Island - Reiseführer von Iwanowski - Lutz Berger - E-Book

Island - Reiseführer von Iwanowski E-Book

Lutz Berger

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Beschreibung

Island ist und bleibt eine Trenddestination für Individualisten: Die lebhafte Hauptstadt Reykjavik mausert sich zu einem beliebten Städtereiseziel und dank verbesserter Flugverbindungen ist eine Islandreise leicht zu organisieren. Der Iwanowski Reiseführer Island wendet sich an Reisende, die ihre Tour gerne auf eigene Faust planen möchten und auf vielseitige Informationen zu Natur, Land und Leuten Wert legen. Die vier Routenvorschläge sind sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit einem Mietwagen zu befahren. Von einem Kurzaufenthalt in Reykjavík bis hin zu einer dreiwöchigen Rundreise reichen die Tourvorschläge, die sich auch gut miteinander kombinieren lassen. Bei der Orientierung helfen die 21 Detailkarten. Hauptreisezeit ist im europäischen Sommer von Mai bis Oktober, Reykjavik ist ein Ganzjahresziel • Bewährtes Standardwerk mit ausführlichen Routen rund um Island, zudem Strecken durch das Hochland • Praktisch: Aktuelle Preisübersicht mit vielen Angaben auf den grünen Seiten

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Lutz Berger Ulrich Quack

Island

Im Internet:

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Island

9. Auflage 2015

© Reisebuchverlag Iwanowski GmbH Salm-Reifferscheidt-Allee 37 • 41540 Dormagen Telefon 0 21 33/26 03 11 • Fax 0 21 33/26 03 [email protected]

Titelfoto: Island Pferde age fotostock/LOOK-foto, München Alle anderen Farbabbildungen: s. Abbildungsverzeichnis S. 427 Lektorat und Layout: Annette Pundsack, Köln Karten und Reisekarte: Klaus-Peter Lawall, Unterensingen Titelgestaltung sowie Layout-Konzeption: Point of Media, www.pom-online.de Redaktionelles Copyright, Konzeption und deren ständige Überarbeitung: Michael Iwanowski

Alle Rechte vorbehalten. Alle Informationen und Hinweise erfolgen ohne Gewähr für die Richtigkeit im Sinne des Produkthaftungsrechts. Verlag und Autoren können daher keine Verantwortung und Haftung für inhaltliche oder sachliche Fehler übernehmen. Auf den Inhalt aller in diesem ebook erwähnten Internetseiten Dritter haben Autoren und Verlag keinen Einfluss. Eine Haftung dafür wird ebenso ausgeschlossen wie für den Inhalt der Internetseiten, die durch weiterführende Verknüpfungen (sog. „Links“) damit verbunden sind.

ebook-Vertrieb: Bookwire GmbH, Frankfurt/Main

Willkommen auf Island

I. LAND UND LEUTE

Island auf einen Blick

Zahlen, Daten, Fakten

Historischer Überblick

Entdeckung und Besiedlung

Die Frühzeit – Wikinger, Landnahme, Bürgerkrieg • Die Wikinger • Besiedlung und Bauernrepublik

Das Mittelalter – nach dem Aufstieg der Fall

Die Neuzeit – 300 Jahre des Leidens

Das 20. und 21. Jahrhundert

Der Weg zur Unabhängigkeit • Parteien und Regierung • Zeittafel

Landschaftlicher Überblick

Die Entstehung des Landes

Die Feuerinsel – Vulkane, Geysire und Solfatare

Vulkane und Vulkanformen • Vulkanausbrüche • Erdbeben • Solfatare und Fumarolen • Heiße Quellen und Geysire

Die Eisinsel – Gletscher, Seen, Wasserfälle

Gletscher • Gletscherläufe • Lawinen • Treibeis • Seen • Flüsse und Wasserfälle

Einzelne Landschaften

Die Küste • Das Inland • Die Berge

Flora und Fauna

Tierwelt • Pflanzenwelt

Klima und Reisezeit

Klima • Reisezeit

Mitternachtssonne und Polarlicht

Kultureller Überblick

Die isländische Sprache

Sprachpurismus • Namensgebung

Die isländische Literatur

Mittelalterliche Literatur • Literatur der Kolonialzeit • Neue Literatur

Architektur

Bildende Kunst, Musik und Film

Bildende Kunst • Musik • Film

Wirtschaft und Gesellschaft

Bevölkerungsverteilung und Siedlungsstruktur

Wirtschaftlicher Überblick

Fischerei • Landwirtschaft • Industrie und Energiegewinnung • Tourismus • Transport- und Verkehrswesen

Bildungswesen

Religion

Gesellschaft

Man kennt sich … • Familie und Stellung der Frau • Genlabor Island

2. ISLAND ALS REISEZIEL

Allgemeine Reisetipps von A–Z

Das kostet Sie das Reisen in Island

Reisen in Island

3. REYKJAVÍK UND UMGEBUNG

Reykjavík – die nördlichste Hauptstadt der Welt

Überblick

Reykjavík erkunden • Redaktionstipps

Stadtspaziergänge im Zentrum

Das alte Reykjavík • Das Universitätsviertel

Spaziergang durch Laugardalur

Weitere Sehenswürdigkeiten

Zentrumsnahe Attraktionen • Entferntere Attraktionen • Die Halbinsel Seltjarnarnes

