Instrumente und Techniken der Internen Kommunikation - Band 2 -  - E-Book

Instrumente und Techniken der Internen Kommunikation - Band 2 E-Book

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Beschreibung

Die Interne Kommunikation hat sich seit der Veröffentlichung des ersten Sammelbands "Instrumente und Techniken der Internen Kommunikation - Trends, Nutzen und Wirklichkeit" im Jahr 2008 zwar nicht grundsätzlich verändert, jedoch bieten sich durch den Einfluss digitaler Medien erweiterte Möglichkeiten. Um diesem Wandel Rechnung zu tragen, erscheint nun ein zweiter Band, der sowohl klassische als auch neue interne Kommunikationskanäle sowie neue Möglichkeiten des Medienmixes in den Fokus nimmt. Praktiker aus Unternehmen und Kommunikationsexperten aus Agenturen stellen Instrumente vor, die sich in der täglichen Arbeit bewährt haben. Dieser Bereich wird ergänzt mit dem Aspekt des Wandels der Methoden in der Internen Kommunikation.

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Lars Dörfel (Hrsg.)

Instrumente und Techniken derInternen Kommunikation

Instrumente zielgerichtet einsetzen,Dialoge erfolgreich managen

Band 2

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung der scm c/o prismus GmbH unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische(n) Systeme(n).

Weichselstraße 6

10247 Berlin

Tel. 030 47989789

Fax 030 47989800

www.scmonline.de

twitter.com/scm_online

Redaktion: Nicole Gatz und Theresa Schulz

Lektorat: Bernd Stadelmann

Satz und Layout: Jens Guischard

Covergestaltung: Marcus Strenk

Coverbild: iStockphoto Nr. 19444711 © mecaleha

Alle Rechte vorbehalten.

© scm c/o prismus communications GmbH, Berlin 2013

1. Auflage E-Book Dezember 2013

ISBN 978-3-940543-34-9

Vorwort

Liebe Leserinnen,

liebe Leser,

„Interne Kommunikation erfolgt nicht zum Selbstzweck.“ Diesen Satz habe ich im Jahr 2008 dem Sammelband „Instrumente und Techniken der Internen Kommunikation – Trends, Nutzen, Wirklichkeit“ vorangestellt. Eine Erkenntnis, die auch 2013 nicht an Gewicht verloren hat. Interne Kommunikation trägt heute mehr denn je zum Erfolg eines Unternehmens bei. In Zeiten, die von schnellem Wandel geprägt sind, von veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und einer Arbeitswelt, die permanent in Bewegung ist, fühlen sich viele Mitarbeiter schlecht informiert und häufig orientierungslos. Jedoch kann nur ein gut informierter Mitarbeiter den Wert seiner Arbeit und was diese zum Gesamtergebnis beiträgt, wirklich erkennen. Er ist zufriedener, loyaler, produktiver und kann seine Rolle als Markenbotschafter im Sinne des Unternehmens deutlich besser wahrnehmen – in der Familie und im Freundeskreis ebenso wie in den sozialen Netzwerken oder im Umgang mit Medienvertretern. Mitarbeiter, die die Ziele, Strategien und Entscheidungen der Geschäftsführung verstehen und die wissen, wo sie die geeigneten Informationen für ihre Aufgaben finden, spielen für den Erfolg einer Organisation eine bedeutende Rolle. Der Internen Kommunikation fällt somit die bedeutsame Aufgabe zu, die Botschaften des Managements verständlich und zum richtigen Zeitpunkt an die Mitarbeiter zu kommunizieren, aber auch zwischen den verschiedenen Hierarchien und Bezugsgruppen zu moderieren und die Informations- und Wissensströme über sämtliche Grenzen hinweg in Bewegung zu halten und zu lenken. Offener Dialog und Informationsaustausch sind in der modernen Unternehmenswelt gefragt, die klassische Top-Down-Kommunikation wird als Einbahnstraße wahrgenommen und gilt längst nicht mehr als zeitgemäß.

Offenheit also, Transparenz, Ideen- und Informationsbildung – darum geht es. Der Internen Kommunikation steht dazu heute ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung, aus dem die Verantwortlichen je nach Kultur, Unternehmensgröße, Anlass und Botschaft sowie finanziellen und personellen Ressourcen das jeweils passende auswählen können. Das Medienportfolio hat sich deutlich erweitert und auch die sich wandelnden Lese- und Informationsgewohnheiten müssen interne Kommunikationsmanager in ihrer Ansprache und Instrumentenwahl heute berücksichtigen, um erfolgreich zu sein. Zwar hat sich die Interne Kommunikation seit dem Erscheinen des ersten Bandes von „Instrumente und Techniken“ nicht grundsätzlich verändert, jedoch bieten sich durch den Einfluss digitaler Medien neue, erweiterte Möglichkeiten zur Kommunikation im Unternehmen. Diesem Wandel soll nun dieser zweite Band Rechnung tragen. Natürlich finden sich in den Beiträgen auch Artikel zu bewährten Medien oder Instrumenten, die 2008 bereits von anderen Autoren vorgestellt wurden, jedoch in der Zwischenzeit nicht an Relevanz verloren haben. Der Schwerpunkt liegt dennoch deutlich auf den neueren Tools und Herangehensweisen. So wird beispielsweise erläutert, wie Sie Mitarbeiter durch strategisches Storytelling zur Nutzung von Social Software motivieren, wie man die klassische Mitarbeiterzeitschrift um interaktive Elemente erweitern kann oder über den Moderierten Chat Echzeitdialoge mit dem Management gelingen können. In diesem Sammelband findet aber auch die persönliche Kommunikation ihren Raum und steht neben Beiträgen zu Wikis, Großgruppenkonferenzen in Change-Projekten, Employer Branding oder dem Themenkomplex von Enterprise Social Networks.

„Instrumente und Techniken der Internen Kommunikation – Instrumente zielgerichtet einsetzen, Dialoge erfolgreich managen“ bietet neben fundierten theoretischen Beiträgen eine Vielzahl erfolgreicher Beispiele aus der Unternehmenspraxis. Die Autoren und ich würden uns freuen, Ihnen mit dem vorliegenden Sammelband Inspiration und mögliche erste Bausteine für die Anwendung bestimmter Medien und Methoden in Ihren Organisationen bieten zu können, um so zur Verbesserung der Internen Kommunikation und zur weiteren Professionalisierung der Disziplin beizutragen.

Ihr Lars Dörfel

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

KAPITEL 1 | Methoden und Medien im Wandel

1.1

Schöne Geschichte

 

Lutz Zimmermann

1.2

Kill your ideals: Mythos und Wahrheit in der internen Kommunikation

 

Jeanette Wygoda

1.3

Partizipation im Intranet

 

Dr. Georg Kolb

1.4

Strategisches Storytelling in der Internen Kommunikation 2.0: Wie Sie Ihre Mitarbeiter zur Nutzung von Social Software motivieren

 

Jan Eisenkrein

1.5

Eine Bank zieht um – Ein integriertes Kommunikationskonzept

 

Janine Krönung

1.6

Employer Branding - was hat das mit Interner Kommunikation zu tun?

 

Ariana Fischer, Anja Kaup, Dr. Matthias Wagner

1.7

Change Branding – interne Kommunikation als Schlüssel zur erfolgreichen Markenimplementierung

 

Michael Rösch

KAPITEL 2 | Der erfolgreiche Instrumentenmix

2.1

Von der internen zur integrierten Kommunikation – Erfolgreicher Instrumentenmix und Internal Consulting

 

Janine Krönung und Eliza Manolagas

KAPITEL 3 | Instrumente im Fokus

3.1

Es gilt das gesprochene Wort – Rezepturen für eine effektive persönliche Kommunikation in der Mitarbeiter- und Führungskommunikation

 

Guido Heitmann und Julia Jonas

3.2

Change als Chance – Großgruppenkonferenzen und ihr Potential für die Interne Kommunikation

 

Dr. Guido Wolf

3.3

Das Medium ist die Nachricht: Passen Printmedien noch in unsere Zeit?

 

Dr. Gerhard Vilsmeier

3.4

Mitarbeiter möchten mitmachen – Beteiligungsformate in der Internen Kommunikation

 

Werner Idstein

3.5

Die Mitarbeiterzeitschrift im Web 2.0-Zeitalter am Beispiel „you and me“ der Deutschen Telekom

 

Christof Hafkemeyer

3.6

Das Online-Magazin der Automotive Group der Continental AG

 

Dr. Anne-Kathrin Bräu, Helga Diekemper und Kerstin Forbes Martinez

3.7

Social Intranet in Theorie und Praxis

 

Thomas Held und Sven Lindenhahn

3.8

Enterprise Social Networks als moderne interne Kommunikationslösung in Unternehmen

 

Jan Marquardt

3.9

Many-to-One – Ein zukunftsweisender Trend für die Interne Kommunikation

 

Alexander Puschkin

3.10

Der Moderierte Chat – Echtzeit-Dialog zwischen Top-Management und Mitarbeitern

 

Pit Hansing

3.11

Die Geschichte des Microblogging

 

Jan Pötzscher

3.12

Daimler CIO Blog

 

Sandra Schmid

3.13

Daimlers Personal Blog – Mitmachen ausdrücklich erwünscht

 

Nicole Kicherer

3.14

Corporate TV: Mitarbeiter mit bewegten Bildern erreichen

 

Florian Amberg

3.15

Wie eine Wikifram laufen lernte...

