Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe - Samuel Widmer - E-Book

Ins Herz der Dinge lauschen - Vom Erwachen der Liebe E-Book

Samuel Widmer

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Beschreibung

Das vorliegende Buch berichtet über die Erfahrungen der psycholytischen Therapie. Das Thema ist hochaktuell und eröffnet in der Psychotherapie neue Perspektiven. Samuel Widmer verfügt in seiner eigenen therapeutischen Praxis wohl über die europaweit reichste Erfahrung mit dem Einsatz bestimmter Drogen in der Psychotherapie. Dieses Buch ist ein Meilenstein in der Entwicklung einer Psychotherapie, die ohne falsche Scheuklappen alle Möglichkeiten nutzt, den Menschen auf ihrem Weg zu ihrem innersten Selbst zu helfen. Ein Buch für Herz und Kopf. Das einzige Buch, das den Umgang mit psychoaktiven Substanzen in der Psychotherapie auf eindrückliche Art aufzeigt. Das Thema ist hochaktuell und eröffnet in der Psychotherapie neue Perspektiven!

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Samuel Widmer

Ins Herzder Dinge lauschen

Vom Erwachender Liebe

© 1989 Samuel Widmer, Solothurn© der deutschen Ausgabe 1989 Nachtschatten Verlag,CH-4502 [email protected]

7. neu überarbeitete Auflage 2013Nachdruck, auch auszugsweise, nur mitschriftlicher Genehmigung des Verlages.

Layout & DTP: Kurt Marti, CH-2575 GerolfingenISBN 978-3-907080-03-3eISBN 978-3-037885-28-4

Ins Herzder Dinge lauschen

Vom Erwachen der Liebe

Über MDMA und LSD:Die unerwünschte Psychotherapie

7. neu überarbeitete Auflage

Ich widme dieses Buch den Frauen in meinem Leben, vorab Vreni und Maya, mit denen ich die Vorbehaltlosigkeit in der Liebe lernte, aber auch meiner Mutter, die mich wohl ein wenig zum Schreiben delegierte, weil sie selbst zu wenig Gelegenheit dazu hatte, und ausserdem allen anderen, die mir Geliebte und Lehrmeisterinnen waren, die mich getragen haben und sich von mir tragen liessen.

LIEBE IST

LIEBE ISTDARUM IST SIE DA UND JETZTLIEBE IST LAUSCHENINS HERZ DER DINGE

LIEBE SIEHTLIEBE NIMMT WAHRLIEBE IST STILLE UND BEWEGUNGIN DER EINHEIT VON JETZT, DA UND DU

LIEBE IST FREIDARUM LÄSST SIE FREILIEBE GEHT EINSAME WEGESIE BINDET NICHT, SIE GENIESST DIE SCHÖNHEIT

LIEBE WEISSLIEBE IST KLARLIEBE IST DAS, WAS IST, WILL DAS, WAS ISTBEWEGT DAS, WAS IST, GEHT MIT ALLEM LEBEN

LIEBE IST GANZHEITDARUM HEILT SIELIEBE IST STIMMIGKEIT UND EHRLICHKEITZWISCHEN DEINEM UND MEINEM HERZ

LIEBE LERNTLIEBE IST LICHTLIEBE BEGREIFT, ABER ERGREIFT NICHTIST ERGRIFFEN, OHNE ZU BEGREIFEN

LIEBE IST STARKDARUM ERGIBT SIE SICHLIEBE LÄSST DEN ANDERN GEWINNENSIE GIBT SICH HIN UND VERSETZT DAMIT BERGE

LIEBE IST

INHALT

 

Zur zweiten Auflage

 

Einleitung zur 1. Auflage

I. TEIL

DIE UNERWÜNSCHTE PSYCHOTHERAPIE

1. Kapitel

Anstelle eines Vorwortes

2. Kapitel

Die erste und die letzte Frage

 

Was willst du wirklich?

 

Von der Beschränkung auf die Norm

3. Kapitel

Die Wächter am Eingang: Angst und Trotz

 

Gefangen in der Anpassung

 

Zur psychologischen Entwicklung des Menschen

 

Die Angst, ein Aussenseiter zu sein

 

Die Auferstehung des Trotzes

4. Kapitel

Die Verwirrung der Gefühle

 

Von der Verwirrung zur Klarheit

 

Vo den unterdrückenden Gefühlen

 

Im Labyrinth

 

Von der Sucht

 

Was ist gesund, und was ist krank?

 

Von der Depression

 

Über die Neurose

 

Noch mehr Gefühle

5. Kapitel

Das Tor zum Selbst: Von Tod und Wiedergeburt

 

Was uns der Wahnsinn lehren will

 

Entwicklung in Sprüngen oder von Moment zu Moment

 

Ein transpersonales Erlebnis

 

Die unterdrückten Gefühle

 

Von Geburt und Tod

 

Die Eingänge im Einzelnen

II. TEIL

JENSEITS DER DUALITÄT:VOM ERWACHEN DER LIEBE

1. Kapitel

Von der Macht

2. Kapitel

Von der Faszination des Unbewussten

3. Kapitel

Über Beziehung und Sexualität

4. Kapitel

Von der Liebe

5. Kapitel

Denken und Konzeptlosigkeit

6. Kapitel

Vom Abschiednehmen

III. TEIL

WAS IST PSYCHOLYTISCHE PSYCHOTHERAPIE?

1. Kapitel

Von den Sakramenten: Wirkungsweise der psycholytischen Substanzen

 

Die Empathogene vom Typ des MDMA

 

Die Psychedelika vom Typ des LSD

2. Kapitel

Set und Setting: Von den Ritualen

 

Die Vorbereitungsphase

 

Die psycholytische Sitzung

 

Die Nacharbeit

3. Kapitel

Der Therapeut und seine Wirkung

4. Kapitel

Der Stellenwert der Körperarbeit

5. Kapitel

Der Einsatz von Musik

6. Kapitel

Zwischenfälle, Kontraindikationen, Indikationen,Verlauf und andere als therapeutische Verwendungen

 

Kontraindikationen

 

Indikationen

 

Zwischenfälle und Nebenwirkungen

 

Andere als therapeutische Verwendungen

 

Danksagungungen und Literaturangaben

Vorwort zur 7. Auflage

Wenn ich heute wiederlese, was ich cirka 1987 geschrieben habe, kann ich den schon damals steinalten Albert Hofmann verstehen, der sich schwertat, ein Vorwort dafür zu verfassen. Als ich ihn vor nahezu einem Vierteljahrhundert auf der Rittimatte mit meiner noch kleinen Familie besuchte, war er zwar ganz angetan von der Idee eines Lehrbuchs für Psycholytische Psychotherapie, und dass er sich für mein Werk verwenden wollte, schien an diesem ersten, äusserst berührenden Nachmittag, den wir zusammen verbrachten, keine Frage.

Damals war mir noch gar nicht richtig bewusst, wie radikal ich in meinem Denken daherkam und wie revolutionär und umstürzlerisch meine Vorwürfe gegenüber Behörden und staatlichen Strukturen auf den immer freundlichen und versöhnlichen älteren Herrn wirken mussten. Zwar litt er darunter, sein Wort, das er mir praktisch schon gegeben hatte, wieder zurückziehen zu müssen, aber sich mit einem Heisssporn wie mir in dieser Weise zu verbinden, wäre ihm bestimmt zu viel geworden.

Inzwischen sieht bald jeder, dass das Alte ausgedient hat und sich unbedingt weltweit und auf allen Ebenen des Seins ein anderer Geist durchsetzen muss, der alles Hergebrachte erneuern wird. Heute liegt die Welt in Agonie, und immer mehr Menschen warten und hoffen auf eine Revolution der Liebe, die doch endlich um sich greifen sollte. Dieser Umsturz wird zwar ein sanfter, aber nichtsdestotrotz ein radikaler sein, der alle Lebensbereiche von uns Menschen erfassen muss. Die alten Strukturen bäumen sich allerdings immer noch mächtig auf und wehren sich dagegen, endlich unterzugehen und Platz zu machen. Eine schwierige Zeit hat uns nochmals als dunkelste Stunde heimgesucht, bevor dann irgendwann vielleicht ein neuer Morgen anbrechen kann.

Deshalb fällt es mir selber nicht schwer, auch heute, beim Überarbeiten des Buches für die nunmehr 7. Auflage, voll und ganz zu allen Aussagen dieses meines Erstlings zu stehen. Mehr denn je ist radikale Ehrlichkeit im Umgang mit sich selbst und miteinander gefordert, wenn wir eine neue Zeit erblühen lassen wollen.

Diese Radikalität hat mir allerdings viel Gegenwind beschert, wie es im Vorwort zur 2. Auflage vom Herbst 1993 bereits spürbar wurde. Hätte ich vorausgesehen, wie breit mein Rücken werden muss, um damit fertig zu werden, wäre ich vielleicht auch kleinlauter geblieben.

Aber im Gegenteil konnte ich es nicht lassen, in den letzten 25 Jahren und in den mehr als 30 Büchern, die ich in dieser Zeit publizierte, noch viel deutlicher und exakter zu werden und darauf zu bestehen, alle Tabus, die echte Selbsterkenntnis und damit einen Durchbruch von Wahrhaftigkeit in der Welt verhindern, gründlich anzugehen. Auch wenn mir zeitweise eine herbe Brise entgegenblies, hat sich diese Haltung tatsächlich gelohnt. Viel Schönes und Unglaubliches konnte wachsen in meinem Leben und um mich herum, was sonst nicht möglich gewesen wäre.

