Interviews Aus Dem Kurzen Jahrhundert - Marco Lupis - E-Book

Interviews Aus Dem Kurzen Jahrhundert E-Book

Marco Lupis

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Beschreibung

In den Jahrzehnten seiner Aktivität als Sonderberichterstatter und Auslandskorrespondent für die wichtigsten italienischen Zeitungen und für die RAI hatte Marco Lupis hautnah Kontakt zu vielen Protagonisten unserer Zeit.
In diesem Buch, das die bedeutendsten Begegnungen seiner Karriere enthält kommen nicht nur viele “Berühmtheiten” unserer Epoche zu Wort: Nobelpreisträger, Staatschefs, Rockstars und Top Models, sondern auch und in erster Linie mutige Frauen und Männer, die ihr gesamtes Leben dem Kampf gegen Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch gewidmet haben.

Fünfzig Persönlichkeiten, die auf unterschiedliche Art und Weise die Geschichte der zweiten Hälfte des XX. Jahrhunderts (das “kurze Jahrhundert”) bestimmt haben. Sie werden dem Leser durch Exklusivinterviews nahegebracht, die der Reporter Marco Lupis in den Jahrzehnten seiner Aktivität als Sonderbeauftragter und Korrespondent zwischen Lateinamerika und dem Fernen Osten für die bekanntesten italienischen Medien: dem Corriere della Sera, Panorama, L'Espresso, La Repubblica und der RAI gemacht hat.
Eine Reise zu Kultur, Politik und Kunst der letzten Jahrzehnte, vermittelt von Zeitzeugen jener Epoche, vom Rockstar Peter Gabriel bis zum Liedermacher Franco Battiato, dem Top Model Claudia Schiffer; dem Sub-Comandanten Marcos dem birmanischen Leader und dem Nobelpreisträger Nobel Aung San Suu Kyi; von der Kolumbierin Ingrid Betancourt bis zum argentinischen Präsidenten Menem, vom japanischen Nobelpreisträger Kenzaburo Oe zum Chinesen Xingjian und zum Friedensnobelpreisträger Ramosh Orta.
Eine Betrachtung von zuweilen dramatischem, dann wieder leichtfüßigem Charakter, stets treffend und tiefgründig, bei der durch die Protagonisten die großen Themen unserer Zeit: Krieg, Freiheit, der Kampf gegen Ungerechtigkeit, die Suche nach Wahrheiten in Politik, Literatur, Kunst oder Kino angesprochen werden.



PUBLISHER: TEKTIME

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Seitenzahl: 361

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Marco Lupis

Interviews aus dem kurzen Jahrhundert

Treffen mit Vertretern von Politik, Kultur und Kunst des XX. Jahrhunderts

ISBN: 9788873043560
Dieses eBook wurde mit StreetLib Write (http://write.streetlib.com) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Werke desselben Autors

INTERVIEWS

LITERARISCHE URHEBERRECHTE VORBEHALTEN

Einleitung

Sub-Comandante Marcos

Peter Gabriel

Claudia Schiffer

Gong Li

Ingrid Betancourt

Aung San Suu Kyi

Lucia Pinochet

Mireya Garcia

Kenzaburo Oe

Benazir Bhutto

König Konstantin von Griechenland

Hun Sen

Roh Moo-hyun

Hubert de Givenchy

Maria Dolores Mirò

Tamara Nijinsky

Franco Battiato

Ivano Fossati

Tinto Brass

Peter Greenaway

Suso Cecchi d’Amico

Rocco Forte

Nicolas Hayeck

Roger Peyrefitte

José Luis de Vilallonga

Baronesse Cordopatri

Andrea Muccioli

Xanana Gusmao

José Ramos-Horta

Monsignore do Nascimento

Khalida Messaoudi

Eleonora Jakupi

Lee Kuan Yew

Khushwant Singh

Shobhaa De

Joan Chen

Carlos Saul Menem

Pauline Hanson

General Volkogonov

Gao Xingjian

Wang Dan

Zhang Liang

Stanley Ho

Palden Gyatso

Gloria Macapagal Arroyo

Kardinal Sin

General Giáp

Admiral Corsini

Monsignore Gassis

Men Songzhen

Epilog

Danksagungen

Anmerkungen

Werke desselben Autors

Werke desselben Autors:

Il Male inutile

I Cannibali di Mao [Maos Kannibalen]

Cristo si è fermato a Shingo [Christus kam nur bis Shingo]

Acteal

Auf einer Mission an Bord eines amerikanischen Armeehubschraubers

Der Journalist, Fotoreporter und Schriftsteller Marco Lupis war Korrespondent der Tageszeitung La Repubblica in Hong Kong.

Geboren 1960 in Rom, arbeitete er für die wichtigsten italienischen Zeitungen (Panorama, Il Tempo, Il Corriere della Sera, L'Espresso und La Repubblica) und für die rai (Mixer, Format, TG2 und TG3) als Korrespondent und Sonderberichterstatter in aller Welt. Da er oft in Kriegsgebieten war, gehörte er zu den wenigen Journalisten, die die auf die Unabhängigkeitserklärung von Ost-Timor folgenden Massaker kommentierten, die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Islamisten auf den Molukken, das Blutbad von Bali und die SARS-Epidemie in China. Seine Korrespondentenberichte deckten für über ein Jahrzehnt den gesamten asiatisch-pazifischen Raum ab. Mit Basis in Hongkong streckte er seine Fühler bis nach den Hawaiianischen Inseln und in die Antarktis aus. Er interviewte viele Größen der Weltpolitik, hauptsächlich der Asiatischen, wie den birmanischen Nobelpreisträger Aung San Suu Kyi und die pakistanische Premierministerin Benazir Bhutto und prangerte häufig in seinen Artikeln Verstöße gegen die Menschenrechte an. Seine Reportagen wurden ebenfalls in spanischen, argentinischen und amerikanischen Tageszeitungen veröffentlicht.

Marco Lupis lebt in Kalabrien.

INTERVIEWS

aus dem kurzen Jahrhundert

Marco Lupis

Treffen mit Vertretern von Kultur, Politik und Kunst des XX. Jahrhunderts

Übersetzung von Monika Westhagen:

Verlag: Tektime

LITERARISCHE URHEBERRECHTE VORBEHALTEN

Copyright© 2017 by Marco Lupis Macedonio Palermo di Santa Margherita

Sämtliche Rechte liegen beim Autor

[email protected]

www.marcolupis.com

Erste italienische Ausgabe 2017

ISBN 9788873043560

© 2018 Tektime

Dieses Werk ist gesetzlich und urheberrechtlich geschützt.

Jede nicht autorisierte auch auszugsweise Vervielfältigung ist untersagt.

Der Journalist ist der Historiker des Augenblicks

Albert Camus

Für Francesco, Alessandro und Caterina

Einleitung

Tertium non datur

In Mailand war gerade Herbst. Damals, im Oktober des Jahres 1976, war ich schnellen Schrittes zum ersten Interview meines Lebens unterwegs, über den Corso Venezia in Richtung Teatro San Babila.

Als Siebzehnjähriger war ich in Begleitung meines Freundes Alberto auf dem

Weg zu einer Nachrichtenübertragung in einem der ersten italienischen Privatsender, Radio Milano Libera, mit dem wenig originellen Titel “Spazio giovani/Raum für die Jugend”.