 

Helmut Sins

Anhang/Stichwortverzeichnis

Kapitel 1

Methoden und Medien im Wandel

1.1 Schöne Geschichte

Von Lutz Zimmermann

Die Medienwelt spielt verrückt, und die Unternehmenswelt tut es auch. Ein regelrechter Wettlauf findet statt. Wer ist schneller im neuen sozialen Netzwerk vertreten, wer hat schneller eine neue App, wer hat schneller auf digital umgestellt? Dass sich nicht nur die Kanäle, sondern viel dringender die Inhalte ändern müssen, wird dabei übersehen.

Das umstürzende Tempo, in dem sich der Medienwandel vollzieht, scheint uns alle zu überfordern. Im Monatsrhythmus hört man Rufe der Empörung und des bitteren Erstaunens, wenn wieder ein bekannter Verlag einen Titel einstellt, sich von populären Blättern trennt, wenn Redaktionen fusionieren oder eine traditionsreiche Publikation nur noch online erscheint. Jedes Mal wird das als kleiner Untergang, als Anfang vom Ende empfunden. Es ist nicht zu übersehen: Die Aufregung in der kommerziellen Medienwelt und die Unsicherheit über das richtige Geschäftsmodell für morgen sind grenzenlos. Weil niemand weiß, welches Medium in Zukunft noch gelesen, gesehen und gehört wird. Niemand weiß, wie lang die Halbwertzeit von Facebook wirklich ist und ob nicht übermorgen eine neue Idee die Medienwelt überschwemmt.

Diese offenen Fragen beschränken sich schon lange nicht mehr auf Verlage, Fernsehsender, Software- und Internet-Firmen, soziale Netzwerke und andere mediale Dienstleister im weitesten Sinne. Sie haben längst auch alle Unternehmen erreicht, die Wert auf professionelle Kommunikation mit ihren Stakeholdern legen. Auch viele dieser Unternehmen wissen einfach nicht mehr, was richtig und wichtig ist. Sie sehen, dass die Frankfurter Rundschau stirbt und fragen sich, ob ihre eigenen Publikationen noch der richtige Weg hin zu ihren Zielgruppen sind. Sie hören von Millionen Apps und fragen sich, ob sie nicht auch eine brauchen. Und dann entern sie sämtliche sozialen Netzwerke und bündeln alles in einem „Newsroom“ in der Hoffnung, auf diese Weise die unübersehbare Flut an Inhalten endlich in den Griff zu bekommen.

Print oder Digital, App oder browsergestützt – das sind Fragen, um die sich alles dreht. Das Problem dabei: Hinter diesen Fragen stehen sehr viel wichtigere Fragen, die leider oft unbeachtet bleiben. Nämlich: Wie können wir für unsere Themen in dieser so unglaublich schnellen und unaufmerksamen Welt noch Aufmerksamkeit gewinnen? Wie können wir – zum Beispiel beiunseren Mitarbeitern – noch Interesse, Begeisterung, Leidenschaft erzeugen, kurz das, was der englische Begriff „engagement“ viel besser umschreibt als jedes deutsche Wort. Dass sie sagen: „Ja, das will ich machen oder wissen, das ist relevant für mich, damit beschäftige ich mich jetzt.“ Print oder Digital, App oder browsergestützt – das sind natürlich Fragen, die beantwortet werden müssen. Aber sie lösen nicht das eigentliche Problem, dass nämlich auch den Unternehmen immer weniger zugehört wird. Und das liegt in den seltensten Fällen am Kommunikationsinstrument, sondern an der Aufbereitung der Inhalte.

Wie bringt man ein Thema am besten an den Mann? Wie transportiert man eine Unternehmensbotschaft am wirksamsten? Die einfachste Antwort auf diese Frage lautet: indem man sich am Adressaten orientiert. Das heißt nicht, dass man genau das kommuniziert, was der gerade hören will. Aber man sollte es doch so kommunizieren, dass er seine Sinne schärft. Es bedarf keiner Studie, um festzustellen, dass das viele Unternehmen nicht tun. Sie blicken stattdessen nur auf sich selbst und ihre Kommunikationsziele: Was wollen sie sagen, wie wollen sie wahrgenommen werden, was ist ihnen am wichtigsten, wem möchten sie eins auswischen, was wollen sie verbrämen, was soll mit ihnen verbunden werden, was wollen sie über sich lesen usw. Es ist eine selbstreferenzielle Art der Kommunikation, die in dem Maße zunimmt, in dem sich der Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Meinungsbildung verschärft. Und je weniger Zeit bleibt, desto plumper ist die Botschaft.

Wie bringt man ein Thema am besten an den Mann? Wie transportiert man eine Unternehmensbotschaft am wirksamsten? Die Antwort auf diese Fragen führt uns zurück zu den kommerziellen Medien und zum Wandel, den diese Produkte parallel zum Wandel der Gesellschaft durchlaufen. Denn wenn sich renommierte Titel wie die „FAZ“ oder der „Spiegel“ immer wieder Relaunches unterziehen, dann tun sie das nicht, weil sie innovativ sind, sondern weil sie auf die veränderten Lesegewohnheiten der Menschen reagieren. Anders ausgedrückt: Sie richten sich an ihren Adressaten aus.

Die wohl berühmteste Spiegel-Story aller Zeiten – „Bedingt abwehrbereit“ –, die zur Spiegel-Affäre führte, hätte heute in der damals präsentierten Form in keinem Blatt der Republik eine Chance auf Abdruck. Sie wäre schlicht zu lang. Sie zog sich im Jahr 1962 über fast 20 Magazinseiten hin und bot dem Leser eine aus heutiger Sicht unzumutbare Bleiwüste, unterbrochen nur von wenigen Porträtfotos. Damals erwarteten die Leser vom „Sturmgeschütz der Demokratie“, als das sich der „Spiegel“ selbst bezeichnete, genau diese ausführliche, detailgenaue Berichterstattung. Dass es das heute nicht mehr gibt, hat vielleicht auch ein wenig damit zu tun, dass das Sturmgeschütz rostet. Aber in erster Linie hat es damit zu tun, dass es für den „Spiegel“ von vor 50 Jahren heute einfach keine Leser mehr gibt.

Der „Spiegel“ und viele andere Medien auch haben sich deshalb gewandelt; und das Internet und die sozialen Medien haben den Wandlungsprozess beschleunigt. Diesen Entwicklungen auf den Grund zu gehen, hilft auch Unternehmen, die sich immer schwerer tun, ihre Botschaften zu vermitteln und „engagement“ zu schaffen.

Man frage die Adressaten und man bekommt drei Antworten.

1. Zeig’s mir!

Was passiert eigentlich im Internet und in den sozialen Medien? Die Menschen vernetzen sich, sie kommunizieren miteinander, sie nehmen teil. Ja, richtig. Aber was machen sie da? Mit was beschäftigen sie sich? Was zum Beispiel twittern und liken sie? Die Antwort führt in den meisten Fällen hin zu einem Foto oder einem Video, einem Comic, einer Grafik, einer Bildergalerie. Beispiel: Barack Obama umarmt seine Frau, Text des Tweets: „Four more years.“ Alles inszeniert, und doch: Niemals hatte ein Tweet mehr Retweets, binnen Tagesfrist ging er millionenfach um die Welt. Das „Handelsblatt“ schrieb, der Tweet sei symbolhaft für einen vollkommen inhaltsleeren Wahlkampf. Das mag sein, aber so ist es heute: Nicht Content ist King, sondern die Inszenierung von Content, und zu der gehört ein starkes Bild.

