Irrfahrt bis Liebe - Annina Boger - E-Book

Irrfahrt bis Liebe E-Book

Annina Boger

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Beschreibung

Ein einziger Ausrutscher in Sektlaune, und das Angstkarussell beginnt sich bei der jungen, vernunftbetonten Sandra zu drehen: Sie hat nicht verhütet! Ausgerechnet mit ihrem unberechenbaren, verheirateten Juniorchef Alexander und dessen Mischlingshündin Sonny macht sie sich im Urlaub auf die Suche nach dem Mann, dem sie sich für eine Nacht hingegeben hat. Die Fahrt im Cabrio führt die drei durch die französische Provence bis zur Orangenblütenküste am spanischen Mittelmeer. Ein traumhaftes Erlebnis für Sandra, wären da nicht ihr Seniorchef Eric, der sich als Kontrollfreak herausstellt – und das Wechselbad der Gefühle in ihr. Denn in Spanien kommt es zum Eklat und zu einer unerwarteten Wendung! Anzahl Wörter E-Book V4: ca. 65'170 (plus Anhang)

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EPUB

Seitenzahl: 340

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Inhalt

Irrfahrt bis Liebe

Zu diesem Buch

Prolog – Aufgewacht

Kapitel 1 – Brummende Köpfe

Kapitel 2 – Rosenkrieg

Kapitel 3 – Alles im grünen Bereich

Kapitel 4 - Ein faszinierender Mann

Kapitel 5 – Irrfahrt ins Ungewisse

Kapitel 6 – Böses Erwachen

Kapitel 7 – Wunden lecken

Kapitel 8 – Zarte Bande

Kapitel 9 – Mona und Eric

Kapitel 10 – Verspielte Gefühle

Kapitel 11 – Emma reicht's

Kapitel 12 – Sandras Flucht

Kapitel 13 – Limousinen-Picknick

Kapitel 14 – Ein argwöhnischer Mann

Kapitel 15 – Sandras Urlaubspläne

Kapitel 16 – Der goldene Gockel

Kapitel 17 – Jennys Verabredung

Kapitel 18 – Jennys Limousinen-Spiele

Kapitel 19 – Monas Zwiespalt

Kapitel 20 – Spanien winkt

Kapitel 21 – Sprung ins kalte Wasser

Kapitel 22 – Sonny in Action

Kapitel 23 – Castellón City

Kapitel 24 – Eric sieht rot

Kapitel 25 – Verwirrende Wendung

Kapitel 26 – Kühle Brise im Süden

Kapitel 27 – Tauwetter

Kapitel 28 – Ein- und Aussichten

Kapitel 29 – Tanz ums goldene Kind

Kapitel 30 – Erinnerungen

Epilog – Ist es Liebe?

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Annina Boger Erzählungen

Annina Boger, Schriftstellerin

Dankeschön

Copyright und Impressum

Irrfahrt bis Liebe

Roman

Annina Boger

Annina Boger Romance

Liebesroman Band 3

Überarbeitete E-Book-Fassung (V4)

Herausgegeben März 2018 von:

SchreibARTelier Gerber Germany

Anzahl Wörter: ca. 65‘170 (plus Anhang)

Anzahl Seiten Taschenbuchausgabe: 328

© 2017-2018 Copyright geschütztes Material.

Alle Rechte vorbehalten.

Dieser Roman ist auch als Taschenbuch bestellbar:

epubli 2018, ISBN 978-3-7450-9950-8.

Zu diesem Buch

Ein einziger Ausrutscher in Sektlaune, und bei der jungen, vernunftbetonten Sandra beginnt das Angstkarussell sich zu drehen: Sie hat nicht verhütet!

Ausgerechnet mit Alexander, ihrem verheirateten Juniorchef und dessen Mischlingshündin Sonny macht sie sich im Urlaub auf die Suche nach dem Mann, dem sie sich für eine Nacht hingegeben hat. Die Fahrt im Cabrio führt sie über die französische Provence bis zur Orangenblütenküste am spanischen Mittelmeer. Ein traumhaftes Erlebnis für Sandra, wären da nicht ihr Seniorchef Eric, der sich als Kontrollfreak herausstellt – und das Wechselbad ihrer Gefühle. Denn in Spanien kommt es zum Eklat und zu einer unerwarteten Wendung!

Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt an der spanischen Mittelmeerküste ist Annina Boger vor einigen Jahren nach Bayern gezogen. Hier schreibt die Schweizer Schriftstellerin, Auftragsbiografin und begeisterte Hobbyfotografin bunte Kurzgeschichten wie »Heiter bis bewölkt – 9 Erzählungen«, Abenteuermärchen wie die fröhlich illustrierte Kinderbuch-Reihe »Winterfee Chiarina« und romantisch-heitere bis sinnlich-spannende Romane unter dem Label Annina Boger Romance.

Prolog – Aufgewacht

Ein Sonnenstrahl stahl sich durch die Ritzen der Fensterläden, huschte in die hintere Ecke des Schlafzimmers hinüber, wo zwei Menschen aneinander gekuschelt unter einem Betthimmel lagen. Keck hüpfte der Lichtschein über die zerwühlten Laken, beleuchtete die Wuschelköpfe eines braungebrannten, nackten Mannes mit Dreitagebart und silberschwarzer Mähne und einer jungen Frau mit honigblonder Ponyfrisur im kurzen Schlafshirt.

Sandra Becker erwachte von dem blendenden Strahl – und von einem unangenehmen Druck in der Magengegend. Schlaftrunken tastete sie nach dem Objekt, das ihr schier die Luft abdrückte. Erschrocken riss sie die Augen auf.

Über ihrem Bauch lag ... ein muskulöser Männerarm!

Augenblicklich überfiel sie die Ahnung von etwas ziemlich Unmoralischem, das sich in der vergangenen Nacht ereignet haben musste. Wirre Bilder stiegen in ihr auf, zusammen mit heftigen Kopfschmerzen. Stöhnend drückte sie die Fingerspitzen an ihre Schläfen, als sie sich erinnerte, wenn auch nur lückenhaft.

O Schreck, was habe ich getan?

Kapitel 1 – Brummende Köpfe

Wenn es nur die Tage danach nicht gäbe, stöhnte Alexander Röhricht innerlich, als seine Mischlingshündin Sonny ihm über das Gesicht leckte. Sie war pünktlicher als jeder Wecker, wollte ihr Fressen, danach draußen im Gras herumtollen und irgendwann dazwischen ihr Morgengeschäft erledigen.

Alexander tastete über die schwarzen Rastazöpfe seiner jungen Frau, die wie ein Igel eingerollt neben ihm lag, und tätschelte ihre Wange.

