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Selena bekommt vom Lordprotektor der Megacity Inessa den Auftrag, Gavin Harris zu eliminieren. Sie fügt sich seinem Willen, da der Lordprotektor ihren Bruder Alain gefangen hält, obwohl sie als letzte Angehörige des Soleas Clans eine Heilerin ist und dies ihren Grundsätzen widerspricht. Als sie Gavin Harris gefunden hat, überschlagen sich die Ereignisse. Selena gerät zwischen die Fronten. Ihre intensiven Gefühle für Gavin und seinen Bruder Lance, die dem Tandark Clan angehören, erschweren die Dinge zusätzlich. Selena muss sich für eine Seite entscheiden. Das Leben aller Beteiligten steht auf dem Spiel.
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Für Jörg
Dank an Katja und Hanni
Selena
Falle für Gavin Harris
Idris
Freiheit für Gedanken
Suche
Sperrzone
Lance Harris
Gavin Harris
Victor
Entführt
Begegnung
Vergangen
Verzicht
Nena
Götter und Dämonen
Wach auf
Unter dem Dome
Endgültig
Entscheidungen
Abrechnung
Himmel
Epilog
Fußnoten
Die schwere Eichentür von Victors Domizil fällt ins Schloss. Selena Marais tritt an das Panoramafester und hält einen Moment inne. Sie fühlt sich jämmerlich, hasst sich dafür, dass sie seinen Auftrag annehmen muss, weil ihr keine andere Wahl bleibt. Nur Victor hasst sie mehr.
Üblicherweise sagt der Führer des Sicherheitsrates, wenn er ihre Dienste in Anspruch nimmt: neutralisieren. Diesmal lautet die Anweisung: „eliminieren“. Selena weiß, dass sie einen Menschen mit Hilfe ihrer Kräfte töten kann. Mit Schrecken erinnert sie sich an den Tag, an dem dieser Umstand beinahe eingetreten wäre. Nur ein Zufall bewahrte sie davor diese Schuld auf sich zu laden. Nun verlangt Victor, dass sie einem Menschen das Leben nehmen soll, ohne zu wissen warum.
Alles in Selena sträubt sich gegen diesen Befehl. Ihr Vater Sandor schärfte ihre ein die Gabe, wie er es nannte, zum Guten einzusetzen. Menschen von ihren Leiden zu heilen. Wenn Selena die Regeln zu recht biegt, kann sie sich einreden, Menschen zu heilen, indem sie sie vergessen lässt und so vor einem qualvollen Tod bewahrt.
Bis heute reichte Victor dieser Dienst. Was hat Gavin Harris verbrochen, dass der Lordprotektor ihn tot sehen will? Allein darüber nachzudenken kann Strafe nach sich ziehen, aber Selena will keiner dieser abgestumpften Soldaten sein, die Victor sonst herumkommandiert und vor Angst erzittern, wenn sie seinen Namen hören. Sie denkt, was sie für richtig hält. Selena muss sich diese Autonomie bewahren, um sich einen winzigen Rest von Würde zu erhalten.
Die Machtzentrale von Inessa liegt in der gläsernen Kuppel des Dome. In die heilige Halle erlangt man nur auf Victors ausdrückliche Einladung Zutritt. Es herrscht eine beinahe sakrale Stille. Versonnen betrachtet Selena die silberglänzenden Wolkenkratzer, deren Fenster das Licht der Morgensonne tausendfach wiederspiegeln. Ihr erhabener Standpunkt gewährt ihr einen fantastischen Ausblick über die einzige Stadt des neuen Reiches. Sie ist so gigantisch, dass Selena das Ende und den Anfang mit bloßem Auge nicht ausmachen kann. Der große Krieg dauerte lange und machte alles zunichte. Inessa ist der Schmelztiegel, in den sich die Überlebenden flüchteten und Victor ist der unumschränkte Herrscher im Elfenbeinturm. Um diesen Zustand beizubehalten ist er bereit alles zu tun.