Früher reichte die starke Nachricht für Aufmerksamkeit, und ein Bild dokumentierte die Nachricht. Heute werden Fotos oder Clips zu Nachrichten. Und jeder Redaktion ist klar: Gibt’s kein Bild zur News, ist die News nur die Hälfte wert. So mögen auch die Berater des US-Präsidenten gedacht haben, als sie mit der Nachricht vom Tod Osama bin Ladens auch jenes eine, inzwischen legendäre Foto aus dem Situation Room um die Welt schickten. Wahrscheinlich gibt es kaum eine Tageszeitung auf der Welt, die es nicht gezeigt hat. Es ist in Feuilletons besprochen und von Psychologen analysiert worden. Sitzordnung, Gesichter, Bekleidung und Gesten – ein Foto wie ein Buch. Wer immer heute über den Tod des einstigen Al- Qaida-Chefs spricht, er wird das Bild des Situation Rooms vor Augen haben. Das Foto sorgt dafür, dass auch künftig jeder weiß, welcher amerikanische Präsident es war, der Osama bin Laden zur Strecke brachte. Die Nachricht war bedeutsam, aber erst die brillante Inszenierung verschaffte ihr einen dauerhaften Rang.

Abbildung 1 | Das Bild zur News: Mit der Nachricht vom Tod Osama Bin Ladens ging dieses Bild aus dem so genannten „Situation Room“ im Weißen Haus um die Welt.

Es gibt unzählige Beispiele dafür, wie die Traditionsmedien auf den Vormarsch des Bildes und des bewegten Bildes im Internet und in den sozialen Medien reagieren. Umgestellt haben sich die Fotoreporter von „Bild“, völlig neu ist das Foto auf der ersten Seite der „FAZ“, und Magazin-Neuerfindungen wie „Picture“ oder „View“, die das Verhältnis von Story und Bild komplett gedreht haben, hätte es ohne diese Entwicklung nicht gegeben. Hier zählt nur das Foto, und ein kurzer Text erzählt allenfalls noch, was sich dahinter verbirgt. Interessant ist auch die schleichende Entwicklung von bild.de hin zu einem Foto- und Video-Portal. Oft sind es nur noch Textschnipsel, die da geboten werden, die Homepage gleicht längst einer Bildergalerie.

In vielen Unternehmensmedien allerdings ist die wachsende Bedeutung von Bild und Bewegtbild noch nicht angekommen – am wenigsten in den internen. Manager reagieren genervt, wenn sie fotografiert werden sollen, Foto-Budgets existieren oft nicht, und die beiläufige Frage: „Haben wir Bilder?“ ist so unwichtig wie sie gestellt wird: Wenn nicht, dann eben nicht. Es wird viel Zeit auf die Formulierung der neuen CSR-Strategie verwendet. Doch wenn es daran geht, diese Strategie „zu zeigen“, herrscht Ratlosigkeit. So etwas wie ein Foto-Konzept gibt es natürlich in jedem Unternehmen. Es ist Bestandteil des Corporate Designs. Aber ein solches Fotokonzept hat nichts mit der Inszenierung von Geschichten zu tun, es hilft nicht bei der Motivsuche und in vielen Fällen taugt es ohnehin nur für Marketing-Publikationen, aber nicht für Kunden- oder Mitarbeitermedien. Zudem bleibt bei den meisten dieser Fotokonzepte ein anderer Trend unberücksichtigt, der vom Internet und den sozialen Medien befördert wird: der Trend hin zur Momentaufnahme, zum authentischen und nicht ganz so perfekten Bild, das viel glaubwürdiger daherkommt als das x-mal mit Photoshop perfektionierte.

Diejenigen, die wir heute mit internen Medien erreichen wollen, die rufen „Zeig’s mir“. Sie senden und empfangen täglich Fotos und Videos und sie werden aufmerksam, wenn ihr Unternehmen es genauso macht. Will ein Mitarbeiter-Medium Wirkung erzielen – egal ob Print oder Digital – dann muss dieses Bedürfnis bedient werden. Dazu braucht es neben Redaktionskonferenzen auch Bildkonferenzen, in denen darüber nachgedacht wird, wie Stories im Bild inszeniert werden können. Zwingend – und viel wichtiger als jede App – ist ein Fotobudget und die Bereitschaft, für die Inszenierung von Stories auch professionelle Fotografen zu engagieren. Ein ganz einfacher Weg ist zudem, den Mitarbeitern selbst Platz für ihre Fotos in den Unternehmensmedien einzuräumen. Wetten, dass keine Seite der nächsten Ausgabe des Mitarbeitermagazins intensiver „gelesen“ wird als diese?

2. Berühr’ mich!

Eine zweite interessante Entwicklung, die mit dem Siegeszug von Internet und sozialen Medien einherging, könnte man mit der „Vermenschlichung“ der Medien beschreiben.

Früher hieß es: „Das stand in der Zeitung“, und damit war es Fakt, war Tatsache, war unumstößliche Gewissheit. Heute aber sind Zeitungen – die meisten jedenfalls – keine Instanz mehr. Es gibt neue Instanzen, mindestens jedoch neue Bezugsgrößen: Freunde und Bekannte, Freunde von Freunden und oftmals einfach nur irgendwer, der im Internet seine Meinung zu einem Hotel kundtut, seine Reiseerlebnisse veröffentlicht oder einen Kommentar abgibt. Das Internet und die sozialen Medien rücken den Menschen und das Menschliche in den Fokus. Das Individuum, das persönlich angesprochen wird und sich selbst mitteilt, gewinnt an Bedeutung – und der Mensch, der wirkliche Mensch im Zentrum realer Geschichten auch.

Auch diesen digitalen Trend haben die kommerziellen Medien längst aufgenommen. Sowohl im Boulevard als auch in vielen TV-Formaten ist das Ergebnis zu sehen: Unzählige Storys über Menschen, die reisen, Häuser bauen, auswandern, heiraten, sich trennen, aussteigen, das Abenteuer suchen oder eine Krankheit bekämpfen. Man kann über diese Sendungen und Reportagen lange streiten. Aber sie befolgen eine einfache Weisheit:

Abbildung 2 | Das Konzept konsequent zu Ende gedacht: Titel des Kölner Magazins „Mensch“

Die Story über jemanden, der den Krebs besiegt (oder den Kampf verliert), ist viel packender als eine über den Krebs an sich. Zahlreiche Illustrierte mutierten in den letzten Jahren deshalb zu reinen People-Magazinen und immer neue Titel dieses Genres suchen ihr Glück auf dem Markt – wobei anzumerken wäre, dass die meisten dieser Magazine zu ca. 75 Prozent aus Bildern bestehen!

Im Fernsehen ist der gleiche Trend zu beobachten. Illustratives Beispiel ist eine Sendung wie „Das perfekte Dinner“ auf VOX, das der einfachen Überzeugung folgt: Eine Kochsendung ist gut. Besser ist, die Geschichte zu erzählen, wie sich fünf Menschen gegenseitig bekochen.

Geschichten sind immer dann stark, wenn sie die Geschichte eines Menschen erzählen oder zumindest einen kleinen Ausschnitt seiner Geschichte. Kommerzielle Medien befolgen dieses Gesetz immer unmittelbarer. Es wird Zeit, dass man auch in der Unternehmenskommunikation mehr Phantasie entwickelt und für die eigenen Botschaften passende Geschichten sucht; dass man für diese Geschichten die passenden Protagonisten findet und deren Geschichte emotional in Wort und Bild inszeniert. Denn die Mitarbeiter, die wir erreichen wollen, sie rufen: „Berühr’ mich!“ Sie sind es aus ihren sozialen Netzwerken, dem Internet, dem Fernsehen und vielen Print-Medien gewohnt, berührt zu werden. Sie erwarten es also. Und das gilt für jedermann und nicht nur für die, die mit Internet und Social Media aufgewachsen sind.

„Storytelling“ ist in diesem Zusammenhang ein Begriff, der seit einiger Zeit in der Unternehmenskommunikation die Runde macht. Es lohnt nicht, die entsprechenden Diskussionen zu verfolgen oder die Fachbeiträge zu lesen. Es genügt, einfach Geschichten zu erzählen, in denen richtige Menschen vorkommen. Es genügt, nie wieder eine Meldung über ein Unternehmensprojekt zu schreiben, das gerade gestartet oder abgeschlossen wurde. Stattdessen: Schreiben Sie die Geschichte über den Leiter des Projekts, menschlich und nah.

3. Hol’ mich ab!

Mit einem Klick ans Ende der Welt – sieben Worte beschreiben, was noch vor 25 Jahren unmöglich schien. Die Welt sei kleiner geworden mit dem Internet, heißt es. Sie drehe sich schneller, die Menschen kämen sich jetzt viel leichter viel näher. Das Internet sprengt Grenzen und die sozialen Medien tun das ihre, damit Beziehungen über Kontinente hinweg aufgebaut und gepflegt werden.

Alles richtig. Und das Gegenteil stimmt auch.

