Interface - Paul R Lee - E-Book

Interface E-Book

Paul R Lee

4,9

Beschreibung

Zentraler Aspekt von Dr. A.T.Still‘s Philosophie der Osteopathie war, dass der Mensch eine untrennbare Einheit aus einem irdischen und einem himmlischen Wesen repräsentiert. In dieser Vereinigung wirkt die Lebenskraft mit ihren Selbstheilungsmechanismen, wobei die Körperflüssigkeiten Blut, Lymphe und „Nervenwasser“ eine entscheidende Rolle spielen. Paul Lee belegt im vorliegenden Buch mit neuesten Ergebnissen aus der Wissenschaft, insbesondere im Bereich der Wasserforschung und der Quantentheorie, Stills Philosophie, wobei im markante Textstellen aus den Werken von A.T.Still und W.G.Sutherland als Ausgangspunkt dienen. Den Primären Respiratorischen Mechanismus (PRM) erarbeitet er als essentielles Verbindungsstück - als Interface - zwischen dem menschlichen Organismus und dem spirituell begründeten Selbstheilungsmechanismus. Ihm gilt es die gesamte therapeutische Aufmerksamkeit zu widmen und ihn gilt es in seiner therapeutischen Arbeit nutzbar zu machen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 488

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,9 (14 Bewertungen)
12
2
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



R. Paul Lee DO

Interface

Aus dem Amerikanischen von Noori Mitha & Peter Sommer

Titel der Originalausgabe

Interface

© 2005, Stillness Press

214 SE 14th Avenue

Portland, Oregon 97214

ISBN 978-0967585130

Osteopathie erklärt (1900)

von John Martin Littlejohn

© 2009, JOLANDOS

Am Gasteig 6 – 82396 Pähl

978-3-936679-43-4 (Buch)

978-3-941523-19-7 (mobi)

978-3-941523-41-8 (epub)

BESTELLUNG

HEROLD Lositsik Service GmbH

Raiffeisenallee 10 - 820041 Oberhaching

tel +49.8808.924.588, fax +49.8808.924.589

[email protected]

HERAUSGEBER

Christian Hartmann

ÜBERSETZUNG

Dr. Martin Pöttner

UMSCHLAGGESTALTUNG

Christian Hartmann

LEKTORAT

Elisabeth Melachroinakes

SATZ

post scriptum

www.post-scriptum.biz

DRUCK

Buchproduktion Thomas Ebertin

Goethestraße 9, 78333 Stockach

www.buchproduktion-ebertin.de

EBOOK-GESTALTUNG

Zeilenwert® GmbH

Schwarzburger Chaussee 74 – 07407 Rudolstadt

www.zeilenwert.de

Jede Verwertung von Auszügen dieser deutschen Ausgabe ist ohne Zustimmung von JOLANDOS unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Zitat

Der Autor

Vorwort des Herausgebers

Vorwort der Übersetzer

Vorwort

Erläuterung zum Begriff ›Interface‹

Einführung

Kapitel 1 DER MANN UND SEINE PHILOSOPHIE

  I. Die moderne Definition von Osteopathie und Stills Definition

 II. Ein tieferer Einblick in die Osteopathie

III. Zusammenfassung

Kapitel 2 A. T. STILL, GENAUER BETRACHTET

  I. Frühe Definition von Osteopathie

 II. Andere Autoren und Lehrmeinungen

III. Zusammenfassung: Geist, Materie und Bewegung

IV. Stills Hellsichtigkeit und Spiritualismus

 V. Geist kleidet sich in Materie

VI. Synthese und Ausblick

Kapitel 3 NACHFORSCHUNGEN ÜBER DIE LEBENSKRAFT

  I. Das Thema ›Lebenskraft‹ in der osteopathischen Literatur

 II. Will Sutherlands Werdegang als Entdecker des PRM

III. Zusammenfassung und Ausblick

Kapitel 4 EINE NEUE BETRACHTUNGSWEISE

  I. Einleitung

 II. Kurzfassung der Philosophie Stills in einem neuen Licht

III. Wasser – Repräsentant des Geistes

IV. Bindegewebe: Repräsentation der Materie

 V. Interface – Form und Bewegung

Kapitel 5 INTERFACE: EINE OSTEOPATHISCHE PERSPEKTIVE

Nachwort

Anhang

Bibliografie

Über den Autor

Literaturnachweis

Anmerkungen

Endnoten

Weitere Bücher

Widmung

Dieses Buch widme ich Robert Fulford DO, der mich in den Geist der Osteopathie eingeführt hat.

Geist und Körper in Wechselwirkung Das Yang und Yin der Osteopathie

Die Liebe Gottes, die Allem zugrunde liegt Der Atem des Lebens schafft Leben aus der Stille

Leben ist Bewegung sprach Andrew Taylor Still Eine Verbindung zur Körperlichkeit

Mind and Matter In Reciprocity The Yang and Yin Of Osteopathy

Love of God Which Underlies The All The Breath of Life Creates Life from What’s Still

Life is Motion Said Andrew Taylor Still An Interface To Physicality

»[Osteopathie] ist eine offensive Kampagne für die Liebe, die Wahrheit und die Menschlichkeit. Wir lieben jeden Mann, jede Frau, jedes Kind unserer menschlichen Rasse.«

[A. T. Still, Das große Still-Kompendium, Band: 1 Autobiografie, JOLANDOS, Pähl, S. 133]

Vorwort des Herausgebers

Eine der großen Stärken dieses Buchs liegt in der Tatsache begründet, dass es nicht dem allgemeinen Trend unterliegt, neue Ideen bzw. Arbeitshypothesen zu etablieren. Vielmehr ist es das zentrale Anliegen des Autors, das ganzheitliche Konzept von Andrew Taylor Still (1828–1917), dem Entdecker der Osteopathie, anhand moderner wissenschaftlicher Forschungsergebnisse zu untermauern.

Hierbei ergeben sich allerdings zwei große Schwierigkeiten.

1.Die Interpretation der zum Teil kryptisch formulierten Aussagen von Still. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das nachfolgende Vorwort der Übersetzer verweisen.