Es waren damals wirklich unglaubliche Jahre, wo alles möglich war und auch wirklich geschah. Phantastische Jahre. Schreckliche Jahre zugleich. Es waren die anni di piombo, die der Jugendproteste, der autonomen Zirkel, der Schulstreiks, der Demos, die fast immer in Gewalt ausarteten. Jahre mit enormem Enthusiasmus, voll von kulturellem Aufruhr, der kurz vor dem Siedepunkt schien, so lebendig, engagiert und allumfassend wurde er empfunden. Es waren Jahre der Konfrontation und zuweilen auch die von Menschen, die einen gewaltsamen Tod starben: auf der einen Seite die linke Jugend, auf der anderen die Rechte. Im Vergleich zu heute war alles denkbar einfach: man stand entweder auf der einen oder auf der anderen Seite. Tertium non datur.

In erste Linie waren es jedoch Jahre, in denen jeder von uns den Eindruck hatte – und manchmal war es sehr viel mehr als nur ein Eindruck – den Lauf der Dinge ändern zu können. Es – als kleiner Niemand – zu schaffen anders zu sein.

In diesem Scherbenhaufen von Aufgeregtheit, Kultur und Gewalt bewegten wir uns in ruhigen Gewässern. Wir navigierten nach Sicht. Attentate, Bomben, die Roten Brigaden, sie waren in unserer Jugendzeit – oder als Teenager, je nachdem, in welchem Alter wir gerade waren – allgegenwärtig, aber im Grunde genommen beunruhigte uns das nicht allzu sehr. Wir hatten rasch gelernt, damit umzugehen, auf eine Art und Weise, die nicht sehr unterschiedlich zu der war, die ich in späteren Jahren bei Völkern antreffen sollte, die inmitten von Konflikten oder in Bürgerkriegsregionen lebten. Sie hatten ihr Leben an diese extremen Bedingungen angepasst, es war ein klein wenig vergleichbar mit unserem früheren Leben.

Mein Freund Alberto und ich wollten wirklich versuchen, anders zu sein. Daher hatten wir, gewappnet mit grenzenlosem Enthusiasmus und einem enormen Maß an Leichtsinn, in einem Alter, in dem die Jugend von heute die Zeit damit verbringt, Selfies über Instagram zu posten und Smartphones zu tauschen, alles gelesen, was wir erwischen konnten; wir nahmen an Musikvolksfesten teil – in jenem magischen Moment der die Geburtsstunde des Rock und dessen Verbreitung einläutete – bis zu Megakonzerten in Parks und im Filmforum.

Mit ähnlichen Gefühlen, den Kopf voller Ideen und einem Kassettenrecorder in der Tasche waren wir an jenem regnerischen Oktober vor vierzig Jahren auf dem Weg in Richtung Teatro San Babila.

Den Termin hatten wir um siebzehn Uhr, etwa eine Stunde vor Beginn der Nachmittagsaufführung. Man führte uns hinab in die Katakomben des Theaters, wo die Garderoben der Akteure waren, bis zu der des Hauptdarstellers. Dort wartete unser Interviewpartner, der erste in meiner “Karriere” als Journalist: Peppino de Filippo.

Ich kann mich nicht an viele Details jenes Interviews erinnern und leider sind die Bänder der Aufzeichnung bei einem der zahllosen Umzüge im Laufe meines Lebens verlorengegangen.

Ich kann mich aber noch heute genau an diesen leichten elektrischen Schlag erinnern und an das energetische Prickeln, welches ihm vorausgeht – ich sollte es danach noch tausend Mal spüren – es war ein wichtiges Interview. Ein

Treffen von Bedeutung, denn jedes Interview ist weit mehr, als eine einfache Folge von Fragen und Antworten.

Peppino de Filippo stand am Ende einer Theater- und Filmkarriere, mit der er bereits zu jener Zeit Geschichte geschrieben hatte – er sollte nur wenige Jahre danach sterben. Er empfing uns, während er sich gleichzeitig weiter vor dem Spiegel schminkte. Er war freundlich, höflich und bereitwillig und er tat so, als sei es für ihn nichts Ungewöhnliches, sich zwei pickelige Jungens gegenüber zu sehen. Ich erinnere mich noch an seine ruhigen Bewegungen; er trug seine Theaterschminke mit Methode nach einem bestimmten Schema auf, das mir schwer und intensiv und sehr deutlich erschien. Insbesondere ist mir eines im Gedächtnis geblieben; die tiefe Traurigkeit in seinem Blick. Eine Traurigkeit, die mich tief traf, denn ich konnte sie tief in meinem Inneren spüren. Vermutlich spürte er, dass sein Leben zu Ende ging, oder es war nur eine Bestätigung für das, was man allen Komikern nachsagt, dass sie, die alle zum Lachen bringen in Wirklichkeit zu den traurigsten Menschen auf der Welt gehören.

Wir sprachen über das Theater und natürlich über seinen Bruder Eduardo. Er erzählte uns von seinem Leben auf den Brettern, die die Welt bedeuten, immer auf Reisen, in Begleitung der Familie.

Wir gingen nach fast einer Stunde, etwas benebelt, mit einer vollen Tonbandkassette.

Dies war nicht nur das erste Interview meines Lebens, es war insbesondere der Moment, in dem ich begriff, dass der Beruf des Journalisten für mich die einzige überhaupt denkbare Option war. Und es war der Augenblick, an dem ich zum ersten Mal diese merkwürdige Alchimie, diese subtile Magie spürte, die sich zwischen dem Interviewten und dem Interviewer aufbaut.

Ein Interview kann entweder die mathematische Formel einer Lebensweisheit sein, oder eine unnütze und eitle Zurschaustellung. Das Interview ist aber auch eine mächtige Waffe in den Händen des Journalisten, der die Macht hat, zu wählen, ob er dem Interviewten beipflichten- oder sich in den Dienst des Lesers stellen und diesen begeistern soll.

Was mich anbelangt, so ist in meinen Augen das Interview sehr viel mehr; es ist eine psychologische Konfrontation, eine Sitzung mit Psychoanalyse. Involviert sind beide, der Interviewte und der, der ihn interviewt.

So wie mir später der Marchese di Vilallonga in einem in diesem Buch

enthaltenen Interview sagte: «das Geheimnis liegt allein in diesem Zustand der Erlösung, der entsteht, wenn der Journalist sich von seinem Status als Journalist löst und zum Freund wird, dem man alles erzählt, auch das, was man einem Journalisten niemals anvertrauen würde.»

Das Interview ist die praktische Umsetzung der von Sokrates praktizierten Kunst der Mäeutik, die Fähigkeit der Journalisten, dem Interviewpartner seine aufrichtigsten Gedanken zu entlocken, ihn dazu zu bringen, unachtsam zu werden, ihn reden zu lassen und auf das Überraschungsmoment zu hoffen, um ihm die ungeschminkte Wahrheit zu entlocken.

Nicht immer gelingt es, diese besondere Magie in die Praxis umzusetzen, aber wenn es geschieht, dann ist das Ergebnis ein gutes Interview. Etwas mehr als ein Schlagabtausch und eine sterile Antwort; es hat nichts gemein mit der unnützen Selbstgefälligkeit des Journalisten, der nur versucht, einen Scoop zu landen.

In über dreißig Jahren journalistischer Aktivitäten bin ich Berühmtheiten begegnet, Staatsmännern, Premierministern, religiösen und politischen Führern. Ich muss allerdings gestehen, dass nicht sie es waren, bei denen ich ein echtes Gefühl von Empathie empfand.

Auf Grund meines kulturellen Hintergrunds und meines familiären Umfelds hätte ich mich ihnen zugehörig fühlen müssen und auf der Seite der Männer und Frauen stehen müssen, die die Fäden der Macht in Händen hatten, die die Macht hatten über das Schicksal von Millionen Menschen zu entscheiden, über ihr Leben und oftmals über ihren Tod. Zuweilen über das Schicksal und die Zukunft ganzer Völker.