Denn das Internet und auch die sozialen Medien sorgen für eine Rückbesinnung auf das Unmittelbare. Der Kiez ist wieder in und wird gepflegt. Im Internet ist eine neue Form des Journalismus entstanden, der sich „hyperlokal“ nennt und einzelne Straßenzüge von Stadtteilen in den Fokus nimmt. In fast jeder größeren Stadt, aber auch in ländlichen Regionen gibt es diesen „alternativen Lokal- und Regionaljournalismus“ mittlerweile. Er öffnet die kleine Welt der Stadt oder des Stadtteils und die kulturellen Eigenheiten des Landstrichs. Und er berichtet nicht über Tempo-30-Zonen und Schützenfeste, sondern sucht sich interessante Menschen auf der Straße und lässt sie erzählen, was sie bewegt.

Abbildung 3 | ZOOMBERLIN ist ein Hyperlokal-Projekt, das die Berliner Oranienstraße in den Fokus nimmt.

Diese Wiederentdeckung des Unmittelbaren, Lokalen und Regionalen – parallel zur digitalen Eroberung der Welt – hat längst auch wunderbare Print-Magazine hervorgebracht. In ganz Deutschland treten Titel wie z.B. „Muh“, das Heimatmagazin des 21. Jahrhunderts, den Beweis an, dass die besten Geschichten vor der Haustür liegen.

Dieses Phänomen hat sehr viel mit Unternehmenskommunikation zu tun. In der gibt es leider meist nur einen „Lokal-Teil“, den selbstreferenziellen aus der Zentrale. Er hat die falsche Perspektive, mehr denn je. Grund: Unternehmen aller Branchen haben ihre Mitarbeiter in den vergangenen beiden Dekaden durch unzählige Veränderungsprozesse getrieben. Nach vielen Restrukturierungen, Strategiewechseln, Fusionen und Integrationen, Abspaltungen und Re-Engineerings ist vielerorts nur ein kultureller Trümmerhaufen zurückgeblieben. Die echte Bindung an das Unternehmen, wie es sie einmal gab, ist eine seltene Erscheinung geworden. Was Menschen aber noch bindet, ist das Unmittelbare, das Nahe, das eigene Team, der eigene Standort, das direkte Umfeld. Hier erlebt man noch „engagement“. Hier findet man den Funken Identifikation, den man entfachen kann. Wer seine Mitarbeiter also wirklich erreichen und packen will, der sollte nicht in den Projekten der Zentrale nach Geschichten suchen, sondern vor Ort, im Werk oder im Vertriebsgebiet. Hier liegen die Geschichten, die erzählt werden müssen.

Natürlich geht es nicht darum, einfach nur gute Geschichten zu erzählen. Interne Medien sind schließlich kein Selbstzweck. Sie dienen vielmehr der Unternehmensführung, sie sollen Strategien und Haltungen vermitteln, aufklären und Hintergründe liefern. Die Kunst dabei ist, das aus der Perspektive der Adressaten zu tun. Man kann eine Strategie von einem Vorstand erklären lassen, man kann sie aber auch am Beispiel eines Standortes erklären. Es ist die Kunst der internen Medien, die relevanten Themen mit den Menschen vor Ort zu verbinden, den dort glühenden Funken für die Geschichte zu nutzen. Dann hören und schauen auch alle zu.

Bilder sprechen lassen, über Menschen berichten und vor Ort sein – das sind die eigentlichen Lehren, die man aus dem Vormarsch von Internet und sozialen Medien für die Unternehmenskommunikation ziehen kann. Es sind die Lehren, die auch die kommerzielle Medienwelt zieht, die sich an ihren Lesern, Nutzern und Zuschauern orientiert und täglich um Aufmerksamkeit kämpft.

Lutz Zimmermannist Gründer und Geschäftsführer von Zimmermann Editorial, einem Corporate Publishing-Dienstleister in Köln.

Nach der Ausbildung an der Journalistenschule des Axel Springer Verlags schrieb Lutz Zimmermann als Redakteur und Reporter für diverse Titel, u. a. für WELT und WELT am Sonntag. Später entwickelte und produzierte er Magazine und Sonderpublikationen, u. a. für den Axel Springer Verlag, Heinrich Bauer Verlag und Jahr-Verlag.

Als Geschäftsführer und Partner der Kommunikationsberatung Deekeling Arndt Advisors entwickelte Lutz Zimmermann mehr als zehn Jahre lang Medien- und Kommunikationsstrategien, Positionierungs- und Profilierungskonzepte für Unternehmen und ihr Management und konzipierte und realisierte Medien für die interne und externe Kommunikation. Im Jahr 2011 gründete er – als SpinOff von Deekeling Arndt Advisors – Zimmermann Editorial.

1.2 Kill your ideals: Mythos und Wahrheit in der internen Kommunikation

Von Jeanette Wygoda

Sind tradierte Leitlinien eherne Gesetze? Oder entpuppen sie sich bei näherem Hinsehen als fragwürdige Mythen? Eine gedruckte Mitarbeiterzeitschrift ist die Basis jeder guten internen Kommunikation. Und heute wünschen sich die Mitarbeiter nichts anderes als Social Media. Eine interne Kommunikation muss wandelbar sein, wenn sie Erfolg bei ihren Zielgruppen haben soll. Das Beispiel von Gruner + Jahr zeigt, wie eine mediale Transformation erfolgreich gelingen kann.

1. Blick zurück nach vorn

Interne Kommunikation entstand beim Druck- und Verlagshaus Gruner + Jahr AG vor mehr als 40 Jahren. 1971 erschien die erste Ausgabe der wöchentlichen Mitarbeiterzeitung „Zeitschriften Intern“. Später wurde „ZI“ zu einem grün-weißen Leporello unter dem Titel „Der Grüne Dienst“. Der Erscheinungstag der Mitarbeiterzeitung wurde damit auch zu dem „Kommunikationstag“. Die Neueinführung von Zeitschriften, Beförderungen oder andere wichtige Ereignisse fanden somit nach Möglichkeit immer an einem Donnerstag statt, damit „Der Grüne Dienst“ aktuell und als Erster darüber berichten konnte. Dass ein Zeitschriftenhaus mit seinen Mitarbeitern über ein gedrucktes Medium kommunizierte, verstand sich auch nach der Verbreitung des Internets von selbst. Das gedruckte Wort war Teil der Identität des Unternehmens.

Obwohl bereits 1998 die wichtigen Marken von Gruner + Jahr wie STERN.de oder BRIGITTE.de erfolgreich im Netz gestartet waren, wurde intern immer noch weiter gedruckt kommuniziert. Erst 2004 entwickelte die verantwortliche Redakteurin der Mitarbeiterzeitschrift in Zusammenarbeit mit der IT einen ersten Online-Newsbereich auf der Startseite des Intranets. Die Integration von Inhalten der Mitarbeiterkommunikation auf der internen Homepage kam damals einem Kulturwandel gleich: Die IT sah das Intranet zu diesem Zeitpunkt noch als ureigene Domäne an, als technischen Service, den man dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern zur Verfügung stellte. Mit der Integration eines News-Bereichs wurden die Fronten durchlässiger: Das Intranet hatte nun viele Väter und Mütter. Erste Schritte zu einer Aneignung der technischen Kommunikationsmittel durch mehrere Stakeholder im Unternehmen waren getan.

2007 erfolgte die Einführung eines neuen Intranets mit einem Content Management System, das als Eigenentwicklung passgenau auf die Kommunikationsbedürfnisse von Gruner + Jahr zugeschnitten wurde: Bildstark, journalistisch geprägt und dezentral bespielbar. Herzstück ist eine News-Datenbank, die ein Ausspielen der Nachrichten auf unterschiedlichen Seiten und Templates erlaubt. Effizienter Kommunikations- und Publizierungsworkflow waren bereits während der Entwicklung eine Leitlinie. Eine weitere Besonderheit stellt auch das modulare Layout der Startseite dar. Über eine Vielzahl von Layoutvorlagen kann die Optik der Startseite täglich der Nachrichten- und Bildlage angepasst werden.

Der crossmediale Workflow, der mit der neuen Plattform entstand, sah auf der Startseite den Newsbereich als dominierendem Element vor. Die Redaktion der Internen Medien entscheidet täglich, wo welche Inhalte in welchem Format publiziert werden sollten. Nachrichtliche Schwerpunkte fanden im Intranet statt, Hintergrundinformationen, Interviews, Personality-Stories zu Mitarbeitern hingegen im „Grünen Dienst“.