2.Eine nach wie vor vom kartesianischen Determinismus geprägte medizinische Wissenschaftswelt, die sich dem Paradigma der Evidence Based Medicine (EBM) fast ohnmächtig unterwirft. Dabei werden Begriffe wie ›Seele‹ und ›Spiritualität‹ ebenso reflexartig abgewehrt wie die unumstrittenen Erkenntnisse der Quantentheorie, mit Ausnahme einiger ›marktrelevanter‹ Bereiche in der Medizintechnik. Dieses paradoxerweise unwissenschaftliche Verhalten dem Fremden gegenüber hat viele psychologische, sozialpolitische und marktwirtschaftliche Gründe.*

Jeder Autor, der eine Interpretation der spirituellen Aspekte in A. T. Stills und z. T. auch W. G. Sutherlands Schriften wagt, betritt demnach unweigerlich ein gefährliches Minenfeld. Automatisch sieht er sich Vorwürfen von ›Unwissenschaftlichkeit‹ bis hin zu ›religiös motiviert‹ ausgeliefert. Und tatsächlich existiert im Bereich der Osteopathie kaum Literatur, die sich kompetent, sachlich und versöhnlich mit ›spirituellen Phänomenen‹ auseinandersetzt.

Nach Nicholas Handolls Die Anatomie der Potency erscheint nun mit Paul Lees Interface die zweite Monografie in deutscher Sprache, die sich in besagtes Minenfeld begibt. Anders als Handoll, der zentrale Phänomene der Kranialen Osteopathie mit der Quantentheorie zu erklären versucht, wählt Lee einen besonderen Weg: Anhand ausgewählter Zitate A. T. Stills versucht er zunächst, dessen Aussagen in Hinsicht auf ihre medizinische Relevanz zu interpretieren und untermauert dann seine Interpretation mit Ergebnissen der modernen Forschung – u. a. der Wasserforschung und der Quantentheorie, wobei er die Schnittstelle zwischen dem ›irdischen‹ und dem ›himmlischen‹ Wesen im Menschen, das Interface, als wesentlichsten Bestandteil der osteopathischen Medizinphilosophie heraushebt. Abschließend ermahnt er die osteopathische Profession, sich wieder mehr auf ihre ursprünglichen Wurzeln zu besinnen: Das Anpassen des Organismus in absolutem Vertrauen auf eine Höhere Weisheit als eigentliche Heilinstanz.*

Dass dieser Appell brandaktuell ist, zeigt ein Blick in die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort hat die Osteopathie aus berufspolitischen Gründen die von Still immer wieder betonten spirituellen und philosophischen Inhalte sowie die Übertragung therapeutischer Macht vom Menschen auf etwas ›Höheres‹ rasch markt- und statusrelevanten Aspekten geopfert – mit verheerender Wirkung: Das osteopathische Curriculum entspricht gegenwärtig im Wesentlichen jenem der medizinischen Universitäten und nur ein Bruchteil der praktizierenden Osteopathen benutzen überhaupt noch ihre Hände in der täglichen klinischen Arbeit. Zu Recht muss sich die amerikanische Osteopathie vom Autor fragen lassen, wo der Unterschied zwischen einem universitär ausgebildeten Arzt (MD) und einem Osteopathen (DO) liegt.

Obgleich die Osteopathie im deutschsprachigen Raum Stills Philosophie viel deutlicher widerspiegelt, entsteht auch hierzulande ein ähnlich gefährlicher Trend. Interface wirft in diesem Zusammenhang die alles entscheidende Frage auf: Warum tue ich, was ich tue? Um Anerkennung und finanzielle Sicherheit zu erlangen? Oder um eine Berufung zu leben? Lesen Sie Interface vorurteilsfrei – so wie Still es getan hätte – und nutzen Sie es zu Ihrer persönlichen Standortbestimmung. Es wird sich lohnen.

Christian Hartmann Pähl, 27. April 2009

Vorwort der Übersetzer

Ein holistisches Prinzip mit sprachlichen Mitteln darstellen zu wollen, ist ein schwieriges Unterfangen. Sprache definiert, differenziert, weist Bedeutungen und Orte zu – und dies in der deutschen Sprache oftmals noch mehr als in der englischen. Manche englischen Begriffe in ihrer Bedeutungsvielfalt zu übersetzen ist schwierig, wenn man sich nicht nur auf einen von mehreren möglichen Bedeutungsaspekten beschränken möchte. Der Begriff mind beispielsweise hat viele Bedeutungsaspekte, denen man nicht gerecht wird, wenn man ihn z. B. lediglich mit ›Verstand‹ gleichsetzt. Dies wäre dem Text nicht zuträglich. In Bezug auf den Menschen bezeichnet mind vielmehr den Strom des Bewusstseins als Gesamtheit von Wille, Denken, Wahrnehmung, Emotion, Absicht und Imagination und ist daher tatsächlich am besten mit (menschlicher) ›Geist‹ übersetzt. Dass hierbei durch Überschneidungen mit ›Geist‹ (spirit) zu gelegentlichen Unklarheiten kommen kann, liegt auf der Hand, zumal Still die Terminologie u. a. noch durch die Begriffe Mind und Spirit (mit großem Anfangsbuchstaben) erweitert. Somit haben wir uns entschlossen, die Übersetzungen der genannten Begriffe sowie Begriffspaarunge wie ›Mind & Matter‹ oder ›spirit & matter‹ jeweils mit dem englischen Originalbegriff (kursiv in Klammern gesetzt) zu ergänzen. Darüber hinaus haben wir auch hier die bereits in früheren bei JOLANDOS erschienen Texten von A. T. Still verwendete Schreibweise verwendet: für Begriffe, die Still im Englischen mit großen Anfangsbuchstaben schreibt, erhalten in der deutschen Übersetzung einen fett gesetzten Anfangsbuchstaben: Spirit / Geist, Matter / Materie usw.

Wir haben versucht, die gewählten Übersetzungen so konsequent wie möglich zu verwenden – lediglich bei Begriffspaaren oder -tripeln, für die sich im Deutschen bereits eine eventuell anderslautende Übersetzung eingebürgert hat, haben wir uns zugunsten dieser ›geflügelten Worte‹ vereinzelt Inkonsistenzen erlaubt (body, mind, and spirit: Körper, Geist und Seele).