»Hm, ich steh gleich auf, lässt du sie schon mal raus«, bat er heiser und räusperte sich mehrmals kräftig. Er hasste den pelzigen Geschmack auf seiner Zunge, doch das war die Folge des Alkoholgenusses, und so nahm er ihn allmorgendlich in Kauf.

»Pah, warum sollte ich, du bist erst um drei heimgekommen. Wenn du ohne mich absacken kannst, kannst du dich auch selbst um deinen Köter kümmern«, fauchte Emma und gähnte herzhaft.

Sorry Sonny, hab dich ja lieb, aber jetzt muss ich ausrufen, sonst spielt dein Herrchen hier weiter den Pascha, leistete sie der Hündin Abbitte. Sie schnappte sich die Decke, die Alexander ihr im Schlaf weggezogen hatte, und kehrte ihrem Mann den Rücken zu. »Dass du's weißt: Ich hab die Nase voll von deinen Sauftouren!«, schniefte sie.

»Dann steh ich eben auf. Aber vergiss eines nicht: Du lebst hier bequem auf meine Kosten und brauchst nicht mehr zu arbeiten, da könntest du wenigstens am Morgen mit Sonny raus.«

Die Hündin winselte und lief von einer Seite des Bettes zur anderen – wie immer, wenn Herrchen und Frauchen sich stritten, was öfter vorkam. Offenbar ging es diesmal um sie, da sie wiederholt ihren Namen hörte.

»Das tu ich doch schon tagsüber und bis in alle Nacht, wenn du ständig weg bist«, fauchte Emma ihm nach, als Alexander murrend aus dem Zimmer schlurfte, wobei er fast über die erwartungsvoll bellende Sonny stolperte. »Außerdem hast du mich gedrängt, meine Stelle aufzugeben, was ich längst bereue!«, rief sie laut genug, dass er es hören konnte. Alexander sollte nicht merken, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen.

Kaum zwei Monate war ihre Ehe gutgegangen, seither sackte er regelmäßig ab. Meistens dann, wenn er mit seinem Geschäftspartner Eric Freiburg unterwegs war.

Die beiden schienen sich gegenseitig überbieten zu wollen. Denn wenn Alexander mitten in der Nacht heimkam, erzählte er ihr mit treuherzigem Augenzwinkern, er sei wieder mal schwach geworden. Wie gestern, als er mit seiner zerknitterten Anzugjacke, der Krawatte und einer Flasche Wein unter dem Arm eintraf:

»Wir haben um diesen edlen Tropfen gewettet, wer am schnellsten eine Flasche Whisky leeren kann, da konnte ich doch nicht mittendrin aufhören, sonst hätte ich die Rechnung bezahlen müssen!« Er kam auf sie zu und lallte: »Der Barkeeper hat den Whisky für uns in gleich viele Schnapsgläser abgefüllt und auf der Theke aufgereiht. Auf drei ging's los und ...«

»Verschone mich mit weiteren Details«, fuhr Emma wütend dazwischen. »Glaubst du, es interessiert mich, wer eure pubertären Möchtegern-Cowboy-Spielchen gewonnen hat, wenn ich hier rumsitze und vor Angst bibbere, dir könnte was passiert sein? Erst Recht, wenn du in diesem Zustand noch Auto fährst!« Sie schlurfte ins Badezimmer.

Alexander wankte ihr nach und wollte sie umarmen. »Unkraut vergeht nicht, das weißt du doch! Komm schon, gib deinem Mann einen Kuss und lass uns mit einem Glas Wein Versöhnung feiern«, stammelte er und nickte in Richtung Schlafzimmer.

Bei der Erinnerung daran ballte Emma die Hände zu Fäusten. Sie hatte sofort gewusst, was Alexander wollte. Dieser Mann war unersättlich, selbst betrunken dachte er noch an Sex, denn Alkohol und Sex gehörten für ihn zusammen! Dabei zwang er sie nicht etwa mit Gewalt, aber er bettelte, streichelte und zwickte sie so lange, bis sie nachgab, nur damit sie endlich schlafen konnte.

Ich kann nicht mehr! Diese vier Worte drehten sich seit Wochen in ihrem Kopf. Alexander macht mich kaputt, ich muss mich von ihm trennen. Aber wo soll ich hin, wovon kann ich leben? Hätte ich doch damals meine Stelle als Verkäuferin nicht aufgegeben, dann wäre ich jetzt nicht so von ihm abhängig.

Alles hatte sie ihm zuliebe aufgegeben: ihre hübsche Wohnung samt Einrichtung (weil die ihm nicht passten), ihren Job, ihre vertraute Umgebung, ihre langjährigen, guten Freunde – und ihre Freiheit! Eingetauscht gegen das verschwenderische Leben mit Alexander, gegen seelische Achterbahnfahrten und gegen unerträgliche Einsamkeit! Nie hatte sie sich so leer gefühlt wie in den langen Nächten, in welchen sie auf ihren Mann wartete.

Bevor er zur Arbeit fuhr, ging Alexander noch einmal ins Schlafzimmer zurück, küsste seine Frau auf die schokoladebraune Schulter und flüsterte verführerisch:

»Ich komme am Mittag nach Hause. Habe die Steaks aus dem Tiefkühler genommen, kochst du uns dazu was Gutes? Bis dann, hab dich lieb Schatz!«

Emmas frustriertes Schnauben begleitete ihn ein paar Sekunden auf dem Weg ins Büro, dann vergaß er seine junge Frau und überlegte sich, wie er den Abend verbringen wollte. Am liebsten würde er sich mit seinen Pokerfreunden treffen, aber dann hinge sein Haussegen noch schiefer. Emma mochte es nicht, wenn er pokern ging und sie mit Sonny allein ließ. Er gab sich einen Ruck und fasste einen Entschluss:

Sollte wieder mal mein Frauchen zum Tanzen ausführen, sonst wird sie noch zickiger.

Während er in die Garageneinfahrt des Wohnblocks fuhr, in dem sich das Versicherungsmakler-Büro Freiburg & Röhricht eingemietet hatte, erhaschte Alexander einen Blick auf den schwingenden Rocksaum und die Beine seiner Assistentin Sandra Becker, die soeben im Hauseingang verschwand. Ein anerkennendes Grinsen glitt über sein Gesicht. Minuten später stieß er die Bürotür auf.

»Morgen allerseits!«, grüßte er beschwingter, als ihm zumute war.

Sandra und sein Seniorpartner Eric Freiburg sahen ihn forschend an. Beide registrierten sein schlechtes Aussehen, die störrischen halblangen Haare mit dem dunkelblonden Vollbart und die Schatten unter seinen geröteten Augen.

Er sollte nicht so viel trinken, dachte die vierundzwanzigjährige Sandra betroffen und schüttelte sich innerlich. Der Mann ist drei Jahre älter als ich und sieht aus wie fünfzig.