„Hinter“ der Startseite jedoch wird konsequent das Prinzip der Dezentralität gewahrt. Dezentralität und Eigenverantwortung sind wichtige Elemente der Unternehmenskultur bei Gruner + Jahr. Akzeptanzprobleme gab es deshalb nicht. Die Seiten der Fachbereiche können von den jeweiligen Redakteuren selbständig und eigenverantwortlich bearbeitet werden. Das Corporate Design wurde im Rahmen von Formatvorlagen für die Seitengestaltung eingebaut. Die Mitarbeiter in den Bereichen sind frei, ihre Seiten zu gestalten. Die Interne Kommunikation ist nicht Kontrolleur oder Gestalter, vielmehr Sparringspartner und bestenfalls Coach, wenn es um die Präsenz der Abteilungen im Internet geht. Nicht jeder Auftritt wirkt aus Sicht der Unternehmenskommunikation optisch und inhaltlich gelungen. Doch ist das ein Preis, der im Interesse allgemeiner Akzeptanz und einer aktiven Mitarbeit gern gezahlt wird. Nur wenn die einzelnen Ressorts ihre Inhalte selbst verantworten und nach ihrem Gusto gestalten, können sie sich auch mit den Kommunikationsmaßnahmen identifizieren.

Im Zuge der Wirtschaftskrise 2008/2009 fanden auch bei Gruner + Jahr tiefe Einschnitte in der Organisation statt. Um ein deutliches Zeichen zu setzen, entschied der Vorstand Ende des Jahres 2009, die Mitarbeiterzeitung aus Kostengründen einzustellen. Diese Entscheidung kam einem Kulturbruch gleich, hatte aber erstaunlicher Weise nicht die Wirkungen, die anfangs befürchtet wurden.

2. Ein Zeitschriftenhaus kommuniziert intern „online only“

Seit 2010 kommuniziert das Medienhaus intern „online only“. Der befürchtete Protest unter den Mitarbeitern blieb aus. Vielmehr zeigte sich, dass sich die neue Intranetplattform „Greenport“ erfolgreich etabliert hatte. Die konzernweite Mitarbeiterbefragung im Juni wies darüber hinaus sogar höhere Zustimmungswerte zur Internen Kommunikation aus als in der Befragung vier Jahre zuvor. (2010: 83 Prozent positive Antworten, 2006: 79 Prozent positive Antworten). Innerhalb weniger Jahre war die Interne Kommunikation des Medienhauses von reiner Print-Kommunikation über crossmediale Komunikation zu „Online Only“ transformiert worden.

Abbildung 1 | 90 Prozent sind im Allgemeinen sehr zufrieden bzw. zufrieden mit dem Greenport

Die Akzeptanz der Internen Kommunikation durch die Mitarbeiter ist medien-unabhängig. Die Bindung der Leser und User erfolgt in erster Linie über Inhalte und erst in zweiter Linie über Kanäle. Trotzdem ist eine mediale Transformation nicht über Nacht zu erreichen. Für ein neues Medium, das perspektivisch eine Leuchtturmfunktion einnehmen soll, müssen Macher und Verantwortliche eine langfristige Perspektive entwickeln.

Schnelle Erfolge lassen sich nicht garantieren. Neuen digitalen Tools sollte man Zeit geben. Nach einem Jahr lässt sich erstmals seriös ein Fazit ziehen, wie die Kanäle von den Usern angenommen werden. Nach einem weiteren Jahr kann ein Kanal als etabliert bezeichnet werden. Dies ist für Verantwortliche in den Kommunikationsabteilungen keine bequeme Nachricht. Die Erwartungshaltung ist verständlicherweise höher: Mit einem neuen Kanal sollen bitte auch schnell Ergebnisse her. Aber auch hier gilt: Kill your ideals – vergiss Deine Ideale und hinterfrage vermeintlich leichte Lösungen.

3. Ausblick

Die mediale Transformation der Internen Kommunikation bei Gruner + Jahr zeigte auch, dass bei der Einführung neuer Features eine sensible Balance gefragt ist, um den richtigen Zeitpunkt für die Einführung eines neuen Mediums zu finden. Für Web-2.0-Funktionen wie interne Chats, Blogs oder Instant Messaging gilt das umso mehr. Die unterschiedlichen Nutzergruppen wie Digital Natives und Printliebhaber sind in einem Medienhaus wie Gruner + Jahr besonders zahlreich anzutreffen, und entsprechend kontrovers fallen auch die Diskussionen aus, welche neuen Features gebraucht werden und welche überflüssig sind.

Abbildung 2 | Der Wunsch nach einem Blog, einem Instant Messenger sowie einer Kommentar-Funktion unter Greenport-Artikeln ist am größten.

Um für die Beantwortung dieser Frage eine empirische Basis zu erhalten, führte die Interne Kommunikation im Mai 2012 mit der G+J-Marktforschung eine unabhängige und anonyme Mitarbeiterbefragung durch. Dabei zeigte sich, dass der Wunsch der Belegschaft nach Web 2.0 eher verhalten war. Nur 40 Prozent wünschten sich Blogs, 56 Prozent waren dagegen. Einen Instant Messenger bewerteten nur 34 Prozent positiv, 60 Prozent nicht. Kommentarfunktionen wünschten sich 33 Prozent gegenüber 63 Prozent.

Persönliche Profilseiten und Chats erhielten mit 19 Prozent bzw. 17 Prozent die geringste Zustimmung. Bei diesen Ergebnissen ist bemerkenswert, dass Blogs, die von der Mehrzahl passiv gelesen werden, noch die meiste Zustimmung erhielten. Die Funktionen, die eine höhere Interaktion erfordern, wie Profilseiten oder Chats, stießen auf das geringste Interesse.

Abbildung 3 | Ein Chat/Chatroom sowie eine persönliche Profilseite stoßen auf das geringste Interesse.

Bei Social-Media-Funktionen muss in der Bewertung auch zwischen (Arbeits-)Tools und (Kommunikations-)Medien unterschieden werden. Wenn Mitarbeiter sich über Instant Messaging zu aktuellen Projekten austauschen, ist der Bezug zu den Erfordernissen des Arbeitsalltags sofort klar zu erkennen und der „outcome“ in kurzer Zeit positiv. Funktionen der sozialen Medien erfordern jedoch auch ein stärkeres Engagement des Einzelnen, wodurch der Nutzer sichtbarer wird - eine Konsequenz, die nicht jeder Mitarbeiter tragen möchte. Gerade in Deutschland achten die Menschen vielfach auf eine klare Trennung zwischen Arbeitswelt und Privatleben. Diese Dualität zu respektieren und die Mitarbeiter zugleich an einen verantwortungsvollen Umgang mit Social Media heranzuführen, ist heute eine der großen Aufgaben jeder internen Unternehmenskommunikation.

Jeanette Wygodaist seit 2010 Leiterin Interne Kommunikation der Gruner + Jahr AG & Co KG in Hamburg. Zuvor war sie hier als stellvertretende Leiterin Interne Kommunikation für die Projektleitung des Intranetlaunchs (2007) und die Einführung eines internationalen Intranets zuständig. Zuvor war sie Redakteurin der Mitarbeiterzeitung. Von 2001 bis 2003 leitete sie die Presse und Öffentlichkeitsarbeit für handy.de, eine ehemalige Bertelsmann-Tochter für Mobile Entertainment. Von 1998 bis 2001 war sie PR-Beraterin bei Hoschke & Consorten PR-Agentur.

1.3 Partizipation im Intranet

Von Dr. Georg Kolb

1. Status

Partizipation ist ein Thema unserer Zeit. Wo Bürger und Verbraucher früher nur stummes Publikum waren, äußern sie heute im Internet ihre Meinung. Sei es zu Unternehmen und Produkten, sei es zu großen Infrastrukturprojekten wie Stuttgart 21 oder sei es zum prekär gewordenen Verhältnis von Kirche und Gesellschaft. Sie tun das aber nicht nur, weil durch soziale Medien aus dem Internet ein Mitmachnetz geworden ist, sondern weil Partizipation zum Lebensstil individualisierter Gesellschaften gehört.

Institutionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben viel von ihrer Informations- und Interpretationshoheit verloren. Der Einzelne hat demgegenüber im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer mehr Gestaltungsraum gewonnen. Er kann sein Leben individueller einrichten. Aber in einem Umfeld, in dem nichts von Dauer zu sein scheint, lastet auch mehr Verantwortung auf ihm. Im Sozialstaat ist an die Stelle der Gewissheit sicherer Renten die Erwartung privater Vorsorge getreten. Und selbst große Unternehmen – einst ein Hort der Stabilität – erfinden sich unter dem Druck globaler Märkte ständig neu und verlangen von ihren Mitarbeitern bleibende Flexibilität.

Umgekehrt wollen die Betroffenen dafür aber auch den Wandel mitgestalten oder zumindest jederzeit verstehen, was wann warum geschieht. Sie wollen eben nicht nur Betroffene sein, sondern Beteiligte. Die Frage ist nur: Wie viel davon ist inzwischen im Intranet angekommen? Mit den Beteiligungsmerkmalen sozialer Medien wurde zwar das soziale Intranet als Softwareprodukt geschaffen, doch wie viel Beteiligung hat Eingang in die Technologie, Ökonomie und Kultur unserer Unternehmen gefunden?

