Insomnie (griffbereit) - Carlotta Schneider - E-Book

Insomnie (griffbereit) E-Book

Carlotta Schneider

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Beschreibung

Wie Patient:innen besser schlafen lernen Relevanz: Über die Hälfte der Patient:innen mit psychischen und körperlichen Erkrankungen leiden unter insomnischen Beschwerden Grundlagen und Praxis: Einführung zu Schlaf und Insomnie sowie zur Kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I), Anleitung zur einfachen Umsetzung im klinischen Alltag Online: Arbeitsmaterialien Das verhaltenstherapeutische Behandlungsprogramm SCHLAFexperte zielt darauf ab, psychisch oder körperlich erkrankte Patient:innen in die Lage zu versetzen, ihren Schlaf selbst zu verbessern. Es wurde von Schlafexpert:innen und Patient:innen in Abstimmung mit medizinischem Fachpersonal wie Pflegepersonal, Psycholog:innen und Ärzt:innen aus anderen Bereichen gemeinsam entwickelt. Dieses Buch stellt griffbereit das Grundlagenwissen zur Schlafregulation bereit und erklärt, wie das individuelle Schlaffenster ermittelt wird – und wie dieses im klinischen Alltag umgesetzt werden kann. Lernen Sie, welche Schlaffenster bei welchem Schlaftyp sinnvoll sind und welche Rolle schlaf-wach-abhängige und tageszeitliche (zirkadiane) Komponenten spielen. Indem Sie und Ihre Patient:in zu Schlafexpert:innen werden, können Schlafstörungen sowie auch der Verlauf von psychischen oder körperlichen Erkrankungen verbessert werden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 106

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Dies ist der Umschlag des Buches »Insomnie« von Carlotta Schneider , Elisabeth Hertenstein, Christoph Nissen

Schneider | Hertenstein | Nissen

Insomnie

Das Behandlungsprogramm SLEEPexpertfür den klinischen Alltag

Schattauer

Die digitalen Zusatzmaterialien haben wir zum Download auf www.klett-cotta.de

bereitgestellt. Geben Sie im Suchfeld auf unserer Homepage den folgenden Such-Code ein: OM40154

Impressum

Carlotta L. Schneider, MSc.

carlotta.schneider@unige.ch

PD Dr. phil Elisabeth Hertenstein

elisabeth.hertenstein@unige.ch

Prof. Dr. med. Christoph Nissen

christoph.nissen@hug.ch

Besonderer Hinweis:

Die in diesem Buch beschriebenen Methoden sollen psychotherapeutischen Rat und medizinische Behandlung nicht ersetzen. Die vorgestellten Informationen und Anleitungen sind sorgfältig recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen weitergegeben. Dennoch übernehmen Autor*innen und Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendeiner Art, die direkt oder indirekt aus der Anwendung oder Verwertung der Angaben in diesem Buch entstehen. Die Informationen sind für Interessierte zur Weiterbildung gedacht.

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe

Schattauer

www.schattauer.de

J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH

Rotebühlstraße 77, 70178 Stuttgart

Fragen zur Produktsicherheit: produktsicherheit@klett-cotta.de

© 2025 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte inklusive der Nutzung des Werkes für Text und

Data Mining i. S. v. § 44b UrhG vorbehalten

Gestaltungskonzept: Farnschläder & Mahlstedt, Hamburg

SLEEPexpert ist eine eingetragene Marke beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum, Markennummer 754238 (Swissreg).

Cover: Jutta Herden, Stuttgart

unter Verwendung einer Abbildung der Autorinnen und des Autors in Kooperation mit büro z, Bern

Gesetzt von Eberl & Koesel Studio, Kempten

Grafiken: büro z, Bern und Christine Lackner, Ittlingen

Gedruckt und gebunden von CPI – Clausen & Bosse, Leck

Lektorat: Miriam Seifert-Waibel, Hamburg

Projektmanagement: Dr. Nadja Urbani

ISBN 978-3-608-40154-7

E-Book ISBN 978-3-608-12023-3

PDF-E-Book ISBN 978-3-608-20622-7

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

Einleitung

1 Einführung zum Thema Schlaf

1.1 Schlaf und Gesundheit

1.1.1 Schlaf und psychische Gesundheit

1.1.2 Schlaf und körperliche Gesundheit

1.2 Schlafregulation und -bedarf

1.2.1 Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation

1.2.2 Schlafbedarf und Tagesrhythmus sind individuell unterschiedlich

2 Zur insomnischen Störung und ihrer Behandlung

2.1 Diagnostische Kriterien

2.1.1 Differenzialdiagnosen

2.1.2 Epidemiologie

2.1.3 Apparative Untersuchungen

2.2 Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie

2.2.1 Behandlungselemente der KVT-I

2.2.2 Evidenz der Wirksamkeit von KVT-I

2.3 Medikamentöse Behandlung

3 Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie im klinischen Alltag

3.1 (Unzureichende) Umsetzung der KVT-I

3.2 Zur Entwicklung von

SLEEPexpert

SLEEPexpert

 – Behandlungsmanual

4.1 Grundlegendes

4.1.1 Ziele und Zielgruppe des Programms

4.1.2 Indikationsstellung

4.1.3 Umgang mit Medikation

4.1.4 Tagschlaf

4.2 Die drei Phasen des Behandlungsprogramms

SLEEPexpert

4.2.1 Phase 1: Kick-off-Veranstaltung

4.2.2 Phase II: Coaching durch das Behandlungsteam

4.2.3 Phase III: Selbstmanagement

5 Zur Umsetzung von

SLEEPexpert

im klinischen Alltag

5.1 Übergeordnetes Ziel

5.2 Spezifische Ziele

5.2.1 Bereitstellung eines umsetzbaren KVT-I-basierten Behandlungsprogramms …

5.2.2 Empowerment der Patient*innen und des Behandlungsteams

5.3 Ratschläge zur Umsetzung

5.3.1 Situationen mit Patient*innen

5.3.2 Situationen im Behandlungsteam

5.3.3 Infrastruktur

5.3.4 Stationsprogramm

5.3.5 Austritt oder Übertritt in andere Behandlungssettings

Anhang

Information zu Schlafmanagement nach stationärem Aufenthalt

Schlaftagebuch

Coaching

Schlafanstoßende Medikation

Literatur

Einleitung

Im vorliegenden Buch wird das Behandlungsprogramm Become your own SLEEPexpert (»Werde dein eigener SCHLAFexperte/deine eigene SCHLAFexpertin«) vorgestellt. Es zielt darauf ab, Patient*innen in die Lage zu versetzen, durch Verhaltensänderungen mehr Kontrolle über ihren Schlaf zu bekommen und ihre Schlafqualität zu verbessern. Es leitet Fachpersonen in den Bereichen Medizin, Psychologie, Pflege und benachbarten Gebieten praxisnah an, wie sie Patient*innen dabei strukturiert unterstützen können.

Das Behandlungsprogramm SLEEPexpert basiert auf der Kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I), deren Wirksamkeit vielfach belegt wurde und die gemäß aktuellen Behandlungsleitlinien die Therapie der ersten Wahl bei Insomnie ist (Riemann et al. 2023). Neu an SLEEPexpert ist, dass das Programm eine strukturierte Umsetzung der KVT-I für den klinischen Alltag darstellt – geeignet auch für Patient*innen mit begleitenden körperlichen oder psychischen Erkrankungen sowie für Behandlungssettings mit mehreren Therapiezielen und begrenzten Ressourcen (Schneider et al. 2020). Das Programm macht somit Elemente der KVT-I als bevorzugter Therapieform in angepasster Form auch für Patient*innen und Behandlungsteams im klinischen Alltag zugänglich, was bisher noch unzureichend implementiert und evaluiert wurde (Schneider et al. 2023). Es zielt darauf ab, Schlaf sowie damit verbundene Gesundheit zu verbessern und eine häufige Übermedikation mit Schlafmitteln zu reduzieren.

Das wichtigste Element des Buchs ist das Behandlungsmanual zu SLEEPexpert, das Schritt für Schritt durch die Anwendung führt – von der Indikationsstellung über die praktische Durchführung bis zu einer Diskussion schwieriger Therapiesituationen.