Aber so war es nicht. Empathie, eine Woge der Sympathie, den Schauder und die Erregung habe ich beim Treffen mit den Rebellen gespürt, den Kämpfern, die bereit waren – und das auch unter Beweis stellten – ihr Leben zu opfern, die oftmals, da beseelt von ihren Idealen, Ruhe und Freiheit ausstrahlten.

Gleich ob ich einen Revolutionsführer mit schwarzer, wollener Skimütze in einer Hütte im mexikanischen Dschungel traf, oder eine couragierte Mutter, die in aller Bescheidenheit, aber verbissen darum kämpfte, die Wahrheit über das schreckliche Ende ihrer Kinder zu erfahren, die in Chile unter dem Pinochet-Regime verschollen sind.

Sie waren in meinen Augen die wirklich Mächtigen.

Grotteria, August 2017

*****

Die Interviews in diesem Buch wurden in einem Zeitraum zwischen 1993 und 2006 in den großen Zeitschriften veröffentlicht, für die ich in jenen Jahren als Korrespondent oder Sonderberichterstatter hauptsächlich in Lateinamerika und in Fernost tätig war: die Wochenzeitschriften Panorama und L’Espresso, die Tageszeitungen Il Tempo, Il Corriere della Sera und La Repubblica sowie einige für die rai

Ich habe bewusst die Originalform beibehalten, in der sie damals geschrieben wurden, zuweilen nach dem traditionellen Aufbau von Frage/Antwort, andere mehr in der umgangssprachlicheren Form des Zitats in Anführungszeichen.

Ich habe mich entschieden, jedem einzelnen Interview eine kurze Einleitung voranzustellen, die dem Leser helfen soll, sich zeitlich und räumlich in der jeweiligen Epoche zu orientieren, in der sie gemacht wurden.

1

Sub-Comandante Marcos

Venceremos [Wir werden siegen]! (früher oder später)

Chiapas, Mexiko, San Cristobal de Las Casas, Hotel Flamboyant.Man hatte die Nachricht unter der Zimmertür durchgeschoben:

Fahrt in die Selva unbedingt heute.

Treffpunkt 19 h an der Rezeption.

Mitzubringen: Bergschuhe, eine Decke,

ein Rucksack und Dosenverpflegung.

Mir bleiben nur eineinhalb Stunden, um die wenigen Sachen zu packen. Mein Ziel liegt im Herzen des Dschungels. An der Grenze zwischen Mexiko und Guatemala, wo die Selva Lacandona beginnt, einer der wenigen Orte der Welt, die bis heute völlig unerforscht sind. Momentan gibt es nur einen einzigen sehr speziellen “Reiseveranstalter”, der mich dazu bewegen könnte, dort hinzugehen. Er lässt sich mit Sub-Comandante Marcos ansprechen und die Selva Lacandona ist sein letztes Refugium.

*****

Das, worauf ich noch heute in meiner Karriere wahrscheinlich am meisten stolz bin, ist dieses Treffen mit dem Sub-Comandante Marcos im Dschungel von Lacandona del Chiapas im April 1995 für die Wochenzeitschrift Sette des Corriere della Sera; ich war der erste italienische Journalist, dem es gelang, in zu interviewen (allerdings weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob vor mir nicht der sympathische und allgegenwärtige Gianni Minà dort war), aber es war sicherlich lange bevor der mystische Sub-Comandante mit seiner legendären schwarzen Skimütze in den späteren Jahren eine Art authentisches „Guerilla-Pressebüro“ ins Leben rief, zu dem die Journalisten aus den entlegensten Winkeln hin- und herpendelten.

Es waren gerade mal zwei Wochen vergangen, nachdem, in den letzten Märztagen des Jahres 1995, das Flugzeug aus Mexiko-Stadt auf dem kleinen Militärflugplatz von Tuxla Gutierrez, der Hauptstadt des zentralen Hochlandes von Chiapas gelandet war. Auf der Piste rollten Maschinen mit den Emblemen der mexikanischen Armee, flankiert von Militärfahrzeugen, die bedrohlich an beiden Rändern der Rollbahn Parkposition bezogen hatten. In einem Gebiet, das flächenmäßig ein Drittel von Italien umfasst leben drei Millionen Menschen. Bei der Mehrzahl fließt Indioblut in den Venen: Zweihundertfünfzigtausend sind direkte Nachkommen der Maya.

Ich befand mich in einer der ärmsten Gegenden der Welt: Neunzig Prozent der Indios hatten kein Trinkwasser. Sechzig von Hundert waren Analphabeten.

Die Sachlage schien mir klar zu sein: auf der einen Seite die weißen Grundbesitzer, wenige und sehr Reiche. Auf der anderen die Campesinos, viele, die im Schnitt sieben Peso, weniger als zehn Dollar pro Tag verdienten.

Für diese Menschen hatte die Hoffnung auf Rückeroberung am ersten Januar 1994 begonnen. Während Mexiko das Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten und mit Kanada unterschrieb, erklärte ein vermummter Revolutionär dem Land den Krieg: zu Pferde, mit Gewehren bewaffnet – einige (wenige) davon echt, die anderen Attrappen aus Holz – besetzten zweitausend Mann der Nationalen Befreiungsarmee der Zapatisten San Cristobal de Las Casas, die antike Hauptstadt des Hochlandes von Chiapas, die Parole lautete: «Land und Freiheit».

Heute wissen wir, an wen die erste Runde ging, die Entscheidende: sie wurde von den fünfzigtausend Soldaten gewonnen, die man mit Panzern geschickt hatte, um den Aufstand niederzuschlagen. Und Marcos? Was war aus dem Mann geworden, der auf eine gewisse Art dafür gesorgt hatte, dass die Legende von Emiliano Zapata, dem Helden der mexikanischen Revolution von 1910 wieder auflebte?

*****

19 Uhr, Hotel Flamboyant: Unser Kontaktmann kommt pünktlich. Er heißt Antonio und ist ein mexikanischer Journalist, der nicht einmal, sondern zehn oder zwanzig Mal im Dschungel war. Sicher, heute ist es nicht mehr wie noch vor einem Jahr, als Marcos noch ein relativ ruhiges Leben mit den Seinen im kleinen Dorf von Guadalupe Tepeyac, am Eingang zur Selva führte, mit Handy und PC “bewaffnet“ und mit Internetverbindung, jederzeit bereit, die Abgesandten der amerikanischen TV-Sender zu empfangen. Für die Indios hat sich bis heute nichts verändert, für Marcos und die Seinen schon – alles ist anders: nach der letzten Offensive der Regierung mussten sich die Anführer der Zapatisten wirklich und wahrhaftig in den Bergen verstecken. Hier gibt es keine Telefone, es gibt keinen Strom, keine Straßen: nichts.

Der colectivo (wie man hier diese komischen Taxi-Minibusse nennt) verschwindet rasch Kurve für Kurve in die Nacht. ImInnenraum riecht es nach Schweiß und nach feuchtem Stoff. Man braucht zwei Stunden bis nach Ocosingo, einem Pueblo am Eingang zum Dschungel. Auf den belebten Straßen treffen wir auf lachende Mädchen mit langen schwarzen Haaren und Indio-Gesichtern und auf viel Militär – überall. Die Zimmer des einzigen Hotels haben keine Fenster, nur ein Gitter in der Tür. Es sieht aus wie eine Gefängniszelle. Im Radio kommt eine Nachricht: «Heute hat die Mutter von Marcos erklärt: Mein Sohn, der Universitätsprofessor Rafael Sebastian Guillen Vicente, 38 Jahre, geboren in Tampico, ist der Sub-Comandante Marcos».