Zu einigen Begriffen im Besonderen:

Interface: Wir haben für diesen Begriff im Text zwei Übersetzungen gewählt: ›Berührungsfläche‹ und ›Interface‹. In der materiellen Welt finden wir real existierende, erfahrbare Grenz- oder Berührungsflächen zwischen angrenzenden Materien wie beispielsweise zwei unterschiedlich temperierten Luftschichten oder Wasserkörpern. Für Interfaces jenseits der rein materiellen Welt jedoch ist der Begriff ›Berührungsflächen‹ ungeeignet, da etwas Nicht-Greifbares keine messbare Ausdehnung besitzt. In diesem Kontext verwenden wir den Begriff ›Interface‹, obwohl er im deutschen Sprachgebrauch normalerweise in einem engen, technischen Sinn verwendet wird. Wir verstehen ›Interface‹ allerdings ausdrücklich in einem weiter gefassten, abstrakteren Sinn: als ›Ort‹ der Überschneidung oder Wechselwirkung zweier Aspekte.

mind: (menschlicher) Geist; bezeichnet die Gesamtheit aller kognitiven- bzw. Bewusstseinsaspekte: Verstand, Vernunft, Intellekt, Wahrnehmung, Imagination, Gefühl, Wille …

Mind (mit großem Anfangsbuchstaben): göttliche Absicht, (höheres Bewusstsein, höhere Weisheit); bezeichnet den göttlichen Plan, eine ordnend wirkende, übergeordnete Instanz, nach Paul Lees Verständnis etwa mind of God.

spirit: Geist (im spirituellen Sinne); bezeichnet den dem Körper innewohnenden Lebensfunken, das Bewegende, die Seele; (lat.:) spiritus – bewegte Luft / Hauch; (hebr.:) ruah, (griech.) pneuma.

Spirit:Geist; bezeichnet die Weltseele; das von einer übergeordneten, göttlichen Instanz ausgehende belebende Prinzip.

matter: Materie; bezeichnet den stofflichen Bestandteil der Welt.

Matter:Materie; bezeichnet jenen Anteil der stofflichen Welt, mit der Geist in Wechselwirkung tritt, um Leben in Bewegung zu schaffen.

Es bleibt zu hoffen, dass der geneigte Leser dieses Buch mit aller gebotenen kritischen Distanz zu Gemüte sich führen möge – immer frisch voran mit festem Blick auf die gute Absicht des Autors – und dabei nicht über spirit & mind, Mind & Matter, bread & butter oder Wurst & Käsequanten stolpern möge.

Vorwort

Das 21. Jahrhundert hat begonnen und schreitet unaufhaltsam voran. Mag das aus dem neunzehnten Jahrhundert stammende ursprüngliche Gedankengut Andrew Taylor Stills manchen inzwischen auch etwas betagt vorkommen, so haben doch die Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts weitere Anregungen geliefert, sich mit dem Beitrag dieses Visionärs in Bezug auf die medizinische Anwendung auseinanderzusetzen. Das ist allerdings keine kleine Aufgabe, sondern eine gewaltige Herausforderung, der sich der Autor dieses Buches, R. Paul Lee DO, gestellt hat.

Andrew Taylor Still selbst bezeichnete seinen Beitrag als eine Philosophie, eine Wissenschaft und eine Kunst. Beim Vergleichen gedanklicher Paradigmen aus der Zeit vor und nach Still zeigen sich deutliche Überschneidungen in der Kategorisierung von Energie, Materie und Lebensform.* Gerade in Bezug auf das zuletzt Genannte haben die frühen Studenten der Osteopathie, die Lehrer und Autoren große Anstrengungen unternommen, um den durch Stills Ursprungsgedanken erzielten Fortschritt zu erfassen und weiterzuführen. Besonders zu würdigen ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Arbeit William G. Sutherlands.

Das in diesem Buch vorgestellte Modell versucht, das Zustandekommen physischer Phänomene mit Hilfe des Primären Respiratorischen Mechanismus zu erklären. In seiner Entwicklung bietet dieses Modell Betrachtungen und weiterführende Analysen der Still’schen Lehre. Zudem erfährt die umfangreiche Arbeit des Still-Schülers William Garner Sutherland eine Neubewertung im Lichte zeitgenössischer Zellularphysiologie.

Eine eingehende Analyse von Studien, die sich auf das Bindegewebssystem des Körpers beziehen, hilft uns, die Komplexität von Stills Gedanken zu verstehen.

Die bei der Synthese verschiedener Quellen entstehenden Kerngedanken lassen sich auf das Verhalten von Wasser als Einheit ebenso übertragen wie auf die materielle Bedeutung von Bindegewebe und auf die Verbindung – das Interface – von Form und Bewegung.

Bewegung wird hier verstanden als jene spezielle Charakteristik, die Gesundheit erzeugt. Wasser und Elektrizität sind die Medien, welche den energetischen und den physischen Bereich jeglicher Lebensform in Beziehung zueinander bringen. OMT (Osteopathic Manipulative Technique / Therapy) ist das Mittel, um strukturelle Verformungen zu behandeln und somit die Rückkehr von Gesundheit zu erlauben. Ungeachtet der Behandlungsmethoden muss die Wiederherstellung der Gesundheit von innen erfolgen. Die Tide bringt dann die Gesundheit.

Die Tide wird hier in ihren biochemischen Eigenschaften beurteilt. Indem er theoretisch und praktisch detailliert vorgeht, betrachtet der Autor die gesamte moderne Zellularphysiologie. Das Resultat dieses Prozesses zeigt dem Behandler die Notwendigkeit, den ganzheitlichen Wert des Arbeitens mit einen holografischen System klar zu erkennen. Das Resümee aus dieser Erkenntnis kommt, wenn die Stille der Oszillation – der transmutierende Effekt des Austausches zwischen allen Flüssigkeitsgefäßen des Organismus – erreicht ist. Im Moment dieses Austausches wird die metabolische Kraft wiederhergestellt.