Vor diesem Behandlungsmanual werden Grundlagen zu Schlaf und Schlafregulation, zum Störungsbild Insomnie sowie zur KVT-I erläutert. Diese Einführung ermöglicht ein besseres Verständnis der Entwicklung und Ziele des Programms und ist wichtig für die Qualität der Behandlung.

MERKE

SLEEPexpert ist eine Anpassung der Kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) für den klinischen Alltag. Es versetzt medizinische Fachpersonen mit einem praxisnahen und strukturierten Behandlungsmanual in die Lage, Patient*innen darin zu unterstützen, ihren Schlaf selbst zu verbessern.

1 Einführung zum Thema Schlaf

Schlaf und insomnische Beschwerden beschäftigen viele Patient*innen. Sie werden im Gesundheitssystem sowie in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Oft ist dies mit Unsicherheit und problematischen Erwartungen verbunden. In den folgenden Abschnitten werden Grundlagen von Schlaf und Gesundheit vorgestellt, die für das Behandlungsprogramm SLEEPexpert wichtig sind.

1.1 Schlaf und Gesundheit

1.1.1 Schlaf und psychische Gesundheit

Schlaf und psychische Gesundheit stehen in einem Wechselspiel. Die klassische medizinische oder psychotherapeutische Sichtweise betont, dass insomnische Störungen ein Symptom einer psychischen Erkrankung sind. Dies beruht auf der allgegenwärtigen klinischen Beobachtung (und dem Ergebnis zahlreicher Studien), dass die große Mehrheit von Patient*innen mit psychischen Erkrankungen insomnische Störungen hat. Dabei treten Ein- und Durchschlafstörungen bei nahezu allen psychischen Erkrankungen auf (Baglioni et al. 2014). Entgegen anfänglichen Hoffnungen konnten umfangreiche Untersuchungen kein Schlafmuster identifizieren, das für eine Diagnose, zum Beispiel Depression, charakteristisch und somit für die Diagnosestellung oder Auswahl der Behandlung nützlich wäre. Tatsächlich können insomnische Beschwerden an eine Episode einer psychischen Erkrankung gebunden sein. Das heißt, sie können mit einer Krankheitsepisode beginnen und enden. In dieser Konstellation ist eine Behandlung der psychischen Erkrankung oftmals ausreichend. Eine weitergehende Diagnostik oder Behandlung einer solchen insomnischen Störung ist nicht notwendig.

Andere klinische Beobachtungen und zahlreiche Studien der letzten Jahre zeigen jedoch, dass es auch eine umgekehrte Beeinflussung gibt, nämlich dass eine chronische Insomnie das Risiko für psychische Erkrankungen erhöht, oft nicht vollständig zurückgeht und den Verlauf von psychischen Erkrankungen verschlechtert. Beispielsweise kann sie das Risiko, Jahre später an einer Depression zu erkranken, in etwa verdoppeln (Baglioni et al. 2011; Hertenstein et al. 2019).

Nun könnten diese klinischen Beobachtungen darauf beruhen, dass insomnische Störungen nur Ausdruck eines schweren Erkrankungsverlaufs sind, aber den Krankheitsverlauf nicht beeinflussen. Hier sind Arbeiten der letzten Jahre wichtig, die zeigen, dass deren Behandlung die psychische Gesundheit verbessern kann. Im Speziellen kann eine Kognitive Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) bei Patient*innen mit chronischer Insomnie nicht nur deren Schlaf verbessern, sondern auch das Risiko mindern, neu beispielsweise an einer Depression zu erkranken. Darüber lässt sich mit KVT-I als Zusatz zu einer Standardbehandlung bei Patient*innen, die bereits an einer psychischen Erkrankung, wie Depression, Angststörungen oder Alkoholabhängigkeit, leiden, nicht nur der Schlaf, sondern auch der Verlauf der psychischen Erkrankung verbessern (Hertenstein et al. 2022). Eine eigenständige Behandlung der Insomnie mit KVT-I kann also über Schlaf hinaus die psychische Gesundheit und Lebensqualität verbessern.

Die geschilderten Beobachtungen haben zu einer Änderung in den neuen Diagnosesystemen, wie DSM-5 (APA 2013, S. 5) und ICD-11 (WHO 2019), geführt. Das Krankheitsbild ist hier als insomnische Störung vom Symptom auf die Ebene der Diagnose gehoben worden. Dies betont, dass eine eigenständige Diagnostik und Therapie für eine insgesamt optimale Behandlung wichtig sind.