Zumindest stehen wir nicht mehr am Anfang. Nach einer globalen Umfrage Ende 2012 nutzen bereits knapp drei Viertel der Unternehmen in ihren Intranets mindestens eine Social-Media-Funktion (Ward 2013). Deutschland ist zwar noch nicht so weit, aber im Sommer 2012 waren soziale Medien hierzulande für immerhin rund ein Drittel der Internen Kommunikatoren Teil ihrer Strategie (Dörfel; Hirsch 2012: 39).

Vom Ende sind wir allerdings auch noch weit entfernt. International ist nur rund ein Fünftel der Nutzer mit ihren Intranet 2.0-Tools zufrieden (Ward 2013). In Deutschland ist dieser Anteil zwar doppelt so hoch (Dörfel; Hirsch 2012: 55), er liegt damit aber immer noch deutlich unter der Hälfte. Und die IT-Marktforscher von Gartner haben Anfang 2013 vorhergesagt, bis 2015 würden 80 Prozent der Social-Business-Projekte ihre Ziele verfehlen. Trotzdem sind die Unternehmen weltweit davon überzeugt, dass Social-Business-Aktivitäten für ihre Entwicklung während der nächsten Jahre schnell an Bedeutung gewinnen werden (Kiron; Palmer u.a. 2013: 3). Von daher könnte man sagen, wir befinden uns gerade am Ende des Anfangs. Social Intranets sind als Aufgabe im Mainstream angekommen, aber es bleibt noch viel zu tun, bevor sie ihr volles Potenzial entfalten können. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Unternehmen, die von sozialer Kommunikation und Kollaboration profitieren wollen, erst den entsprechenden Grad „sozialer Reife“ erlangen müssen. Auf einer Skala von eins bis zehn erreichen nach eigener Einschätzung nur 8 Prozent der Unternehmen weltweit einen sozialen Reifegrad von 8 oder mehr, dagegen liegt gut die Hälfte bei höchstens 3 (Kiron; Palmer u.a. 2013: 5).

Das heißt aber nicht, dass wir immer noch im Experimentierstadium verharren müssten. Inzwischen liegen genügend Erfahrungen vor, um etwas methodischer vorzugehen. Dazu will ich hier einen Beitrag leisten, indem ich unter anderem folgenden Fragen nachgehe:

Warum ist mehr Partizipation für Unternehmen und ihre Kommunikation eigentlich so wichtig?

Was bedeutet Partizipation für das Organisations- und Kommunikationsmodell eines Unternehmens?

Wie vertragen sich Hierarchie und Netzwerk?

Wie passen traditionelle Interne Kommunikation und Partizipation zusammen?

Welche Beteiligungsstufen gibt es im Intranet?

Welche Rolle spielen die sozialen Verbindungen zwischen den Mitarbeitern für die Online-Beteiligung?

Welche Beteiligungsformate gibt es und was darf man von ihnen erwarten?

Und schließlich: Mit welchen Erfolgsfaktoren müssen wir rechnen?

2. Motive

Kurz gesagt gibt es drei Gründe dafür, warum verstärkte Mitarbeiter-Partizipation im Intranet Unternehmen nützen kann. Richtig eingesetzt führt sie zu einer Steigerung von Produktivität, Agilität und Steuerbarkeit.

Nachdem die Unternehmensberatung McKinsey über fünf Jahre hinweg mehrere tausend Unternehmen weltweit untersucht hatte, kam sie in einer im Juli 2012 veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass Wissensarbeiter ihre Produktivität um 20 - 25 Prozent steigern könnten, wenn sie den richtigen Gebrauch von sozialer Software machten (Chui; Manyika u.a. 2012: 120). Zwei Drittel des Wertschöpfungspotenzials von sozialen Technologien liegen für McKinsey in der Verbesserung von interner Kommunikation und Kollaboration, was insbesondere auch dazu führen soll, dass Mitarbeiter-Fähigkeiten ihren Weg dorthin im Unternehmen finden, wo sie gebraucht werden („match talent to tasks“, Chui; Manyika u.a. 2012: 8f.).

Für unseren Zusammenhang ist es wichtig, dass der Erfolg dabei weniger von der Technologie als von der Qualität und Quantität der sozialen Interaktion abhängt. Die IT ist zwar notwendig, um den Interaktionen Geschwindigkeit und Reichweite zu geben, aber es ist vor allem eine Frage der Kultur der Zusammenarbeit und des Willens zur Beteiligung, ob der Austausch im nötigen Umfang stattfindet. Wobei die Bereitschaft zur Partizipation nach McKinseys Erfahrungen entscheidend gefördert wird, wenn Führungskräfte aktiv als Vorbilder wirken und der Gebrauch der Software selbstverständlicher Teil des Arbeitsprozesses wird (Chui; Manyika u.a. 2012: 121).

Partizipation hat aber nicht nur das Potenzial zur Produktivitätssteigerung, es kann Unternehmen auch wesentlich agiler machen. Das ist nach Einschätzung des Change-Management-Experten John P. Kotter heutzutage auch dringend erforderlich, denn „in Zeiten ständiger Turbulenzen“ (Kotter 2012: 24) sind hierarchisch geprägte Management-Methoden nicht schnell und beweglich genug. Hierarchische Prozesse eignen sich zwar für wiederkehrende Anforderungen in der täglichen Steuerung eines Unternehmens sehr gut, aber wenn es darum geht, fortlaufend nach neuen Lösungen und Strategien zu suchen, sind sie zu schwerfällig.

Abbildung 1 | Hierarchie und Netzwerk

Kotter hat daher vorgeschlagen, parallel zur traditionellen Hierarchie ein zweites „Betriebssystem“ für Unternehmen einzuführen, das wie ein Netzwerk funktioniert (Kotter 2012: 24f.). Während Hierarchien nach festgelegten Regeln und Prozessen verfahren, die für die möglichst effiziente Bewältigung bekannter Aufgaben optimiert wurden, können Netzwerkressourcen je nach Anforderung immer wieder neu zusammengesetzt werden (siehe auch Abbildung 1). In einer hierarchischen Organisation ist die Führung auf Verwaltung und Kontrolle des Systems konzentriert. Die Führung eines Netzwerks motiviert dagegen, neue Wege einzuschlagen und zeigt sich toleranter gegenüber Fehlern. In einer Hierarchie geht die Kommunikation vor allem von oben nach unten, und zwar in Direktiven, die über die Kaskaden des Organigramms geschickt werden. Die Kommunikation in Netzwerken verläuft demgegenüber in Dialogen, die anforderungsbezogen kreuz und quer durch die Organisation verlaufen können. Was hier zählt ist, wie wertvoll der Beitrag für die neue Anforderung ist, und nicht, woher er kommt.

Kotter geht es allerdings nicht darum, Hierarchien durch Netzwerke zu ersetzen, sondern er will ein „duales Betriebssystem“ (Kotter 2012: 27) schaffen, in dem sich die beiden Organisationsmodelle ergänzen. Zuverlässiges Tagesgeschäft und permanente Innovation sollen zusammen existieren können. Dabei spielt die Mitarbeiterbeteiligung für den Erfolg des Netzwerks eine entscheidende Rolle. Um einen schnellen Wandel zu ermöglichen, empfiehlt Kotter möglichst viele Mitarbeiter freiwillig zu beteiligen. Freiwillige gehen mit der Energie einer „‘Ich will‘– statt ‚Ich muss‘-Geisteshaltung“ (Kotter 2012: 27) ans Werk und tragen obendrein zur Begrenzung der Kosten bei. Aber dafür erwarten sie, dass sie nicht nur als vom Wandel Betroffene, sondern auch als Beteiligte wahrgenommen und gehört werden. Dazu ist ein Führungsstil nötig, der mehr mit Motivation und Anerkennung arbeitet als mit Delegation und Budgetkontrolle (Kotter 2012: 30). Auch die Führungskräfte müssen sich nach Kotter also beteiligen, und zwar möglichst auf allen Hierarchieebenen, um das Netzwerk als legitimen Teil der Organisation zu etablieren.

Ich halte Kotters Ansatz für sehr produktiv, weil er die Unternehmensrealität widerspiegelt. Jedes Unternehmen braucht Hierarchien, um effizient und entscheidungsfähig zu bleiben, gerade wenn es eine gewisse Größe erreicht hat. Und jedes Unternehmen braucht Netzwerkstrukturen, um sich seinem ständig wandelnden Umfeld anpassen zu können. Kotter zeigt ein Modell auf, um in diesem Zielkonflikt zu vermitteln, und er verdeutlicht zugleich, welch eine entscheidende Rolle das Prinzip der Partizipation dafür spielt, dass Unternehmen mit dem ständigen Veränderungsdruck fertig werden. Was Kotter als „duales Betriebssystem“ beschreibt, wirkt allerdings auch dualistisch, denn Netzwerk und Hierarchie arbeiten darin parallel, ohne wirklich ineinander integriert zu sein. Die Verbindung zwischen beiden ergibt sich vor allem aus der Personalunion von Mitarbeitern, die in beiden Systemen eine Rolle spielen und damit den Zielkonflikt letztlich in sich selbst austragen müssen.