Erschöpft lehnt Selena ihre Stirn gegen das kühle Glas und schließt für einen Moment die Augen. Die glatten Fassaden sollen die Menschen darüber hinwegtäuschen, dass Wohlstand und Frieden ohne Anstrengung nicht zu bekommen sind. Die Opfer sieht niemand, der nicht hinsehen will. Das wollen die Wenigsten. Und die, die es tun, bezahlen ihre Erkenntnis mit Vergessen oder dem Leben. Der größte Teil der Bürger von Inessa lebt in sterilen Wohnsilos, deren Anblick sich zusehends schäbiger gestaltet, je weiter man sich vom Kern der Stadt entfernt. Sie verrichten monotone Arbeit und lassen sich vom System versorgen, ohne zu fragen, ob es außerhalb von Inessa mehr gibt, als Brot und Spiele. Victor hält sie in einem leeren geistlosen Zustand.
Zu Beginn, so erzählte Professor Marais seiner Tochter, löschte Victor jeden aus, der sich einen Fehltritt erlaubte, mochte er noch so unbedeutend sein. Herrsche durch Furcht. Einer der Leitsprüche des Tandark Clans, wie Victor sie auslegt. Inzwischen sind die Leute konditioniert. Sie fügen sich. Victors Vollstrecker verkommen zu einer trägen Truppe, bessere Hauswarte einer drögen Stadt. In einigen schlummert ein Andenken an frühere Tage, in denen die Menschen vor Furcht erzitterten, wenn man sie nur erwähnte. Ab und an lodert eine Flamme der Brutalität in ihnen auf und richtet sich gegen Unbeteiligte, die das Pech haben sich in ihrem Dunstkreis zu befinden.
Mit Schrecken erinnert sich Selena an den letzten erbarmungslosen Übergriff einer Einheit Miloten. Sie ließen ihre Aggressionen an einen Arbeitstrupp aus, der ihrer Meinung nach nicht schnell genug arbeitete. Auf Victors Befehl hin, musste Selena sich darum kümmern, den Schaden zu begrenzen. Sie heilte die Überlebenden. Dafür ging sie an ihre Grenze. Es dauerte zwei Tage, bis sie sich von den körperlichen Strapazen erholte. Ob ihre Seele von den vielen Wunden je genesen wird, ist fraglich.
Selena hat keine Angst vor den Miloten. Die im Dome Dienst tun, fürchten sie. Sie kennen ihre Gabe. Victors Schlächter haben Angst vor einer Heilerin, die ihre Kräfte gebraucht im Namen des Lordprotektors Menschen zu manipulieren. Selena weiß, dass es keine Hoffnung auf eine Änderung der Strukturen gibt, so lange Victor lebt. Das liegt nicht in den Charaktermerkmalen seines Clans. Die Tandarks wurden als Krieger geschaffen.
„Eines Tages“, seufzt Selena. Ihr Atem hinterlässt einen blinden Fleck auf der Scheibe.
Ihr Vater glaubte fest daran, dass es in Zukunft möglich sein würde außerhalb von Inessa zu überleben. Er versuchte diesem System aus Täuschung und Lüge etwas entgegen zusetzen. Es kostete ihn das Leben und verflocht Selena in Victors Fangnetze. Tausendmal suchte sie nach einem Ausweg und scheiterte.
Sie darf ihren Bruder Alain, den Victor gefangen hält, nicht im Stich lassen. Sie sind die letzten Überlebenden des Soleas Clans. Das Erbe muss weiter getragen werden. Ein Ruck geht durch Selenas schlanken Körper. Sie richtet sich auf, strafft die Schultern und atmet tief durch. Wenn sie Gavin Harris bis zum nächsten Sonnenaufgang unschädlich macht, darf sie Alain endlich wiedersehen. Victor hat es ihr versprochen. Wenn nicht – daran wagt Selena nicht zu denken.
Sie geht den langen lichtdurchfluteten Flur entlang und drückt auf den Knopf des Fahrstuhls. Ein leises Summen erklingt zum Zeichen, dass er sich in Bewegung setzt.
Selena verhielt sich in den letzten Monaten so kooperativ wie möglich. Sie hofft, das Privileg des Besuchs nutzen zu können, mit Alain zu fliehen. Es gibt einen Ort, von dem ihr Vater erzählte. Außerhalb. Dorthin müssen sie es schaffen. Selena akzeptiert, dass es keinen anderen Weg gibt. Gavin Harris Leben für das ihres Bruders. Licht und Finsternis liegen dicht nebeneinander. Diese trennt nur eine Haaresbreite.