Es trifft sich daher auch ideal und stimmig, dass mit dieser 7. Auflage meines Erstlingswerkes, das sich neu überarbeitet und in einem neuen Kleid präsentiert, gleichzeitig drei andere Bücher, welche die vor drei Jahrzehnten begonnene Arbeit abrunden, erscheinen werden.*) Es handelt sich dabei um zwei weitere Lehrbücher, eines über Echte Psychotherapie, das andere über Gemeinschaft und Gemeinschaftsbildung sowie eine biographisches Werk über die Geschichte der Psycholyse in der Schweiz und in Europa nach 1970, wie ich sie erlebt habe. Mit ihnen und mit der neugegründeten psychotherapeutischen Fachgesellschaft Avanti (Internationale Ärztegesellschaft für Alternative Psychiatrie und Echte Psychotherapie), die dahinter steht, treten wir mit der Absicht an die Öffentlichkeit, die Psychotherapie zu reformieren und mit dem Geist der Liebe (wieder) zu beseelen.

Bei der Überarbeitung des vorliegenden Textes ging es weit gehend darum, diesen den Regeln des neuen Dudens anzupassen und die eine oder andere Rechtsschreibekorrektur beziehungsweise Aktualisierung anzubringen. Natürlich hat sich mein Verständnis des in diesem Buch beschriebenen Weges nach innen durch die verschiedenen Schichten der Persönlichkeit hindurch in den Jahren seit der ersten Drucklegung vertieft und erweitert. Davon zeugen meine seither aufgelegten Schriften. Auch bezüglich des Gebrauchs der Sprache wird man im Verlaufe eines langen Lebens vielleicht noch geschliffener.

Aber grundsätzlich fasst dieses erste Buch noch immer vollumfänglich den Weg der Selberkenntnis zusammen, wie ich ihn verstanden habe. Als Einstieg, um zu entdecken, wer wir in der Tiefe sind, erlebe ich es immer noch als Schlüsselwerk. Es freut mich daher auch, dass es sich über die Jahre hinweg zu einem Longseller entwickelt hat, der auch weiterhin ernsthafte Sucher wird zu beflügeln vermögen.

Nennigkofen, 2013

Samuel Widmer Nicolet

*)Beachte im Verzeichnis am Ende des Buches die drei Bände: „Echte Psychotherapie”, „Zusammen leben” und „Bis dass der Tod uns scheidet”; alle Editions Heuwinkel; 2013

Zur zweiten Auflage

Sie ist fällig geworden: Die erste ist vergriffen, das Buch hat seine Leserinnen und Leser gefunden. Diesen Vorgang, der sich nicht durch Werbung und Buchbesprechungen, sondern durch Mund-zuMund-Propaganda auf der Beziehungsebene vollzog, anhand der mir zuflatternden Leserbriefe zu verfolgen, war ein interessanter Prozess. Viele Kontakte sind dadurch entstanden, viele Berührungen möglich geworden. Mein Leben hat sich enorm verändert, ist ein öffentliches geworden. Dies hat aber auch viele Nachteile, hat Stress in mein Leben gebracht, auch Neid und Missgunst. Verleumdungsgeschichten hat es ausgelöst, und andere Intrigen haben sich darum herum gerankt. Einmal mehr waren schwierige Gefühle durchzustehen. Das Buch half mir, in mir selbst zu vollenden, wovon ich darin geschrieben habe. Die Einsamkeit ist über das Thema des Verrats noch einmal ganz nahe gekommen und konnte ausgetragen werden.

Ich bin nüchterner geworden seit ich dieses Buch geschrieben habe – noch nüchterner. Viele Hoffnungen sind zusammengebrochen in den letzten drei Jahren, sowohl die grossen in der Welt wie die kleinen in meinem persönlichen Leben. Aber gerade diese Nüchternheit diese Illusionslosigkeit halfen mir, noch tiefer in das Geheimnis des Lebens einzudringen. Darum bin ich auch gewachsen in diesen Jahren. Das, was jenseits der Einsamkeit liegt, das, was nach dem Ende des Tunnels kommt, zeigt und entfaltet sich zunehmend in meinem Alltag.

Trotzdem gibt es nichts zu ändern an diesem Buch, nichts hinzuzufügen. Es ist vollständig, so wie es ist. Was wahr ist, bleibt auch wahr, wenn wir noch mehr von der Wahrheit erkennen können. Das Bild wird nur deutlicher, aber es ist dasselbe Bild. In der Zwischenzeit habe ich ein zweites Buch herausgebracht und arbeite an einem dritten *). Darin versuche ich, mehr zu vermitteln vom Geheimnis, das sich mir zunehmend offenbart.

Auch was die Akzeptanz der psycholytischen Psychotherapie anbelangt, hat sich wenig verändert. Das BAG (Eidgenössisches Bundesamt für Gesundheitswesen) hat uns zwar eine beschränkte Bewilligung, mit den verbotenen Substanzen MDMA und LSD zu arbeiten, erteilt. Durch viele Wirrnisse hindurch konnten wir sie bisher auch halten. Aber die grundsätzliche Einstellung in den Köpfen und Herzen der Menschen – insbesondere bei Politikern und Behördemitgliedern – hat sich nur wenig verändert. Hinhaltetaktik, falsche Versprechungen und irrationale Diskussionen um Sorgfaltspflicht und Wissenschaftlichkeit bestimmen unsere Auseinandersetzungen. Falschheit und Dummheit regieren wie eh und je. Es sind zwar grundsätzliche Anzeichen eines Wandels zu erkennen; aber die Zeit scheint noch nicht reif dafür. Wie wir es überall auf der Welt erkennen können, versuchen wir, den Frieden nach wie vor mit Kampf und Krieg zu erreichen. Und obwohl wir bald alles, was das Leben lebenswert macht, verloren haben, passen wir uns weiterhin ängstlich an den Unsinn, welcher unser überdrehtes, überdimensioniertes Eigeninteresse geschaffen hat, an. Unser Leben wird von unserem Wahnsinn bestimmt. Die Sinn- und Hoffnungslosigkeit hat offenbar den Tiefpunkt in uns noch nicht erreicht, von dem aus eine Umkehr, ein Sichergeben, eine Öffnung für die Anliegen des Ganzen möglich werden.

Äusserlich kommt diese zweite Auflage etwas selbstbewusster daher als ihre Vorgängerin: Grossformatige Farbbilder nehmen einige der in Worte gefassten Gedanken auf – “ein Bild sagt mehr als tausend Worte”, sagte der Verleger, “manchmal…”, und versuchte zugleich, durch die typographische Neugestaltung den Leserinnen und Lesern den Einstieg in die vielschichtigen Themenkreise zu erleichtern. Und dass die zweite Auflage eine Hard-Cover Edition werde, sei nicht mehr als recht, meinte er. Honny soit qui mal y pense!

Mein Dank gilt den Leserinnen und Lesern, die mir in vielen Briefen sichtbar gemacht haben, dass es sich lohnt, seine Einsichten auszudrücken, dass man in all der Sinnlosigkeit, in all der Verwirrung und Gewalt, in der wir leben, doch immer wieder die Herzen Einzelner erreichen kann. Dass es wichtig ist dranzubleiben, trotz allem, dass es richtig ist, nicht aufzugeben. Die neue Zeit hat noch nicht wirklich begonnen. Wir sind noch nicht reif dafür. Aber der Durchbruch wird kommen. Es braucht Geduld, viel Geduld. Und Geduld ist die Essenz der Liebe.

Frühling 2013

Samuel Widmer

*)Von der unerlösten Liebe zwischen Vater und Tochter und Stell Dir vor, Du wärst ein Stück Natur! Von der Lust am Verbotenen (Editions Heuwinkel, 1994).

Im Irrgarten der Lust (Editions Heuwinkel, 1992).

EINLEITUNG ZUR 1. AUFLAGE

Das Thema Drogen verliert im Moment einiges von seinem Tabu-Charakter. Die bisherige Politik gegen das Drogenproblem wird in Frage gestellt; neue, unkonventionelle Lösungsansätze werden diskutiert. Damit ergibt sich Raum für die Frage, ob unter bestimmten Umständen bestimmte dieser Stoffe nicht sogar positive Auswirkungen haben könnten. Eines der denkbaren Einsatzgebiete ist die Psychotherapie.

Die Erforschung der Frage, ob sich mit Hilfe bestimmter psychoaktiver Stoffe, die mit der Bezeichnung Droge nur unzureichend charakterisiert werden, im Rahmen der Behandlung von Menschen mit psychischen Problemen vertiefende und beschleunigende Effekte erzielen lassen könnten, hat immer wieder hoffnungsfroh stimmende Ergebnisse gebracht. Ganz offensichtlich können bestimmte Drogen in der Hand erfahrener Therapeuten eine positive Wirkung für den seelischen Heilungsprozess entfalten.

Leider haben der Missbrauch von Drogen durch unvorbereitete Konsumenten und die daraus gewachsene öffentliche Hysterie solche hoffnungsvollen Ansätze immer wieder im Keim erstickt. Im Stillen aber hat die Arbeit mit solchen Stoffen in der Psychotherapie nie ganz aufgehört. Immer wieder fanden sich Psychiater und Psychotherapeuten, die es als Teil ihrer Verantwortung betrachteten, in bestimmten Fällen in der Arbeit mit ihren Klienten auch diese machtvollen Mittel zur Selbsterkenntnis einzusetzen. Und diese Arbeit im Stillen hat so viele Früchte getragen, dass mittlerweile auch offizielle Stellen sie für unterstützenswert halten.

In der Tat hat in der Schweiz inzwischen eine Gruppe von Fachärzten die offizielle Genehmigung dafür erhalten, mit einzelnen bewusstseinserweiternden Drogen Psychotherapie zu betreiben. Die bisherigen Erfahrungen legen den Schluss nahe, dass das psychotherapeutische Instrumentarium dadurch eine wertvolle Erweiterung erfahren könnte.