»Hast du deinen Rausch noch nicht ausgeschlafen?«, vernahm sie da Eric Freiburgs kalte Stimme. »Geh wasch dir die Augen mit kaltem Wasser aus. Der Josef Schmidt kommt jeden Moment, es geht um ein größeres Projekt.« Der Seniorchef rieb sich die Hände, ein zufriedenes Lächeln erhellte seine strengen Züge. »Da liegt einiges für uns drin, verpatze uns diesen Auftrag nicht!«

Während Herr Röhricht sich im Bad prustend einen Schwall kalten Wassers ins Gesicht spritzte, richtete Herr Freiburg – zum Glück war wenigstens er seriös – freundlich das Wort an Sandra:

»Frau Becker, bringen Sie uns zwei Tassen starken Kaffee ins Gesprächszimmer. Wenn der Schmidt kommt, empfangen Sie ihn bitte recht charmant und protokollieren Sie danach unser Gespräch. Wir sollten jedes Wort aufzeichnen, damit wir ihm ein umfassendes Angebot machen können. Schalten Sie solange den Anrufbeantworter ein.«

»Selbstverständlich, Herr Freiburg!« Sandra eilte in die Küche. Was war der Senior doch für ein patenter Chef! Stets gleichbleibend freundlich, handelte er klug überlegend und vorausschauend, und behandelte sie selbst mit ausgesuchter Höflichkeit. Dabei sah er recht passabel aus für seine neununddreißig Jahre: Ein sehr korrekter, sehr distanzierter, drahtiger Mann mittlerer Größe im schicken Maßanzug, mit schwarzen Locken und einem kurzen, gepflegten, Ziegenbärtchen.

Ganz anders als sein Juniorpartner Alexander Röhricht, der sie manchmal richtig frech anmachte, dann aus heiterem Himmel zusammenstauchte, aber auch total lustig sein konnte, dass sie sich vor Lachen kugelte. Mit diesem Mann war jeder Tag ein kleines Abenteuer, bei dem man nie genau wusste, wie es enden würde. Er war für sie eher ein Freizeitkumpel als ein disziplinierter, vertrauenerweckender Vorgesetzter.

Sie fragte sich, weshalb der Senior und Hauptteilhaber des unabhängigen Versicherungsunternehmens sich ausgerechnet jemanden wie Alexander Röhricht zum Juniorpartner ausgesucht hatte. Die beiden passten doch zusammen wie Katz und Hund. Durch die angelehnte Küchentür hörte sie Herrn Freiburgs Worte mit, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren:

»Vergiss nicht, dass ich dich aus der Gosse geholt habe. Hätte ich damals deine Schulden nicht bezahlt, würdest du heute noch tiefer drin stecken!«

Vor Schreck wären ihr fast die Tassen entglitten, die sie unter den Kolben der Kaffeemaschine stellen wollte. Sie schlug die Hand vor den Mund, um ihren entsetzten Ausruf zu unterdrücken. Alexander Röhricht in der Gosse? Das hatte sie nicht erwartet, trotz ihrer Erfahrungen mit dem Junior.

»Denk an unsere Vertragsklausel: Du riskierst, deine Anteile und damit dein sorgloses Leben zu verlieren, wenn du so weitermachst. Was würde Emma wohl dazu sagen?«, fuhr der Senior eindringlich fort.

Alexander Röhrichts Ehefrau Emma mit der schokoladefarbenen Haut, den riesigen Kirschenaugen und den vollen, sinnlichen Lippen (garantiert hyaluronfrei), deren Mutter aus Afrika stammte, war drei Jahre jünger als Sandra selbst. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, wie es sein musste, mit einem solchen Mann verheiratet zu sein. Unverbindlich mit ihm herumzualbern und sogar ein wenig mit ihm zu flirten waren ja ganz okay. Aber ihn Tag und Nacht ertragen zu müssen?

Das muss der reinste Alptraum sein!

»Lass mich mit Emma in Ruhe. Und keine Sorge, ich halte mich an unsere Abmachung, habe keine Drogen mehr angerührt seither. Und saufen tust du doch selber!«, presste Alexander hervor, bevor er die Tür zum Besprechungszimmer hinter sich zuschlug.

Drogen? Bestürzt wandte Sandra sich ab, sie musste das Gehörte erst verdauen. Was war heute bloß los? Ob das stimmte, dass der Senior sich auch betrank? Sie hatte ihn bisher nur geschäftsmäßig und stets korrekt gekleidet erlebt. Er lachte eigentlich nie, im Gegensatz zu ihr und Herrn Röhricht, doch auf sein Wort konnte sie sich hundertprozentig verlassen. Sie versuchte, ihn sich so betrunken vorzustellen wie den Junior, was ihr nicht gelingen wollte. Ach was, der hatte bestimmt nur gestichelt, um von der heftigen Standpauke abzulenken!

Sie rief sich in Erinnerung, was sie von Alexander über das Unternehmen erfahren hatte: Vor fünf Jahren habe Herrn Freiburgs ehemaliger Geschäftspartner, Heiner Winter, einen Motorradunfall erlitten und sei kurz darauf seinen Verletzungen erlegen. Einige Wochen später habe der Senior ihn, Alexander Röhricht, eingestellt. Mit seinem überdurchschnittlichen Einsatz habe er sich zum Juniorpartner hochgearbeitet. So sei schließlich Freiburg & Röhricht entstanden.

Im Laufe der Zeit spezialisierten sich die beiden recht unterschiedlichen Männer vorwiegend auf den Versicherungsbedarf weiblich geführter Unternehmen: Denn hier gaben sich Inhaberinnen von Kosmetik-, Mode- und Frisiersalons, Nagelstudios, Physiotherapie-, Tierarzt- und Massagepraxen die Klinke in die Hand. Diese Damen hatten offenkundig reichlich Bedarf an intensiven Beratungsleistungen der Herren Freiburg und Röhricht. Und ihre Chefs ließen sich dafür fürstlich honorieren, wie Sandra immer wieder verblüfft aus den Akten entnehmen konnte.

Mit einem sonnigen Lächeln und festem Händedruck begrüßte sie den angekündigten Großauftrag Josef Schmidt, der soeben eintrat, und dirigierte ihn plaudernd zum Besprechungsraum hinüber, wo die Herren ihn übernahmen. Sie deutete auf das Tablett mit Getränkeflaschen, kleinen Snacks und Gläsern.

»Was darf ich Ihnen anbieten, Herr Schmidt, oder hätten Sie lieber einen Kaffee?«, fragte sie.

Der ältere Kunde bedachte sie mit wohlwollenden Blicken, als sie anschließend das Beratungsgespräch in Echtzeit auf dem Notebook eintippte.