Victor schließt die Augen. Er atmet tief durch. Saugt den letzten Rest von Selenas Duft auf. Seine Hände sind zu Fäusten geballt. Ihre Anwesenheit verlangt Victor ungeheure Selbstbeherrschung ab. Er verabscheut sie. Selena verkörpert alles, was er nicht ist und ein Leben lang verachtete. Wie alle Frauen des Soleas Clans ist sie intuitiv, mitfühlend, hingebungsvoll und anmutig. Und doch übt Selena eine obsessive Faszination auf Victor aus. Die Gier sie zu besitzen ist ein quälender Stachel in seinem Fleisch.
Victor geht auf eine perfekt getarnte Tür zu. Nahtlos fügt sie sich in die dunkle Wandverkleidung ein. Sacht drückt er auf eine kleine Vertiefung neben der Tür. Lautlos schwingt sie auf. Victor betritt den dahinter liegenden Raum. Es herrscht Dunkelheit und Stille. Seine Nervosität legt sich in der reizfreien Umgebung. Die langen Jahre des Krieges haben seinen Feuergeist mit Hass und Grausamkeit aufgeladen und machen ihn zu einem Gefangenen seiner selbst.
Tatsächlich nehmen Victors Sinne die Umgebung ungleich schärfer wahr und sind leistungsfähiger, als die normaler Menschen. Er kann an einem Rascheln erkennen, was in der nächsten Sekunde passiert. Geräusche, Gerüche und Farben empfindet Victor mit einer beinahe schmerzhaften Intensität. Ein Vorteil im Kampf, ein Nachteil im Alltag. Er hasst Menschenansammlungen, Licht und Lärm. Deswegen ist die Inneneinrichtung seiner Räume in gedeckten Farben der Braunpalette gehalten, die Fenster mit einer besonderen Beschichtung gegen die Sonneneinstrahlung versehen und der ganze Bereich hat eine Schalldämmung.
Der Lordprotektor lebt in einem Vakuum, damit beschäftigt seine Emotionen und seine Stadt zu kontrollieren.
Langsam beruhigt sich Victors aufgepeitschter Herzschlag. Einmal mehr verflucht er den Umstand Selena nicht einfach nehmen zu können. Victor braucht sie, um sich endgültig der Bastarde seines Bruders zu entledigen. Aus einem mysteriösen Grund üben die Soleas Frauen eine geradezu hypnotische Wirkung auf die Männer des Tandark Clans aus.
Gavin und Lance werden kommen. Selena wird sie zu ihm führen. Er muss sie nur noch töten. Langsam und qualvoll. Die erhebende Vorstellung der endgültigen Ausrottung der minderwertigen Nachkommen Alexanders aus der entehrenden Verbindung mit dem Soleas Clan lässt ein grausames Lächeln um Victors volle Lippen spielen. Am Ende wird Selena ihm gehören und sie werden hilflos mit ansehen müssen, wie er Selena zu seiner Hure macht. Ihr Körper wird seine Belohnung sein.
In dem versteckten Raum stehen zehn mannshohe Behälter, in denen ein sanftes Leuchten glüht. Victor geht von einem zum anderen. Betrachtet den Inhalt. Zehn muskelgestählte Körper schweben in zähflüssiger Nährlösung. Sie tragen Atemmasken. Ihre Augen sind geschlossen. Euphorie durchströmt ihn. Wie früher, wenn er kurz vor einer Schlacht stand. Es zählt nur der Sieg. Adrenalin fließt wie Feuer durch Victors Adern und lädt seine Kräfte auf.
Er bleibt vor dem letzten Behälter stehen. Professor Marais leistete die Vorarbeit für die verbesserten Krieger. Mit seiner Hilfe wäre es schneller vonstatten gegangen. Bedauerlicherweise stellte sich der Professor gegen den Lordprotektor, als er erkannte, zu welchem Zweck seine Forschung dienen sollte. Vor seinem Tod vernichtete er den Großteil der Forschungsunterlagen. Es dauerte Jahre, bis die stümperhaften Quacksalber, die den Krieg und Victors Säuberung überlebten, Professor Marais Forschung beenden konnten.