Am nächsten Tag haben wir einen neuen Führer. Er heißt Porfirio. Auch er ist ein Indio.

In seinem Minibus brauchen wir fast sieben Stunden durch Schlaglöcher und Staub, bevor wir in Lacandon, der letzten Ortschaft ankommen. Hier endet die befestigte Straße. Es beginnt der Dschungel. Es regnet nicht, aber der Schlamm reicht uns trotzdem bis zu den Knien. Geschlafen wird in Baracken am Weg, im Dschungel. Nach zwei Tagen strammem und kräftezehrendem Marsch durch den unwirtlichen Dschungel, halb erstickt wegen der Feuchtigkeit, kommen wir im Dorf an. Die Gemeinde nennt sich Giardin; wir sind im Gebiet der Montes Azules. Hier wohnen etwas zweihundert Menschen. Alles Alte, Kinder und Frauen. Die Männer sind im Krieg. Man empfängt uns freundlich. Nur weniger sprechen Spanisch. Alle sprechen Tzeltal, den Dialekt der Maya. «Werden wir Marcos treffen?» fragen wir «Kann sein», Porfirio nickt zustimmend.

Um drei Uhr morgens werden wir sanft geweckt: wir müssen aufbrechen. Es scheint kein Mond, aber es gibt viele Sterne. Nach einem Marsch von einer halben Stunde kommen wir an eine Hütte. Im Inneren sind die Gestalten von drei Männern zu erahnen. Drinnen ist es dunkel, schwarz wie ihre Skimützen. Nach dem Steckbrief der Regierung ist Marcos ein Universitätsprofessor mit Abschluss in Philosophie mit einer Dissertation über Althusser, der an der Pariser Sorbonne promoviert hat. An diesem Punkt wird die Stille in der Hütte von einer Stimme in französischer Sprache unterbrochen: «Wir haben nur zwanzig Minuten. Ich würde lieber Spanisch sprechen, wenn das in Ordnung ist. Ich bin Sub-Comandante Marcos. Das Aufnahmegerät benutzen Sie besser nicht, denn wenn Sie abgehört werden, hätten wir alle ein Problem, vor allem Sie. Auch wenn wir uns offiziell im Waffenstillstand befinden, sucht man mich in Wirklichkeit mit allen Mitteln. Sie können mich fragen, was Sie wollen.»

Warum nennen Sie sich Sub-Comandante?

Man sagt über mich: «Marcos ist der Capo». Das stimmt nicht. Die Anführer sind sie, das zapatistische Volk, ich habe nur militärisch die Verantwortung. Sie haben mich beauftragt, für sie zu sprechen, weil ich Spanisch spreche. Die Kameraden benutzen mich als Sprachrohr. Ich gehorche nur.

Zehn Jahre im Untergrund sind lang... Wie leben Sie in den Bergen?

Ich lese. Von den zwölf Büchern, die ich mit in den Dschungel genommen habe ist eins der Canto General von Pablo Neruda. Ein anderes ist der Don Quijote...

Und sonst?

Ansonsten vergehen die Tage und Jahre während unseres Kampfes. Wir sehen Tag für Tag dieselbe Armut, dieselbe Ungerechtigkeit... Du kannst hier nicht leben, ohne dass der Wille zu kämpfen, etwas zu verändern, stärker wird. Da müsstest du schon entweder Zyniker sein, oder ein Hurensohn. Dann sind da noch Dinge, die Journalisten mich für gewöhnlich nicht fragen. Das wir uns nämlich hier im Dschungel schon mal von Mäusen ernähren oder den Urin der Kameraden trinken müssen, um bei den langen Ortswechseln nicht zu verdursten … mehr ist dazu nicht zu sagen.

Was fehlt Ihnen? Was haben Sie zurück gelassen?

Mir fehlen Zucker und ein paar trockene Socken. Tag und Nacht nasse Füße zu haben, in der Kälte, das wünsche ich niemandem, und Zucker ist das einzige, was uns der Dschungel nicht liefern kann, man muss ihn von weit her beschaffen; wegen der physischen Anstrengungen braucht man ihn. Für diejenigen von uns, die aus der Stadt kommen sind bestimmte Erinnerungen gleichbedeutend mit Masochismus. Wir sagen uns ständig vor: «Erinnerst du dich an das Eis aus Coyoacàn? Und die Tacos von Division del Norte?». Erinnerungen. Wenn wir hier einen Fasan oder ein anderes Tier fangen, dann muss man drei oder vier Stunden warten, bis es fertig zubereitet ist. Und wenn die Truppe kurz vor dem Verhungern ist und das Fleisch roh isst, dann haben alle am nächsten Tag Durchfall. Das Leben ist hier anders und man sieht die Dinge anders … Moment, Sie haben mich gefragt, was ich in der Stadt zurückgelassen habe. Ein Metro-Ticket, einen Haufen Bücher, ein Heft voll mit Gedichten … und ein paar Freunde. Nicht viele, den einen oder anderen.

Wann werden Sie Ihr Gesicht zeigen?

Ich weiß es nicht. Ich denke, dass unsere Skimützen auch eine positive ideologische Bedeutung haben und sich mit unserem Verständnis der eigenen Revolution decken, die nicht individueller Natur ist, die keinen Anführer hat. Mit der Skimütze auf dem Kopf sind wir alle Marcos.

Nach Ansicht der Regierung verstecken Sie Ihr Gesicht, weil Sie etwas zu verbergen haben…

Die haben nichts kapiert. Aber das eigentliche Problem ist nicht mal die Regierung, sondern es sind vielmehr die reaktionären Kräfte der Chiapas, die Viehzüchter und Großgrundbesitzer der Region mit ihren privaten “weißen Wachen“. Ich glaube nicht, dass ein großer Unterschied zwischen der traditionellen rassistischen Einstellung eines Weißen aus Südafrika gegenüber einem Schwarzen und der eines Grundbesitzers der Chiapas gegenüber einem Indio besteht. Hier liegt für einen Indio die Lebenserwartung bei 50-60 Jahren für die Männer und bei 45-50 für die Frauen.

Und die Kinder?

Die Kindersterblichkeit ist sehr hoch. Ich möchte jetzt auch Ihnen die Geschichte von Paticha erzählen. Vor langer Zeit, bei einem Umzug von einem Dschungelgebiet in ein anderes kamen wir zufällig durch ein kleines, sehr ärmliches Dorf, wo wir stets von einem Zapatisten Kameraden mit einem drei bis vierjährigen Kind empfangen wurden. Die Kleine hieß Patricia, sprach ihren Namen aber «Paticha» aus. Ich habe sie gefragt, was sie einmal werden möchte, wenn sie groß ist und sie hat mir immer geantwortet: «una Guerrigliera». Eines Nachts fanden wir sie mit hohem Fieber vor. Antibiotika hatten wir nicht und sie hatte 40° Fieber oder höher. Die nassen Sachen trockneten an ihrem Körper wie an einem Ofen. Sie starb in meinen Armen. Patricia hatte keine Geburtsurkunde. Sie hatte auch keine Sterbeurkunde. Für Mexiko hat sie niemals existiert. Auch ihr Tod hat nie existiert. Das ist die Realität der Indios aus den Chiapas.

Die Zapatistenbewegung hat das gesamte politische System Mexikos in die Krise gestürzt, hat aber nicht gewonnen.