Kapitel 2 – Rosenkrieg

Als Alexander Röhricht gegen dreizehn Uhr die Tür zu seiner Wohnung aufschloss, schnupperte er vergeblich nach dem würzigen Küchenduft. Er war hungrig wie ein Wolf, die Besprechung mit Josef Schmidt hatte sich länger hingezogen als erwartet, wodurch die folgenden Termine sich verzögerten. Alexanders Brauen zogen sich zusammen. Er schob Sonny beiseite, die freudig hechelnd an ihm hochsprang und sein Gesicht lecken wollte.

Aus dem Wohnzimmer drangen die Stimmen von Emmas Lieblings-Serie. Hatte seine Frau es nicht fertiggebracht, wenigstens das Mittagessen zu kochen? Wozu hatte er diese phlegmatische Kuh eigentlich geheiratet, fragte er sich nicht zum ersten Mal. Kalte Wut stieg in ihm hoch, während er durch den Flur marschierte, um Emma zur Rede zu stellen.

»Kannst du mir mal sagen, was hier gespielt wird?«

Seine eisige Stimme trieb Emma eine Gänsehaut über den Rücken. Sie robbte tiefer in die Polster der Wohnlandschaft. »Was wohl«, sagte sie schnippisch. »Glaubt der Herr Pascha, ich sei seine Sklavin? Stets zu Diensten, wenn es ihm gerade passt?«

Winselnd sah Sonny zwischen den beiden Streithähnen hin und her. Waren sie schon wieder böse auf sie?

»Du faule Schlampe, ich muss in einer Stunde wieder im Büro sein. Also steh gefälligst auf und koche mir mein Mittagessen, sonst ...«

»Still, sonst weiß ich nicht, wie's weitergeht!«, zischte Emma, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.

Alexander schäumte innerlich. Er musste sich eisern beherrschen, seine Frau nicht vom Sofa hoch und in die Küche zu zerren. Mit verkniffenem Mund warf er ihr einen Blick zu, der nichts Gutes verhieß.

Emma erbebte vor seinem plötzlich aufflammenden Jähzorn, ließ es sich jedoch nicht anmerken und tat, als verfolge sie das Geschehen am Fernseher.

Mit einer Verwünschung auf den Lippen drehte er sich um und marschierte in die Küche. Die Steaks lagen noch dort, wo er sie hingelegt hatte. Was tat diese schlaffe Nudel eigentlich den ganzen Tag?

Er schnappte sich eine Grillpfanne, goss Öl hinein und stellte das Kochfeld auf die zweithöchste Stufe. Während die Steaks rösteten, schnitt er die letzten zwei Tomaten und eine kleine Zucchini hinein, legte sich einige Scheiben Brot zurecht und garnierte sein Gericht mit Kräuterbutter-Rosetten. Das Besteck zwischen den Lippen, den Teller und ein Glas Wein in den Händen balancierend, durchquerte er das Wohnzimmer und setzte sich an den Balkontisch.

Sonny trottete leise winselnd hinter ihm her. Sie legte ihren Kopf auf seine Knie und sah ihn erwartungsvoll und bittend zugleich an.

»Schon gut Sonny, es hat nichts mit dir zu tun«, murmelte er. Er streichelte über ihr zottiges Fell und warf ihr ein zäheres Fleischstück zu, das sie geschickt mit der Schnauze auffing. Sie legte sich hin und begann, daran zu nagen.

Der Fleischduft war Emma in die Nase gestiegen und hatte ihren Appetit angeregt. Da die Serie gerade zu Ende war, stellte sie sich kampfbereit vor Alexander hin. »Und wo ist mein Teller?«

Er sah sie so finster an, dass sie zusammenzuckte.

»Dein Teller, meine teure Frau, ist im Schrank!« Seine Stimme triefte vor Spott, während er genüsslich die zartrosa gebratenen Steaks verschlang und auf den Tisch deutete. »Dein Fleisch ist allerdings hier.«

»Dann gib es gefälligst her!«

Alexander schnitt einen größeren Brocken ab und warf ihn Sonny zu. »Das kannst du dir abschminken. Ab sofort kürze ich das Haushaltsgeld um die Hälfte, denn ich gehe in Zukunft über Mittag und öfter am Abend auswärts essen.«

»Das Haushaltsgeld kürzen? Lass das mal schön bleiben, sonst hast du mich gesehen!«

Ihre Blicke kreuzten sich wie scharfe Klingen.

»Das wäre ein kleiner Verlust. Du bist ja nicht mal fähig, die Wohnung sauber zu halten.« Er wies in den Wohnraum hinein. »Schau dir mal diesen Dreckstall an, überall liegen Sachen von dir herum, und heute Morgen habe ich das letzte saubere Hemd aus dem Schrank genommen.« Nach einer kurzen Pause setzte er hart hinzu: »Außerdem kürze ich dir das Taschengeld auf einen Viertel, solange du den Haushalt nicht picobello führst, wie es sich für eine verwöhnte Ehefrau gehört.«

Emma schnaubte empört. Das konnte er doch nicht machen! »Dann schlafe ich nicht mehr mit dir!«, drohte sie im Wissen, dass dieses Argument ihn zur Vernunft bringen würde.

»Keine Bange – Sex kann ich mir überall besorgen.«

Sie schnappte nach Luft. »Du ... du würdest auch mit anderen Frauen ...?«, keuchte sie entsetzt.

»Sicher, mein Püppchen, oder dachtest du, nur weil mir deine hübsche Visage gefällt, könntest du dir alles erlauben?« Er lachte freudlos auf. »Es gibt genügend Schönheiten, die nur darauf warten, dass ich sie vernasche.« Er hatte längst eingesehen, dass Emma und er sich gegenseitig kreuzunglücklich machten. Es war alles viel zu schnell gegangen. Vier Monate, nachdem er sie kennengelernt hatte, waren sie schon verheiratet, weil er so verrückt nach ihr gewesen war. Damals war der Sex mit ihr noch richtig toll, sie konnten nicht genug voneinander kriegen. Inzwischen wies Emma ihn öfter ab oder ließ ihn Ewigkeiten betteln, bis sie dazu bereit war.

»Du Scheusal«, schrie sie nun auf und wollte ihm ins Gesicht schlagen.

Alexander war schneller. Er sprang auf, packte Ihr Handgelenk und drückte ihr den Arm auf den Rücken. »Pass auf, was du tust, es kommt alles mit Zins und Zinseszinsen zurück«, warnte er, als sie vor Angst und Schmerz aufheulte.

Sonnys leises Knurren drang an sein Ohr.

Die Hündin drängte sich zwischen sie beide und sah ihn verwirrt an. Zwar war Alexander ihr Herrchen, doch sie mochte Emma und konnte nicht einfach zusehen, wie das Frauchen verletzt wurde.

Alexander ließ den Arm seiner Frau fallen, als hätte er sich daran verbrannt. »Ruhig Sonny, es ist ja nichts passiert«, redete er beruhigend auf sie ein und kraulte sie hinter den Ohren, was sie besonders gern mochte. »Komm wir gehen Gassi!«

»Eigentlich hatte ich vor, heute Abend mit dir schick auszugehen, das kannst du dir auch abschminken«, sagte er in verächtlichem Ton zu Emma, als er Sonny zurückbrachte. »Ich mache mir einen schönen Abend – ohne dich!« Damit knallte er die Wohnungstür zu und jagte zum Auto.

Emma stieß einen erstickten Schrei aus und eilte ins Schlafzimmer, wo sie sich heulend aufs Bett warf. Ihre Fäuste droschen auf Alexanders Kopfkissen ein. »Du aufgeblasener Gockel, du sturer Dickschädel! Du ... du ... fieser Angeber, du!«

Sie weinte sich in den Schlaf, getröstet von Sonny, die zu ihr aufs Bett sprang und ihr sanft die Tränen von den Wangen leckte.

Als Emma zur Kaffeezeit erwachte, kühlte sie sich die verweinten Augen und zog sich ein Sommerkleid an. Zum Glück hatte Alexander ihr zum Geburtstag den schicken Kleinwagen geschenkt. Sie fuhr mit Sonny an die Aare, wo sie am Flussufer entlang tollten. Emma warf Stöckchen in die Luft, denen die zweijährige Hündin freudig bellend nachjagte. Diese verteidigte sie wie einen kostbaren Schatz.

»Gib aus, Sonny!« Lachend versuchte Emma, ihr das Holzstück zu entwenden. Doch die Hündin knurrte sie vorwurfsvoll an. »Los, gib schon aus, sonst werfe ich dir keine mehr!«, kicherte sie, als Sonny sich wehrte und hin und her sprang, damit Frauchen sie nicht erwischte.

Bei ihrem ausgelassen Spiel rannte Emma fast in eine Gruppe junger Leute hinein. Der herrliche Spätsommertag Ende August lockte Jung und Alt ans Wasser. Die Familien kamen mit Kind und Kegel zum Picknick her oder kühlten sich in der Aare ab.

»Hoppla, das war knapp!«, hörte sie eine vertraute Stimme, als sie gegen einen jungen Mann prallte. Er hielt sie reflexartig fest und rief gleich darauf freudig überrascht: »Emma, bist du's wirklich?«

»Hallo Emma!«, klang es von allen Seiten.

Sie sah auf und erkannte einige Männer und Frauen aus ihrer Clique, mit der sie früher oft losgezogen war. Beschämt strich sie sich über die Rastazöpfe.

»Hallo Lars; hey Michelle! Tina, du hast mir echt gefehlt!« Sie umarmte ihre beste Freundin aus der Berufsschule und sah sich um. »Sind die andern auch da?«

»Sieht man dich auch mal wieder?« Forschend sah Tina ihr ins Gesicht. Emmas verquollene Augen fielen ihr auf. »Hast du Ärger?«, fragte sie leise.

»Geht so ...« Emma senkte den Blick und nagte an ihrer Unterlippe, die verdächtig zu zittern begann.

Sonny drängte sich schützend neben sie.

»Mit Alexander?«

»Ja ... er ist ein fieses Arsch!«

»Hab ich doch schon immer gesagt!« Tröstend legte Tina den Arm um sie.

»Ruhig Sonny«, sagte Emma, als die Hündin knurrte. »Das ist nur Tina, meine beste Freundin.« Sie sah der Reihe nach die jungen Frauen und Männer an, die sich nun alle um sie scharten.

Plötzlich brach sie in Tränen aus. »Ihr habt mir ja so gefehlt«, schluchzte sie und sah zu Lars hinüber, den sie besonders gerne gemocht hatte, bevor sie Alexander kennenlernte. Dieser hatte ihr nie geglaubt, dass Lars und sie nur gute Freunde waren und verlangt, sie müsse sich entscheiden, mit wem sie zusammen sein wolle.

Bestürzt nahm Tina sie in die Arme. »Kopf hoch, das wird schon wieder«, versuchte sie ihre frühere Freundin aufzumuntern.

»Nein, es ist schrecklich mit ihm«, schluchzte Emma nun noch stärker. Sie kauerte sich hin und drückte ihr verweintes Gesicht in Sonnys braunschwarzes Fell. Die Hündin drängte sich leise winselnd an sie, obwohl sie viel lieber mit Frauchen herumtollen wollte.

»He Leute, geht schon mal vor, wir kommen gleich nach«, sagte Tina zu den betretenen Gesichtern um sie herum.

»Okay, wir treffen uns in der Stammkneipe.« Lars warf Emma noch einen besorgten Blick zu, winkte die restliche Clique heran und marschierte mit ihr davon.

Tina setzte sich neben Emma ins Gras und kraulte gedankenverloren Sonnys Fell. »Deine Hündin ist süß! Hast du sie schon lange?«

»Sonny?« Die Hündin hob den Kopf und sah sie aus treuherzigen Knopfaugen an. »Sie gehört Alexander. Er hat sie nach der Hochzeit aus dem Tierheim geholt.«

»Das war doch schon mal eine gute Idee von ihm, oder?«, meinte Tina aufmunternd.

»Aber Sonny ist auch einer der Gründe, dass wir uns ständig streiten. Den ganzen Tag über versorge ich seine Hündin, trotzdem ist Alexander nicht einmal bereit, am Morgen mit ihr rauszugehen. So war's nicht abgemacht!« Sie senkte den Kopf. »Und nachts muss ich meistens auch noch mit ihr raus, weil er mit Eric – das ist sein Geschäftspartner – in den Kneipen rumhängt und sich ohne mich amüsiert.«

»Echt? Du Arme, so hast du dir die Ehe auch nicht vorgestellt, was? Ihr habt eben viel zu schnell geheiratet, sonst hättest du vorher gemerkt, ob er der Richtige für dich ist. Warum hast du dich denn nie mehr bei uns blicken lassen?«, fragte Tina verständnislos. »Wir hätten dich doch aufheitern können!«

»Weil Alexander ein eifersüchtiger, besitzergreifender Chauvinist ist«, brach es aus Emma hervor. »Er darf alles und ist der Herr im Haus. Seine Frau soll kuschen und sich allein langweilen, während er sich auswärts vergnügt.« Sie schniefte und warf den Kopf zurück. »Aber das lasse ich mir nun nicht mehr bieten, und den Umgang mit euch lasse ich mir erst Recht nicht mehr verbieten!«

Wider Willen musste Tina lachen. »Na also, das ist die richtige Einstellung!« Sie zog Emma hoch und rief übermütig: »Das müssen wir feiern! Komm, wir gehen zu den andern, Lars wird sich freuen.«

Emma reckte trotzig das Kinn und nahm Sonny an die Leine. Doch dann wurde ihr auf einmal bange, sie nagte an ihrer Unterlippe und sagte: »Hoffentlich sind die mir nicht böse.«

»Ach wo, wir sagen ihnen einfach, warum du dich nicht mehr gemeldet hast, die verstehen das, wetten?« Tina hakte sich bei ihrer wiedergefundenen Freundin unter, die dankbar ihre Finger drückte.