Einer der Initianten dieser Ärztegruppe, der praktizierende Psychiater Samuel Widmer, verfügt in seiner eigenen therapeutischen Praxis wohl mit über die europaweit reichste Erfahrung mit dem Einsatz bestimmter Drogen in der Psychotherapie. In über tausend Sitzungen zeigte sich immer wieder, dass die bewusste Verwendung solcher Stoffe Zugang zu Tiefen der Persönlichkeit der Klienten ermöglichte, die sonst verschlossen geblieben wären. Wenn es also jemanden gibt, der über psycholytische Therapie, so der Fachausdruck für Psychotherapie unter Verwendung bewusstseinserweiternder Stoffe, nicht nur theoretisch, sondern aufgrund einer reichen praktischen Erfahrung berichten kann, dann ist es Samuel Widmer.

Das vorliegende Buch berichtet über die Erfahrungen mit psycholytischer Therapie. Das Thema ist hochaktuell und eröffnet in der Psychotherapie neue Perspektiven, und der Autor ist ein kompetenter Fachmann.

Doch das Buch ist mehr als ein psychotherapeutischer Werkstattbericht. Es stellt nämlich keineswegs die Drogen in den Mittelpunkt, sondern behandelt diese als das, was sie sind – ein Hilfsmittel, nicht mehr und nicht weniger. Hilfe wobei? Auf dem oft schwierigen Pfad der Entdeckung seines eigenen Selbst, des lichten Kerns in jedem von uns, durch den, wann immer wir sie lassen, die kosmische Grundenergie Liebe strömt.

Dieser Pfad mit seinen verschiedenen Stufen ist oft beschrieben worden, doch es gibt wenige derart menschlich packende Beschreibungen wie die von Samuel Widmer. Im vorliegenden Buch wird in einer klaren, psychologisch orientierten Sprache eine Wegbeschreibung geliefert, ein Modell des persönlichen Entwicklungspfads, das nichts beschönigt, aber auch deutlich macht, was uns dabei an Schönem erwartet.

Doch Samuel Widmer bleibt nicht bei der populärwissenschaftlichen Sprache stehen, die seine Gedankenführung auch für Fachleute annehmbar macht. Er illustriert die Beschreibung mit eigenen Erfahrungen, mit Beispielen von Entwicklungsprozessen aus seiner Praxis, mit Gleichnissen und poetischen Stimmungsbildern. Dadurch entsteht ein dichter Text, der Kopf und Herz anspricht, der intellektuell überzeugt, ohne kopflastig zu werden, der Gefühle weckt und Mut macht, ohne in Sentimentalität abzugleiten.

Im Zentrum des Buches steht also der Weg nach innen. Die Perspektive ist therapeutisch, doch Samuel Widmer sagt auch klar, ein Psychotherapeut, der nicht darauf hinarbeite, seinen Beruf überflüssig zu machen, hätte den Beruf verfehlt. Trotzdem ist es natürlich gerade diese Sprache, die seine Botschaft über den inneren Weg über einen engen esoterischen Kreis hinaus verständlich und annehmbar macht.

Die fraglichen Stoffe MDMA und LSD werden, illustriert mit Beispielen aus der Praxis, als Sakramente geschildert, die den Weg zu sich selbst erleichtern können. Samuel Widmer plädiert nicht nur für einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen Stoffen, sondern liefert auch Kriterien dafür.

Wegen seines Doppelcharakters als Beschreibung des Prozesses des Erwachens der Liebe im Kern des eigenen Selbst und als Fachbuch für psycholytische Therapie hat das Buch zwei Hauptzielgruppen:

  –Auf der einen Seite jene, die sich für das Potenzial bewusstseinserweiternder Stoffe im Allgemeinen und für deren Einsatz in der Psychotherapie im Besonderen interessieren.

  –Auf der anderen Seite all jene, deren Hunger nach ansprechenden Beschreibungen des Weges nach innen ungestillt ist. Dazu gehören die vielen, die diesen Weg für sich gehen, aber auch alle interessierten Angehörigen der helfenden Berufe.

Das vorliegende Buch ist ein Meilenstein in der Entwicklung einer Psychotherapie, die ohne falsche Scheuklappen alle Möglichkeiten nutzt, den Menschen auf ihrem Weg zu ihrem innersten Selbst zu helfen. Und es könnte mithelfen, überflüssige Tabus in Sachen Drogen zu beseitigen und damit einen Beitrag zur dringend nötigen Entkrampfung der Drogen-Diskussion zu leisten. Ein Buch für Herz und Kopf.

Andreas Giger

Wenn die Liebe dich ruft, folge ihr, auch wenn ihre Wege hart und steil sind. Und wenn sie mit dir spricht, traue ihr. Auch wenn ihre Stimme deine Träume zerschmettern mag, wie der Nordwind den Garten verwüstet, gib dich ihr hin. Denn so, wie die Liebe dich krönt, so wird sie dich kreuzigen, wie sie deinem Wachstum dient, so wird sie dich auch beschneiden.

Liebe gibt nichts ausser sich selbst und nimmt nichts ausser von sich selbst. Liebe besitzt nicht, noch lässt sie sich besitzen. Denn Liebe genügt sich selbst. Und denke nicht, du könntest der Liebe Lauf lenken; denn die Liebe, so sie dich würdig schätzt, lenkt deinen Lauf. Liebe hat keinen andern Wunsch, als sich zu erfüllen.

Doch wenn du liebst und noch Wünsche haben musst, so lass dies deine Wünsche sein. Zu schmelzen und zu sein wie ein fliessender Bach, der sein Lied der Nacht singt. Den Schmerz von allzu viel Zärtlichkeit zu kennen. Verwundet zu werden von deinem eigenen Verständnis der Liebe.

Kahlil Gibran

I. TEIL

DIE UNERWÜNSCHTE PSYCHOTHERAPIE

1. KAPITEL

ANSTELLE EINES VORWORTES

Soll man, soll ich ein Buch schreiben? Diese Frage hat mich lange beschäftigt, als ich mich bereits dazu gedrängt fühlte und bevor ich dann tatsächlich damit begonnen habe. Alles ist doch schon gesagt worden, speziell zu meinem Thema, der Selbstentdeckung und ihren Wegen! Genützt hat es nichts oder nicht viel, wenn ich die Welt betrachte, und letztlich gibt es dazu ohnehin nichts mitzuteilen, kann es gar nicht ausgedrückt werden. Diese Gedanken trug ich lange in meinem Kopf herum und die entsprechenden Gefühle in meinem Herzen.

Trotzdem habe ich mich schliesslich entschieden, meine Einsichten niederzuschreiben. Zwar habe ich wirklich nichts anzubieten, was nicht schon von anderen übermittelt worden wäre; zuletzt fand ich aber, dass ich das schon Gesagte und das Unsagbare noch einmal auf meine ganz persönliche Weise, in meiner höchst eigenen Sprache beschreiben kann, und dies ist möglicherweise in zweierlei Hinsicht nützlich.

Einmal dient es meiner eigenen persönlichen Weiterentwicklung, ist es für mich selbst von grosser Bedeutung, diesen Schritt zu tun: Öffentlich auszusprechen, was ich auf meinem Weg nach innen gesehen und entdeckt habe, dafür Formulierungen zu finden, das Ringen mit der Sprache aufzunehmen; zweitens wurden eine ganze Reihe von Büchern für mich auf diesem Pfad zu Mosaiksteinchen, die sich allmählich in das Gesamtbild meines sich entfaltenden Bewusstseins einfügten. Die Tatsache, dass immer wieder ein anderer das immer Gleiche in seiner ihm eigenen Art formulierte, liess mich immer wieder einen neuen Aspekt davon begreifen.

So beginne ich denn damit und hoffe, dass es für andere zur Hilfe werden wird.

Ein Traum, den ich hatte, überzeugte mich vollends, mit dem Schreiben des Manuskripts anzufangen:

Ich stand in einem Garten, möglicherweise bei meinem Elternhaus, inmitten eines abgeernteten Herbstbeetes voller vertrockneter Kohlstrünke und schaute zu einem Fenster im ersten Stockwerk hoch. Von dort drang wunderschöne Gitarrenmusik herüber, welche mich fesselte.

In einem nächsten Bild standen die Musiker, es waren vier junge Popmusiker, bei mir im Garten. Einer war eindeutig der Leader und Macher der Gruppe; den anderen sah man an, dass sie auf ihn ausgerichtet, aber ausserordentlich seriöse Mitarbeiter waren. Es herrschte eine liebevolle Stimmung zwischen ihnen, eine gute Arbeitsstimmung, und sie waren sehr stolz darauf, wirklich gute Musik zu machen und zeigten mir ein altmodisches fast schon verstaubtes Ablagesystem, in dem bereits vierzehn LP’s und siebenundzwanzig Singles gespeichert waren. Ich war erstaunt, dass sie noch nichts von ihrer Musik veröffentlicht hatten und auf ich-weiss-nicht-was warteten. Ich machte den Leader darauf aufmerksam, dass diese Musik, auch wenn sie wirklich wertvoll sei und Erfolg haben könnte, in einem späteren Zeitpunkt, vor allem was die Entwicklung der Aufnahme- und der Spieltechnik, aber auch des Sounds betreffe, veraltet und damit bedeutungslos sein werde. Der Leader lachte nur stolz, räumte alles wieder weg und meinte: “Unsere Musik ist von bleibendem Wert.”

In einem letzten Bild war ich in völliger Dunkelheit, wahrscheinlich in einem Zimmer, und hörte einem Gespräch zweier Menschen zu, die sich offenbar im Nebenzimmer befanden. Sie sprachen über jemanden, der unfähig sei, sich auszudrücken, obwohl bei ihm alle Anlagen vorhanden seien. Er hätte etwas zu sagen, auch sein Ausdruck sei nicht blockiert; er müsste sich einfach äussern, aber das tue er eben nicht.