Mexiko braucht Demokratie und Personen, die über den Parteien stehen und diese garantieren. Wenn unser Kampf dazu beiträgt, dieses Ziel zu erreichen, dann war er nicht vergebens. Die Armee der Zapatisten wird jedoch niemals zu einer politischen Partei konvertieren. Sie wird von der Bildfläche verschwinden. Und am Tag, an dem das geschieht, werden wir eine Demokratie haben.

Und wenn das nicht geschieht?

Militärisch gesehen sind wir eingekesselt. Die Wahrheit ist, dass die Regierung schwerlich nachgeben werden wird, denn die Chiapas und insbesondere der Dschungel von Lacandona schwimmen buchstäblich in einem Meer von Öl. Und das Öl aus Chiapas ist die Garantie, die der mexikanische Staat den Vereinigten Staaten für die Milliarden von Dollar gegeben hat, die ihr die USA geliehen haben. Die Regierung kann also den Amerikanern gegenüber nicht zugeben, dass sie die Situation nicht unter Kontrolle hat.

Und Ihr?

Wir hingegen haben nichts zu verlieren. Unser Kampf ist ein Kampf ums Überleben und für einen Frieden in Würde.

Unser Kampf ist ein gerechter Kampf.

2

Peter Gabriel

Der Rock-Kobold

Bei jedem seiner (seltenen) Auftritte unterstreicht der legendäre Gründer und Frontmann der Gruppe Genesis, dass sein Hunger nach jeglicher Form eines musikalischen, kulturellen und technologischen Experiments wirklich keine Grenzen kennt.

Ich traf Peter Gabriel zu diesem Exklusiv-Interview während der Musikshow «Sonoria», einem dreitätigen Event in Mailand, das ausschließlich dem Rock gewidmet war. Während einer zweistündigen großen Musikdarbietung sang und tanzte Gabriel, hüpfte auf der Bühne herum wie eine Sprungfeder und begeisterte das Publikum in einem Spektakel, das, wie immer, weit über das hinausging, was man von einem normalen Rockkonzert erwartet.

Am Ende des Konzerts lud er mich ein, zu ihm in die Limousine zu steigen, die ihn zum Flughafen brachte und auf der Fahrt erzählte er von sich, von seinen Zukunftsplänen, seinem sozialen Engagement im Kampf gegen Rassismus und Ungerechtigkeit an der Seite von Amnesty International, von seiner Passion für multimediale Technologien und von den Geheimnissen seiner neuen Scheibe «Secret World Live», die demnächst gerade überall in der Welt auf den Markt kommen sollte.

War das Ende des Rassismus in Sudafrika, das Ende der Apartheit u.a. auch ein Siegeszug des Rock?

Es war ein Sieg des südafrikanischen Volkes. Ich glaube aber, dass die Rockmusik auf irgendeine Weise zu diesem Ergebnis beigetragen hat.

Auf welche Weise?

Ich glaube, dass die Musiker viel getan haben, um die öffentliche Meinung in Europa und in Amerika in Bezug auf diese Thematik zu sensibilisieren. Ich habe selbst Songs wie "Biko" geschrieben, um zu erreichen, dass Politiker diverser Länder die Sanktionen gegen Südafrika unterstützten und Druck machten. Es war ein kleiner Beitrag, der sicherlich nicht die Welt verändert, aber es macht einen Unterschied, einen kleinen Unterschied, der uns alle mit einbezieht. Es sind nicht immer die großen Events, die thea-tralischen Gesten, die am Ende über die Ungerechtigkeit triumphieren.

In welcher Hinsicht?

Um ein Beispiel zu nennen: In den USA gibt es zwei alte Damen aus dem Middlewest, die das Schreckgespenst aller Folterknechte Lateinamerikas sind. Sie verbringen ihre Zeit damit, unablässig Briefe an Gefängnisdirektoren zu schreiben. Und weil sie sehr gut informiert sind, werden ihre Briefe häufig in amerikanischen Zeitschriften mit großer Auflage und großer Resonanz veröffentlicht. Davon profitieren auch auf die politischen Gefangenen, deren Namen sie öffentlich gemacht haben, die man – auf wundersame Weise – plötzlich nicht mehr schikaniert. Das meine ich, wenn ich von kleinen Unterschieden spreche. Im Grunde genommen hat unsere Musik für sie dieselbe Bedeutung wie ein Brief!

Ihr Engagement gegen den Rassismus ist eng verbunden mit der Aktivität Ihres Aushängeschildes, der Real World, zu Gunsten der ethnischen Musik ...

Das ist richtig. Für mich war es eine große Befriedigung, dass ich so viele unterschiedliche Musiker aus so entfernten Ländern, von China über Indonesien und Russland bis Afrika zusammenbringen konnte. Wir haben Künstler herausgebracht wie die chinesischen Guo Brothers oder den Pakistani Nusrat Fateh. In ihren Werken wie in denen der anderen Musiker von Real World habe ich viel Inspirierendes gefunden. Den Rhythmus, die Harmonie, die Stimmen... Bereits ab 1982 habe ich übrigens damit begonnen, mich in dieser Richtung zu engagieren, indem ich das Bath Festival organisiert habe, das im Grund genommen zugleich der erste öffentliche Auftritt der von mir gerade ins Leben gerufenen Körperschaft mit Namen “Womad - World of Music Arts and Dance” war. Hier haben Menschen die Möglichkeit, sich aktiv am Event zu beteiligen und zusammen mit den afrikanischen Gruppen auf vielen Bühnen zu spielen. Alles in allem war es eine so spannende und bedeutsame Erfahrung, dass das Experiment später in vielen Teilen der Welt wiederholt wurde: Japan, Spanien, Tel Aviv, Frankreich...

Gelten Sie deshalb als Erfinder der World Music?

Real World und die World Music sind in erster Linie ein Markenzeichen, unter dem Musik von Artisten aus aller Welt publiziert wird, damit diese Musik überall in der Welt verbreitet werden kann, Eingang findet in Plattenläden, Radiosender... Dennoch hoffe ich, dass dieses Logo rasch verschwindet, nämlich dann, wenn die Künstler die für mich ihre Musik aufnehmen, berühmt werden. Kurz gesagt, ich möchte, dass das geschieht, was mit Bob Marley und der Reggae-Musik passierte: die Leute sagen nicht mehr «das ist Reggae», sie sagen «das ist Bob Marley». Ich hoffe, dass mit der Zeit niemand meine Künstler mehr mit «das ist World Music betitelt.»

Sie haben sich in letzter Zeit stark in Richtung multimedialer Technologien orientiert. Ihre CD «Xplora1» traf auf ein breites Interesse. Wie lässt sich das alles mit den Aktivitäten von Real World verbinden?

Mit und auf dieser CD kann man viele Dinge tun, zum Beispiel unter den Stücken der einzelnen Künstler auswählen, indem man auf die CD-Hülle klickt. Ich möchte aber sehr viel mehr solcher Optionen anbieten, denn die Interaktivität ist ein Medium, das die Musik zu Menschen bringt, die noch nicht viel Kontakt damit hatten. Im Grunde genommen ist es das, was Real World versucht, traditionelle Musik – die, wenn Sie so wollen, home made ist, mit den Möglichkeiten zu verschmelzen, die uns die neue Technologie bietet.

Wollen Sie damit sagen, dass Ihrer Ansicht nach die Rockmusik sich inzwischen selbst nicht mehr genügt und der Intervention des Hörers bedarf? Möchten Sie, dass jeder beim Produkt Rock selbst Hand anlegen kann?