Der größte Teil der Wissenschaftler, die Victors Reinigungsaktion zum Opfer fielen, bestand aus Angehörigen des Soleas Clans. Die verbliebenen Forscher bestanden aus Ausschussware. Ihnen fehlte das gewisse Etwas. Dazu kam der Umstand, dass nicht jeder menschliche Körper die Tortur der „Optimierung“ aushalten konnte. Viele Versuchsobjekte gingen qualvoll zugrunde. Für Victor ein entbehrliches Opfer mehr. Krieg ist Krieg und rechtfertigt die Mittel, die zum Sieg nötig sind.
Das Werk ist endlich abgeschlossen. Die Krieger einsatzbereit. Seelenlose Tötungsmaschinen, die nur einem Meister gehorchen und nicht durch irgendwelche Gedankenzauberei manipuliert werden können. Es wird Zeit ihre Tauglichkeit zu testen.
Idris beobachtet Selena heimlich in den Spiegeln, mit denen der Aufzug ausgestattet ist. Ihre melodiöse Stimme regt seine Fantasie an, wenn sie ihn freundlich grüßt und die Nummer des Stockwerks nennt. Sie will immer in dieselbe Etage, wenn sie den Dome aufsucht, zum Lordprotektor. Trotzdem wartet Idris jedes Mal, dass Selena es ausspricht. Nur um ihre Stimme zu hören. Dann lächelt sie ihm zu, als wüsste sie von seinen Gedanken und sein Herz zittert für einen köstlichen Moment.
Im Dome haben Frauen keinen Zutritt, die ihn bekommen, erregen Aufmerksamkeit. Selena gehört zu den persönlichen Mitarbeitern des Lordprotektors. Sie ist schlank und doch befinden sich ihre Rundungen an den dafür vorgesehenen Stellen. Ihren biegsamen Körper versteckt sie in einem hochgeschlossenen schwarzen Leinenkimono mit passender Hose. Idris wundert sich, dass ihre Kleidung keines der Embleme aufweist, wie es unter den Gefolgsleuten des Lordprotektors üblich ist. Zum wiederholten Mal fragt er sich, welche Dienste sie leistet. Fasziniert starrt Idris auf ihre langen blonden Haare, die in einen strengen Zopf eingeflochten sind.
Die Frauen von Inessa tragen ihre Haare sehr kurz. Dies soll ihre Gleichstellung mit den Männern signalisieren, ebenso die schmucklosen Uniformen. Nur ganz bestimmte Frauen haben lange Haare und kleiden sich in besondere Gewänder. Über diese Frauen muss Idris Stillschweigen bewahren, wenn er sie mit dem Aufzug in die obere Etage des Dome bringt. Er bewundert ihre Schönheit. Der unbändige Wunsch eine dieser Frauen in den Armen zu halten, sich dem Zauber ihrer Haare, ihrer Haut und ihres süßen Duftes hinzugeben, brennt in seinen Adern.
Selena ist keine von diesen besonderen Frauen, doch zu den Frauen von Inessa gehört sie ebenfalls nicht. Ihre geschmeidigen Bewegungen, der aufmerksame Blick, das Leuchten ihrer grünen Augen, der sanfte Ton ihrer Stimme, wenn sie ihn grüßt. Das muss die Seele sein, von der seine Großmutter Nena immer spricht. Idris bemerkt viele Dinge, aber er verliert kein Wort über seine Beobachtungen. Er stiehlt mit den Augen, wie Nena ihn ermunterte, seit er ein kleiner Junge war.
Noch lange, nachdem Selena den Lift verlassen hat, sieht er ihr Bild im Geist. In seinen Träumen löst sie den Zopf nur für ihn und eine Kaskade aus goldenen Haaren wirft ihren Glanz von den Spiegeln zurück, was ihn mit unbändiger Freude erfüllt.
Selena lächelt. Der Junge im Aufzug beobachtet sie immer sehr genau. Er ist eine der wenigen Personen im Dome, die Selena mit Namen kennt. Das mag daran liegen, dass er nicht wie die anderen Miloten stumpf seinen Dienst versieht und an einem gewissen Gleichklang ihrer Gedanken. Selena ist oft versucht mit Idris zu sprechen, aber im Dome gibt es überall Kameras und Mikrofone. Selena schweigt, um ihn nicht in Gefahr zu bringen.
