-Card.

Die Zeit auf dem Weg zu ihr verging zügig, ich lernte im Speisewagen viele Menschen kennen, denen es ähnlich ging: In der Ferne fühlten sie sich ihrem Herzblatt so nah. In den Buchhandlungen war zu diesem Thema nichts zu finden. Dann kam mir die Idee: Warum nicht aus der Not eine Tugend machen? Es geht doch nicht nur uns so, daß wir von einem Tag auf den anderen aus guten Gründen auseinandergerissen werden. Es gibt Millionen Paare, die ähnlich leben. Laß uns doch mal sehen, wie die das machen. Recherchieren wir für ein Buch über die moderne Völkerwanderung, von der sich Deutsche Bahn, Lufthansa und Mitfahrzentralen nähren. Lassen wir uns Liebesgeschichten erzählen, die alle hochindividuell sind, hören wir leuchtende und warnende Beispiele über das richtige Maß von Nähe und Distanz – das Grundthema jeder Liebesbeziehung.

Wir sprachen mit etwa 100 Menschen, die alle beruflich oder privat mit der Fernliebe zu tun haben. Angenähert hat sich das Autorenpaar in seiner Sicht auf die Wochenendliebe ein bißchen. Doch sind die Auffassungen trotzdem noch so verschieden, daß wir beim besten Willen kein gemeinsames Vorwort schreiben können. Lesen Sie, was Karin Freymeyer zur Fernliebe im allgemeinen und zu ihrem Co-Autor im speziellen meint.

Manfred Otzelberger

Bayreuth, im Juli 2000

Die Fernliebe ist eine Gefahr

»Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide!«

Was wäre aus Goethe geworden, hätte er nicht große Lieben in der Ferne gehabt? Hätte er auf immer wieder neue und tiefgründige Weise vom Glück und Leid der Liebe schreiben können? Ist nicht die Muse und der Musenkuß an einem anderen Ort der Ansporn für viele, sich auf das Wesentlichste zu besinnen?

Die Sehnsucht, das Gefühl der Entbehrung läßt uns in die Tiefen unseres Seins vordringen. Das ist meist mit Schmerz verbunden, aber wir werden dafür mit vielen neuen Erkenntnissen belohnt. Die romantischen oder wehmütigen Gedanken an den geliebten Menschen beflügeln uns mitunter zu ungeahnter Kreativität.

Die Liebe: das spannendste Thema in Literatur, Theater, Film und Fernsehen. Welche paßt zu mir? Will ich überhaupt die kompromißlose Nähe zu einem anderen Menschen? Kann ich so viel Vertrauen zu ihm aufbringen? Oder ist mir eine unkonventionelle Liebe auf Distanz lieber? Heißt Lieben nicht auch Nähe und Teilen? Macht nicht die Vertrautheit mit einem Menschen das Glück aus?

Vor neun Monaten bin ich nach Bochum gezogen, sieben Bahnstunden entfernt von meinem Freund. In meinem Job – Regisseurin und Dramaturgin – ist Flexibilität Voraussetzung. Im Theater wie in der Universität treffe ich dauernd Menschen, die ihre Partner in einer anderen Stadt haben, sie sind ständig auf Wanderschaft. Das hat Gutes, aber auch genausoviel Schlechtes. Neidisch war ich immer nur auf die, die nach der Arbeit zu einem vertrauten Menschen heimgehen konnten.

Eigentlich bin ich eine Radikale in Sachen Liebe. Und muß doch Realistin sein. Ich stelle mich darauf ein, daß ich den Traum, mit meinem Freund Tisch und Bett zu teilen und ihn täglich im wahrsten Sinn des Wortes begreifen zu können, bis auf die Rente verschieben muß. Unsere jeweilige Arbeit gefällt uns zu gut. Keiner von uns könnte lange ohne sie auskommen, die Beziehungskrise wäre programmiert.

Wenn nur die Abschiede nicht wären. Vor denen graut es mir, darin bin ich wirklich keine Meisterin. Lange vor dem Winken bange ich schon. »Abschied ist immer auch ein kleiner Tod«, sagen die Franzosen in einem Sprichwort. Ich bin viele Tode gestorben, jedesmal wenn ich meinen Freund verabschiedet habe. Wie oft habe ich dieses Scheusal verflucht, weil dieser flüchtige Mann scheinbar so lässig damit umgehen kann.