Nicht unbedingt. Ich zum Beispiel höre die meiste Zeit Musik im Auto und möchte vermeiden, dass ich dazu einen Bildschirm

oder einen Computer brauche. Wenn mich dagegen ein Künstler interessiert, oder wenn ich mehr über seine Vita wissen möchte, wo er herkommt, was er denkt, dann habe ich mit Multimedia ein visuelles Instrumentarium an der Hand, mit dem ich diese Bedürfnisse befriedigen kann. Letztlich würde ich dafür plädieren, dass alle CDs künftig über diese doppelte Nutzerebene verfügen würden: einmal die einfache Hörfunktion und einmal die Möglichkeit, die darauf gespeicherten Daten im wahrsten Sinne des Wortes zu “erforschen” Mit “Xplora1” wollten wir eine kleine, eigene Welt schaffen, in der die Menschen sich bewegen und entscheiden können, in der sie Entscheidungen treffen und mit ihrem Umfeld und mit der Musik interagieren können. Im Inneren der CD kann man viele Dinge tun, wie beispielsweise einen virtuellen Rundgang durch die Aufnahmestudios von Real World machen, an vielen Events teilnehmen (u.a. an der Verleihung des Grammy Awards oder am Womad Festival), man kann Clips aus Konzerten anhören, meine Karriere mit Genesis von Anfang bis heute nachverfolgen, und schließlich einen Remix meiner Songs nach Lust und Laune starten.

Und etwa auch in Ihrer Garderobe herumstöbern, virtuell natürlich …

Bingo (lacht). Man kann auch in der Garderobe von Peter Gabriel herumstöbern!

All dies scheint Lichtjahre entfernt von der Erfahrung mit Genesis. Was ist von diesen Jahren noch geblieben? Hatten Sie zum Beispiel niemals Lust, eine Rock-Oper zu machen, nach dem Muster «The lamb lies down on Broadway»? Ist das alles überholt?

Das ist gar nicht leicht zu beantworten. Ich bin glaube ich schon noch an einigen dieser Ideen interessiert, aber in einer anderen Welt. In gewisser Weise besteht bei dem, was ich in der letzten Schaffensperiode mit Genesis machen wollte, eine Verknüpfung mit Multimedia. Zu jener Zeit waren der Tontechnik durch die Technologie jener Epoche Grenzen gesetzt. Jetzt möchte ich auf dieser Straße ein ganzes Stück weiter in Richtung Zukunft vorangehen...

Kommen wir zurück auf Ihr politisches und humanitäres Engagement nach dem Ende der Apartheit, was sind Ihre anderen diesbezüglichen Projekte in Bezug auf die Gründe für die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt, die es zu bekämpfen gilt?

Es gibt viele, aber im Moment glaube ich, dass es vorrangig ist, die Menschen dabei zu unterstützen, Zeugnis abzulegen. Beispielsweise, jedem die Möglichkeit zu geben, Aufnahmen mit einer Videokamera zu machen, oder über Kommunikationsmittel wie Fax, Computer usw. zu verfügen. Kurz gesagt, ich denke, dass heute die Möglichkeit besteht, die Technologie der Kommunikationsnetze für eine stärke Verteidigung der Menschenrechte zu nutzen.

Hoch interessant. Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Ich möchte kleine, konkrete Ziele verfolgen. Beispielsweise mit Hilfe dieser Kommunikationsmittel den Alltag eines ganzen Dorfes verändern: Telefonverbindungen, zwanzig oder dreißig Personal Computer, usw. Solche “Pakete” könnte man in jedem Dorf der Welt installieren, in Indien, in China, im Gebirge... Auf diese Art und Weise könnte man in einer Zeitspanne von drei oder fünf Jahren die Menschen auf solchen Posten instruieren, wie sie Informationen generieren, verwalten, und damit umgehen können. Dies würde dazu beitragen, mit geringem Aufwand die Wirtschaft vieler Länder zu transformieren und den Menschen die Möglichkeit zu geben, von einer reinen Agrarwirtschaft zu einem informationsbasierten System zu wechseln. Das wäre zweifellos von Vorteil.

Was sind Ihre Zukunftsprojekte?

Ein Urlaub (lacht). Wir sind sehr viele Monate auf Tour. Wir haben auch Pausen gemacht, aber ich glaube, ich muss mal abschalten. On Tour gibt es immer Stress, zeitliche Engpässe, Reisestress... und dann ist es unmöglich, Sport zu treiben. Ich spiele zum Beispiel viel Tennis. Was die Arbeit anbelangt, denke ich an etwas anderes als eine CD-ROM. Momentan habe ich mein neues Album “Secret World Live” abgeschlossen, eine Doppel-CD mit Live-Aufnahmen, die auf eben dieser langen Tournee aufgenommen wurden. Im Grunde genommen handelt es sich um eine Zusammenfassung von allem, was ich bisher gemacht habe, eine Art Sammelalbum, mit einem einzigen Stück, “Across the River”, das man als halbwegs unveröffentlicht bezeichnen könnte. Das Album ist im Prinzip auch eine Art Danksagung an alle, die auf dieser mörderischen Tour mit mir zusammen gespielt haben. Von den “habitués” wie Tony Levin oder David Rhodes bis Billy Cobham und Paula Cole, die mich auch in Mailand begleitet haben; der erste am Schlagzeug und die zweite als Vokalistin.

Haben Sie einen Wunsch, einen Traum?

Ich wünschte, die Vereinigten Staaten Europas würden bereits existieren.

Warum?

Weil es inzwischen offensichtlich ist, dass kleine Länder in der Weltwirtschaft keine große Rolle spielen können. Man braucht eine Organisation, die sie gegenüber dem Rest der Welt vertritt, auf künftigen Märkten und die ihre kulturelle Identität schützt. Es braucht eine kompakte wirtschaftliche Vertretung, eine Handelsunion, die ihr Überleben sichert, insbesondere, um sich an jenen Plätzen behaupten zu können, wo Arbeitskräfte zu Niedrigpreisen gehandelt werden. Und um dann das Bild von der Unterteilung der Welt in zwei Modelle zu zerreißen: das des weißen, des historischen Europas und das der armen Länder, die ausgebeutet werden. Man sollte die Unterschiede zwischen den Menschen eines jeden Landes hervorheben und nicht versuchen, alles über einen Kamm zu scheren, damit alle gleich sind.

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Claudia Schiffer

Die Schönste von allen

Sie war die schönste Frau der Welt, die mit den höchsten Gagen, alles in allem auch die sittsamste. «Ich bin das einzige Modell, dessen Busen noch niemand gesehen hat» erklärte sie stolz. Ihr milliardenschwerer Vertrag mit Revlon untersagte ihr sogar, sich hüllenlos zu zeigen.

Zumindest so lange, bis zwei spanische Fotografen der Agentur Korpa auch dieses Bollwerk zum Wanken brachten und die ganze Welt die perfekten Brüste der legendären Claudia Schiffer zu Gesicht bekam. Diese Fotos gingen um die Welt und die Internationale Presse widmete diesem Ereignis ausreichend Raum. Nur das deutsche Wochenblatt Bunte zeigte sie bekleidet auf der Titelseite. Nicht ohne ihr jedoch heuchlerisch viele Seiten im Innenteil zu widmen, auf denen sie topless abgebildet war. Die neue Bardot konterte mit wütenden Protesten und der Androhung von immensen Schadenersatzklagen.

Da ich einige gute Kontakte zur Modebranche hatte, beschloss ich, das Eisen zu schmieden, so lange es noch heiß war und auf der Welle der “Skandalfotos” mitzuschwimmen und zu versuchen, sie für die Zeitschrift Panorama zu interviewen. Es war äußerst kompliziert und es folgten zahlreiche Telefonate und lange Verhandlungen mit ihrer Agentin, die jeglichen Annäherungsversuch von Journalisten abblockte. Dennoch wurde meine Hartnäckigkeit endlich im August 1993 belohnt und ich bekam einen Termin: Claudia war mit der Familie in Urlaub auf den Balearen und um sie zu interviewen hätte ich mich dort hinbegeben müssen.

Es war ein echter Scoop, ein Interview von absoluter Exklusivität: die schöne Claudia hatte der italienischen Presse nie Interviews gegeben und vor allem hatte noch nie zuvor ein Journalist einen Fuß in ihr Ferienhaus gesetzt und war in die familiäre Intimsphäre vorgedrungen. Noch dazu, genau an dem Ort, an dem die

Skandalfotos geschossen wurden, Port d’Andratx, eine diskrete Bucht auf der Insel Mallorca im Süden von Palma, wo die Familie Schiffer seit vielen Jahren ein Ferienhaus besitzt.

In diesem Jahr hatte Claudia einen Grund mehr, sich dorthin zurückzuziehen, um sich auszuruhen. Sie hatte soeben ein Selbstportrait in einem langen Dokumentarfilm beendet, der ihre Lebensgeschichte erzählte: Claudia Schiffer special, unter der Regie von Daniel Ziskìnd, ehemaliger Assistent von Claude Lelouch, der in Frankreich, Deutschland und in den Vereinigten Staaten gedreht wurde. Die Filmaufnahmen waren gerade beendet und schon wetteiferten sämtliche Fernsehsender in aller Welt miteinander, im Kampf um die Rechte.

Kurz vor meiner Abreise sprach ich zufällig mit einem damals sehr guten, ziemlich wohlhabenden Freund, dessen Familie eine bekannte Werkzeugfabrik gehörte und ließ verlauten (vielleicht wollte ich auch nur etwas angeben…) dass ich kurz vor der Abreise nach Palma de Mallorca war, um sie zu treffen, woraufhin mein Freund meinte, ich solle kein Hotel reservieren: er sagte spontan zu mir «ich habe dort meine Yacht liegen» (ein Traum von einem zweiunddreißig Meter langen Segelboot). «An Bord sind fünf Mann Besatzung plus der Koch, die fürs Nichtstun bezahlt werden. Das Boot liegt im Hafen von Palma. Geh du hin, dann sind die nicht ganz umsonst dort!». «Und wenn du schon mal dort bist, lass dich mit dem Boot nach Port d‘Andratx schippern, dann kommst du auch gleich in den Genuss einer schönen Kreuzfahrt!»

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und am Tag des Interviews ging ich in dem kleinen Hafen, zwei Stunden Fahrtzeit von Palma de Mallorca entfernt von Bord der Yacht meines Freundes. Ich verabschiedete mich von der Mannschaft und begab mich um 15:30 h zum Treffpunkt im Cafè de la Vista, gegenüber der Mole des überfüllten Yachthafens.

Dies war mit Sicherheit der spektakulärste Auftritt der jemals einem Journalisten zuteilwurde, der nur ein Interview machen wollte!

*****

Kurz vor der vereinbarten Zeit kam ein Audi 100 mit Düsseldorfer Kennzeichen. Das mussten sie sein: Vorne zwei Männer, auf dem Rücksitz die unvermeidliche Agentin, Aline Soulier. Enttäuschung machte sich breit: Wo ist sie? Nur ein kurzer Augenblick und hinter Aline kommt eine blonde Wolke zum Vorschein und beugt sich vor in Richtung Vordersitz. «Ciao, ich bin Claudia» sie reicht mir die Hand und lacht, ein Anblick, der einen in den Bann zieht, irgendwo zwischen einer Lolita und der Madonna.

Niemand steigt aus. «Überall lauern Paparazzi» flüstert mir die Agentin auf der kurzen Fahrt zum Haus, eine ziegelfarbene, einstöckige Villa, zu. Beim Eintreten betont Claudia dass bis zu diesem Tag kein Journalist jemals einen Fuß in das Haus der Schiffers gesetzt hat. Sie stellt vor: «Mein kleiner Bruder, meine

Schwester Caroline, meine Mutter». Eine sehr distinguierte Dame, ziemlich Deutsch, blonde kurze Haare, sogar noch etwas größer als die 1,80 m große Tochter. Beim Vorstellen fehlt der Vater, ein Düsseldorfer Rechtsanwalt, der im Hintergrund die Fäden zieht. Wenn man gut informierten Kreisen glauben darf, war er verantwortlich für den Erfolg seiner Tochter. Verdanken wir ihm die Entstehung eines Mythos der Schönheit?

Alles begann in einer Düsseldorfer Diskothek…

Ich war sehr jung. Eines Abends sprach mich der Inhaber der Metropolitan Agentur an und fragte, ob ich Lust hätte, für ihn zu arbeiten...

Und wie haben Sie reagiert?

«Wenn es etwas Seriöses ist» habe ich geantwortet «dann sprechen Sie morgen mit meinen Eltern». Sie wissen ja, es gibt viele Anmachen in Discos, das hätte eine davon sein können, nicht mal besonders neu...

Haben Sie eine enge Beziehung zu Ihrer Familie?

Ja, eine sehr enge Bindung. Wir sind eine bodenständige Familie. Mein Vater ist Rechtsanwalt, meine Mutter hilft ihm in der Kanzlei. Mein Erfolg hat bei ihnen keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Sie sind nicht besonders leicht zu beeindrucken. Sie sind sehr stolz auf mich, das ja, aber für sie ist es nichts anderes als mein Beruf und sie erwarten von mir, dass ich meine Arbeit so gut wie möglich mache.

Und Ihre Geschwister, sind die nicht eifersüchtig?

Ach woher! Sie sind vielmehr stolz auf mich. Besonders mein kleiner Bruder mit zwölf. Dann habe ich noch eine Schwester, sie ist neunzehn und geht auf die Uni; es gibt also keine Konkurrenz zwischen uns beiden. Dann ist da noch ein zwanzigjähriger Bruder: ein Freund.

Verbringen sie ihre Ferien immer gemeinsam mit ihnen auf Mallorca?

Ich liebe diesen Ort, seit ich Kind war.

Jetzt, nachdem Sie erwachsen sind, haben Sie scheinbar das eine oder andere Problem, wenn Sie in dieser Gegend spazieren gehen…

In der Tat, die Paparazzi sind überall, sogar auf den Bäumen... es nervt. Jede meiner Bewegungen wird observiert, studiert, fotografiert, ... Urlaub ist das keiner, zumindest so gesehen! (sie lacht).

Man nennt es den Preis des Ruhmes…

Ach ja, so ist es wohl, und trotzdem fahre ich oft mit dem Boot hinaus, mit der Mamma, mit meinen Brüdern. Auf dem Meer fühle ich mich sicher.

Ist es dort wirklich sicher?

Ach Sie meinen die Fotos “oben ohne”? Ich weiß wirklich nicht, wie das passieren konnte. Ich war auf dem Boot, zusammen mit der Mamma und meiner Schwester Carolina. Wir lagen vor Anker und haben uns gesonnt. Bei uns war noch Peter Gabriel, einer meiner guten Freunde...

Das haben wir mitbekommen…

Ja, stimmt. Auch er war auf diesen Fotos. Ich möchte nicht da-rüber reden... ich habe bereits Anwälte eingeschaltet wegen der Schadenersatzklagen ...

Es wird gemunkelt, dass Sie Schauspielerin werden wollen.