Entscheidungshierarchie und Netzwerkkultur lassen sich aber noch auf andere Weise versöhnen. Gerade durch die verstärkte Beteiligung der Mitarbeiter in Netzwerkstrukturen gewinnt die Unternehmensführung neue Einsichten in den Stand der Dinge, auf deren Grundlage sie besser informierte Entscheidungen treffen kann. Das erhöht die Steuerbarkeit des Unternehmens insgesamt1, insbesondere ermöglicht es aber auch eine neue Qualität des Kommunikationscontrollings, da mit partizipativen Medien festgestellt werden kann, wie Botschaften in der Organisation ankommen:

Die traditionelle Interne Kommunikation fungiert vor allem als Sprachrohr des Vorstands. Sie formuliert Botschaften, die sich mit dem „Soll“ beschäftigen, also den Zielen und Plänen, die der Vorstand in die Organisation tragen will. Und sie koordiniert die Verteilung dieser Botschaften entlang der Hierarchie von oben nach unten, über die Kaskade und traditionelle interne Medien wie die Mitarbeiterzeitschrift („Top-down“). Das ist als Vorgehensweise erprobt und etabliert, doch hatte die Interne Kommunikation bisher kaum Möglichkeiten festzustellen, welche Resonanz diese Botschaften in der Organisation hervorrufen.

Abbildung 2 | Regelkreis der Internen Kommunikation

Mit den Beteiligungsmöglichkeiten über interne soziale Medien hat sich das geändert. Nun kann festgestellt werden, inwieweit die Botschaften durchgedrungen sind und wo noch Ergänzungsbedarf besteht. In horizontaler Vernetzung werden Meinungsbildungsprozesse sichtbar, die bisher im Dunkeln lagen. In der Zusammenarbeit am selben Projekt oder im Meinungsaustausch zum gleichen Interessengebiet („Peer-to-Peer“) entstehen neue interne Öffentlichkeiten, die dem Wissensaustausch dienen, aber auch zeigen, wo die Organisation mit ihren Projekten steht. Dieser Ist-Zustand zeigt sich je nach Ausbildung der internen sozialen Medienlandschaft durch bloßes Beobachten des Austauschs oder auch durch gezieltes Abfragen, sodass der Stand der Dinge gebündelt von unten nach oben gegeben werden kann („Bottom-up“). Auf diese Weise wird ein Soll-Ist-Vergleich möglich, der zeigt, wie weit Plan und Realität auseinanderklaffen bzw. was erforderlich ist, um die Lücke zwischen beiden zu schließen. Durch die kommunikative Beteiligung der Mitarbeiter entsteht ein Regelkreis, der die Interne Kommunikation wesentlich steuerbarer macht, als sie es mit einem stummen Publikum war (vgl. Abbildung 2). Allerdings hat sie es dann auch mit einer internen Medienlandschaft zu tun, in der die Beteiligungsformen nicht mehr denen in einer idealen Basisdemokratie entsprechen. Vielmehr gibt es unterschiedliche Beteiligungsstufen und –formate mit aktiven Einflussnehmern und eher passiven Mitläufern. Darauf muss sich die Interne Kommunikation mit passgenauen Beteiligungsmodellen einstellen.

3. Stufen

Aus der Tatsache, dass ein soziales Medium jedem Mitarbeiter eine kommunikative Beteiligung ermöglicht, folgt noch nicht, dass er davon auch Gebrauch machen wird. Genauso wenig wie aus dem Wahlrecht folgt, dass jeder Wahlberechtigte zur Wahl geht oder gar politisch aktiv wird. Für die Online-Kommunikation hat der dänische Usability-Experte Jakob Nielsen die berühmt gewordene 90/9/1-Regel aufgestellt (Nielsen 2006). Sie besagt, dass es eine prinzipielle Ungleichheit in der Beteiligung der Nutzer gibt („Participation Inequality“): Nach Nielsen sind 90 Prozent der Nutzer nur Zuschauer, 9 Prozent tragen gelegentlich auch Inhalte bei, während 1 Prozent besonders aktiver Nutzer 90 Prozent aller Inhalte kreieren. Nielsens Regel ist auch kritisiert worden. So ist z.B. zu Recht darauf hingewiesen worden, dass Beteiligung gerade in der Internen Kommunikation und Kollaboration ganz unterschiedliche Dinge bedeuten kann (Law 2011). Das Generieren von Inhalten reicht hier als alleiniges Kriterium nicht aus. Andere haben bemängelt, dass die Definition dessen, wer als Nutzer gilt, erhebliche Auswirkungen auf die Anteile von Zuschauern und Aktiven hat, so dass die Größenverhältnisse der drei Nielsen-Gruppen sich verschieben können, z.B. auf 70/20/10 (Schneider 2011). Soweit ich sehe, hat jedoch niemand Nielsens grundsätzliche Beobachtung in Frage gestellt, dass nämlich in der Online-Kommunikation einer relativ kleinen Minderheit von sehr aktiven Teilnehmern eine deutliche Mehrheit von kaum Beteiligten gegenübersteht.

Stellt die Nielsen-Regel den Wert von Social Intranets oder Enterprise Social Networks in Frage? Wie aussagekräftig können die Äußerungen dort sein, wenn sie nur von einer aktiven Minderheit stammen? Die Antwort liegt – ähnlich wie in der Demokratie – im Prinzip der Repräsentation. Die Mehrheit mag zwar keine eigenen Standpunkte formulieren, aber sie hat durchaus eigene Meinungen und ist im Allgemeinen bereit, sich durch andere vertreten zu lassen. Das Schweigen der Mehrheit kann also wenigstens indirekt gebrochen werden, wenn es ihr möglich und leicht gemacht wird, sich vorhandenen Standpunkten anzuschließen. Genau das ist durch eine wachsende Zahl von neuen Funktionen in den sozialen Medien wesentlich einfacher geworden. Zwischen Konsumieren und Produzieren, zwischen bloßem Lesen und dem Verfassen eigener Beiträge haben sich mehrere Stufen der Beteiligung ausgebildet (vgl. Abbildung 3), von denen ich hier nur die häufigsten ansprechen will.

Abbildung 3 | Beteiligungsstufen

Das Bewerten von Beiträgen anderer kann man als erste Stufe der Beteiligung betrachten, die über das bloße Konsumieren von Inhalten hinausgeht. Dauerhaftes Interesse kann der Nutzer signalisieren, indem er Inhalten von bestimmten Personen oder zu bestimmten Themen folgt, sie also abonniert. Das geht wie bei einer Bewertung mit einem Klick, ist aber schon ein relativ starkes Signal des Interesses, da es sich ja auch auf künftige Beiträge bezieht. Noch etwas mehr Initiative ist für eine Empfehlung nötig. Sie kann z.B. darin bestehen, dass der Nutzer einen Inhalt mit seiner eigenen Gefolgschaft teilt oder auch nur an Einzelne weiterleitet. Aber selbst diese Form der Beteiligung ist in den meisten Fällen noch ohne eigene Inhalte des Nutzers möglich. Erst wenn er die Beiträge anderer kommentiert, muss er sich mit eigenen Inhalten beteiligen. Die höchste Stufe der Beteiligung liegt nach wie vor darin, dass der Nutzer eigene Beiträge verfasst, mit denen er sich der Diskussion stellt. Der Anteil derjenigen, die das tun, wird immer eine Minderheit sein, aber über die anderen Beteiligungsstufen kann die Mehrheit indirekt beteiligt werden.

Die Beteiligung muss für die weniger aktive Mehrheit allerdings so einfach wie möglich gemacht werden. Dazu gehört zunächst, dass die Minderheit der Meinungsmacher bereits aktiv ist, denn nur wenn mehrheitsfähige Inhalte schon vorhanden sind, kann sich die Mehrheit anschließen. Dazu gehört auch, dass die aktive Minderheit gut sichtbar ist, damit sie von der Mehrheit auch wahrgenommen wird. Und dazu gehört, dass die Beteiligungsmöglichkeiten für die Mehrheit möglichst simpel sind. Es sollte also von der Mehrheit nicht verlangt werden, dass sie selbst Inhalte beisteuern muss, sondern nur, dass sie bewertet oder empfiehlt. Anders gesagt: Je größer die Zahl der Beteiligten sein soll, desto geringer dürfen die Erwartungen an die inhaltliche Beteiligung sein.