Dass Idris keine „reinen“ Gedanken hegt, wie sie von den Ausbildern Inessas propagiert werden, weiß Selena. Einmal beobachtete sie aus Neugier seine Gedanken. Ihr Vater hätte sie getadelt. - Es gehört sich nicht, heimlich in einen anderen Menschen hinein zu sehen - hörte sie ihn sagen. Gedanken sollen frei sein, denkt sie. Ein flaues Gefühl breitet sich in ihr aus. Dafür gab ihr Vater sein Leben.
Selena erreicht die Sicherheitsschleuse und schreitet gleichmütig hindurch. Sie muss nichts verbergen. Ihre Kraft liegt in ihrem Inneren. Dafür gibt es keine Scanner. Der zuständige Beamte blickt kurz auf, nickt ihr zu und beugt sich wieder über seine Formulare.
Sie verlässt den Bereich der Aufzugschächte. Der weiße Marmorboden blendet sie. Er erstrahlt im Licht der Morgensonne, die durch die Fensterfront fällt und den Dome wie eine gläserne Glocke umschließt. Selena kneift die Augen zusammen, tastet nach ihren Sonnengläsern und setzt sie auf. Geistesabwesend durchquert sie die Eingangshalle.
Idris ist harmlos. Ein Träumer, den seine Fantasie vor der Leere bewahrt. Im Gegensatz zu den Gedankenkonstrukten, die Victor als die reinste Form der Wahrheit festschreibt. Bei ihm nehmen die Gedanken eine andere Form an. Das hat nichts mit Romantik zu tun, wie bei dem verliebten Jungen. Im Gegenteil. Seine Gedanken sind finsterer, als es die Nacht je sein könnte. Durchtränkt mit Bosheit und Gewalt.
Victors Anspielungen und Zweideutigkeiten ignoriert sie geschickt. Bei ihren Begegnungen herrscht eine gefährliche Spannung zwischen ihnen und es läuft ihr eiskalt den Rücken herunter. Davon abgesehen, dass er das Urteil über ihren Vater verhängt hat, umgibt ihn eine schwarze Aura aus Brutalität. Es kommt aus seinem Geist und Herzen. Selena vermutet, dass es ein schreckliches Erbe seines Clans ist.
Der Tandark Clan wurde von der nördlichen Allianz für den Krieg geschaffen, wie die Angehörigen ihres Clans zur Heilung. Nachdem Krieg versuchte die siegreiche Allianz die überflüssig gewordenen Tandarks auszuschalten. Aber ihre Geschöpfe wendeten sich gegen sie und rissen die Herrschaft über die Überlebenden an sich.
Die Treffen mit Victor sind eine Zumutung für Selena. Seine Bosheit empfindet sie als körperlichen Schmerz. Was er von ihr will, weiß sie genau. Es kostet Selenas große Selbstbeherrschung nicht sofort die Flucht zu ergreifen. Sie versucht diese Unterredungen so schnell wie möglich zu beenden. Victors Nähe ist ihr unerträglich.
Selena hat beinahe den Ausgang erreicht, als der diensthabende Sicherheitsbeamte am Empfang sie zurückruft.
„Legat Selena! Einen Moment.“
Sie bleibt stehen und geht zum Empfangstresen. Dieser ist mit einem Arsenal von Bildschirmen bestückt, die Einblicke in fast jeden Winkel des Dome gestatten. Der Mann begafft sie von oben bis unten. Sein sezierender Blick ist Selena unangenehm. Ihr Rang würde ihr erlauben den Milo zu rügen, aber sie will keinen unnötigen Ärger. Um ihre Abneigung zu verbergen, ringt sich Selena ein Lächeln ab.
„Der Lordprotektor lässt sagen, du hast die Dokumente in seinem Büro vergessen“, er grinst breit.
Selena ahnt, in welche Richtung seine Gedanken gehen. Was für ein Ekel, denkt sie.
„Ich habe sie nicht vergessen. Alles, was ich wissen muss, ist mir bekannt“, sagt Selena ungeduldig und tippt sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
Obwohl diese Informationen nicht vollständig sind, überlegt Selena. Es gibt nur ein Bild von Gavin, ein paar Orte, an denen er sich aufhalten könnte, mehr nicht. Sehr dürftig und im Grunde nicht hilfreich. Das sieht Victor nicht ähnlich, der normalerweise alles über seine Opfer in Erfahrung bringt.