Ich würde es gern mal probieren, das ist alles. Man bietet mir Drehbücher an und je mehr ich lese, umso mehr Lust bekomme ich, einen Versuch zu starten ... Heute habe ich Lust darauf, einen Film zu machen. Richtig Lust.

Aber Sie übernehmen keine Rolle im nächsten Jahr in Robert Altmans “Prêt-à-porter”, einem Film, im Zeichen der Modewelt?

Es ist wirklich unglaublich. Die Weltpresse behauptet das immer wieder hartnäckig, aber es ist absolut unwahr. Und dann möchte ich keinen Film machen, in dem ich mich wieder selber spiele.

Wenn Sie die Wahl hätten zwischen dem Top-Model und der Schauspielerin, was würden Sie tun?

Model ist kein Beruf für ein ganzes Leben. Es ist ein Beruf für sehr junge Mädchen, den man nur wenige Jahre machen kann, etwa so wie Tennis spielen oder Schwimmen... d.h., man muss die Chancen nutzen, solange es geht. Danach würde ich gerne zurück an die Uni und Kunstgeschichte studieren.

Sie haben immer gesagt, Sie würden Ihre Privatsphäre verteidigen, koste es, was es wolle. Wenn Sie diesen Film über Ihr Leben drehen, in Ihrem Haus, im Haus Ihrer Eltern, empfinden Sie das nicht als Widerspruch?

Ich glaube nicht. Die wirklich privaten Momente sind es auch geblieben. Im Film sieht man das, was ich bewusst beschlossen habe, dem Publikum zu zeigen: meine Familie, meine Freunde, meine Ferien, meine Hobbies ... eben alles, was ich liebe. Und daneben die Reisen, der Catwalk, die Fotos, mit denen ich arbeite, die Pressekonferenzen...

Sie leben teils in Paris, teils in Montecarlo?

Im Grund genommen ist mein Wohnsitz Montecarlo und ich lasse keine Gelegenheit aus, dorthin zu fahren, wenn ich nicht arbeite, beispielsweise an den Wochenenden.

Reisen Sie immer in Begleitung Ihrer Agentin?

Normalerweise nicht. Ich brauche sie, wenn ich in Ländern arbeite, die ich nicht kenne. In Argentinien, Japan, Australien oder Südafrika. Bei diesen Gelegenheiten bin ich immer von vielen Fans umgeben, und dann sind da noch die Journalisten, Paparazzi...

Langweilen Sie sich auf den vielen Reisen?

Nein, denn ich lese gerne und mit einem Buch kann man sich immer die Zeit vertreiben, selbst im Flugzeug. Letztlich geht es hier um Arbeit und nicht um Urlaub!

Welche Art Bücher lesen Sie?

Vorwiegend Bücher über Kunst. Ich bevorzuge den Impressio-nismus und Pop Art. Ich habe auch eine Vorliebe für Geschichte und für die Biographien berühmter Männer. Ich habe die von Christoph Kolumbus gelesen – unglaublich!”

Man sagt Ihnen nach, Sie seien zur Hälfte Brigitte Bardot und zur anderen Hälfte Romy Schneider (Sissi). Sehen Sie sich in diesen beiden Figuren?

Ja. Aber nicht so sehr physisch betrachtet. Ich glaube vielmehr einige gemeinsame Charakterzüge zu haben, den Lebensstil... Die Bardot finde ich ganz außergewöhnlich, abgesehen von ihrer Schönheit, was für ein Charakter! Für Romy Schneider empfinde ich dagegen ein Gefühl der Verehrung. Ich habe alle ihre Filme gesehen und es war furchtbar, als sie starb. Nach einem so unglücklichen Leben ...

Wenn wir das Unglück mal weglassen, würden Sie die neue Romy Schneider sein wollen?

Noch so ein schönes Kompliment! Die einen sagen so, die anderen sagen so: Ähnlichkeit mit der oder jenen schönen Frau. Das sind alles sehr schöne Komplimente, aber ich möchte vor allem ich selbst sein. Ich setze alles daran, ich selbst zu sein.

Träumten Sie als Kind von einem bestimmten Beruf?

Eine Karriere als Model hatte ich absolut nicht in der Planung. Ich wäre gerne Anwältin geworden.

Wie Ihr Vater?

Ja, ich hätte mit Freuden in seiner Kanzlei gearbeitet. Dann wurden aber alle meine Pläne über den Haufen geworfen. Als mir bewusst wurde, was für ein Glück ich hatte, habe ich beschlossen, darauf zu verzichten.

Ihre Geschichte klingt wie ein Märchen der Neunziger. Gab es auch schwierige Momente?

Die gibt es, natürlich. Aber es kommt beispielsweise niemals vor, dass ich mich einer Situation nicht gewachsen fühle...

Wie lautet Ihr Geheimnis?

Sehr viel Disziplin und die Lust an Geselligkeit. Ich bin gerne unter Menschen. Es macht mir Spaß mich auf Pressekonferenzen dem Kreuzverhör der Journalisten zu stellen. Da fordert mich heraus. Ich will damit sagen, ich habe keine Angst.

Nur eine Frage der Disziplin?

Auch ein großes inneres Gleichgewicht. Hierbei ist es wichtig, dass man eine Basis hat, durch die Erziehung, die einem die Familie mitgegeben hat: Mir hat das enorm viel geholfen. Es hat meinen Charakter geformt, mir Sicherheit, einen Sinn fürs Praktische und inneres Gleichgewicht gegeben. Und man darf in schwierigen Momenten niemals die Selbstbeherrschung verlieren. Es ist das Verdienst meiner Eltern, das ich heute zum Beispiel frei vor Publikum reden kann.

Wenn man den Medien glauben darf, verlieben Sie sich rasch und wechseln ebenso rasch die Partner: heute Albert von Monaco, morgen Julio Boca. Wie sieht die echte Claudia aus?

Die echte Claudia ist ein Mädchen mit vielen Freunden. Prinz Albert ist einer davon, Julio Boca ein anderer. Dann gibt es aber auch noch Placido Domingo oder Peter Gabriel und viele andere Personen, die im Rampenlicht stehen. Kaum bin ich mit einem von ihnen zusammen auf einem Foto, macht die Internationale Presse sofort einen Verlobten daraus! Das stimmt aber nicht.

Und gibt es in Ihrer Zukunft einen Verlobten, einen Ehemann, Kinder?

Ich bin mehr als bereit, mich zu verlieben, auch möglichst bald. Im Moment habe ich aber keinen Lebensgefährten, aus dem einfachen Grund, weil ich in niemanden verliebt bin.

Worauf achten Sie bei einem Mann am meisten?

Für mich gibt es keinen Idealtyp – ich meine, ästhetisch betrachtet. Als erstes schaue ich auf den Charakter und vor allem auf den Sinn für Humor. Von einem Mann erwarte ich, dass er Charmehat dass er mich erobert, mit Intellekt, also mit dem Kopf, um es klar zu sagen. Er muss ein Verständnis für Ironie haben und die Fähigkeit, mir solche Gefühle zu vermitteln. Wenn man im Leben nicht miteinander lachen kann…

Sind Sie anspruchsvoll - bräuchte Ihr Verlobter besondere Qualitäten …

Jeder Partner eines berühmten Menschen braucht einen starken Charakter. Ich liebe Männer mit Charakter, aber sie müssen auch gefühlsbetont sein. Wer mit mir ausgehen will, muss Lärm ertragen, Verletzungen der Privatsphäre, Klatsch, die Journalisten...

Haben Sie ein schlechtes Gewissen?

In welcher Beziehung?

Naja, so wie es aussieht, haben Sie alles: Schönheit, Ruhm, Geld…