Kapitel 3 – Alles im grünen Bereich

Eric Freiburg zupfte an seinem schwarzen Spitzbart und lachte in sich hinein. An gewissen Tagen lief alles wie geschmiert, fand er, als er in seinen Maßanzug schlüpfte und die Krawatte umband. Dank umsichtiger Planung hatte er mit neununddreißig mehr erreicht, als er sich mit neunzehn vorgenommen hatte. Und das war bereits eine ganze Menge gewesen.

Er gratulierte sich erneut zu seinem brillanten Einfall, zusätzlich zum Berner Versicherungsmakler-Büro, in dessen behaglichem Wohnraum er gerade stand, noch eine Filiale in Luzern zu eröffnen. Womit er sich und seinem Juniorpartner Alexander Röhricht ganz neue Möglichkeiten eröffnete.

Ein schlauer Coup von ihm war, dass er beide Büros in unauffälligen Wohnblocks mietete. Selbstverständlich an gut erreichbarer Verkehrslage und mit ausreichend Parkplätzen. In den geräumigen Dreizimmerwohnungen ließ er je einen repräsentativen Empfangsbereich mit zwei Schreibtischen und einer Sitzecke einrichten. Einen der Räume verwandelte er in ein edles Sitzungszimmer.

Den dritten Raum jedoch gestaltete Eric nach seinen speziellen Bedürfnissen, denn diese Ausgaben sparte er anderswo locker wieder ein. Allein die Mietkosten waren bedeutend geringer als für die teuren Büroräume und die verschwiegenen Hotelzimmer, die er früher gebucht hatte. Sein Blick fiel auf die junge Frau, die dekorativ auf dem Kuschelsofa lag und aus leicht verschleierten Augen zu ihm aufsah. Sie strich ihre goldblonden Wellen nach hinten, was ihm freie Sicht auf ihre vollen Brüste bot, die keck aus dem schwarzroten Mieder ragten.

Ein Geschenk von ihm natürlich!

Nadine Huber hatte sich sichtlich darüber gefreut und es gleich für ihn angezogen, bevor sie ...

»Häschen, schwingst du mal deinen süßen Hintern vom Sofa und ziehst dich an, ja?«, murmelte er, während er einen letzten Kuss auf ihren Brustansatz drückte.

»Jetzt schon? Aber warum denn«, schmollte sie und kraulte seine schulterlangen, schwarzen Haare, die er mit reichlich Gel aus der Stirn gekämmt hatte. »Ich wüsste noch so einiges, das wir beide tun könnten!«

»Nicht, lass das!« Eric glättete seine Locken, die nie dort bleiben wollten, wo sie hingehörten, und stand auf. »Komm, beeil dich, ich habe noch einen Termin.«

Nadines Brauen zogen sich zusammen. »Du hast noch eine Besprechung, am Donnerstagabend um ...« Sie räkelte sich und langte nach der modischen Uhr, die sie auf den Salontisch gelegt hatte. »... fünf nach acht?«

»Wir müssen uns nun mal nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Kunden richten.« Eric breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus und sah sie dabei so bedauernd an, dass ihre Zweifel an seiner Aufrichtigkeit schwanden. Sie zog eine Schnute, doch selbst diese stand ihr ausgezeichnet, und er musste an sich halten, um Nadines verlockenden Lippen und Rundungen nicht gleich nochmal zu erliegen.

Ihn zog es heim zu Mona.

»Dann ziehe ich mich halt an.« Nadine sammelte ihre herumliegenden Kleidungsstücke ein und trank einen Schluck Champagner. Sie schüttelte sich, das perlende Getränk war schal geworden. »Kommst du mit runter?«

Eric unterdrückte den Ärger, der in ihm aufstieg, und zwang sich zu einer bedauernden Miene. »Du weißt doch Häschen, dass das nicht geht, weil ...«

»Weil du Schiss hast, die Nachbarn könnten dich mit mir zusammen sehen und dich für einen unseriösen Geschäftsmann halten«, spöttelte Nadine und zuckte mit den Schultern. »Okay, ich finde den Weg auch allein, gib mir fünf Minuten.« Sie eilte ins Bad, wischte die Ränder unter den Augen mit einem Kosmetiktuch weg, legte je einen Hauch Rouge und Puder auf und zog die Lippen mit einem lange haftenden Stift nach.

Was Eric nur immer hatte, nachdem sie doch köstlichen Sex miteinander genossen hatten?, fragte sie sich verwirrt. Innerhalb einer Stunde verwandelte er sich aus dem großzügigen, heißen Liebhaber zurück in den kühlen Geschäftsmann. Selbst heute, wo sie das vierte Mal zusammen waren, schaffte sie es nicht, ihn länger zu fesseln. Mit der Haarbürste strich sie ihre goldblonden Wellen rechts hinters Ohr, links graziös über die Schulter. Ein letzter prüfender Blick in den Badezimmerspiegel, und sie war zufrieden mit dem Resultat. Mehr konnte man nicht erwarten nach einer intensiven Liebesstunde. Sie strich ihren kurzen braunen Lederrock glatt und bewunderte den perfekten Sitz ihrer edlen Seidenbluse, deren obere Knöpfe sie offen ließ.

»Wie gefalle ich dir eigentlich in diesem Outfit?«

Sie drehte sich vor Eric um die eigene Achse, dessen Ungeduld sich steigerte, während er in der Küche die leeren Gläser in die Spüle räumte und die Flasche in den Kühlschrank stellte. Den Rest würden Alexander oder er morgen austrinken. Jetzt hielt ihn nichts mehr hier. Mona wartete mit dem Nachtessen auf ihn und würde sich fragen, wo er blieb. Er hatte ihr gesagt, er sei um halb neun zuhause. Das würde er wieder mal nicht schaffen. Also warf er nur einen gelangweilten Blick auf Nadine, die aufreizend vor ihm stand.

»Deine Figur hat mir schon immer gefallen«, murmelte er mehr zu sich selbst als zu ihr. Mit Daumen und Zeigefinger drehte er ihr Kinn nach allen Seiten. »Aber deine Nase nicht!«

Nadine fuhr zurück, als hätte er sie geschlagen.

Ihre Nase war das einzige, was sie an ihrem durchtrainierten Body beanstandete: sie war zu lang, zu groß, zu dick – und erst noch leicht schief! Zwar behaupteten alle, die sie darauf ansprach, bei ihrer Schönheit würde kein Mensch auf sowas achten, aber sie selbst störte sich trotzdem daran. Als Teenager hatte sie deswegen sogar Minderwertigkeitsgefühle entwickelt. Mehrmals täglich massierte sie ihre Nasenflügel zwischen Daumen und Zeigefinger, damit sie sich weniger blähten. Mit zunehmender Erfahrung erkannte sie, dass ihr Makel längst nicht so störend war, wie sie ihn empfunden hatte.

Seit ihrer Ausbildung zur Kosmetikerin kannte sie genügend Tricks und Kniffe, wie man kleine Fehler der Natur wieder ausglich. Und bald entdeckte sie bei ihren Kundinnen viel Schlimmeres als ihr kleines Nasenübel.

Mit ihren siebenundzwanzig Jahren war Nadine bis zur Chefkosmetikerin eines größeren Hauses aufgestiegen. In diesem Frühjahr hatte sie sich ihren Traum vom eigenen Kosmetikinstitut erfüllt, wofür sie bei Eric mehrere Versicherungen abschloss. So hatten sie beide sich kennen- und lieben gelernt. Und nun sprach ausgerechnet Eric das aus, was immer ein wenig an ihr nagte! Ihre großen, grünbraunen Augen schimmerten verräterisch, als sie über die leichte Schwellung an ihrer Nasenspitze tastete.

Eric, der seine vorschnelle Bemerkung bereits verfluchte, beeilte sich, deren Wirkung abzuschwächen. Er konnte und wollte hier keine Szene heraufbeschwören, sondern nur noch verschwinden.

»Also nur im Profil, von vorn fällt mir nichts auf!« Diese Affäre wurde ihm zu mühsam, er überlegte sich, wie er sie loswerden konnte, ohne sie als Kundin zu verlieren. Nadine begann bereits zu klammern.

Ich will wilden, heißen Sex, sonst nichts. Für alles andere habe ich Mona, die wunderbarste Frau der Welt.

»Also stört dich meine Nase im Profil«, griff Nadine mit ruhiger, wenn auch bebender Stimme das Thema auf und schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter.

»Ach das war nur eine Momentaufnahme, ist mir vorher nie aufgefallen«, behauptete er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Eine sexy Frau wie du wird meine Bemerkung nicht in den falschen Hals kriegen, oder?«

Nadines Lachen klang etwas schrill, aber offenbar hatte sie es geschluckt. »Nein, natürlich nicht, schließlich zählen die inneren Werte, und mit diesen bist du ganz zufrieden, hatte ich den Eindruck!« Sie kreiste mit den Hüften und sah ihn aus schmalen Augen an.

Ein teuflisches Grinsen flog über Erics Gesicht. Er musste an sich halten, sie nicht gleich in der Küche zu nehmen. Er trat hinter sie, umfasste ihre Brüste, drückte sein Geschlecht an ihr Gesäß und raunte: »Und ob! Du kleines Luder machst mich richtig scharf!« Er versetzte ihr einen Klaps auf den Hintern und schob sie zur Tür hinaus.

»Aber ...«, rief Nadine enttäuscht, doch er rollte die Augen in Richtung der Nachbarstüren und zischte:

»Pst, ich rufe dich in den nächsten Tagen an!« Mit förmlicher Stimme fuhr er halblaut fort: »Auf Wiedersehen, Frau Huber, ich sende Ihnen die Unterlagen zu, sobald ich sie bereit habe.«

Die Tür schloss sich hinter ihr. Sie strich sich wie erwachend über die Stirn. Eric hatte ihr keinen Abschiedskuss gegeben.

Kapitel 4 - Ein faszinierender Mann

Damit es in Bern keine Geschäftsausfälle gab, setzten Sandras Chefs die Öffnungszeiten der Luzerner Filiale auf die Donnerstage und Samstagvormittage fest, wenn die Stammkanzlei geschlossen war.

In der Regel fuhren die Herren ohne Sandra Becker in die Innerschweiz, da sie, nunmehr seit knapp zehn Monaten Assistentin bei Freiburg & Röhricht, an diesen Tagen frei hatte. Nur wenn der Senior verhindert war oder auswärtige Termine wahrnahm, bot er ihr jeweils an, seinen Juniorpartner nach Luzern zu begleiten.

Für Sandra, die erst kürzlich ihre Ausbildung zur Versicherungsfachfrau abgeschlossen hatte, waren dies willkommene Gelegenheiten, ihr Gehalt aufzubessern. Zusätzlich hatte sie Anspruch auf eine freie Mahlzeit und Getränke in einem der exklusiven Speiselokale, in die Herr Röhricht sie an solchen Tagen führte, bevor er sie heimfuhr und vor ihrer Haustür absetzte. Da sie eine Feinschmeckerin war, nutzte sie diese seltenen Gelegenheiten, in Köstlichkeiten zu schwelgen.

An diesem Donnerstag hatte sie Alexander wieder einmal nach Luzern begleitet und tatkräftig unterstützt. Soeben führte er seine letzte Kundin des Tages, die Visagistin Laura Massa, zur Garderobe und half ihr in die schicke Designerjacke.

»Frau Becker, wenn Sie so weit sind, dann können wir gehen. Sicher haben Sie nichts dagegen, dass ich Frau Massa mit eingeladen habe!« Das war keine Frage, sondern eine Anordnung, geäußert mit einem Zwinkern aus seinen tiefblauen Augen und einem arglos sonnigen Lächeln, als er sich ihr zuwandte.

»Nein, natürlich nicht«, murmelte Sandra. Sie fuhr den Rechner herunter, verstaute ihre Dokumente in den Aktenkoffer und schloss den Schreibtisch ab. Seltsamerweise doch, gestand sie sich ein. Sie hatte sich auf die Fortsetzung des kumpelhaften Geplänkels mit ihrem Chef gefreut, und wenn eine fremde Dame dabei war ... Überhaupt, wie kam der verheiratete Mann dazu, eine solche einzuladen? Sandra seufzte innerlich.

Der Junior war ein Charmeur erster Güte, wenn er es darauf anlegte, konnte er wohl jede Frau herumkriegen.

Sie selbst gehörte selbstverständlich nicht dazu, denn sie wusste genau, was sie wollte. Ein frisch verheirateter, chronisch alkoholisierter Mann, der außerdem noch ihr Vorgesetzter war, hatte in ihren Zukunftsplänen nichts verloren. Sie wollte in diesem Jahr Versicherungspraxis sammeln und dabei eisern sparen, danach an der höheren Fachschule Versicherung den Studiengang Diplomierte Versicherungswirtschafterin HF belegen. Aber die drei Semester kosteten ein kleines Vermögen, weshalb sie hoffte, ihre jetzigen oder zukünftigen Vorgesetzten würden sich beteiligen, wenn sie sich tüchtig einsetzte. Schließlich kam die Weiterbildung dem Unternehmen zugute.

Als Einzelkind hatte Sandra sich stets einen älteren Bruder gewünscht, einen starken Kameraden, der ihr auch in brenzligen Situationen beigestanden hätte. In den zehn Monaten Zusammenarbeit wurde der drei Jahre ältere Juniorchef für sie fast zum großen Bruder, wenn auch einem eher leichtsinnigen.

Er verwöhnte sie ab und zu mit Aufmerksamkeiten: hier ein paar Pralinen, dort ein süßes Plüschtier oder einen hübschen Stein mit einem sinnigen Spruch darauf. Das war seine Art, ihr zu zeigen, wie zufrieden er mit ihrer Arbeit war. Herr Röhricht machte offensichtlich gern Geschenke. Seit er herausgefunden hatte, welche Speisen sie am liebsten aß, schob er sogar die eine oder andere Delikatesse von seinem auf ihren Teller rüber: ein Charakterzug, den sie ihm nicht zugetraut hätte.

Dieser Donnerstagabend Ende August sollte jedoch einen unerwarteten Verlauf nehmen.

Alexander Röhricht führte seine beiden Begleiterinnen in ein bekanntes argentinisches Steakhaus, das zu dieser frühen Stunde fast menschenleer war. Er wies ihnen einen der besten und größten Tische zu.

Dem Kellner, der ihnen wild gestikulierend folgte, steckte er einen gefalteten Geldschein in die Brusttasche. Was bewirkte, dass die Redeflut, zu der der Mann angesetzt hatte, diesem im Hals steckenblieb und seine abwehrend erhobenen Hände sich zu einer herzlichen Willkommensgeste ausbreiteten.

»Selbstverständlich ist dieser Tisch noch frei, meine Herrschaften!«, verkündete er stattdessen, deutete eine Verbeugung an und wischte eifrig mit seiner weißen Stoffserviette über das rotweiß karierte Tischtuch.

Herr Röhricht half Laura Massa aus der Jacke, wobei seine Finger ungebührlich lange auf ihrem gebräuntem Nacken ruhten. Sandra traute ihren Augen kaum, als sein Daumen sinnlich über die bloße Haut seiner schwarzhaarigen Kundin strich.

Lauras giftgrüne Augen tauchten vielversprechend in seine strahlend blauen, die einen eindeutig hungrigen Ausdruck annahmen.

Na Emma! Dein Mann hat wohl nicht nur Appetit auf Nahrung ... Na warte, Chef, dich nehme ich heute aus wie eine Weihnachtsgans, ich bestelle das teuerste Gericht auf der Karte.

Und Sandra orderte ein gegrilltes Rinderlendensteak Größe XXL, medium gebraten, und aß es auf, obwohl sie vom Kauen beinah einen Kieferkrampf bekam. Dazu kombinierte sie Maiskolben und Folienkartoffeln mit Kräuterfrischkäse. Zuvor knabberte sie einen knackigen Salat an einer pikanten Soße. Während das Lokal sich füllte, nippte sie brav an ihrem Mineralwasser. Zeitgleich becherte ihr Chef zwei Flaschen Wein mit Frau Massa, unter schmachtenden Blicken, zweideutigen Bemerkungen und mehr oder minder verstohlenen Gesten.

Sandra wusste kaum noch, wo sie hingucken sollte, offensichtlich wären die beiden lieber mit sich alleine. Wie das sprichwörtliche fünfte Rad am Wagen kam sie sich vor. Verlegen wandte sie den Blick ab und sah sich im rustikal eingerichteten Raum um, tapfer gegen ihre widersprüchlichen Gefühle ankämpfend.

Okay, ihr Chef war ein Frauenheld, das wusste sie, seit sie ihm zum ersten Mal begegnet war (damals hatte er sofort mit ihr geflirtet!).

Okay, gegen weibliche Reize war er nicht immun.

Okay, Treue schien nicht seine Stärke zu sein ...

Aber – sie richtete sich kämpferisch im Stuhl auf – aber musste er deswegen ausgerechnet vor seiner (fast) unschuldigen, (ziemlich) unerfahrenen Assistentin diese schamlose Laura mit seinen Blicken vernaschen und dazu sexistische Anspielungen machen? Was von seiner Kundin mit gurrendem Lachen und einem filmreifen Klimpern ihrer falschen Wimpern quittiert wurde.

Nein, das ging zu weit, fand sie, und schüttelte sich den Frust von der frierenden Seele.

»Ober, einen Liter Sangria mit drei Gläsern!«, rief Herr Röhricht auf einmal lautstark über die inzwischen voll besetzten Tische hinweg.

Reflexartig wandte sie verneinend den honigblonden Schopf zu ihm. Bevor sie Pieps sagen konnte, brüllte er:

»Keine Widerrede, Frau Becker, wenn der Chef was befiehlt, hat die Sekretärin zu gehorchen!«

Sie zuckte zusammen und bedachte ihn mit einem finsteren Blick, was dem lüsternen Kerl nicht mal auffiel. Vorsicht, ich bin heute schon besser ausgebildet – undwerde in spätestens drei Jahren das höhere Gehalt haben als du, schwor sie sich aufgebracht. Von wegen Sekretärin. Nur weil sie ein Praktikumsjahr zwischengeschaltet hatte? Ein Allrounder-Talent in der Versicherungsbranche sei sie, schier unentbehrlich für ihre Vorgesetzten, wurde Eric Freiburg nicht müde zu betonen. Der Senior hatte ihr ja bereits einen rentableren Posten in Aussicht gestellt.

Um weiteres Aufsehen zu vermeiden, kostete sie von der Sangria und fuhr sich genießerisch mit der Zungenspitze über die Lippen. Mhm, schmeckte lecker! Sie mochte zwar keine alkoholhaltigen Getränke, aber diese eine, fruchtig-süße Variante schon. Bald ließ sie sich ein zweites und drittes Glas einschenken, was bewirkte, dass die Situation mit ihrem Chef und dieser Schlange Massa erträglicher wurde, und sie sich zu entspannen begann.

Leicht beschwipst wie sie war, glaubte Sandra zu träumen, als sie auf einmal Gitarrenklänge hörte und gleich darauf warme, einschmeichelnde Männerstimmen einsetzten. Spanische und mexikanische Liebeslieder erfüllten den Raum:

»La Paloma; Cielito Lindo ...«

Wie durch einen Schleier sah sie eine Musikergruppe durch das Lokal schlendern: die Hüte in den Nacken geschoben, bekleidet mit exotisch anmutenden, silbern bestickten, schwarzen Hosen und kurzen Bolero Jacken.