Mit osteopathischer Theorie und Praxis bereits vertraute Leser werden die hier unternommene Anstrengung, das wissenschaftliche Verständnis in Bezug auf die jeweiligen kognitiven und empirischen Aspekte zu erweitern, entsprechend zu würdigen wissen. Andere, denen die Osteopathie in Theorie und Praxis noch nicht geläufig ist, mögen sich veranlasst fühlen, erweiterte Bedeutungshorizonte in der medizinischen Anwendung zu erforschen. In jedem Fall aber wird die Lektüre dieses Buches dazu anregen, die enthaltene Information dem jeweiligen persönlichen Wissensstand gegenüberzustellen.

Prof. Anthony G. Chila DO, FAAO Department of Family Medicine,Ohio University College of Osteopathic Medicine

Erläuterung zum Begriff ›Interface‹

In diesem Buch bezeichnet der Begriff ›Interface‹ den Primären Respiratorischen Mechanismus (PRM). Der Untertitel: Mechanismen des Geistes in der Osteopathie bezieht sich auf das Modell des PRM, das im vorliegenden Werk entwickelt wird.

›Interface‹ impliziert, dass der PRM – insbesondere das Wasser – das Mittel ist, durch das Geist und Materie miteinander agieren und kommunizieren. Es erfolgt in den physischen Körper hinein eine Übertragung von Information, die den PRM erzeugt und dessen Auswirkung – den Metabolismus. Dieser Informationsaustausch findet während der Morphogenese statt, um die physische Form zu erschaffen, und auch regelmäßig, in jedem Moment, um die physische Form im ausgereiften Organismus wiederherzustellen. Die letztgenannte Funktion kann auch als die Übergabe von ›Gesundheit‹ angesehen werden. Durch Erzeugung und Einsatz des PRM erschafft und erhält die Lebenskraft* die physische Form. Lebenskraft existiert außerhalb von Zeit und Raum, während die physische Form durch Zeit und Raum definiert wird und in ihnen existiert. Soll demnach zwischen diesen beiden Reichen – dem des Geistes und dem der Materie – Kommunikation stattfinden, muss es ein Interface, eine Verbindung geben.

›Himmlisch‹ und ›Irdisch‹: Mit diesen Begriffen versuchte Still, das Phänomen der sich verbindenden Reiche (interfacing realms) zu erläutern. Dr. Sutherland benutzte den Begriff ›Atem des Lebens‹ um den Ursprung des PRM in der physischen Realität außerhalb von Zeit und Raum zu erklären. Sowohl Still als auch Sutherland beschrieben eine solche Verbindung zwischen Geist und Materie, zwischen Funktion und Struktur. In der osteopathischen Philosophie geht die Funktion der Struktur voraus. Ist die Struktur erschaffen, bestimmt sie die Ausübung der Funktion in der physischen Realität. Wird die physische Struktur durch Trauma deformiert, kann der Osteopath mithelfen, sie in ihre ursprüngliche Form zurückzubringen, damit sich die Funktion wieder optimal ausüben lässt. Indem sie den PRM palpieren, haben Osteopathen das Privileg, mit jener Verbindung zwischen Funktion und Struktur – bzw. Geist in Aktion – zu arbeiten, die sich als Primärer Respiratorischer Mechanismus manifestiert.

R. Paul Lee DO, November 2008

Einführung

Menschen studieren aus den unterschiedlichsten Gründen Osteopathie. Manche beginnen das Studium, weil schon ihre Eltern oder Großeltern als Doktoren der Osteopathie (DO) tätig waren oder weil sie nach einer Alternative zur Schulmedizin suchen. Andere verspüren den Wunsch, ihren Mitmenschen das zu geben, was einzig die Osteopathie bieten kann. Ich selbst kam zur Osteopathie, weil ich gerne Mediziner werden wollte, aber nicht zum Medizinstudium zugelassen wurde. Da ich zu jener Zeit als Pharmavertreter tätig war, besuchte ich viele Behandler und machte die Erfahrung, dass jene, die den Titel ›DO‹ führten, innerlich ganz anders eingestellt waren als die mit ›MD‹* betitelten.

Als mir dann einige der Osteopathen in meinem Gebiet anboten, mich bei meiner Bewerbung am Kansas City College of Osteopathic Medicine zu unterstützen, hatte ich das Gefühl, meine Gebete, mich Mediziner werden zu lassen, seien in ganz besonderer Weise erhört worden: Ich erhielt die Chance, einer jener Doktoren zu werden, die sich offen um das Wohl ihrer Patienten kümmerten und mit ihnen zusammenarbeiteten, um eine Verbesserung des Gesundheitszustandes zu erreichen. Obwohl ich nicht so genau verstand, was ein ›DO‹ eigentlich ist, war ich doch sicher, dass ich es schließlich herausfinden würde. Rückblickend überrascht es mich allerdings, wie lange ich brauchte, um dieses Verständnis zu erlangen – ein Verständnis, das immer noch wächst, selbst jetzt, wo ich diese Worte schreibe.

Ich begann also, Osteopathie zu studieren, und war erfüllt von einem enormen Drang, der mir half, mein Studium erfolgreich abzuschließen. Doch was ein ›DO‹ wirklich ist, hatte ich zum Zeitpunkt meines Abschlusses immer noch nicht herausgefunden. Während meines Grundstudiums war nämlich durch eine seltsame Fügung des Schicksal die Dozentenstelle für Osteopathische Prinzipien und Praxis (OPP) am Kansas City College of Osteopathic Medicine für ein Jahr unbesetzt gewesen, so dass meine Frage: »Was ist ein DO?« weitgehend unbeantwortet blieb. Ich wusste zwar, dass ich bei Symptomen, denen Bewegungseinschränkungen zugrunde lagen, einen Nacken oder Rücken knacken lassen musste. Und ich wusste auch, dass ich in der Lage war, dies zu tun, ohne mein ›Opfer‹ dabei zu verletzen. Was mir jedoch – wie bei allem, was mit OPP zu tun hatte – fehlte, war das grundlegende Verständnis dafür, warum man diese Technik anwendet, außer um den Schmerz zu lindern. Weder kannte ich den Ursprung der osteopathischen Idee, noch verstand ich, warum es zwei gleichwertige, aber doch verschiedene medizinische Berufe gab. Auch die nachfolgenden Jahre mit klinischer Ausbildung und Praktikum brachten mir keine weiteren osteopathischen Erkenntnisse.

Als ich zu praktizieren begann, wurde ich mit einer Menge Patienten konfrontiert, die über Nacken-, Rücken- bzw. Kopfschmerzen klagten oder unter Dysfunktionen der Extremitäten oder der Viszera litten. Ich spürte, dass ich mehr erfahren musste über dieses schwarze Loch namens »Finde es, bring es in Ordnung, lass es in Ruhe«*. Ich wollte das, was nicht in Ordnung war, palpieren und entsprechend korrigieren lernen und die Mechanismen der Dysfunktion verstehen. Dann zeigte mir J. Scott Heatherington DO die Strain-Counterstrain-Technik, eine manipulative osteopathische Methode, die mir wie Zauberei erschien. Ich war perplex, dass sich ein Schmerz lindern und Bewegungsfähigkeit wiederherstellen ließ, indem man einen Körperteil für 90 Sekunden in einer bestimmten Position hielt. Das Faszinierende an diesem Umstand begleitete mich viele Jahre auf einem langen Weg, bis ich die Kraniale** Osteopathie entdeckte. »DAS ist Colorado!«, steht auf einer Broschüre über das inmitten der spektakulären Bergwelt von Colorado gelegene Chaffee County. Als ich das Kraniale Konzept entdeckte, wusste ich, dass ich die Osteopathie gefunden hatte. Ich sagte mir: »DAS ist Osteopathie! Ich bin am Berg angekommen!«

Doch von Verständnis konnte immer noch keine Rede sein. Ich fragte mich: Was verursacht die Tide, die ich palpieren kann? Wie kann ich das Innere des Körpers palpieren, wenn ich meine Hände auf die Außenseite lege? Welche biochemischen Vorgänge laufen dabei ab? Biochemie war während meiner Schulzeit meine ›Religion‹ gewesen, und ich machte meinen Abschluss in vergleichender Biochemie und Physiologie. Für mich lag hier der Beweis für die Existenz Gottes, für einen universellen Plan, für Funktionsiterationen, die ich auf allen Ebenen von Biochemie bis Astronomie wiederfinden konnte. Zu jener Zeit hatten Watson und Crick gerade die Struktur der DNS identifiziert und man hatte Ribosomen in ihrer Funktion als mikroskopisch kleine Fließbänder in einer Protein-Montagefabrik entdeckt. Auf der Ebene der Zellularphysiologie sind dies die Mechanismen des Lebens. Sie repräsentieren die Lebenskraft in gleichem Maße wie angeregtes Sprechen, elegantes Tanzen oder brillantes Denken Leben ausdrücken – bezogen auf das gesamte Individuum.

Ich stellte mir eine ganze Reihe weiterer Fragen: Wie manifestiert sich ein Gedanke als Sprache, Bewegung oder als ein weiterer Gedanke? In diesem Zusammenhang: Wie wird durch Denken Heilung herbeigeführt? Wenn Manipulieren Heilung bewirkt: Wie funktioniert das? Bietet die Biochemie eine Antwort darauf? Was ist ein Stillpunkt? Wie wirkt er sich auf die Transmutation aus? Was ist überhaupt Transmutation? Und wo wir gerade dabei sind: Was ist Osteopathie?

Derlei Fragen veranlassten mich schließlich, mich mit der Quelle all dessen zu beschäftigen: mit Dr. Andrew Taylor Still DO. Einem Vorschlag von Dr. Heatherington folgend entschloss ich mich, in Kirksville eine Assistenzzeit in Osteopathischer Manipulativer Medizin abzuleisten. Dort fand ich die Essenz des Still’schen Gedankenguts. Bis heute habe ich nicht aufgehört, mich immer weiter in Dr. Stills Denken zu vertiefen, um ein größeres Verständnis zu erlangen. Welch ein Informationsreichtum, welch tiefe Einsichten! Was für eine Übereinstimmung mit den Gedankengängen so vieler anderer Denker des Altertums ebenso wie der Neuzeit! Es ist ein Jammer, dass der von ihm gegründete Berufsstand Stills Kerngedanken nicht annimmt. Doch auch zu seinen Lebenszeiten haben viele Stills Philosophie keinen Wert beigemessen. Osteopathie war ihrer Zeit eben immer voraus – bis in die Gegenwart. Heute jedoch sind mehr und mehr Menschen gewillt, Stills Botschaft zu hören.

Die heutige Denkweise in der westlichen Kultur strebt, ja hungert sogar danach, sich mit Geist*, den sie jahrhundertelang abgelehnt hat, wieder zu vereinigen. Auf Fragen, die aus unseren Herzen kommen, konnte die Wissenschaft bislang nur mechanische Antworten geben. Doch die moderne Physik zeigt, dass sich Mystizismus und Mathematik vermischen. Die Nichtlokalität, ein Prinzip der modernen Physik, erklärt viele zuvor unerklärliche geistige Phänomene: die Kraft des Gebetes, Psychokinese und Präkognition, um nur einige zu nennen. Bei objektiver Betrachtung erkennt man die Praktikabilität des Geistes. Geist ist real, substanziell, palpabel. Und die Tide ist seine Manifestation. Wir können – mittels unserer Hände – direkt mit dem Geist arbeiten. Das ist sehr pragmatisch und so beginnt sich das Geheimnisvolle in meiner Vorstellung von Geist, mit der ich im religiösen Kontext groß geworden bin, aufzulösen.

Dr. Still war der Meinung, dass Geist nach dem Tode fortbesteht. Er hielt in den 1850er Jahren Scéancen mit seinen Nachbarn, den Gründern der Stadt Lawrence in Kansas – Spiritualisten und Swedenborgianer, die mit Planwagen aus Massachusetts gekommen waren, um sicherzustellen, dass aus Kansas ein freiheitlicher Staat ohne Sklaverei wurde. Diese aufgeschlossenen, suchenden Menschen boten Dr. Still eine Gesellschaft von Gleichgesinnten, die er für die Entwicklung seiner Philosophie brauchte. Still war überzeugt von der Perfektion der Schöpfung – und von der Perfektion der Struktur und Funktion des menschlichen Körpers. Er wusste, dass er mit der Struktur arbeiten konnte, um die Funktion zu verbessern. Er war sich sicher, dass seine Ideen auf wesentlichen, in der Natur auffindbaren Wahrheiten basierten und bezog aus der Natur seine Inspiration.

Heutzutage besteht als Grundströmung ein Interesse an solchen Themen, die Geist in andere Lebensaspekte integrieren. Osteopathie kann für so eine Integration den Kontext liefern. Stills Osteopathie ist Geist in Aktion. Weil Geist den Anstoß gibt, kommt Heilung. Man kann sie unter den eigenen Händen kommen spüren, wenn man den Primären Respiratorischen Mechanismus fühlt. Sie ringt darum, das Gewebe, das die Gesundheit nicht empfangen kann, zu befreien. Heilung bringt das betroffene Gewebe in Synchronizität mit dem Übrigen. In diesem Moment wird es still und nimmt schließlich eine ›leichte‹, ›normale‹ oder ›gesunde‹ Fluktuation wieder auf. So geschieht Heilung. Und dieser Heilungsvorgang ist palpabel.

Heilung vollzieht sich mit oder ohne medizinische Diagnose. Sobald es im Krankheitsprozess eine strukturelle Komponente gibt – und das ist unweigerlich der Fall – kann OMT auf sie einwirken. Ob OMT den Krankheitsprozess nun zu heilen vermag oder nicht: Auf jeden Fall wird sie zumindest die funktionelle Ebene des Organismus so weit verbessern, dass er mit der Funktionsstörung, die mit der Krankheit einhergeht, ein neues Gleichgewicht findet. Dieses neue Gleichgewicht mag dann die Symptome und Krankheitsanzeichen lindern oder komplett auflösen.

OMT zielt auf keine Krankheit, sondern richtet sich an die Heilungskräfte. Damit soll nicht gesagt werden, dass das Benennen von Krankheit unwichtig ist oder dass die Instrumente der Pathologie abzulehnen sind. Und es heißt auch nicht, dass eine genaue strukturelle Diagnose der somatischen Dysfunktion wertlos ist.

Dr. Still riet uns, die normale Anatomie zu visualisieren, um Heilung zu fördern. OMT bringt Heilung in dem Maße, in dem der Behandler in der Lage ist, sich vorzustellen, wie das gestörte Gewebe im gesunden Zustand aussieht. Wenn wir wissen, was nicht stimmt – worin die Pathologie besteht – dann haben wir einen Ausgangspunkt. Aber wir behandeln nicht das, was nicht stimmt. Wir behandeln, um den ursprünglichen, perfekten Zustand wiederherzustellen, in dem jede/r von uns in die materielle Welt getreten ist. Dies tun wir, indem wir den perfekten Originalzustand visualisieren und somit die Störung neu ordnen. Unsere bildliche Vorstellung ist für diesen Prozess entscheidend. Unser Nervensystem spiegelt diese Bilder wider und der Patient empfängt sie durch unsere Hände und unsere menschliche Bewusstheit {mind}. Das morphogenetische Feld dient als Referenz, Wasser ist der Vermittler und das piezoelektrische Bindegewebe ist in Empfangsbereitschaft. Diese Vorstellungen werden im Buch detailliert erörtert.

William Harveys Erkenntnis, dass das Blut innerhalb der Körpergefäße kontinuierlich in einer Richtung zirkuliert, ist eine der großen wissenschaftlichen Errungenschaften des siebzehnten Jahrhunderts.1 Sie stand im Gegensatz zu der damals landläufigen Meinung, das Blut versorge die Gewebe in einer Ebbe-und-Flut-Bewegung. William G. Sutherlands großartiger Beitrag zur Wissenschaft des 20. Jahrhunderts war die Erkenntnis, dass die metabolische Aktivität, die aus dieser kontinuierlichen, richtungskonsistenten Versorgung mit Nährstoffen resultiert, ihrerseits eine Ebbe-und-Flut-Fluktuation im Interstitium und in den Zellen beschreibt – und dass die nutritive Versorgung weniger durch bloße Lösung der Nährstoffe erfolgt, wie das der heute allgemein verbreiteten Vorstellung entspricht.2

Sutherlands These besagte vielmehr, dass die metabolische Aktivität – also die Nährstoffanlieferung und die Abfallbeseitigung – durch eine respiratorische Fluktuation geordnet wird. Somit ist es ein organisierter Prozess, kein bloßer Zufall, der die biochemischen Aktivitäten der Zellen und ihrer Umgebung bestimmt. Hierbei repräsentiert das Bindegewebe die organisierende Instanz. Durch das Medium Wasser liefern die fibrösen Anteile der Zellen und des Interstitiums jene Mittel, mit denen das System biomechanisch, biochemisch und bioelektrisch operiert. Sogar die lymphatischen Kanäle synchronisieren sich mit dem oszillierenden Verhalten der Gewebematrix. Sutherland behauptete, der respiratorische Rhythmus – eine unabhängige, palpable Schwingung – werde durch Geist hervorgerufen, und bezog sich mit dieser Aussage sowohl auf die Bibel als auch auf Dr. Still. Diese palpablen Aktivitäten sind Mechanismen des Geistes, an denen alle Gewebe teilhaben. Sie sind eine Grundvoraussetzung für das Leben. Vielleicht erfährt Sutherlands Entdeckung – zusammen mit der von William Harvey – eines Tages jene Anerkennung, die sie als eine der größten physiologischen Entdeckungen ihrer Zeit verdient.

Sutherlands Behauptung, dem Metabolismus liege ein Ebbe-und-Flut-Phänomen zugrunde, resultierte nicht nur aus der Auseinandersetzung mit Stills Ideen und Schriften, sondern beruhte auch auf Erkenntnissen aus seiner eigenen Forschung und klinischen Erfahrung, die er zunächst anhand von Versuchen am eigenen Kopf, später auch in der Arbeit an Patienten und Studenten demonstrierte. Solches Wissen macht jede Notwendigkeit eines wissenschaftlichen Beweises für das Vorhandensein dieses Phänomens überflüssig, weil es in sich und aus sich selbst ein Prima-facie-Beweis* seiner Existenz ist. Jenseits einer grundlegenden Beobachtung durch Palpation ist der wissenschaftliche Beweis lediglich ein Werkzeug, um aufzuzeigen, wie, wann und warum es geschieht, nicht aber, dass es geschieht. Mittels einiger objektiver Messungen liefert die Wissenschaft denen, die ein bestimmtes Phänomen nicht direkt beobachten können, einen Beweis für dessen reale Existenz. Wer das Phänomen jedoch selbst beobachten kann, braucht keinen wissenschaftlichen Beweis.

Mein Bestreben, die osteopathische Philosophie und Praxis zu verstehen, führte mich während meiner Suche auf einen langen und wechselvollen Weg. Aufgrund meiner biochemischen Ausrichtung bildete sich zunächst der Wunsch heraus, Krankheit wie ein allopathischer Internist zu diagnostizieren. Doch ich erkannte, dass diese (schul-) medizinische Betrachtungsweise von Krankheit allein meine Möglichkeiten einschränkte, über die physischen Manifestationen einer Erkrankung hinauszuschauen. Mir war klar, dass die meisten Krankheiten ihren Ursprung im emotionalen und mentalen Bereich haben und somit einen Behandler erfordern, der den Zustand des Patienten ganzheitlich sieht. Dem wird die rein physische Betrachtungsweise nicht in vollem Umfang gerecht.

Im Laufe dieses Erkenntnisprozesses wurde ich zum Verfechter der Osteopathie – genau wie jemand, der sich das Rauchen abgewöhnt hat, zum Verfechter frischer Luft wird. So kategorisierte ich Patienten nicht länger aufgrund ihrer Krankheiten, sondern schaute nun nach ihrem Heilungspotenzial. Und ich fragte mich, was unter meinen Händen geschah, sobald ich den Heilungsprozess spüren konnte. Wissenschaftlich ausgedrückt: Durch welchen Mechanismus in den Geweben lässt sich dieses palpable Phänomen erklären? Warum fühlt sich verletztes Gewebe verhärtet, verklebt und bewegungsresistent an? Weshalb werden diese Gewebe bei der Anwendung von OMT geschmeidig und beweglich? Was ist Heilung im Vergleich zum Kurieren von Krankheit?

Während mein Kopf angefüllt war mit diesen Fragen zu den physiologischen Vorgängen in den Geweben, bahnten sich auch andere Fragen mit gleicher Kraft ihren Weg. Da die Osteopathie offenbar solche Vorteile bietet: Warum machen so wenig Patienten Gebrauch davon? Welche Kräfte halten so viele Patienten davon ab, sich osteopathisch behandeln zu lassen, obwohl sie es eigentlich nötig hätten? Wieso erhalten schwangere Frauen oder Neugeborene nicht routinemäßig eine osteopathische Behandlung (OMT)?

Während es die größte Stärke der Schulmedizin ist, in akuten medizinischen oder chirurgischen Fällen pathologische Diagnosen zu stellen, kann die Osteopathie eine Vorlage liefern für ganz andere, auf langfristige Heilung ausgerichtete Herangehensweisen, die sich in die medizinische Versorgung akuter Fälle einbeziehen lassen. Ich kam zu dem Ergebnis, dass die Schulmedizin, obwohl sie großartige Erfolge aufzuweisen hat, des ergänzenden Denkansatzes der Osteopathie bedarf.

Den großartigen Beitrag der Osteopathie zu einer gesunden Gesellschaft kann man nicht einbringen, indem man statistische Durchschnittswerte betrachtet oder eine Diagnose an den Patienten anpasst, sondern indem man als fähiger Behandler auf das achtet, was die Gewebe des individuellen Patienten in jenem bestimmten Moment der Diagnose palpatorisch mitteilen. Gesundheitsstörungen reagieren auf eine sorgfältige Untersuchung und eine spezifische Behandlung individueller Befunde viel besser als auf eine an statistischen Werten orientierte Vorgehensweise, die das Individuum dem Zufallsprinzip aussetzt.

Was den Erfolg der Osteopathie in besonderem Maße kennzeichnet, ist die Fürsorge, mit der sich der Behandler seinen Patienten widmet. Diese Fürsorge resultiert direkt aus der individuellen Aufmerksamkeit, die der osteopathische Behandler seinem Patienten im Zuge der palpatorischen Arbeit angedeihen lässt. Der DO findet die Gesundheit im Körper des Patienten und fördert ihren Ausdruck. Dies sollte allen Patienten zugute kommen.

Das vorliegende Buch bietet allen Befürwortern der Osteopathie philosophische Betrachtungen auf der Grundlage von Wissenschaft und klinischer Erfahrung, um die Besonderheit und Lebensfähigkeit dieser Profession zu bewahren. Die Gründe für diese Absicht werden dargelegt durch: (1) eine Betrachtung der medizinischen und wissenschaftlichen Literatur, die (2) ein neues, erweitertes Modell der osteopathischen Philosophie unterstützt, das (3) Stills Philosophie neu interpretiert und (4) die Existenzberechtigung der osteopathischen Profession mit neuem Leben erfüllt. Dieses Buch ist Ausdruck meines Bestrebens, die Bedeutung von ›DO‹ ganz im Sinne von Dr. Still zu erfüllen, der es für seine ersten Studenten als ›Dig on‹* interpretierte.