Beginnen wir mit einer Geschichte, einer Grenzgeschichte:

Ich habe gehört, irgendwo, ich weiss nicht in welchem Land, sollen einmal zwei Männer, die sich nicht kannten und die nichts miteinander zu tun hatten, gleichzeitig an die Landesgrenze gekommen sein, die sie überschreiten wollten. Der eine wirkte in jeder Hinsicht gepanzert; schon sein Körper war wohlgenährt, untersetzt, bullig, und darüber trug er eine Menge warmer, gut gefütterter Kleider, die ihn gegen die Kälte schützten. Aber damit nicht genug, er soll auch verschiedene Waffen getragen und vielerlei Gepäck bei sich gehabt haben. Letzteres trug er natürlich nicht selbst. Das wurde von einem Diener getragen, der weiter keine Bedeutung hatte und dem keine Beachtung geschenkt wurde. Die Zöllner, die die Grenze bewachten, waren selbst in Uniformen gekleidet und ebenfalls gut bewaffnet. Sie erkannten diesen ersten Mann bald als ihresgleichen und liessen ihn ohne Schwierigkeiten durch.

Der andere soll von weniger auffälligem Habitus gewesen sein; er hat – so die Geschichte – auch weniger Kleider getragen und soll ausserdem ohne Waffen, ohne Gepäck, mit nichts dahergekommen sein. Auf diese Weise fiel er den Wächtern an der Grenze als äusserst verdächtig auf; sie erkannten ihn nicht als ihresgleichen.

Sie untersuchten und befragten ihn lange und wiesen ihn, da er sich nicht weiter ausweisen konnte, schliesslich in aller Höflichkeit zurück.

Mein Buch handelt, ganz allgemein gesprochen, vom Weg nach innen, von der Selbsterkenntnis, Selbstfindung oder wie du es immer nennen magst. Es handelt von einem der vielen Wege, die man – will man sich selbst kennen lernen – beschreiten kann: Der Psychotherapie. Diese ist in ihren vielen Ausprägungen heute wohl die häufigst gewählte Möglichkeit in der westlichen Welt, um diesem Ziel näher zu kommen.

Die Beschreibung des Wegs nach innen, die ich in diesem Buch gebe, entspricht dem, was ich auf meiner eigenen Reise, bei mir selbst und meinen Klienten bisher gesehen habe. Vieles habe ich direkt gefunden, vieles ist durch die Einsichten anderer inspiriert, die sie mir direkt, in Büchern, Vorträgen etc. vermittelt haben. Was ich bis jetzt erkannt habe, entspricht nicht der ganzen Wahrheit; ich erkenne noch unscharf, werde immer im Wachsen begriffen sein wie jeder andere auch. Meine Sicht entspricht dem, was ein Teil eines Hologramms beinhaltet. Es zeigt zwar das ganze Bild, enthält die ganze Information, aber unscharf, weil eben nur ein Teil des Hologramms abgebildet wird. Meine Sicht ist keine persönliche Sicht; wenn ich schaue oder wenn du schaust, werden wir das Gleiche sehen, wie es das folgende Bild, das ich irgendwo, irgendwann einmal aufgenommen habe, gut ausdrückt. Aber jeder hat seine persönliche Art und Weise, es zu beschreiben; jeder wird es anders benennen, ihm eine andere Form, eine andere Sprache verleihen, und das ist gut so. Denn die Form des Ausdrucks ist nicht das Geschaute und wird gerne mit ihr verwechselt. Deshalb ist es gut, die Beschreibung in immer neuen, anderen Übersetzungen kennen zu lernen, von denen jede etwas für sich hat und von denen doch keine das Ganze je vollends erfasst. Für einen Therapeuten ist es wichtig, viele Sprachen zu beherrschen und jede in die andere übersetzen zu können. Die Wahrheit lässt sich in jeder Sprache ausdrücken. Den einen erreicht man eher “religiös”, den andern “physikalisch”, den dritten “psychologisch”, den vierten “mystisch” und den nächsten “esoterisch” oder “energetisch”, um es so auszudrücken.

Die Abbildung 1 zeigt verschiedene Persönlichkeiten als Gipfel dargestellt. Was über der Horizontalen liegt, entspricht dem Bewussten, was darunter liegt, dem Unbewussten. Ahnlich gelagerte Persönlichkeiten, Seelenverwandte, die sich sehr nahe stehen, überschneiden sich bereits im Bereich des Bewussten, weiter auseinander stehende Persönlichkeiten decken sich erst im unbewussten Bereich und haben vielleicht deshalb das Gefühl, überhaupt nichts gemeinsam zu haben. Trotzdem stimmt das nicht! Die Gipfel können noch so weit auseinander stehen, da sie in der Tiefe ins Unendliche reichen, überschneiden sie sich irgendwo auf jeden Fall und die Fläche, die sich deckt, ist letztlich unendlich viel grösser als jene, die sich nicht deckt, so dass diese als Produkt andersartiger Konditionierung vernachlässigt werden kann. Sobald noch so entfernt stehende, verschieden geartete Persönlichkeiten in ihre Tiefe einzudringen beginnen, das heisst, die Horizontale nach unten ins Unendliche verschieben, werden sie das Gemeinsame entdecken, das uns alle vereint.

Wir finden zum Beispiel bei zwei verschiedenen Angstneurotikern sowohl im Bereich des Bewussten wie im Bereich des persönlichen Unbewussten grosse Ähnlichkeiten; sie haben oft eine ähnliche Geschichte, eine ähnliche Lebenssituation, ähnliche Persönlichkeitsstrukturen. Das Gleiche gilt für Depressive oder Zwangsneurotiker etc.. Zwei Angstneurotiker oder zwei Depressive würden also in der Abbildung 1 sehr nahe beieinander stehen und sich sowohl im Bereich des Bewussten wie des persönlichen Unbewussten bereits überdecken. Dagegen würde aber ein Angstneurotiker und ein Depressiver in diesen Anteilen wenig Gemeinsames aufweisen. Sie würden in der Abbildung 1 weit auseinander stehen, aber in ihrem tieferen Selbst, im Bereich des kollektiven Unbewussten würden sie sich wiederum identisch erweisen – wie alle anderen auch.

Dieses Buch handelt nicht in erster Linie von einer bestimmten Psychotherapierichtung; es versucht im Gegenteil die enorme Zersplitterung und Herzlosigkeit in der Psychologie und Psychiatrie zu überbrücken. Es geht nicht um ein neues Konzept, eine neue Methode, sondern gerade um die Integration aller Richtungen, aller Teile. Es geht um eine ganzheitliche Psychologie, die viel zu tun hat mit der ewigen Philosophie (Philosophia perennis), mit echter “religio”, mit wahrer Esoterik, mit dem Weg des Lebens und des Herzens überhaupt.

Mein Buch handelt von der verbotenen Psychotherapie. Einerseits geht es dabei um die psycholytische Therapie, also jene Psychotherapie, die mit Einsatz von empathogenen und psychedelischen Substanzen, vor allem mit MDMA und LSD arbeitet, wie ich sie im dritten Teil dieses Buches ausführlich beschreiben werde, andererseits aber um die Psychotherapie überhaupt, die zwar in unserer Welt einen breiten Platz einnimmt und zugewiesen bekommen hat, die aber nach wie vor unerwünscht ist, wenn sie wirklich in die Tiefe echter Einsicht vordringen will. Sie ist unerwünscht, weil sie den Institutionen der Macht und allen rigiden staatlichen und privaten Strukturen abhold ist, weil sie vom Festgefügten zur Bewegung, von den Begrenzungen zur Freiheit führt.

Es gibt eine erlaubte und eine verbotene Psychotherapie, erlaubt und verboten von den ungeschriebenen Gesetzen unseres normierten Denkens. Der erlaubte Pfad ist keine Psychotherapie, kein Weg der Selbstentdeckung. Er beschäftigt sich mit Anpassung, mit Wiedereingliederung, mit Unterdrückung und schwarzer Pädagogik. Erlaubt ist, an der Oberfläche etwas zu kratzen, die Oberfläche neu zu arrangieren, wenn sie unlebbar geworden ist, vor allem wenn damit das Ziel gesellschaftlichen Funktionierens erreicht werden kann. Verboten ist das Aufdecken, das Bewusstmachen; verboten ist die Wahrheit, sei es die höchstpersönliche oder jene in unseren Beziehungen oder in unseren sozialen Gegebenheiten. Verboten ist zu wissen, wer wir sind, was wir sind; verboten ist die Liebe, diese unergründliche Kraft, welche alle Grenzen zerstört. Verbieten tun wir uns alle gegenseitig – oder doch die meisten von uns – mit unserer Angst, unserer Beschränktheit, unserer Enge und unseren besitzergreifenden Energien. Richtige Psychotherapie befasst sich mit dem, was wirklich ist; es darf wirklich echt werden. Auch in Grenzen; jeder muss die Verantwortung für sich selbst übernehmen. Aber Wut darf Wut sein, Trauer darf sich selbst sein, Glück auch und Liebe erst recht. Warum denn nicht! Die angepasste Psychotherapie lässt von alledem nichts zu, sie verhindert es mit allen Mitteln: Mit netten Spielen, mit Rationalisierungen, wenn nötig mit sanftem Druck, und wenn es einer wirklich nicht verstehen will, dass man nicht echt werden darf, bleibt immer noch die pharmakologische Behandlung oder gar die psychiatrische Klinik. Echte Gefühle, das ist viel zu gefährlich!

Es gibt kein psychiatrisches Problem. Ein solches konnte nur entstehen, weil das menschliche Problem, das es gibt, nicht akzeptiert und integriert, sondern abgelehnt und ausgegrenzt wurde. Dadurch findet man es in extremer Ausprägung im psychiatrischen oder in einem der andern Ghettos (Gefängnisse, Aussenseitergruppen etc.). Unser menschliches Problem ist uns allen gemeinsam. Weil wir es loswerden, statt akzeptieren wollen, geht es uns allen mehr oder weniger schlecht, haben wir ein solches Chaos in der Welt. Das menschliche Problem besteht darin, herauszufinden, wie ich mit mir selbst und den andern umgehen kann, so dass wir ganz und gar frei, glücklich und in Frieden leben können.

Psycholytika sind bei geeigneter Anwendung äusserst potente Hilfsmittel auf diesem Weg, wie wir sehen werden. Sie machen daher Angst und sind aus diesem Grund im Moment besonders stark von diesem allgemeinen Verbot betroffen.

1970, im Alter von 22 Jahren, kam ich zufällig – oder eben gerade nicht – zum ersten Mal mit LSD in Kontakt. Es war für mich ein überwältigendes Erlebnis, von dem mir zwar kaum eine konkrete, fassbare Erinnerung blieb, das aber in mir die tiefe Überzeugung weckte, mit etwas in Berührung gekommen zu sein, das ich noch nicht verstand, das aber von ungeheurer Bedeutung sein müsse, und ich wusste, das mich das Geschaute nie mehr loslassen würde.

Schon damals war mir ganz klar, dass die eingenommene Droge nur ein Vermittler war, der mir zu dem Einzigartigen, das mir begegnet war und das eindeutig in mir selbst verborgen und verschüttet lag, eventuell einen Zugang verschaffen konnte.

Damit hatte mich die Faszination für das gepackt, was mein seitheriges Leben in einem höchsten Ausmass bestimmt hat, die Faszination, mich selbst kennen zu lernen. Ich war psychisch “abhängig” geworden von dem, was andere das innere oder wahre Selbst genannt haben, wovon ich damals noch überhaupt nichts wusste, psychisch “abhängig” damit auch von der Droge, die mir den Weg dazu zu weisen schien. (Doch davon später!)

Nach einigen weiteren erhebenden Erfahrungen kam ich schnell mit den Wächtern in Kontakt, die uns davor bewahren, dass wir vorzeitig mit unserem innersten Geheimnis bekannt werden: Ich bekam Angst und entwickelte psychosomatische Symptome. Dies führte mich bald in eine traditionelle Psychotherapie und damit in eine jahrelange, handfeste Auseinandersetzung mit mir selbst und mit andern in verschiedenen therapeutischen Beziehungen, verschiedenen Therapiesettings und vor allem auch in therapeutischen Gruppen.

Später – wie immer zufällig oder eben gerade nicht – lernte ich mit einem Freund, der schon mehr davon verstand, den Umgang mit Psycholytika, vor allem LSD, in der Psychotherapie kennen. Von ihm wurde ich behutsam in den regelgerechten Gebrauch eingeführt und lernte, auch andere durch solche Erfahrungen zu geleiten und wirklich zu verstehen und zu sehen, was in solchen Bewusstseinszuständen vor sich geht und wie man mit den frei gesetzten Energien umgehen kann, ohne dass es zu unerwünschten Zwischenfällen kommt.

Da ich mich zu diesem Zeitpunkt – einmal mehr ganz zufällig! – mitten in einem Medizinstudium, mit dem ich so recht nichts anzufangen wusste, wiederfand, war es nahe liegend, dieses abzuschliessen und mich der Psychiatrie und Psychotherapie zuzuwenden, um selbst das weiterzugeben, was ich empfangen hatte. Von allem Anfang an war mir klar, dass ich mit Psycholytika arbeiten würde, da ich sie, eingebaut in den therapeutischen Prozess, als die wichtigste und potenteste Hilfe erfahren hatte.

Inzwischen hatte ich natürlich die anfängliche Ahnungslosigkeit verloren und gemerkt, dass diese Arbeit unerwünscht, ein Grossteil der brauchbaren Substanzen verboten und die Aussicht, eine Bewilligung für ihren Einsatz zu erhalten, nicht so rosig war. Trotzdem hoffte ich, dass ich nach Abschluss meiner Ausbildung zum Psychiater und Psychotherapeuten vom Schweizerischen Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) gemäss den gesetzlichen Grundlagen, welche vorhanden sind, für eine Ausnahmebewilligung akzeptiert würde. Da ich ahnte, dass dies eine langwierige Auseinandersetzung werden könnte, begann ich mit meinen ersten Anfragen schon Jahre, bevor ich selbst so weit war. Was ich dann aber tatsächlich erfuhr, stellte alle meine negativen Erwartungen weit in den Schatten und bestätigte mir in hohem Masse das Unerwünschte dieser Angelegenheit. Nicht nur dass ich jeweils Monate lang auf eine Antwort warten, einmal sogar nach neunmonatiger Wartezeit eine solche über eine Beschwerde bei der vorgesetzten Behörde (Eidgenössisches Departement des Innern) erzwingen, dass ich Konzepte einreichen und Zusatzbedingungen erfüllen musste, auf die dann doch nicht eingetreten wurde, nein, man weigerte sich, mit mir zu reden, liess mir Gutachten von anonymen Experten zukommen, die keinerlei medizinische Argumente für ihre Gegnerschaft auswiesen und ausserdem von Klinikdirektoren verfasst waren, die diese Arbeit nur vom Hörensagen kennen. Sie wiesen lediglich schlicht darauf hin, dass man diese Arbeit aus politischen Gründen verhindern sollte. Man versuchte, mich mit komplizierten Forderungen abzuschrecken, mit vagen Argumenten im Unklaren zu lassen, und nachdem ich einmal mehr über eine Beschwerde klare Bedingungen erzwungen hatte, wechselte man einfach wieder die Ebene der Auseinandersetzung, ohne weiter auf die bisherigen Punkte einzugehen.

Als ich dann meine Praxis eröffnete, lag natürlich die Bewilligung nicht vor, was mich aber nicht hinderte, mit der Arbeit zu beginnen. MDMA war damals noch nicht verboten und genügte mir für den Anfang vollkommen. Später, als es auf die Liste der Betäubungsmittel gesetzt wurde, kamen andere legale Substanzen dazu. Inzwischen hatten sich auch Kontakte zu anderen Forschern im In- und Ausland ergeben, welche sich für das gleiche Anliegen einsetzten. In der Schweiz wuchs daraus die Schweizerische Aerztegesellschaft für psycholytische Therapie hervor, welche fortan unsere Basis für weitere behördliche Kämpfe bildete, welche mir aber auch einen Rückhalt gab, was kollegialen und freundschaftlichen Austausch betraf. Auch die Gesellschaft war zu Beginn nicht erfolgreicher mit dem BAG. Auch ihr wurde unter fadenscheinigen Gründen das Gespräch verweigert. Erst in den letzten Monaten (dies bezieht sich auf den Stand 1989) wird die Angelegenheit etwas hoffnungsvoller. Offenbar haben wir bald genügend Gewicht, so dass uns ein Platz gegeben werden muss; vielleicht vor allem deshalb, weil unsere Bereitschaft, Schwierigkeiten zu bekommen, ebenso gross ist, wie unser Wille, Schwierigkeiten zu machen. Während ich an diesem Manuskript arbeite, scheint sich allmählich eine Türe aufzutun. Jedenfalls wurden Ausnahmebewilligungen für einen Teil der Mitglieder unserer Gesellschaft in Aussicht gestellt, und auch eine Zusammenarbeit mit dem BAG beginnt sich anzubahnen. Dies geht aber mehr auf die Initiative einer einzelnen Persönlichkeit zurück, zu der wir schliesslich einen Zugang fanden und die unser Anliegen ernst zu nehmen begann. An dieser Stelle bedanke ich mich bei dieser Person – ich weiss nicht, ob sie namentlich erwähnt sein möchte – herzlich. An den rigiden Strukturen eines bürokratischen Amtes und an der Gegnerschaft der psychiatrischen Kollegen ändert das aber wenig. Es bestätigt eher, dass trotz solcher Strukturen einiges möglich wird, sobald sich irgendwo Beziehung ereignen kann.

Die Freude über die in Aussicht gestellte Ausnahmebewilligung an eine kleine Gruppe von Psychiatern darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich damit nichts am grundsätzlich Unerwünschten dieser Therapieform geändert hat. Es handelt sich bei der Erteilung einer Ausnahmebewilligung wohl eher um einen Domestizierungsversuch. Das gefährliche Potenzial soll, wenn es schon nicht ganz unterdrückt werden kann, wenigstens unter die Aufsicht einer speziell ausgebildeten Elite gestellt werden, die es hütet und bewacht, so dass nach wie vor die meisten Menschen, denen es helfen könnte, keinen Zugang dazu haben. Das muss ganz klar erkannt werden: Freiheit, persönliche Freiheit – auch im Umgang mit diesen Drogen – ist immer noch in weiter Ferne.

Aus dieser langjährigen Auseinandersetzung habe ich inzwischen vieles gelernt. Immer mehr gewann ich die Einsicht, dass eine erwachsene Zusammenarbeit mit Institutionen und anderen ähnlichen Strukturen in unserer Gesellschaft nicht möglich ist. Nur das Bestehende darf weitergeführt werden, Neues wird als potenziell gefährlich unterdrückt. Es lohnt sich nicht, Energie in solche Strukturen zu stecken. Eine Institution ist nie ein Partner. Solange man dort nicht auf Persönlichkeiten trifft, ist alle Mühe umsonst. Nie bekommt man eine ehrliche, gerade, einfache und klare Antwort. Man will dort einfach nicht, weil man Angst hat vor dem Potenzial dieser Arbeit, darf das aber nicht geradeheraus eingestehen, weil es nicht mit unseren juristischen Grundlagen zu rechtfertigen wäre. Daher wird die Argumentation immer wieder falsch, spitzfindig und politisch.

Immer mehr setzte sich bei mir die Erkenntnis durch, dass mein Versuch, mich in einer solchen Meinungsverschiedenheit durchzusetzen und meine Bereitschaft, eine derartige Diskussion überhaupt zu führen, ein Rest von kindlichen Verhaltensmustern war, gelernt im Umgang mit Bundesämtern ähnlich strukturierten Eltern und Lehrern. Es geht um den Kampf, anerkannt zu werden, geliebt zu werden. Ich liess mich erneut verstricken, im Versuch etwas zu erpressen, was man nur geschenkt erhalten kann: ehrliche, offene, klare Zuwendung und Zuneigung, ein einfaches Ja und ein einfaches Nein. Einmal mehr war ich im Begriff, mich zu verkaufen und anzubiedern, um die schmerzliche Tatsache zu vermeiden, dass Verständnis, Anerkennung und Fürsorge in unserer Welt nicht da sind.

Als ich dies erkannte, schwand mein Interesse an diesen Spielen schnell, vor allem wurden sie eben Spiele, die ich so nebenbei noch etwas betrieb, aber eben spielerisch und ohne grosses Engagement, ohne grosse Hoffnung auf Erfolg. Und zunehmend verleidet mir das Spielen überhaupt. Mehr und mehr erkenne ich, dass der einzig richtige Umgang mit solchen Eltern und mit mir selbst darin besteht, dass ich ihre kindlichen Reaktionen erkenne, sie als trotzende, schwierige und dahinter vor allem unsichere Kinder wahrnehme und behandle und mich selbst in eine wahre Elternposition begebe, das heisst, dem Widerstand nichts entgegensetze, einfach warte, bis der Trotz irgendeinmal vielleicht nachlässt und in der Zwischenzeit einfach meinen Weg gehe, unbeirrt. Mein Weg, das heisst, meine Arbeit einfach zu tun, ohne behördliche Absegnung, weil ich sie als wichtig erkenne, und damit ohne weitere Rechtfertigung, ohne spezielle Erlaubnis dasjenige in die Welt zu setzen, was ihr meiner Meinung nach fehlt.

Es geht darum, Anpassung und Opposition als die beiden Seiten des gleichen unreifen Verhaltensmusters zu erkennen und aufzugeben, allein zu stehen und das Risiko zu tragen, welches darin steckt, dass man sich kindlicher Macht nicht fügt, mit einem Wort: selbst erwachsen zu sein. Dabei scheint mir wichtig, nicht zum Märtyrer zu werden, sondern jene Grauzone zu entdecken, in der man dem Kaiser geben kann, was ihm gebührt, ohne für sich selbst verlieren zu müssen, was einem zusteht. Was einem zusteht, ist die Einsicht, dass es eine persönliche Wahrheit gibt, die wahrer ist als die offizielle, ein persönliches Recht, das das öffentliche bricht. Auf diese Weise entstand in mir allmählich die Idee, dieses Buch zu schreiben, um auch damit einmal mehr in die Welt zu setzen, was für mich darin fehlt. Lange und immer wieder schien mir ein solches Unterfangen wenig sinnvoll, da das Reden und Schreiben über unsere Existenz nur sehr beschränkt Bedeutung und Tiefgang hat, und weil unser Geheimnis nur im direkten Erfassen des Seins erkannt werden kann. Mich aus Ehrgeiz oder ähnlichen Gründen hervorzutun, wäre mir zuwider. Davon gibt es schon genug in dieser Welt. Die Frage ist, ob wirklich etwas gesagt sein will und ob diese Aufgabe mir zusteht. Da ich lernen musste, wie mächtig Worte als Barrieren sein können, auch wenn sie unbedeutend sind, hoffe ich nun, dass sie auch eine mächtige Anregung sein können, ohne zu vergessen, dass das Wort nie das Ding ist.

Das Buch ist nach folgendem Konzept aufgebaut: Im ersten, ausführlichsten Teil findest du die Beschreibung des Wegs nach innen und derjenigen Gefühle, denen du auf diesem Weg begegnen kannst. Schicht um Schicht werden wir den Aufbau unserer Persönlichkeit, wie ihn die später folgende Abb.3,a) symbolisiert, erfassen. So wie das Aufklappen der Zwiebelschalen auf dem Umschlagbild immer mehr den Kern der Zwiebel enthüllt, werden wir von der äussersten Schicht der Anpassung, in der die meisten Menschen leben, vorstossen zu den darunter liegenden, verbotenen Gefühlen, zuerst zu den abwehrenden und später zu den unterdrückten. Wiederintegration der ganzen Gefühlsräume inklusive der transpersonalen Phänomene, die sich damit ebenfalls erschliessen, wird uns schliesslich an den Kern unserer Persönlichkeit heranführen.

Von diesem Kern handelt der kürzere zweite Teil. Er will etwas über unsere wahre, von Illusionen befreite und gereinigte Natur und über den richtigen Umgang damit in Beziehungen und in der Welt vermitteln. Er handelt von der Liebe, von der Energie, vom Fluss. Er handelt vom Wichtigsten und ist daher auch der zentrale Teil dieses Buches.

Im dritten Teil versuche ich dann die Arbeit mit psycholytischen Substanzen, die auf dem beschriebenen Weg eine nützliche Hilfe sein können, die ich selbst und viele meiner Klienten auch als solche erfahren haben, darzustellen. Es wird die Rede sein vom praktischen Vorgehen, von der Arbeitsweise des Therapeuten, von Indikationen und Kontraindikationen. Dieser Teil wird nicht sehr ausführlich sein, da ich kein Lehrbuch schreiben möchte. Lernen kann nur in der praktischen Arbeit, im direkten Erfahren stattfinden. Der wirkliche Gehalt dieser Arbeit kann nicht mit Worten vermittelt werden, was ja für die Psychotherapie ganz allgemein gilt.

Dieses Buch soll mehr eine Anregung sein: Für den einen vielleicht, um selbst mit dem eigenen Weg zu beginnen, für den andern als Wegweiser, Mark- oder Stolperstein auf dem bereits begonnenen Pfad; für den Klienten Hilfe bei der Suche nach der richtigen Methode, dem richtigen Therapeuten etc., für den Therapeuten ein Hinweis auf die psycholytische Möglichkeit, die er bis jetzt wohl noch übersehen hat.

Dass ich auf Literaturhinweise verzichten werde, weil ich es unnötig finde, die Wurzel jeder Einsicht, die in mir gewachsen ist, zu belegen, habe ich am Ende des Buches erwähnt. Für mich ist ein Buch mehr ein persönliches Kunstwerk und nicht lediglich ein Informationsträger. Ähnlich empfinde ich die psychotherapeutische Tätigkeit mehr als eine Kunst und weniger als einen Brotberuf. Fussnoten belasten den Text und den Geist, darum lasse ich sie weg.

Als Psychiater brauche ich aber gelegentlich Fachausdrücke. Sie gehören zu mir. Auch sie werde ich nicht näher erklären. Es ist für das Verständnis meines Gedankenflusses nicht nötig, sie zu begreifen. Ich empfehle dir, einfach darüber hinwegzulesen, der Text spricht für sich. Und wenn du es nicht lassen kannst, findest du bestimmt ein geeignetes Nachschlagewerk.

Da es in diesem Buch um Psychotherapie und um die Anwendung von bewusstseinserweiternden Stoffen geht, will ich dieses Kapitel nicht abschliessen, ohne auch hier eine mögliche Lösung des beschriebenen, scheinbar unlösbaren Problems im Umgang mit Institutionen und den dabei möglichen Einsatz der unerwünschten Substanzen diskutiert zu haben.

Die Lösung habe ich schon angedeutet: Der Klient ist das BAG, seine anonymen Pseudoexperten und alle ähnlichen Machtstrukturen in unserer Welt, hinter denen sich nicht echte Kompetenz und sachbezogene Intelligenz, sondern bürokratisches und politisches Denken verbergen. Dahinter sind natürlich unsichere, ängstliche und abhängige Kinder spürbar, die sich in ihrem trotzigen, selbstsicheren Gehabe verrannt haben, um ihre wahre Identität nicht eingestehen zu müssen. Institutionen sind so viel wert wie ihre Mitglieder. Wenn diese in der Anpassung und Abwehr leben, wird die Institution auch eine solche Funktion erfüllen in der Welt. Als Therapeut kann ich solche Klienten zu motivieren versuchen, sie verführen, einladen genauer hinzusehen, Vertrauen zu haben, in ihnen vielleicht das Gefühl wecken, es könnte ihnen wohler werden, wenn sie zu ihrer wahren Natur finden und sich darüber austauschen und mitteilen. Diese Motivationsarbeit darf aber nicht so weit gehen, die Tatsache aus den Augen zu verlieren, dass es nicht in meiner Macht steht, für den Klienten zu wollen, dass ich einem trotzenden Kind gegenüber letztlich der Ohnmächtige bin, sonst bin ich in Gefahr, an der Wirklichkeit der Situation vorbeizusehen, weil ich selbst meine Wirklichkeit, die Wirklichkeit der Hilflosigkeit nicht ertrage. Letztlich kann ich nichts tun, wenn der Klient nicht will. Freiheit steht immer am Anfang, nicht am Ende der Behandlung.

Bei dieser Motivationsarbeit könnte MDMA (Genaueres später) unterstützend wirken. Wenn der Klient das möchte – seine Bereitschaft ist natürlich wieder unabdingbare Voraussetzung –, könnte ihm eine einmalige Gabe von 100–125 mg MDMA, welches wie gesagt inzwischen verboten wurde, helfen, seine wahren Motivationen, seine gefühlsmässigen Hintergründe in der verfahrenen Situation zu erkennen und damit eventuell eine andere, vor allem auch für ihn beglückendere Einstellung zu gewinnen.

Dazu gleich auch ein Fallbeispiel aus meiner Praxis:

Karl, ein 62-jähriger, verbitterter, vom Leben und den Menschen enttäuschter, aber intelligenter Mensch, arbeitslos, depressiv, völlig vereinsamt und isoliert, der seit Jahren zu Psychotherapeuten geht wie andere zu Dirnen, nur weil er sonst niemanden mehr hat, mit dem er reden könnte, der diese Therapeuten aber nie als Helfer akzeptieren konnte, sondern sie im Gegenteil ebenfalls als Teil des ihm feindlichen Universums bekämpfen musste, entschliesst sich, an einer psycholytischen Sitzung teilzunehmen (mit 125 mg MDMA). Dabei erlebt er ein langvermisstes, fast vergessenes Gefühl in sich: die Liebe. Natürlich hat sich damit noch nicht viel geändert. Im Gegenteil mobilisiert er nach der Sitzung alle seine Abwehrkräfte, um sich und dem Therapeuten den Beweis zu erbringen, dass die Liebe zumindest eine Illusion, wenn nicht sogar ein gefährlicher, zerstörerischer Wahn sei, und schwört, sich nie mehr auf diese Weise einfangen zu lassen. Trotzdem ist die Saat gesät, es lässt ihn nicht mehr los. Immer wieder kommt er darauf zurück, muss die eigenen Einsichten bekämpfen und kann sie doch nicht vergessen. Die Sehnsucht danach und die Angst davor martern ihn. Es wird weitere Jahre dauern, bis er wirklich versteht, wirklich gehen lassen kann. Vielleicht reicht sein Leben nicht mehr aus dazu. Vielleicht entfernt er sich auch wieder ganz von seinem Erlebnis. Aber ein Anfang ist gemacht, ein Bann ist gebrochen, und jedenfalls erkundigt er sich schon bald nach der nächsten Sitzung. Auch er ist psychisch abhängig geworden von seiner innersten Natur, mit der ihn die Droge kurz in Berührung gebracht hat, psychisch abhängig im positiven Sinne damit auch von der Droge. Doch davon später mehr.

Die Berge haben eine ganz besondere Stille hier, wo ich gerade arbeite. Wenn man ankommt aus den Niederungen, spürt man sie besonders gut. Majestätisch drängt sie sich in die vom Alltag gestresste Seele, beruhigt und setzt einen Gegensatz. Man meint die Menschen müssten hier durch und durch gesund und geläutert sein; aber sie sind es nicht, nehmen wohl das ausserordentlich Wohltuende, Tiefbeständige und doch Weite und Unermessliche dieser Ruhe kaum wahr. Natur erreignet sich in dieser Stille; Materie ist Stille, aber sie lebt, hat Anteil am Bewusstsein, das alles durchdringt. Ewigkeit ist fühlbar, tropft in die dichte Stimmung, die die Nacht zusätzlich schafft. Ich liege still, aber in mir arbeitet es. Alles, was sich in den letzten Monaten in mir vorbereitet hat, drängt zum Ausdruck. Ich kann kaum warten, bis der Morgen kommt und ich zu schreiben anfangen kann. Nur die Tatsache, dass ich meine Frau und meinen Sohn nicht aufwecken will, hält mich zurück, aufzustehen und gleich damit zu beginnen.

Wir verbringen unsere Winterferien hier. Draussen schneit es endlich, der frühlingshafte Winter scheint nun doch zur Ruhe zu kommen. Auch das Fallen des Schnees aus dem dunkeln Himmel heraus vor dem Fenster enthält diese Ruhe, Weite und Unendlichkeit. Ein enormes Gefühl! Allmählich werde auch ich wieder ruhig. Die Gedanken verlassen mich. Die Stille beginnt mich auszufüllen, nimmt mich mit. –

2. KAPITEL

DIE ERSTE UND DIE LETZTE FRAGE

Eine weitere Grenzgeschichte:

Ein ander Mal, hörte ich, seien drei verschiedene Menschen an die uns bekannte Grenze gekommen und hätten Einlass in das unbekannte Land verlangt. Alle drei wurden von den Grenzwächtern befragt, woher sie kämen und wohin sie gehen wollten.

Der Erste, ein Mann, konnte da ganz genau und bestimmt Auskunft geben. Er war aus geschäftlichen Gründen aus einer nahen Stadt hergereist und hatte die Absicht, im Nachbarland eine ebenfalls bekannte Stadt aufzusuchen. Ohne Probleme wurde er von den Zöllnern eingelassen; sein Anliegen war klar und ihnen verständlich.

Der zweite Mensch – man sagt, es sei eine Frau gewesen – gab zur Antwort, sie komme aus der Nacht und sei auf der Suche nach dem Land der Träume. Die Wächter an der Grenze waren irritiert, berieten sich lange und zogen schliesslich einen Psychiater bei. So weit ich gehört habe, soll die Frau einer psychiatrischen Klinik zugewiesen worden sein.

Und dann war da noch der dritte Mensch. Niemand weiss, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen ist. Man sagt, man habe es auch nicht richtig beurteilen können. Gefragt, woher er komme und wohin er gehen wolle, überlegte er lange und antwortete schliesslich, woher er komme, wisse er eigentlich nicht; es scheine ihm, als ob er es vergessen hätte. Wohin er wolle, könne er auch nicht genau sagen; es scheine ihm, er suche nach seiner Herkunft.

Diesmal waren die Grenzbeamten sich sehr schnell einig. Die Person kam ihnen genügend verdächtig vor. Sie übergaben sie vorsichtshalber der Polizei. Was dort mit ihr geschehen ist, wurde nicht genauer überliefert.

WAS WILLST DU WIRKLICH?

Mit Pius Köppel, einem Freund und Mitarbeiter, habe ich einige Gespräche vor allem über den Titel dieses Buches geführt. Er hat mich darauf hingewiesen, dass der Untertitel, den ich zuerst verwenden wollte: Ein Buch für reife Laien, etwas zynisch-ironisch sei. Ich habe ihn deshalb weggelassen. Zynismus ist eine abwehrende Haltung. In ihrem Kern finden wir den Humor, der sich aber mit etwas Boshaftigkeit gepaart hat.

Trotzdem, dieser Untertitel könnte da stehen: Ein Buch für reife Laien. Laien sind Menschen, die keine Autoritäten sind, das heisst, dass sie Lernende und nicht Wissende sind. Auf dem hier zu besprechenden Gebiet geht es um die Frage: Wer bin ich eigentlich? Wer sind wir wirklich? Es geht um die Selbstfindung oder eben um die Psychotherapie im Gegensatz zur Anpassungstherapie, der das Funktionieren in einem bestimmten gesellschaftlichen Kontext über alles geht. Es geht also um dich und mich. In diesen Fragen kann es keine Autoritäten geben, weil wir für immer alle Lernende und nie Wissende sein werden.

Darum: Reife Laien, reif in dem Sinn, dass sie zu erkennen vermögen, dass es keine Autorität geben kann, die eigene Erfahrung miteingeschlossen. Laien könnten also auch die Experten der Betäubungsmittelkommission oder die Beamten des BAG sein, die alle wohl kaum je eine psycholytische Erfahrung gemacht oder geleitet haben; oder, um den Zynismus gleich wieder zu verlassen: Es ist ein Buch für jedermann und jede Frau.

Wir wollen uns also klar werden, was Selbstfindung und damit was Psychotherapie, vor allem was verbotene Psychotherapie denn eigentlich ist.

Darum versuchen wir in diesem Buch, gemeinsam durch eine Psychotherapie hindurchzugehen. Häufig werde ich dich dabei direkt ansprechen, als Du, es stimmt so besser. “Die Seele will mit du angeredet sein”, so drückte es der Therapeut Peter Orban anlässlich eines Vortrages in Lanzarote aus. Ich werde dich durch eine Psychotherapie zu begleiten versuchen, mit dir zusammen erfahren, erahnen, spüren, was denn das sein könnte!

Sein könnte! Es geht ums Sein, ums Zusammensein, und das umschliesst die ganzen Probleme meiner und deiner eventuellen Unfähigkeit oder Behinderung, sein zu können beziehungweise zusammen sein zu können, wie man psychisches Leiden auch zusammenfassend betrachten könnte. Es umschliesst aber auch die ganzen Schwierigkeiten, die uns aus derartigem behindertem Zusammensein erwachsen, und ebenfalls das Erahnen, wie es eigentlich wäre, wenn wir die Behinderung überwinden könnten.

Zwischen psychischem Leiden und psychischer Gesundheit besteht kein qualitativer Unterschied, sondern allenfalls ein quantitativer. Psychisch kranke Menschen sind oft lediglich auf einen Teil ihres Seins fixiert, der dadurch überdimensioniert erscheint im Vergleich mit dem ausgeschlossenen Rest.

Die erste Frage, die sich also stellt und im Grunde genommen auch die letzte, die sich, wie wir sehen werden, uns immer wieder stellen wird, ist die, ob wir, du und ich, denn überhaupt wollen, mit dem, was in uns ist, überhaupt zusammensein wollen, ob wir, du und ich, tatsächlich zusammensein wollen; sei es von Angesicht zu Angesicht wie in der Psychotherapie, oder im übertragenen Sinne beim Schreiben beziehungsweise Lesen dieses Buches.

Wenn diese Frage nicht geklärt ist, werden wir keinen Weg zueinander und zu uns selbst, was letztlich, wie wir später sehen werden, dasselbe ist, finden können. Wir werden entweder in Opposition verstrickt oder im Oportunismus gefangen sein oder im gleichen Raum sitzen, ohne wirklich anwesend zu sein. Darum ist es wichtig, dies ganz zuerst zu verstehen und entsprechend diesem Verständnis zu handeln: Will ich eigentlich, was ich gerade tue oder vorgebe zu tun, oder will ich es eigentlich nicht? Will ich dieses Buch jetzt wirklich schreiben beziehungsweise lesen, oder tue ich es aus unklaren, falschen Motivationen, die sich mit meinem wahren Sein nicht decken: Ehrgeiz, Anpassung, Abhängigkeit, Zwang, Angst etc.?

Wenn wir beide wirklich wollen, und um das zu wissen, müssen wir bereits sehr tief in uns eindringen, können wir zusammen weitergehen, wenn nicht, müssen wir uns trennen und jeder seinen eigenen Weg gehen. Aus beiden Möglichkeiten ergibt sich eine klare, einfache und wahre Situation. Bei Seins- beziehungsweise Zusammenseins-Behinderten (und die meisten von uns sind es mehr oder weniger) ist diese Frage aber nie richtig geklärt, weil sie schon lange nicht mehr gestellt wird. Du hast gelernt, sie nicht mehr zu stellen, weil sie unerwünscht war und unangenehme Konsequenzen wie Strafe oder Liebesentzug nach sich zog. Vielleicht wurdest du so behandelt, dass es dir vergangen ist, dich zu fragen, ob du auch wirklich willst, was immer gerade du sollst, und du passt dich nur noch an. Oder falls dir ein Rest von Widerstandskraft geblieben ist, hast du dich in der Verweigerung fixiert, ohne zu merken, dass du auf diese Weise genau so unfrei bist. Vielleicht bist du auch ein besonders Schlauer oder meinst es jedenfalls zu sein. Dann hast du gelernt, dich zu entziehen, indem du da bist, ohne anwesend zu sein und ohne zu merken, dass du dich so erst recht um deine Existenz und Lebensfreude betrügst.

Wir kommen hier also unweigerlich durch diese erste Frage mit den ganzen Problemen unserer auf Anpassung ausgerichteten, hierarchisch-autoritären Systeme in Kontakt und lernen sie zu durchschauen und zu verstehen, wenn wir uns dieser ersten Frage stellen. An der Art unserer Beziehung zu dieser Frage können wir das ganze gesellschaftliche Gefüge, seine ganze psychologische Struktur, die wir in uns tragen, studieren. Wir werden schnell erkennen, dass es Angst und Unabhängigkeit sind, die wir meiden, wenn wir dieser Frage aus dem Weg gehen; die Angst, die uns als erster Wächter eingepflanzt wurde, damit uns die Lust verging, aus der Reihe zu tanzen und frei zu sein. Und damit sind wir bei den Gefühlen, die unser Sein nun eine ganze Zeit lang beherrschen werden, sofern wir uns wirklich entschieden haben, sofern wir uns wirklich auf uns selbst einlassen wollen.

VON DER BESCHRÄNKUNG AUF DIE NORM

Damit sind wir auch mit den ganzen Fragen unserer Erziehung konfrontiert, die durchwegs mehr oder weniger darauf ausgerichtet ist, das individuelle Sein auf ein schmales Spektrum unserer Möglichkeiten einzudämmen. Wir lernen alle, uns an standardisierte Gedanken und Gefühle anzupassen und unser wahres Selbst zu verleugnen. Manchmal geschieht diese Anpassung mit Zuneigung und Verständnis, manchmal brutal; bei den einen wird sehr eng eingezäunt, bei den andern hat viel in der Norm Platz. Aber immer finden wir eine Beschränkung und Unterdrückung. Je nachdem finden wir dann normal beschränkte oder krankhaft beschränkte Menschen, aber nie ganze, freie, unabhängige Individuen. Je nachdem, wie stark die unterdrückenden Tendenzen waren und wie viel vom wahren Sein noch erlaubt blieb, finden wir ein anderes Problem oder psychotherapeutisch gesprochen, eine andere diagnostische Kategorie, die dann auch einen anderen Zugang erfordert.

In unserer westlichen Welt (und wahrscheinlich in der ganzen Welt überhaupt) gilt es als normal, alle starken Gefühle, alle so genannt negativen Gefühle (ausser in gewissen klar umrissenen Kontexten wie Krieg etc.), den Tod und die Wandlung sowie alles Transpersonale (wir werden angehalten, uns als abgegrenzte, isolierte Wesenheiten zu betrachten) auszuschliessen. Als krank gilt, wer unter dem Druck seiner Wachstumssituation gelernt hat, mehr als das Normale auszuschliessen, zum Beispiel den eigenen Körper, die Sexualität, die Standardgefühle, die ungetrübte Wahrnehmung der andern. Solches Kranksein wird als neurotisch bezeichnet, führt zu entsprechenden Konflikten im Umgang mit den Normalsituationen des Alltags und ist natürlich von den Normschwankungen, durch welche sich Subgruppen auszeichnen, abhängig. Auch als krank gilt jeder, der das normalerweise Ausgeschlossene nicht unterdrückt, mit diesem Umstand aber nicht umgehen kann, ohne Schwierigkeiten zu bekommen (das heisst, keinen Erfolg damit hat bei den andern). Er wird dann als psychotisch bezeichnet. Sofern er Erfolg hat damit, wird er in der Regel als erleuchtetes Wesen, als Künstler oder als Genie etc. verehrt.

Daraus folgt also, dass das Normale nicht unbedingt weniger krank ist als das Kranke, wenn man es am Wahren misst, dass das Kranke aber am Normalen gemessen als krank erscheint und dass das Wahre, sofern es mit dem Normalen keinen geeigneten Umgang findet, wiederum als krank erscheint. Dadurch finden sich in der Psychotherapie ganz verschiedenartige Richtungen, die sich mit scheinbar gegenteiligen Entwicklungen befassen. Wurde jemand während seines Wachstums so sehr unterdrückt, dass sich das als normal geltende und verfestigte Selbst (Ego) nicht oder ungenügend ausbilden konnte, muss sein Ego vervollständigt und gestärkt werden, indem die abgespaltenen Teile (Schatten, Körper, Umwelt etc.) integriert werden. Störungen im Sein und damit im Zusammensein auch von Klient und Therapeut sind Störungen in der Wahrnehmung. Jemand ist zwar mit mir, schliesst aber in diesem Zusammensein zum Beispiel meinen Körper aus seiner Wahrnehmung aus, weil er sonst gehemmt wäre, sich verlieben würde etc.. Oder jemand sitzt in einer Gruppe und schliesst offensichtlich einen andern aus seiner Wahrnehmung aus, weil er sich sonst mit seinen ganzen Gefühlen seinem Vater gegenüber, die er auf diese Person übertragen würde und die abgespalten oder verdrängt sind, konfrontieren müsste.

Gerade um das Gegenteil geht es bei Menschen, die ein normales Ego entwickeln konnten, sich aber mit dieser Normalität nicht ganz wohlfühlen, und deshalb einen Therapeuten aufsuchen. Bei ihnen geht es darum, die verfestigte Struktur des Normalselbst (Ego) oder falschen Selbst zu durchbrechen und zum wahren Selbst, welches alles umschliesst und ein Gefühl von Einheit vermittelt, zurückzufinden.

Diese beiden Prozesse vermischen sich natürlich häufig; vor allem deshalb, weil auch in einer wahrhaftigen Gesellschaft ein Ego für den Alltagsverkehr ausgebildet werden müsste, ohne dass aber unsere wahre Natur aus den Augen verloren ginge.

Schematisch liesse sich das alles etwa, wie in in Abbildung 2 dargestellt, festhalten.

Diese Abb.2 versucht, schematisch die Unterschiede im Persönlichkeitsaufbau und in der Abgrenzung nach aussen, wie wir sie beim Normalneurotiker, beim Vorliegen einer krankhaften Neurose, beim Psychotiker oder bei einer ganzen, ausgereiften Persönlichkeit beobachten können, festzuhalten. Schema b) zeigt das normale Durchschnittsselbst mit einem solid ausgebildeten Ego, welches durch eine starre Abgrenzung von ausgeschlossenen Anteilen und einer Einengung auf einen als normal geltenden Teilbereich der Persönlichkeit gekennzeichnet ist. Diese Persönlichkeit weiss in der Regel nichts oder wenig von ihren nicht integrierten Anteilen, erahnt sie aber und fürchtet deshalb den Wahnsinn und das psychische Kranksein so wie seine Träger. Der äussere dünne Ring symbolisiert in seiner Geschlossenheit die Abgrenzung gegen die Umwelt und die andern Menschen, das Nicht-Wissen um die grundsätzliche Verbundenheit allen Seins.

Schema a) zeigt im Gegensatz dazu das wahre Selbst, die reife, ausgewachsene, sich ihrer selbst bewusste Persönlichkeit. Sie ruht in sich selbst, ist zentriert in sich selbst, ohne fixiert zu sein auf ein starres, abgegrenztes Zentrum. Sie benötigt kein Zentrum, da sie in ihrer frei flotierenden Wahrnehmung ruht. Die Normgrenze ist bei ihr durchbrochen; die wahre Persönlichkeit kennt zwar die Normgrenze sehr gut und kann damit umgehen, aber sie ist nicht daran gebunden. Sie kennt auch die äussere Persönlichkeitsgrenze. Aber auch diese ist durchbrochen, auch an diese ist sie nicht gebunden. Sie weiss zwar um die Normalität, die sie meisterhaft zu handhaben versteht, weiss aber gleichzeitig auch um die letztliche Unbegrenztheit unseres Wesens.

Die Schemata c) und d) zeigen zwei Varianten eines krankhaft neurotischen Selbst, das heisst eines Menschen, der aus der Sicht des Normalneurotikers als eingeengt und beschränkt erscheint. Bei c) sind zusätzlich Anteile des als normal geltendenden Bereichs verdrängt oder abgespalten, und ausserdem ist die Abgrenzung gegen die verleugneten Teile noch rigider als beim Normalneurotiker; das heisst, die Angst vor dem wahren Selbst, die sich als Angst vor dem Wahnsinn ankündigt, ist noch viel grösser als beim Durchschnittsmenschen. Bei d) finden wir im Prinzip die gleiche Problematik. Im Gegensatz zur allgemeinen Einengung von c) sind bei d) aber nur ganz bestimmte Bereiche, dafür um so tief schürfender, betroffen. Derartige Einengung findet man häufig bei Subgruppen mit speziellen Riten und Bräuchen.