Wille und Fähigkeit zur Beteiligung hängen allerdings nicht nur davon ab, welche Beteiligungsstufe erwartet wird, sondern auch von der sozialen Bindung, die zwischen den Beteiligten besteht.

4. Bindungen

Je stärker meine soziale Bindung zu einem Netzwerk ist, desto eher werde ich mich daran beteiligen. Doch mit wie vielen Kontakten kann ich so stark verbunden sein wie etwa mit meiner Familie, engen Freunden oder alten Kollegen?

Der britische Evolutionsanthropologe Robin Dunbar hat auf diese Frage auf überraschende Weise eine Antwort gefunden (Kolb 17.02.2012). Ausgehend von Studien mit Primaten, bei denen er eine Korrelation zwischen der Größe des Gehirnvolumens und der Größe ihrer jeweiligen sozialen Gruppen festgestellt hatte, kam er auf die Hypothese, das Volumen des menschlichen Gehirns lasse auf eine Gruppengröße von bis zu 150 schließen. Bei der Untersuchung historischer Daten von sozialen Verbänden in Dörfern, Stämmen oder auch Armee-Einheiten fand er diese Zahl im Wesentlichen bestätigt. Aber auch eine Studie zur Größe sozialer Netzwerke in zeitgenössischen westlichen Gesellschaften, die er 2002 auf der Basis des Austauschs von Weihnachtskarten durchführte, ergab im Schnitt ein Maximum von 153,5 Kontakten.

Wenn 150 tatsächlich die Obergrenze starker sozialer Verbindungen ist, die Menschen unterhalten können, dann wird auch verständlich, warum größere Organisationen zusätzliche Strukturen wie Hierarchien brauchen, um ihre internen Beziehungen zu regeln. Malcolm Gladwell hat Dunbars Beobachtungen in diesem Sinne in seinem Buch „Tipping Point“ aufgegriffen. So hat Gladwell darauf hingewiesen, dass Unternehmen einen starken Produktivitätsverlust erlitten, wenn ihre Mitarbeiterzahl 150 überstieg. Unternehmen wie Gore – Hersteller der Gore-Tex-Produkte – hätten daher ihre Teams in überschaubaren Einheiten aufgestellt, um starke Arbeitsbeziehungen zu ermöglichen (Gladwell 2002: 185f.).

Mit der Verbreitung sozialer Medien kam die Frage auf, ob mit deren Hilfe die Zahl enger sozialer Kontakte nicht bedeutend erhöht werden könnte. Dazu haben IT-Netzwerkforscher die Aktivitäten von 1,7 Mio. Twitter-Nutzern über einen Zeitraum von sechs Monaten ausgewertet (Gonçales; Perra u.a. 2011), mit dem Ergebnis, dass Dunbars Zahl bestätigt wurde. Die Nutzer konnten auf Twitter nicht mehr als 100 bis 200 stabile Beziehungen aufrecht erhalten. Kann demnach aus Dunbars Beobachtungen der Schluss gezogen werden, dass mehr als 150 Netzwerkkontakte sinnlos sind? Wie in vielen Fällen der Internen Kommunikation hängt die Antwort davon ab, was man erreichen will. Wenn es z.B. darum geht, die Projektkommunikation für ein Team zu organisieren, dann ist die Dunbar-Grenze eine brauchbare Orientierung, auch wenn es – ähnlich wie bei der Nielsen-Regel – mehr um die Größenordnung geht, als um eine exakte Zahl. Allerdings hat bereits 1973 der Soziologe Mark Granovetter darauf aufmerksam gemacht, dass für ein soziales Netzwerk nicht nur die starken Bindungen wertvoll sind (Granovetter 1973). Wenn es um die Anreicherung des Netzwerks geht, tragen schwache Verbindungen mehr dazu bei, denn starke Verbindungen verfügen zumeist nur über Kontakte und Informationen wie man selbst. Das weiter gefasste Netz schwacher Verbindungen kann dagegen den Zugang zu neuen Netzwerken und Informationen eröffnen.

Schwache Verbindungen erschließen durch die Öffnung nach außen eine Meinungsvielfalt, die die tägliche Arbeit eines kleineren Teams zumeist nur behindern würde. Für die Qualität von Entscheidungen kann eine solche Vielfalt aber von wesentlicher Bedeutung sein. James Surowieczki hat diesen Zusammenhang in seinem Buch „Wisdom of Crowds“ untersucht (Surowieczki 2004). Anhand zahlreicher Beispiele zeigt Surowieczki darin auf, dass die Einschätzungen großer Gruppen besser sind, als die einzelner Teilnehmer, selbst wenn es sich dabei um Experten handelt. Das funktioniert allerdings nur, wenn es ein großes Feld unabhängiger Meinungen zum Thema gibt, die nicht durch die Gruppe vorgeprägt wurden. Außerdem muss ein Mechanismus vorhanden sein, durch den die Einzelmeinungen zu einer Gruppenmeinung gebündelt werden können. Beide Voraussetzungen lassen sich deutlich leichter erfüllen, seit es soziale Medien gibt, denn sie fördern die Ausbildung großer Netzwerke mit schwachen sozialen Bindungen und enthalten Funktionen zur Aggregation von Einzelmeinungen. Für die Interne Kommunikation eröffnet sich damit ein neues Gebiet kollektiver Intelligenz, das zuvor vor allem durch langwierige Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit geprägt war. Mit Beteiligungsformaten im Intranet lässt sich die Weisheit der Vielen öfter und vielfältiger einsetzen, z.B. für Innovationsplattformen, kollektive Geschäftsprognosen oder für die gemeinsame Entwicklung von Werten.

Wie sehen diese neuen Beteiligungsformate aus, und wie lassen sie sich vor dem Hintergrund der angesprochenen Motive, Stufen und Bindungen einsetzen?

5. Formate

In Abbildung 4 habe ich eine Reihe von Formaten der Beteiligung im Intranet zusammengestellt. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es handelt sich vielmehr um Formate, die relativ häufig zu finden sind, wenn die Beteiligung im Intranet gefördert werden soll. In der Praxis ist es nicht selten so, dass erst einzelne der genannten Bausteine an ein traditionelles Intranet angedockt werden, dabei aber langsam das Bedürfnis wächst, alles irgendwann auf einer Plattform zusammenzuführen. Denn es liegt im Interesse der Nutzerfreundlichkeit wie der technischen Verwaltung, dass die Nutzer nicht dauernd zwischen verschiedenen Plattformen wechseln müssen. Neuere Intranets haben oft schon Basis-Bausteine integriert. Social Intranets oder Enterprise Social Networks vereinen zum Teil alle Beteiligungsformate auf einer Plattform, doch fehlt ihnen dafür häufiger der Anschluss an andere Systeme wie z.B. das Dokumentenmanagement. Auf jeden Fall ist der Trend zu beobachten, dass Beteiligungsfunktionen immer mehr zur Ausstattung von Intranets gehören.

Abbildung 4 | Beteiligungsformate

Um eine erste Orientierung zu ermöglichen, wozu die unterschiedlichen Formate überhaupt gut sind, habe ich sie in Abbildung 4 nach Kriterien bewertet, die für Beteiligungsszenarien eine entscheidende Rolle spielen. Auch diese Kriterien erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und im Einzelfall mag die Bewertung anders ausfallen, als von mir vorgenommen. Hier soll es nur darum gehen, auf generelle Stärken und Schwächen aufmerksam zu machen, denn nicht jedes Beteiligungsformat passt aufgrund seiner Eigenschaften zu allen Zielsetzungen.

Für die Höhe der Beteiligung spielt es zunächst eine Rolle, wie hoch die Eintrittsbarriere für die Nutzer ist. Dazu gehören sicher auch technische Aspekte wie der Bedienungskomfort oder die wichtige kulturelle Frage, wie erwünscht eine Beteiligung überhaupt ist. Aber für unseren Zusammenhang soll es nur darum gehen, wie hoch die Anforderungen an die Beteiligung selbst sind. Ist etwa viel Vorwissen für die Teilnahme erforderlich, dann erhöht das die Eintrittsbarriere und die potenzielle Teilnehmerzahl wird entsprechend sinken. Höher wird die Barriere nach der Nielsen-Regel auch, wenn eine hohe Beteiligungsstufe gefordert ist, die Teilnehmer also selbst Beiträge verfassen müssen. Ist dagegen die soziale Bindung der Teilnehmer hoch, kennen sie sich also untereinander gut, senkt das die Schwelle zur Beteiligung. Die Teilnehmerzahl bleibt dabei jedoch trotzdem relativ niedrig, da sie bei starker sozialer Bindung sinnvoller Weise nicht über die Dunbar-Grenze steigen sollte. Diese Zusammenhänge will ich anhand einer Kurzdarstellung der einzelnen Formate noch etwas verdeutlichen.

Basis: