Irland – Unser Haus im wilden Norden - Patricia Grotz - E-Book

Irland – Unser Haus im wilden Norden E-Book

Patricia Grotz

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Beschreibung

Fasziniert von Landschaft und Bewohnern entschieden wir uns für ein eigenes Haus auf der grünen Insel. Die Suche gestaltete sich langwierig, aber sehr unterhaltsam. Wir besichtigten Herrenhäuser, Schlösser, Cottages und zuweilen auch skurrile Behausungen samt ihren verschrobenen Eigentümern. Nach zwei Jahren fanden wir "Unser Irland-Haus" und lebten wie Iren – herrlich provisorisch.

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Seitenzahl: 268

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Patricia Grotz

Irland – Unser Haus im wilden Norden

Wasserschaden, Stromausfall, Windstärke 12

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Widmung

Vorbemerkung

Einführung

01. Die Aura von Mountshannon

02. Ardtarmon Castle

03. Hausbesichtigungen, vorwiegend feucht

04. Die Wood Lodge in Donegal

05. Hitze in Galway

06. Kohlmeyers in Mayo

07. Hausbesichtigungen, komprimiert

08. Die Entscheidung

09. Aufbruch in ein neues Leben

10. Landkarten

11. Angekommen

12. Drei Wochen mit Jonas allein im Haus

13. Unser erstes irisches Weihnachtsfest

14. Probleme und Reparaturen

15. Fish

16. Omagh

17. Einschulung, einfach irisch

18. Ein ganzes halbes Schwein

19. Autobahn nach Belfast

20. Zwei ganz "normale" Jahre

21. Zu viel unterwegs

22. Deutsche Schulpflicht

23. Nicht das Ende

Schlussbemerkung

Dank

Impressum neobooks

Widmung

Für Jonas

zur Erinnerung an eine Zeit,

in der alles noch ganz anders war

Vorbemerkung

Wer viel reist, kann viel erleben.

Reisen bildet, sagt eine Volksweisheit.

Reisen ist die schönste und interessanteste Art zu lernen, behaupte ich.

Man begegnet aber auch Menschen, die von Reisen gänzlich unbeeindruckt zurückkehren, wenig zu berichten haben, sofort in ihren gewohnten Alltag zurückfallen und nicht den Eindruck erwecken, etwas gelernt zu haben.

Die gefährlichste aller Weltanschauungen

ist die Weltanschauung der Leute,

welche die Welt nicht angeschaut haben.

Alexander von Humboldt

Begnügen wir uns für den Moment mit einem Kompromiss: Reisen bietet Möglichkeiten. Man kann etwas Neues sehen, wenn man die Augen aufmacht, hören, wenn man die Ohren nicht verschließt und andere Kulturen verstehen lernen, wenn man sein Herz öffnet.

Einführung

Wir, mein Mann Peter und ich, sind viel in der Welt herumgekommen, erst beruflich, weil wir beide in der Filmbranche tätig waren, später privat, weil wir eher zu den Menschen mit Fernweh gehören.

Unser Interesse galt überwiegend Europa und führte uns bis auf die Azoren.

Zu unserer eigenen Überraschung mieden wir im Laufe der Jahre immer öfter den heißen Süden und wählten auffallend oft ein und dasselbe Ziel: Irland. Die grüne Insel zog uns in ihren Bann.

Über unsere ersten abenteuerlichen Streifzüge durch den Inselstaat habe ich in meinem Buch "Irland - Mein Tagebuch" berichtet, an das ich hier anknüpfen möchte.

Unsere Leidenschaft für das bezaubernde Irland wurde zunehmend stärker und bald träumten wir davon, uns dort niederzulassen. Wir begeisterten uns für das Laisser-faire der Iren, es schien uns allen weltlichen Stress zu nehmen, ließ uns freier atmen und gab uns das wunderbare Gefühl "zu leben". Uns reizte all das, was für die Iren selbstverständlich, für uns hingegen auf amüsante Weise neu und anders war.

Wir hatten bereits eine Reihe lehrreicher Erfahrungen gesammelt:

Orkanböen und quer daher rasende eiskalte Regentropfen, die hart ins Gesicht schlagen, stellen hohe Anforderungen an die Kleidung und die Leidensfähigkeit des Menschen, besonders in Küstennähe.

Man ist gezwungen, über einfachste Bedürfnisse nachzudenken, da es zum Beispiel keinesfalls sicher ist, dass frisches, klares Wasser aus einem Wasserhahn kommt.

Man sollte lernen, ein anständiges Torffeuer zu entfachen. Häuser, die nicht durchgehend bewohnt werden, sind meist feucht.

In Kaminen, die länger nicht benutzt werden, bauen Vögel gerne dichte Nester. Beim Anheizen ist deshalb größte Vorsicht geboten, möchte man den Qualm des Torffeuers nicht im Hause haben. Kontakte zur örtlichen Feuerwehr sind empfehlenswert.

Das Wasser an den Innenwänden der cottages stellt weiter kein Problem dar – wenn man das Feuer nicht ausgehen lässt. (Die kunstvoll aufeinandergeschichteten Natursteine speichern die Wärme, die Anzeige des Hygrometers verlässt die Hundertprozentmarke und mit etwas Glück hat man nach drei Tagen ein perfektes Raumklima.)

Häuser in unmittelbarer Küstennähe haben ein "Verfallsdatum", das manchmal schneller abläuft als die Haltbarkeitsdauer eines konservierten Lebensmittels. Diese Häuser, sagen die Iren scherzhaft, seien einfach zu nah am Wetter gebaut.

In den meisten Fällen stellt sich das Provisorium als die perfekte Lösung heraus.

Hausbootfahrten auf dem Fluss Shannon sind sehr zu empfehlen – außerhalb der Hauptsaison.

Der Touristenflughafen in Shannon liegt zwar wunderbar zentral, wenn man den Südwesten oder die Mitte des Landes bereisen möchte, ist aber den Massen, die dorthin strömen, organisatorisch nicht gewachsen und sollte unter allen Umständen gemieden werden.

Mit diesen geringen Kenntnissen, aber der Gewissheit, überall auf der Insel atemberaubende Landschaften und äußerst freundliche Bewohner vorzufinden, begannen wir die Suche nach einem Haus.

01. Die Aura von Mountshannon

Wir hatten Nachwuchs bekommen und genossen die Zeit mit dem kleinen Jonas. Doch Peter verlor nie unseren Plan aus den Augen. In einem der Hochglanzmagazine, die überwiegend große Anwesen zum Verkauf anbieten, fand er im September 1995 die Anzeige eines deutschen Immobilienmaklers, der in Irland ansässig war. Er nahm Kontakt auf und verabredete sich, ganz nach irischer Art, irgendwann in den kommenden Monaten, irgendwo im county Sligo.

Im Dezember reisten wir erst einmal an die Südostküste Irlands. Nach einem überaus positiven ersten Eindruck im Sommer 1993 wollten wir herausfinden, ob es uns dort auch in der dunklen, stürmischen Winterzeit gefallen würde und suchten uns dafür das sehr exponiert gelegene Küstenstädtchen Kilmore Quay aus. Der zweite Grund, der für Kilmore Quay sprach, war der Fischereihafen, wir wollten Fisch essen.

Jonas, der gerade Laufen gelernt hatte, war sowieso immer zufrieden, wenn wir alle zusammen waren und das Reisen mit ihm stellte sich als relativ unproblematisch heraus.

Es gefiel uns.

Nach dem Jahreswechsel rief Peter Herrn Holger Schiller, den Immobilienmakler an, berichtete ihm, dass wir im county Wexford wären und durchaus Zeit hätten, irgendwo hinzukommen, um ein Haus zu besichtigen. Eine Fahrt in den hohen Norden wollte uns Herr Schiller nicht zumuten, die meisten seiner Objekte lagen in der Umgebung von Sligo. Allerdings, meinte er, gehörten zwei Häuser mit Seegrundstücken in der Landesmitte zu seinem Angebot, am Lough Derg. Sein Sohn Björn würde die weite Fahrt übernehmen.

Nach dem Telefonat hatten wir eine Verabredung: Dienstag, um vierzehn Uhr im pub am Hafen des kleinen Ortes Mountshannon nahe dem großen See Lough Derg.Anmerkung:

Lough ist die Bezeichnung für See. Es finden sich im Sprachgebrauch noch viele irisch-gälische Worte, die meisten Straßenschilder sind zweisprachig. Dagegen werden Entfernungen in Kilometern und miles angegeben, Maße in Zentimeter, inches oder feet und Temperaturen in Grad Celsius und Grad Fahrenheit.

Wir brachen früh auf an jenem Dienstag, um noch Zeit für einen Abstecher nach Limerick zu haben. Wir wollten unbedingt die allseits diskutierte depressiv-trübe Stimmung der "grauen Stadt" erleben. Statistiken belegen, dass allein die Atmosphäre dafür empfängliche Personen in den Selbstmord treiben kann. Ob das tatsächlich wahr sein konnte? Unvorstellbar, doch schon nach einer Stunde hielten wir es für möglich. Unwillkürlich dachte ich an die rauchenden grauen Herren aus Michael Endes Roman "Momo", die ihren unglückbringenden Dunst über die Stadt legen und die Menschen um ihre Zeit betrügen wollen. Aber die Iren machten nicht den Eindruck, als ließen sie sich von irgendjemandem die Zeit stehlen.

Zur vereinbarten Zeit trafen wir uns mit Björn Schiller in Mountshannon. Er erzählte lachend, er sei sonst nicht so pünktlich, aber der Jeep seines Vaters bedeute auf langen Strecken eine enorme Zeitersparnis.Anmerkung:

Iren sind tolerant und bevorzugen einen gemächlichen, defensiven Lebensstil. Kommt ein großes Auto angerast, machen sie einfach Platz und lassen es vorbei.

Björn stellte uns seine Freundin Amanda vor, sie begleitete ihn oft auf langen Fahrten. Darüber waren wir hocherfreut, hatten wir doch fast ein schlechtes Gewissen gehabt, ihm diese Anstrengung aufzubürden. Wir verstanden uns auf Anhieb mit den beiden sympathischen jungen Leuten, tranken Tee, aßen Sandwiches und schwatzten ungezwungen, bis wir zur Besichtigung des ersten Objektes aufbrechen mussten.

Ein großes, holzgeschnitztes Pferd prangte auf dem aufgeschwungenen dunklen Holztor an der Einfahrt. Der Schotterweg zum Haus führte an weitläufigen Pferdekoppeln vorbei. Ställe und Nebengebäude säumten den Weg. Björn sagte, das Grundstück sei so riesig, dass man vom Haus aus den See nicht sehen könne.

Es war eine deutsche Familie, die vor mehr als zehn Jahren mit ihrer Pferdezucht hierhergekommen war. Nach einem Rundgang durch das hübsche einstöckige Haus trennten wir uns. Dem kleinen Jonas wurde Brause serviert, Peter besichtigte die Ställe und ich wollte zum Strand.

Ungefähr fünf Minuten marschierte ich auf einem schmalen Weg, vorbei an kleinen Wäldern und Blumenwiesen, bis ich ans Ufer des Lough Derg gelangte. Die Umgebung war wunderschön und doch fühlte ich mich nicht wohl. Da kam die Erinnerung zurück. Hier war ich schon gewesen. Mountshannon war dieses ärmliche Dorf, an dessen winzigen Hafen wir mit dem Hausboot festgemacht hatten und an dem es alles nur einmal gab: einen butcher, einen foodstore und einen pub. Damals hatte mich die gleiche Trübseligkeit erfasst, ein Gefühl der Einsamkeit.

Auf dem Rückweg traf ich die Tochter des Hauses auf einer der Pferdekoppeln. Ich fragte sie, warum sie weggingen. Sie zögerte, wendete sich unangenehm berührt ab und sah über die Felder.

»Ich halte es hier nicht mehr aus.«

Ich bedankte mich für die Ehrlichkeit. So ganz falsch schien ich mit meinem Gefühl nicht zu liegen. Ein traumhaftes Grundstück, ein gemütliches Haus, ein eigener Strand am See – offenbar umgeben von einer unsichtbaren negativen Aura.

Sieben Kilometer weiter gab es ein etwas kleineres Grundstück zu besichtigen; ein ebenso niedliches Häuschen – die gleiche negative Energie. Diesmal waren es Engländer, die hier wegwollten. Was war mit dieser Gegend nur los?

Wir bedankten uns herzlich bei Björn für den aufschlussreichen Tag und wollten in Zukunft ausschließlich Häuser in Küstennähe besichtigen.

02. Ardtarmon Castle

Im Frühsommer 1996 erkundeten wir das county Sligo.

Der zwar touristische, aber sehr milde und gepflegte Süden der Insel hatte uns schon zum Schwärmen gebracht, aber der raue, ursprüngliche, wilde Norden faszinierte uns. Je nördlicher wir kamen, desto mehr verliebten wir uns in die weite, unberührte Landschaft.

Jetzt war klar, wo auf der Insel wir ein Haus suchen wollten.

Nach ein paar Tagen kramte Peter sein Adressbuch hervor und rief bei Schillers an. Holger Schiller sagte, wir sollten einfach vorbeikommen wann immer wir wollten.

Schon am darauffolgenden Tag machten wir uns auf den Weg. Die entsprechende Landkarte dieser Gegend (damals gab es natürlich noch keine Navigationssysteme) erwarben wir in einem kleinen family shop. Aus unseren nicht zu knappen Erfahrungen mit stundenlangen Irrfahrten ohne die richtige Karte hatten wir gelernt. Für Ausflüge in unbekannte Gebiete verwendeten wir neuerdings Landkarten aus der "DISCOVERY SERIES". Sie haben einenMaßstab von 1:50 000, auf ihnen ist jedes Haus, jede Straße und der noch so kleinste Schotterweg eingezeichnet. Um alle Gebiete der Republik Irland abzudecken, gibt es insgesamt neunundachtzig Exemplare. Allerdings sind die, die man gerade braucht, meist vergriffen.

Wir starteten an diesem Tag mit der Karte Nummer sechzehn, aber selbst mit ihr war es noch schwer genug, die gewünschten Straßen zu finden. In Irlands ländlichen Gegenden findet man kaum Beschilderungen. Die Straßen haben keine Namen, demzufolge gibt es auch keine Straßenschilder, Hausnummern sowieso nicht. Glücklicherweise existieren Bezeichnungen für die unterteilten Bezirke eines county's. Aber wer in welchem Haus wohnt, weiß nur der Postbote. Die Post ist überhaupt eine sehr nützliche Anlaufstelle. Die Angestellten wissen alles über alle Leute im Bezirk und geben auch gerne Auskunft.

Nachdem wir auf dem Weg zu Schillers fünfmal falsch abgebogen waren, befanden wir uns zwar auf der richtigen Landzunge, aber leider im westlichen Teil. Schillers Ardtarmon Castle, das natürlich auf der Karte eingezeichnet war, lag südlicher.

Im Fond des Wagens setzte unser kleiner Jonas zum Sprechen an, wusste nicht, was er sagen sollte, streckte verzweifelt den Arm aus und zeigte geradeaus nach vorn. Ja, wir sahen es auch, wir fuhren frontal auf das Meer zu. Peter brachte den Wagen zum Stehen. Die Straße endete hier. Es war ein "DEAD END", eine Sackgasse – direkt einige Steinbrocken vor dem atlantischen Ozean. Weit und breit kein Haus, kein Strand, einfach nichts, nur ein Schild:

SPONSORED BY THE EUROPEAN UNION

Sinnlos verbratenes Geld des Verkehrsministers kannten wir ja aus Deutschland. Aber war das ansteckend? Möglich, seit einiger Zeit flossen EU-Fördergelder nach Irland. Vielleicht wussten sie einfach nichts damit anzufangen?

Wir betrachteten die Umgebung. Es schien, als hätten wir uns ans Ende der Welt verirrt, das machte uns neugierig. Wir stiegen aus.

Jonas rief:

»Ich bleib hier!«

Das war merkwürdig, normalerweise wollte Jonas überall mit hin. Erinnerte er sich etwa an sein Erlebnis in Kilmore Quay? Der Sturm hatte ihn erfasst und er kullerte hilflos wie ein Ball die Straße hinunter. Ich vermutete, er hatte etwas über Naturgewalten gelernt.

Von der Gischt völlig durchnässt kehrten Peter und ich nach zwei Minuten zurück zum Wagen, an dem der Sturm heftig rüttelte.

Jonas war sichtlich beunruhigt.

»Können wir hier weg, bevor das ganze Auto im Meer landet?«

Wir stiegen wieder ein, trockneten uns ab und studierten die Karte. An der nächsten Kreuzung wählten wir die richtige Abzweigung.Es war bereite nach sechzehn Uhr, als wir das Schloss erreichten.

Ardtarmon Castle war ungefähr im Jahre 1648 erbaut worden und im frühen achtzehnten Jahrhundert bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Erst die Familie Schiller hatte es im zwanzigsten Jahrhundert wiederaufgebaut. Dieses Bauwerk ähnelte wirklich einem alten Schloss, nur dieses hier hatte, im Gegensatz zu den steingrauen Schlössern, die wir bisher in Irland gesehen hatten, einen kräftig gelben Anstrich und das Dach war mit glatten dunklen Schieferplatten gedeckt. Bis zum Strand mochten es nur noch ungefähr fünfzig Meter sein. Dieses Haus zählte also zu jenen, die ganz nahe am Wetter gebaut waren. Als wir ausstiegen, merkten wir, wie nahe. Die spürbar stark bewegte Luft trieb uns die Tränen aus den Augen und rüttelte an unseren festgezurrten Kapuzen.

Wir wurden von dem jüngsten der drei Kinder empfangen. Bianca war gerade achtzehn geworden, ging noch zur Schule und war ausnehmend hübsch. Überraschenderweise bat sie uns, die Schuhe auszuziehen. Wie wir schnell feststellten, handelte sich hierbei weder um eine Sitte, noch darum, die Böden nicht zu beschmutzen.

Strumpfsockig durchquerten wir die Halle und waren erstaunt: Die schönen, dunkelgrauen, naturbelassenen Granitfliesen waren warm. Das gesamte Schloss war mit Fußbodenheizung ausgestattet. Das war damals noch außergewöhnlich fortschrittlich!Anmerkung:

Die Iren standen dieser Art von Beheizung eher skeptisch gegenüber. Sie waren gewöhnt, dass alles Neue schnell kaputtging und durch ein Provisorium ersetzt werden musste. Den Fußboden aufschlagen zu müssen, um die defekte Heizschlange zu finden, erschien ihnen ziemlich lächerlich. Heute noch nehmen die meisten ihre feuchten Häuser als gottgegeben hin und werfen zufrieden Torf in den Kamin.

Die Familie Schiller hatte, handwerklich äußerst versiert, die Heizschlangen für die Fußbodenheizung sorgfältigst selbst verlegt und sich ein wunderschönes, gemütliches Zuhause geschaffen. Die Räume waren hoch, geräumig und behaglich eingerichtet. Dunkelbraun gebeizte Buchenholzbalken verzierten die Decken und durch die hohen Fenster konnte man bequem nach draußen sehen. Vom stürmischen Wetter aber war hier drin hinter den dicken Mauern wenig zu spüren, nur das Pfeifen des Windes war zu hören.

Holger Schiller traf kurz nach uns ein und übergab seiner Tochter einen Lachs.

»Aber Dad, im Räucherofen hängen noch die von gestern.«

»Dann machen wir Graved Lachs.«

Herr Schiller berichtete, Angeln sei eine seiner Leidenschaften, viele Vormittage würde er damit verbringen und manchmal, so wie heute, dauerte es auch etwas länger. Er "ging" meist auf Lachse, die aß die ganze Familie am liebsten, deswegen hatten sie sich auch einen Räucherofen gebaut. Aber, fügte er lächelnd hinzu, selbst fangen könnte man Lachse kaum, das wäre purer Zufall, er hole sie sich immer auf dem Heimweg beim Fischer. Auf jeden Fall käme er stets ziemlich durchgefroren nach Hause.

Er schob einen Sessel vor den großen lodernden Kamin, stellte einen Hocker davor, setzte sich, legte die Füße hoch, entzündete genüsslich eine Zigarre und erklärte:

»Ein wenig Wärme braucht der Mensch.«

Danach schloss er die Augen und sagte erst mal nichts mehr. Für einige Minuten schien er völlig in sich zu ruhen. Man hörte nur das Knacken des Holzes im Kamin.

Natürlich sprachen wir dann über "Graved Lachs", wörtlich: eingegrabener Lachs, eine Methode des Haltbarmachens. Der Vergleich unserer Rezepte ergab eine nahezu hundertprozentige Übereinstimmung: Achtzig Gramm Salz, sechzig Gramm Zucker, Kräuter nach Gusto, mit einer Platte beschweren, bis zu sieben Tage im Kühlschrank lagern, abwaschen, fertig. In Scheiben geschnitten mit einer Soße nach Wahl, eine Delikatesse.

Bei Tee und Keksen plauderten wir noch lange mit Holger Schiller. Die Zeit verflog im Nu. Nach Stunden erst verabschiedeten wir uns, vereinbarten, in Kontakt zu bleiben und waren beeindruckt – von dem Mann und seinem castle.

03. Hausbesichtigungen, vorwiegend feucht

Am folgenden Tag rief Björn an. Es gäbe am Lough Glencar, einem kleinen Seein unmittelbarer Nähe, zwei kleine Häuschen einer irischen Familie, die zum Verkauf standen. Es sei zwar nicht direkt in Küstennähe, so wie wir es uns gewünscht hatten, aber einzigartig. Wir würden alle profitieren, erklärte Björn, er kümmere sich um seine Kunden, indem er neue Interessenten akquiriere und wir bekämen etwas Ausgefallenes zu sehen. Natürlich sagten wir zu. Je mehr wir besichtigen dürften, desto klarer würden sich unsere Wünsche herauskristallisieren – im Rahmen der sich bietenden Möglichkeiten.

Wir trafen uns mit Björn bei der Tankstelle nahe des Yeats Memorial an der Hauptstraße N15 und fuhren ihm hinterher. Das war gar nicht so einfach, denn Björn fuhr, als nähme er an einer Rally teil. Wie wir im Laufe der Zeit zur Kenntnis nehmen mussten, war das sein ganz normaler Fahrstil.

Es war keine lange Fahrt, für die Steigerung des Adrenalinspiegels aber ausreichend, so klein, eng und kurvig waren die Sträßchen. Peter stieg aufs Gas, um den Anschluss nicht zu verlieren. Nach zwanzig Minuten bremste Björn scharf und bog links in einen Schotterweg ein. Nun ging es steil bergauf. Wir vermuteten, uns auf der südöstlichen Seite des imposant aufragenden, 526 Meter hohen Tafelberges Ben Bulbin zu befinden. Aufgrund seiner eigenwilligen Form und seiner Schönheit war er zum Wahrzeichen Sligo's geworden und ein begehrtes Objekt für Postkartenfotos. Allerdings kannte ich ausnahmslos Aufnahmen der Westansicht, auf denen er sich majestätisch vom flachen Land in den blauen Himmel erhebt und die Sonne schillernde Farben auf seine glatten Felswände zaubert.

An dem Ort, an dem wir uns gerade aufhielten, wurde mir eher angst und bange. Der Berg wand sich an dieser Stelle nach Norden und gleich darauf wieder nach Süden. Wir fuhren, immer noch aufwärts, geradewegs in die Spalte dazwischen. Plötzlich führte der Weg ein paar Meter geradeaus und endete direkt vor einem steilen Felsmassiv, vor dem Björn sein Auto geparkt hatte. Heute war er übrigens mit einem kleinen roten Flitzer unterwegs, nicht mit dem Jeep.

Die nahen, hohen Felswände und die düstere Enge wirkten einschüchternd und bedrohlich, das diffuse Licht vermittelte das Gefühl, in dieser Klamm gefangen zu sein. Wir ließen die befremdlich anmutende Natur auf uns wirken und staunten über die landschaftliche Vielfalt der Insel.

Björn berichtete, dass der Lough Glencar einen ansehnlichen Fischbestand habe und dass man hier ohne Genehmigung angeln dürfe. Er lag auch grundsätzlich richtig mit seiner Annahme, dass dieser Umstand für Peter als Hobbyangler attraktiv war. Die Fische würden sich weiterhin gut vermehren, es machte nicht den Eindruck, als wenn sich oft ein Mensch hierher verirrte. Der kleine idyllische See jedoch, das muss fairerweise erwähnt werden, sah von oben ganz reizend aus.

Der Wohngelegenheit zugewandt bot sich uns ein skurriler Anblick: Zwei Häuschen hingen in der Steilwand. Es sah so aus, als wären sie im freien Fall zufällig hier steckengeblieben.

Zwei Iren, Brüder, wie wir erfuhren, hatten das Stück Fels an diesem ungewöhnlichen Ort geerbt und den Mut gehabt, hier zu bauen. Die beiden Männer kamen aus einem der Häuser, begrüßten uns freundlich und luden uns zunächst zu einem Rundgang um die Häuser ein. Das war eine gute Idee, die Gelegenheit dazu würde nicht günstiger werden, es regnete gerade nicht und der tiefhängende Nebel war aufgerissen und gab die Sicht auf den See frei.

Ein leises Rauschen war zu hören. Wir fragten nach. Der Glencar Waterfall befand sich in unmittelbarer Nähe. Das erklärte den permanenten Nebel, hieß aber auch, dass wir uns gar nicht auf dem Ben Bulbin, sondern auf dem Truskmore befanden, der zur gleichen Gebirgskette, den Dartry Mountains, gehört und mit seinen 647 Metern den Ben Bulbin noch überragt.

Das Wasser, das in Mengen vom Berg herunterkam, sollte mithilfe eines gemauerten, mit Abflussrohren versehenen Grabens abgeleitet werden. So richtig schien das nicht zu funktionieren. Man hätte bequem darin schwimmen können, so hoch stand das Wasser. Ja, die Eigentümer nickten, da müsse etwas gemacht werden, die Drainagen seien verstopft, das Wasser könne nicht ablaufen. Peter und ich blickten den steilen, zugewachsenen Hang hinab. Leicht würde diese Arbeit nicht werden.

Die Brüder zeigten nun stolz auf das riesige schiefe halbe Dreieck aus grobem Beton, das beide Häuser umgab. Es sei eine Wanne, die zusätzlich zum gemauerten Graben als Wasserschutz dienen und die Häuser stabilisieren sollte. Für mich sah es eher aus wie eine missglückte Objektgestaltung, die dringend selbst Hilfe brauchte. Wenn man mit der Hand darüberstrich, lösten sich die Steine heraus. Das Ganze litt sichtbar unter der starken Feuchtigkeit, genauso wie das Innere der Häuser.

An dieser Stelle nun wies Björn, nach Aufforderung der beiden bedauernswerten Herren, auf den geringen Kaufpreis hin. Peter nickte und sagte:

»Dieses Haus eignet sich noch nicht einmal als Geschenk.«

Björn stutze.

»Das übersetze ich jetzt nicht, oder?«

»Bitte nicht«, entgegnete Peter ernst und nickte den Männern zu. »Nice.«

Aus einer Nische kamen plötzlich kratzende Geräusche, wir zuckten zusammen. Das seien nur Mäuse, beruhigten uns die Besitzer. Mit ein paar Katzen könne da schnell Abhilfe geschaffen werden. Wir fragten, warum es nicht schon welche gäbe, wenn das so einfach sei. Die beiden hatten angeblich eine Katzenallergie. Wir vermuteten vielmehr, dass sich die wasserscheuen Tiere hier oben auch nicht wohlfühlten.

Einige Male noch gingen wir durch die gut aufgeteilten Räume und wurden stets vom Fiepen der Mäuse begleitet. In der ansprechend großen Küche dann versteckten sie sich nicht einmal mehr und rannten von einer Ecke in die andere. Peter bedankte sich herzlich und schüttelte den Brüdern mitfühlend die Hand.

»We need to think about it.«

Als ich wieder im Freien war, hörte ich endlich auf zu frösteln und wandte mich an Björn:

»Das war ein Erlebnis.«

Der lachte.

»Ja, das muss man doch einfach gesehen haben hier oben, oder?«

»Unbedingt. Vorstellen könnte man sich's nicht.«

Jonas saß bereits angeschnallt im Auto. Für ihn war es eine gute Nachricht, dass wir schon wieder aufbrachen. Ihm hatte es gar nicht gefallen in den dunklen, feuchten Häusern. Er fragte, warum alle Wände rosa gestrichen seien, akzeptierte aber, dass wir keine Antwort darauf hatten. Und als wir ihm versicherten, ganz bestimmt nie wieder hierherzukommen, überlegte er mit einem entspannten Lächeln, wie viele Katzen wohl nötig wären, um die ganzen Mäuse zu fangen.

Holländer, Schweden und andere

Auf dem Rückweg, meinte Björn, könnten wir noch "beim Holländer" reinschauen, das läge direkt auf dem Weg.

Zur holländischen Familie fuhr man direkt auf einen eindrucksvoll lärmenden und Gischt versprühenden Wasserfall zu. (Es gibt in den Dartry Mountains unglaublich viele Wasserfälle.) In unmittelbarer Nähe befanden sich ein altes, traditionell gebautes cottage aus Naturstein sowie einige kleinere Nebengebäude. Das romantische Haus vor der felsigen Schlucht und dem Wasserfall wäre höchst geeignet als Filmkulisse, wie wir fanden, zum Wohnen eher nicht.

Björn hatte noch nicht genug und lotste uns weiter Richtung Sligo zu einem auf einer Anhöhe gelegenen Haus mit herrlichem Blick über den etwas größeren See Lough Gill. Dieses Haus hatte zwei Besonderheiten: Es war unterkellert und hatte einen windgeschützten Innenhof. Aber selbst das wunderschön geschnittene, riesige Wohnzimmer mit Erkern, Säulen und einem Treppenabsatz zum Kamin in der Raummitte konnte uns nicht überzeugen. Auch hier würden wir uns nicht wohlfühlen und das nicht nur, weil der Putz, innen wie außen, von allen Wänden bröckelte. Alle diese Häuser lagen in einer bedrückend einsamen Gegend.

Björn klapperte alle Grundstücke und Häuser seiner internationalen Klientel mit uns ab, die er im Angebot hatte und die im Umkreis von fünfzig Kilometern lagen. Das waren im Verhältnis zu der dünnen Besiedelung ganz schön viele. Er führte uns, stets bestens gelaunt, zu den unterschiedlichsten netten Menschen, die alle eines gemeinsam hatten, sie wollten ihre Behausung loswerden. Nicht immer waren Dunkelheit und Nässe das Problem. Wir kamen auch bei Schweden vorbei, die ihr selbstgebautes architektonisches Meisterstück aus Krankheitsgründen verlassen mussten. Dieses Haus war trocken, aber, so viel Mühe sie sich auch gegeben hatten, man fühlte sich wie in einer Lagerhalle von Ikea.

Wie es schien, waren Menschen von überall auf der Welt hierher auf die Insel gekommen, um ihr Glück zu suchen. Offensichtlich hatten es einige nicht gefunden.

Wie auch immer es uns ergehen würde, eines war klar: Wenn wir hier ein Haus kauften, oder nur ein Grundstück, egal, wir müssten damit rechnen, es nie mehr loszukriegen.Anmerkung:

Mitte der 90er-Jahre änderte sich die Lage: Irland zog mit seinem wirtschaftlichen Aufschwung große internationale Firmen an, die sich auf der Insel niederließen. Viele Iren, die der Armut entflohen und ausgewandert waren, kamen in ihre Heimat zurück, da es jetzt Aussichten auf einen Job gab. Die Nachfragen nach Immobilien stiegen – und mit ihnen die Preise. Schon nach wenigen Jahren konnte sich kaum ein Ire noch ein Grundstück oder ein Haus leisten. Immobilien entwickelten sich zum Spekulationsgeschäft, das erst mit der weltweiten Finanzkrise 2008 zusammenbrach.

Die Burg

Nachdem alle Besichtigungen abgeschlossen waren, freuten wir uns sehr über eine Einladung zum Dinner ins Ardtarmon Castle. Holger Schiller erwies sich als humorvoller Gastgeber und seine Frau Erika nahm uns herzlich auf.

Wir lernten nun auch die ältere der beiden Töchter kennen, für die ich mich sofort begeisterte. Jessica war apart und burschikos zugleich, hatte eine energische Stimme, lachte gerne und sorgte mit ihrer lebendigen Art für einen abwechslungsreichen und heiteren Abend. Sie lebte mit ihrem Mann, den beiden gemeinsamen kleinen Kindern und zwei Labradoren fünf Autominuten entfernt. Sie hatten unweit ihres Hauses ein hübsches kleines cottage gebaut, das sie vermieteten.

Nach einem köstlichen Essen bei Kerzenschein bekamen wir das Privileg einer privaten Führung durch die Gemäuer. Als wir das Wort Castle in den Mund nahmen, klärten uns die Töchter auf, dass sie ihr Zuhause "Die Burg" nannten. Nach kurzer Überlegung mussten wir ihnen recht geben. Mit den Türmen, den vielen verwinkelten Stellen und den Wendeltreppen glich das Schloss tatsächlich mehr einer Burg.

Selbst wenn wir nie ein passendes Haus finden sollten, unsere erste Reise nach Sligo würde für immer in angenehmer Erinnerung bleiben, allein wegen der Familie Schiller – und ihrer Burg.

04. Die Wood Lodge in Donegal

In den kommenden Tagen erkundeten wir das nördlich angrenzende county Donegal.

Unerwartet rief Björn an. Er hätte nun doch noch etwas für uns zu besichtigen, was wir uns unter keinen Umständen entgehen lassen sollten, in der Donegal Bay, der windgeschützten Bucht unterhalb von Donegal Stadt, gleich hinter der Landesgrenze. Das war ein lustiger Zufall, von dort waren wir gerade begeistert zurückgekehrt.

Diesmal wollte Björn uns bei der Tankstelle am Ortseingang von Donegal treffen. Die Male davor war es ja immer die in der Nähe des Yeats Memorial gewesen. Gas stations, so erklärte Björn, seien seine favorisierten Treffpunkte, dort könne man sich kaum verpassen.

Die Straße war die gleiche, die N15, sie führt auf über hundert Kilometer von der Stadt Sligo über die Nordküste nach Donegal und weiter bis an die nordirische Grenze.

Von dem malerischen Örtchen Donegal, immerhin Hauptstadt des county's, leitete uns eine für irische Verhältnisse erstaunlich gut gebaute Serpentinenstraße hinunter zur Donegal Bay. Björn parkte direkt vor dem Kiesstrand.

In der engen Bucht wehte nur eine sanfte Brise. Fast lautlos schwappte das Wasser des Atlantischen Ozean über die Steine, so verhalten, als wollte es jeden einzelnen Stein zärtlich streicheln, bevor es ihn überspülte. Für einen Moment lang glitzerten sie in allen Farben, trockneten schnell und erschienen dann wieder in einem blassen Grau. Die Aussicht dagegen war eingeschränkt. Der Atlantik wirkte aus dieser Perspektive wie ein größerer Fluss. Aber alles kann man ja nie haben.

Björn zeigte auf den kleinen Strand.

»Das ist eurer, wenn ihr mögt. Das Grundstück ist mit Meeranstoß. Herrlich, oder? Und kaum Wind.«

Da hatte er recht.

»Jonas, möchtest du deinen eigenen Strand?«

Jonas nickte.

Ich zeigte auf die Steine.

»Diesen hier?«

Jonas schüttelte den Kopf.

Björn wandte ein:

»Ein Sandstrand ist ganz in der Nähe. Wir können nachher hinfahren. Aber jetzt dreht euch um.«

Wow.

Die "Wood Lodge",a former rectory (ein ehemaliges Pfarrhaus), lag auf einem breiten Streifen gepflegten Rasens auf halber Höhe des leicht ansteigenden Anwesens und war von dichtem Mischwald umgeben. Das zweistöckige Gebäude mochte aus dem siebzehnten Jahrhundert stammen, wie auch das Ardtarmon Castle, aber dies hier war nicht abgebrannt.

Die Lodge war nicht groß, nicht etwa so wie ein manor house, aber vielleicht gerade deswegen so beeindruckend. Ihr Erscheinungsbild war so anziehend, dass man gar nicht mehr wegsehen wollte, obwohl man mit einem Blick alles erfassen konnte: Die Freitreppe hinauf zu der großen massiven Eingangstür, die übermannshohen Rundbogenfenster auf beiden Seiten, das dreigeteilte Dach und die zwei Kamine. Übersichtlich und äußerst ansprechend. Das Haus strahlte in einem zarten, gelben Pastellton, wirkte lebendig und einladend. Wir standen nur stumm da und sahen es an, so lange, bis Björn begann, unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten.

»Wollen wir jetzt hinauffahren?«

Peter reagierte nicht. Ich stupste ihn an.

»Was ist?«

Peter wandte den Blick nicht ab vom Haus.

»Das erinnert mich an meine Kindheit. Ich bin in einem kleinen Schloss aufgewachsen, das fast genauso aussah.«

Als er sich gefasst hatte, fuhren wir die kleine Straße am Grundstück entlang. Ein grauer Betonpfeiler, in den mit wunderschön geschwungenen Buchstaben der Name des Hauses eingeritzt war, kennzeichnete die Einfahrt.

Wir ließen die Autos stehen, gingen zu Fuß über den Kiesweg und wussten nicht, wo wir zuerst hinsehen sollten. Von der Anhöhe aufs Meer, das von hier oben wieder aussah wie der Atlantische Ozean, auf den dichten, nahegelegenen Wald, in dem sich die Laubbäume sanft hin und her neigten und aus dem geheimnisvolle Geräusche herüberdrangen, oder auf das gepflegte, formvollendete Gemäuer mit den emporragenden prachtvollen Kassettenfenstern.

Die Tür öffnete sich, die Dame des Hauses trat heraus und begrüßte uns lächelnd:

»Welcome at Wood Lodge.«

Wir fühlten uns tatsächlich sehr willkommen.

Als wir in die hall, eine sehr repräsentative Eingangshalle, eintraten, fühlten wir uns schlagartig in eine vergangene Zeit zurückversetzt. Doch welche Erinnerung uns auch einholte, dies hier war schöner, viel schöner! Die mit Teppich belegte Steintreppe in den ersten Stock war breiter als die in "Downton Abbey", machte einen eleganten Bogen nach oben und ließ das Haus riesig erscheinen. Linkerhand der Treppe ging es in die Bibliothek, rechts in das Empfangszimmer. In beiden Räumen loderte Feuer im Kamin.