In diesem Buch erforsche ich die Philosophie der Osteopathie aus den Perspektiven ihrer Kunst und Wissenschaft. Im ersten Kapitel gebe ich einen recht detaillierten Einblick in Stills Philosophie, im zweiten und dritten untersuche ich von anderen Denkern und Autoren stammende Erkenntnisse, die diese Philosophie stützen. Im vierten Kapitel stelle ich wissenschaftliche Beweise für ein neues Modell der Wissenschaft, der Kunst und der Philosophie der Osteopathie vor. Das fünfte Kapitel bietet eine Zusammenfassung dieses neuen Modells. Im Anhang werden schließlich die grundlegenden Annahmen der Still’schen Philosophie – so wie ich sie verstehe – unter Verwendung heutiger Begrifflichkeit aufgelistet. Diese Profession kann erfolgreich sein, wenn sie Initiative in Bezug auf das zeigt, was sie so einzigartig macht. Dies anderen zu überlassen, führt nicht zum Erfolg sondern dazu, dass Patienten ein besonderer Heilungsansatz vorenthalten wird, der möglicherweise ihre Leiden lindern kann, wo sonst nichts hilft.

Ich hoffe, dass dieses Buch dem Leser sowohl in persönlicher als auch in beruflicher Hinsicht dienlich sein wird. Es zu schreiben war für mich in jedem Fall eine Bereicherung, da ich hierdurch zu einem tieferen Verständnis kam – osteopathisch, philosophisch und spirituell.

Danksagungen

An dieser Stelle möchte ich den vielen Menschen Dank sagen, die in meinem Leben richtungweisend waren und mich auf den Weg brachten, der zum Verfassen dieses Buches führte. Rachel Brooks danke ich speziell für die Weisheit und Fürsorge, mit der sie mich in inhaltlichen und stilistischen Fragen beraten hat. Sie ist eine wunderbare Lektorin. Ihre aufrichtigen Vorschläge waren so gut wie immer die beste Alternative. Meine dankbare Anerkennung gilt auch Toni Chila, der meine Entwicklung im Bereich der Osteopathie als Lehrer und Ratgeber unterstützt und das Vorwort zu diesem Buch verfasst hat. Lawrence Bellew und weitere interessierte Osteopathen versorgten mich freundlicherweise mit wichtigen wissenschaftlichen Artikeln.

Meinen Eltern verdanke ich die Eigenschaft, sorgfältig und gründlich zu arbeiten. Vielleicht erreiche ich gerade das, was sie sich immer für mich gewünscht haben. Ich bedaure zwar, dass sie nicht mehr leben, um diesen Moment gemeinsam mit mir zu feiern, doch ich spüre weiterhin ihre Nähe und ihre unterstützende Beleitung.

So viele Lehrer und Autoren haben die Entwicklung meines Denkens beeinflusst. Wenigstens einige möchte ich namentlich erwähnen: Patricia Spradling, Fritjof Capra, Larry Dossey, Carlos Castaneda, Brugh Joy, Barbara Ann Brennan, Ted J. Kaptchuk, Kenneth R. Pelletier, Richard Gerber, Blörn E. W. Nordenström, Alfred Pischinger. In jüngerer Vergangenheit waren es Wissenschaftler und Denker wie David Bohm, William Tiller und Joseph Rael.

Aus der osteopathischen Profession sind es die nachfolgend Genannten, die für mein Denken richtungsweisend waren: zunächst Andrew Taylor Still, dann Fred L. Mitchell Jr., Kendall Hall, William W. Lemley, William Garner Sutherland, Paula L. Eschtruth, Robert C. Fulford, J. Scott Heatherington, Lawrence Jones, Paul E. Kimberly, Viola M. Fryman, Edna M. Lay, Rolin E. Becker, Herbert C. Miller, Anthony G. Chila, James S. Jealous, Larry W. Bader, William A. Kuchera, Michael L. Kuchera, Michael D. Lockwood, Harold D. Goodman, John H. Harakal, Irvin M. Korr, Anne L. Wales, Jean-Pierre Barral, Bernard Gabarel, Michel Roques, John Adams, Carlisle Holland, Alan R. Becker, Bonnie R. Gintis, Hugh M. Ettlinger, Harold I. Magoun Jr., Rachel E. Brooks, Louis Hasbrouck, Paul E. Dart, Margaret A. Sorrel, Charlotte Weaver, Kenneth J. Lossing und Zachary Comeaux. Andere bleiben ungenannt.

Nicht zuletzt danke ich meinen Patienten für die elementaren Lehren, die sie mir zuteil werden ließen, und ich danke dem Schöpfer, der mich beschenkt hat mit dem, was mich als Mensch und Osteopath ausmacht, als der ich die Arbeit tun kann, die ich wirklich liebe.

BILD1.1:DR.A.T.STILLUM1900–DAMALSTRUGERKEINENBART.

(Mit freundlicher Genehmigung des Still National Osteopathic Museum, Kirksville, MO.)

Kapitel 1

DER MANN UND SEINE PHILOSOPHIE

»Geist prägte sich selbst den Stempel der Individualität auf und nannte es ›Du‹.«

– Ernest Holmes

Andrew Taylor Still MD, DO entwickelte de novo eine einzigartige medizinische Philosophie und Praktik, die zum einen kraftvoll genug ist, um Heilung bei vielen Menschen zu bewirken, deren Beschwerden sonst keine Linderung finden, und die zum anderen einen charakteristischen medizinischen Berufsstand begründet hat, der trotz der Prüfungen eines Jahrhunderts auch heute noch besteht. Das erste, mit Dr. Stills Philosophie und seiner Ausübung von Osteopathie* befasste Kapitel dieses Buches behandelt jene Attribute der Still’schen Philosophie, dank derer die osteopathisch-medizinische Profession ihren Platz in der Geschichte und in der Gesellschaft, ihre Einzigartigkeit, ihr Heilungsvermögen und ihren Wert als verändernde Kraft errungen hat. Zunächst geht es um unsere moderne Interpretation von Stills Philosophie und um einen Vergleich dieser Interpretation mit dem, was Andrew Still selbst über sein ›Kind‹, wie er die Osteopathie nannte, zu sagen hatte. Das Kapitel beschäftigt sich aber auch mit Dr. Stills Wesen und seiner Erfahrung und hilft uns, seine persönliche Ansicht von seiner Welt und seiner Form von Medizin zu verstehen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!