Die genauen Mechanismen des klinischen Zusammenhangs von Schlaf und psychischer Gesundheit sind nicht ausreichend bekannt. Diskutiert wird unter anderem, dass Schlaf mitbestimmt, wie Nervenzellen (Neurone) im Gehirn miteinander in Kontakt treten. Hier ist ein grundlegender Mechanismus, dass Verbindungen zwischen Nervenzellen (Synapsen), die für die Informationsübertragung im Gehirn wichtig sind, in ihrer Übertragungsstärke angepasst, also gestärkt oder geschwächt, werden. Diese sogenannte synaptische Plastizität gilt als Basis für Lernen und Gedächtnisbildung und allgemeiner als Voraussetzung für Anpassungsfähigkeit in der Umgebung. Schlaf scheint die Übertragungsstärke zwischen Nervenzellen zu beeinflussen, sodass informationstragende Synapsen gestärkt und andere geschwächt werden (Tononi & Cirelli 2006). Das führt zu einem verbesserten Signal-zu-Rausch-Verhältnis der Informationsübertragung im Gehirn und zur Möglichkeit, nachfolgend wieder neue Informationen aufzunehmen. Darüber hinaus scheint Schlaf für die »Reinigung« des Gehirns wichtig zu sein. Liquor cerebrospinalis (umgangssprachlich auch Gehirn- oder Nervenwasser) umspült das Gehirngewebe und trägt zum Abtransport von schädlichen Stoffwechselprodukten bei. Das Protein Beta-Amyloid ist ein bekannteres Beispiel für ein Abbauprodukt, das bei einer ungenügenden Zersetzung oder einem unzureichenden Abtransport Verbindungen (Plaques) bilden kann, die mit der Entwicklung der Alzheimer-Demenz in Verbindung gebracht werden. Die Reinigungsaktivität durch Nervenwasser ist im Schlaf deutlich ausgeprägter als im Wachzustand (Xie et al. 2013). Zusammenfassend könnten beispielsweise Störungen der synaptischen Plastizität oder der Reinigungsfunktion zu den klinisch beschriebenen Verbindungen von insomnischen Störungen und Problemen der Leistungsfähigkeit oder psychischen Gesundheit beitragen.

MERKE

Schlaf und psychische Gesundheit stehen in einem Wechselspiel. Die Behandlung von chronischer Insomnie mit KVT-I kann nicht nur den Schlaf, sondern auch die psychische Gesundheit verbessern.

1.1.2 Schlaf und körperliche Gesundheit

Schlaf steht auch in einem engen Wechselspiel mit körperlicher Gesundheit. Zahlreiche körperliche Erkrankungen, wie Schmerzsyndrome, Herz-Rhythmus-Störungen, neurologische Erkrankungen, können insomnische Symptome verursachen. Hier steht zunächst die Behandlung der auslösenden Erkrankung im Vordergrund. Umgekehrt können insomnische Störungen bereits vor einer körperlichen Erkrankung vorliegen oder, einmal ausgelöst, weiter bestehen. Hier ist der Fall ähnlich wie bei psychischen Erkrankungen gelagert: Chronische Insomnie stellt einen Risikofaktor für die Neuentstehung vieler Erkrankungen dar, zum Beispiel von kardiovaskulären Erkrankungen oder Bluthochdruck (Benz et al. 2023). Beim Vorliegen dieser Erkrankungen kann eine zusätzlich vorliegende Insomnie den Erkrankungsverlauf verschlechtern.

Bei zahlreichen Studien zum Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und körperlichen Folgeerkrankungen wurde eine Insomnie nicht klar diagnostisch abgeklärt. Vielmehr wurden hier isolierte Symptome wie Ein- oder Durchschlafstörungen als Risikofaktoren für eine körperliche Folgeerkrankung identifiziert (ebd.). Bei diesem Vorgehen bleibt unklar, ob wirklich eine Insomnie vorlag oder ob die untersuchten Patient*innen möglicherweise (auch) organisch bedingte Schlafstörungen wie ein Schlafapnoesyndrom aufwiesen. Es ist also fraglich, ob wirklich eine Insomnie für diese Zusammenhänge verantwortlich ist oder eher eine Schlafproblematik auf organischer Ebene. Inwieweit eine Behandlung der Insomnie nicht nur Schlaf, sondern auch den Verlauf von körperlichen Erkrankungen verbessen kann, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht ausreichend untersucht.