Bei mir sind die Entzugserscheinungen grausam. Auch wenn es mir von außen keiner anmerkt: Die Fernliebe ist eine Höllenqual für mich, ich bin dafür nicht geschaffen. Den mutmaßlichen Lebenspartner gefunden zu haben und ihn nicht greifbar neben mir zu haben, ist ein Grundwiderspruch, den ich nicht auflösen kann. Das, wovor andere Leute Angst haben, den Alltag, genau den möchte ich mit meinem Liebsten erleben: das abendliche Gespräch über den Tag, Kuscheln und gemeinsames Essen, gemütliches Fernsehen und Kneipenbesuche, beim Sex nach Lust und Laune und nicht nach Terminplan verschmelzen – sind solche bescheidenen Wünsche zu anspruchsvoll?

Das Schreiben an dem Buch hat mir geholfen, mit der Situation besser zurechtzukommen. Allein die vielen Interviews haben mir eine Gewißheit gegeben: Hinter dem Horizont geht’s weiter. Aber die Grundeinstellung, daß durch die vermaledeite Fernbeziehung in der Liebe vieles verlorengeht, hat sich nicht geändert.

Immerhin habe ich die Möglichkeit, auch die dunklen Seiten der Fernbeziehung angemessen darzustellen, es soll nichts beschönigt werden. Es geht ans Eingemachte: Neid, Eifersucht, Entfremdung, Verwünschung, Schwäche. Wer fern liebt, taumelt immer am Abgrund entlang – das ist zumindest meine Erfahrung.

Aber Liebe ist niemals nur bierernst und tonnenschwer. Über die letzte Ironie unseres Schicksals kann ich nur lachen: Im Frühjahr und Sommer 2000 haben wir uns noch weniger gesehen, weil wir aus Gründen der Arbeitsökonomie getrennt an dem Buch schreiben mußten: berufliche Unabkömmlichkeit! Und erhöhte Ablenkungsgefahr in einem Raum!

Was bleibt? Der immer wiederkehrende Traum von Frau Nimmersatt, nach den bestiegenen Bergen der Fernliebe die Mühen der Ebenen in der Nahliebe zu genießen, irgendwann eine gemeinsame Wohnung mit einer großen Bibliothek zu haben und meinem geliebten Flüchtling den befreienden Satz sagen zu können: »Heute habe ich genug von dir.«

Karin Freymeyer

Bochum, im Juli 2000

Der Boom der Fernbeziehungen

Mindestens jede achte Liebe – so lauten seriöse Schätzungen – ist inzwischen eine gewollte oder ungewollte Fernliebe: Millionen Paare in Deutschland sind von dem paradoxen Zustand betroffen, räumlich getrennt, aber seelisch vereint zu sein.

Durch den Jahrhundert-Umzug eines Heeres von Beamten, Abgeordneten und Bürokraten von Bonn nach Berlin hat sich das Problem noch einmal verschärft. Die Fernbeziehung ist zwar noch nicht mehrheitsfähig, aber klammheimlich normal geworden. Sie ist das häufigste Indiz für das ganz normale Chaos der Liebe in postmodernen Zeiten: Wir sind mobil und bewegen uns von unserem Liebsten weg. Und hin. Hin und weg. Weg und hin. Liebe in Bewegung.

Wer liebt fern? Hauptsächlich unverheiratete Paare, nur vier Prozent der Ehepaare leben in getrennten Haushalten. Es sind in erster Linie Berufstätige der gutverdienenden Mittelschicht, die am Anfang oder im Zenit ihrer Karriere stehen. Dennoch kann man darauf das Phänomen nicht reduzieren. Monteure und Managerinnen sind darunter, Studenten und Stewardessen, Beamte und Bankerinnen.

Exakte Zahlen gibt es nicht. Beim Statistischen Bundesamt sind Fernliebende keine zählbare Kategorie, aber eines steht fest: Es werden immer mehr. Grund genug für das Bundesfamilienministerium, eine Untersuchung in Auftrag zu geben. Der Mainzer Soziologieprofessor Norbert F. Schneider wird Ende 2000 die Ergebnisse der ersten Analyse über »Berufliche Mobilität und Lebensform« präsentieren. Schon vor der Untersuchung war für ihn klar: »Berufliche Mobilität prägt die Partnerschaft bzw. das Familienleben einer immer größer werdenden Zahl von Personen. Ortsmobilität wird heute nicht mehr nur von bestimmten Berufsgruppen und der Chefetage gefordert. Es zeichnet sich der Trend ab, daß sich im Verlauf des Berufslebens nahezu jeder einmal direkt oder weil der Partner davon betroffen ist, mit beruflichen Mobilitätserfordernissen auseinandersetzen muß.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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