MERKE

Schlaf und körperliche Erkrankungen stehen in einem Wechselspiel. Chronische Insomnie ist mit einem erhöhten Risiko verknüpft, dass die betroffene Person verschiedene körperliche Erkrankungen entwickelt beziehungsweise einen schlechteren Erkrankungsverlauf aufweist. Es ist naheliegend, dass eine Behandlung und Linderung von insomnischen Störungen auch körperliche Erkrankungen verbessert. Dies ist allerdings erst aktuell Gegenstand größerer Untersuchungen.

1.2 Schlafregulation und -bedarf

Im Folgenden werden Grundlagen zur Schlafregulation und zum Schlafbedarf vorgestellt, die für ein Verständnis der Entwicklung des Programms SLEEPexpert und für die Therapieplanung mit Patient*innen unmittelbar wichtig sind.

1.2.1 Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation

Schlaf wird im Wesentlichen durch zwei Prozesse reguliert: einen vom Schlaf-Wach-Verhalten abhängigen (S) und einen circadianen (C), sprich: tagesrhythmischen (→ Abb. 1.1). Kurz gesagt ist ein ausreichender Aufbau von Schlafdruck notwendig, um einschlafen zu können (Prozess S). Dies wird durch ein am späten Abend nachlassendes tagesrhythmisch bestimmtes Wachsignal begünstigt (Nachlassen der abendlichen Wacherhaltungsphase). Umgekehrt sorgt gegen Ende der Nacht und am frühen Morgen ein tagesrhythmisch bedingtes Schlafsignal für einen längeren Schlaf (Schlaferhaltungsphase). Ein gesunder Schlaf ergibt sich aus dem Zusammenspiel der beiden Prozesse mit ausreichendem Schlafdruck und einer geeigneten tagesrhythmischen (circadianen) Phase.

Abb. 1.1: Zwei-Prozess-Modell der Schlafregulation.

Prozess S

Der vom Schlaf-Wach-Verhalten abhängige Prozess S ist der stärkste und auch für das spätere Behandlungsprogramm wichtigste. Es handelt sich um einen grundlegenden physiologischen (homöostatischen) Prozess, der bei allen Menschen (und Tieren) abläuft. Bei langen Wachphasen steigt der Schlafdruck so stark an, dass schließlich zuverlässig Schlaf folgt.

Ein ausreichender Schlafdruck ist also notwendig für Schlaf. Diesen Schlafdruck kann man sich wie eine Welle vorstellen, die für Surfer*innen unerlässlich ist, um zu surfen. Dieses Bild wird später im Behandlungsmanual aufgegriffen und weiter ausgeführt (→Seite 60 ff.).

Die molekularen Grundlagen für Schlafdruck sind nicht vollständig bekannt. Wichtig scheint (vermutlich neben anderen Faktoren) ein Anstieg des Botenstoffs Adenosin mit zunehmender Wachdauer, der über eine Bindung an Adenosin-Bindungsstellen (Rezeptoren) Schlaf fördert. Koffein wiederum mindert die Wirkung von Adenosin (Adenosin-Rezeptorantagonist) und fördert somit Wachheit. Andere diskutierte Mechanismen schließen den beschriebenen Anstieg der Stärke der Verbindungen zwischen Nervenzellen (synaptische Gesamtstärke) ein, der zu Schlafdruck auf Verhaltensebene beitragen könnte.

Prozess C

Neben dem geschilderten vom Schlaf-Wach-Verhalten abhängigen Prozess wird Schlaf durch einen tageszeitlichen (circadianen) Prozess gesteuert. Die Bezeichnung circadian leitet sich vom lateinischen circa dies ab, was »ungefähr eine Tageslänge« bedeutet, also 24 Stunden. Es handelt sich hier um einen tagesrhythmischen Prozess, der bei allen Lebewesen zu finden ist und der eine Anpassung an den Tag-Nacht-Rhythmus der Erde darstellt.



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