Der Golden Circle: Tagesausflug Þingvellir – Geysir – Gullfoss

Überblick

Von Reykjavík bis Þingvellir

Þingvellir • Rund um den Þingvallavatn

Von Þingvellir zum Geysir-Gebiet

Laugarvatn

Abstecher zum Gullfoss

Rückfahrt über Skálholt

Skálholt • Von Skálholt zurück zur Ringstraße

Varianten zur Rück- oder Weiterfahrt

Über Eyrarbakki • Östliche Variante

Tagesausflug Reykjanes (Hafnafjörður – Blaue Lagune – Grindavík – Keflavík)

Überblick

Reykjavík – Hafnarfjörður

Redaktionstipps • Kópavogur • Hafnarfjörður

Hafnarfjörður – Grindavík

Blaue Lagune (Blue Lagoon, Bláa Lónið) • Grindavík

Grindavík – Keflavík

Keflavík/Njarðvík • Die Nordspitze der Halbinsel

Grindavík – Krísuvík – Kleifarvatn

Grindavík – Þorlákshöfn

Þorlákshöfn • Eyrarbakki • Hveragerði • Über die S 39 zurück nach Reykjavík

4. DIE RINGSTRASSE (mit Alternativstrecken)

Von Reykjavík nach ­Skaftafell

Redaktionstipps

Überblick

Keflavík/Reykjavík – Selfoss

Hveragerði • Selfoss

Abstecher nach Stöng und Rundfahrt Landmannalaugar

Stöng • Þjóðveldisbærinn • Alternativen zur Weiterfahrt

Selfoss – Vík í Mýrdal

Hella • Bauernhof Oddi und Torfgehöft Keldur • Hvolsvöllur • Alternativstrecke über Hlíðarendi • Zum südlichsten Punkt des isländischen Festlands • Vík í Mýrdal • Abstecher Þórsmörk

Vík í Mýrdal – Skaftafell

Kirkjubæjarklaustur • Die Sanderfläche Skeiðarársandur

Skaftafell

Wanderungen im Skaftafell

Von Skaftafell nach Egilsstaðir

Überblick

Skaftafell – Höfn

Redaktionstipps • Höfn

Höfn – Egilsstaðir auf der Ringstraße

Djúpivogur • Egilsstaðir • Rund um den Lögurinn-See

Alternativstrecke: Nach Egilsstaðir über die Ostfjorde

Abstecher nach Eskifjörður und Neskaupstaður

Abstecher Seyðisfjörður

Abstecher Borgarfjörður/Loðmundarfjörður

Von Egilsstaðir nach Akureyri

Redaktionstipps

Überblick

Ausflug nach Húsey

Über die Ringstraße zum Mývatn

Alternativstrecke 1: Über Dettifoss und Húsavík nach Mývatn

Der östliche Weg (S 864) • Der westliche Weg (F 862) • Um die Halbinsel Tjörnes • Húsavík • Weiterfahrt nach Reykjahlíð

Alternativstrecke 2: Rundfahrt in den Nordosten über Vopnafjörður, Þórshöfn und Dettifoss

Abstecher Langanes

Das Mývatn-Gebiet

Der Mývatn-See • Das Krafla-Gebiet • Die Solfatare von Hverarönd • Reykjahlíð

Mývatn – Akureyri

Goðafoss

Akureyri

Redaktionstipps • Lage und Geschichte • Akureyri sehen und erleben • Sehenswertes in der Umgebung/Tagesausflüge

Ausflug zur Insel Hrísey

Ausflug zur Insel Grímsey

Von Akureyri nach Borgarnes

Redaktionstipps

Überblick

Akureyri – Varmahlíð

Abstecher Sauðárkrókur/Glaumbær

Varmahlíð • Abstecher in den Süden

Alternativstrecke: Entlang der Halbinsel Tröllaskagi

Nach Ólafsfjörður • Nach Siglufjörður • Nach Hofsós • Hólar

Varmahlíð – Blönduós

Blönduós

Alternativstrecke: Entlang der Halbinsel Skagi

Glaumbær • Sauðárkrókur • Weiterfahrt bis Skagaströnd

Blönduós – Borgarnes

Abstecher ins Hinterland • Borgarnes

Alternativstrecke: Entlang der Halbinsel Vatnsnes

Hvammstangi

Von Borgarnes nach Reykjavík

Überblick

Borgarnes – Akranes

Akranes

Abstecher/Rundfahrt Reykholt

Reykholt

Akranes – Reykjavík

5. TOUREN DURCH’S HOCHLAND

Überblick

Das Befahren der Hochlandpisten

Öffnungszeiten der Hochlandpisten • Umweltschutz

Die Sprengisandur-Route: Süd-Nord-Durchquerung zwischen Hofsjökull und Vatnajökull

Þórisvatn – Goðafoss

Alter Sprengisandurvegur • Die Hochlandpiste Gæsavatnaleið

Vom Þórisvatn zum Skagafjörður oder nach Akureyri

Die Kjölur-Route: Nord-Süd-Durchquerung von Blönduós zum Gullfoss

Hveravellir

Abstecher Kerlingarfjöll

Zur Herðubreið, zur Askja und zum Kverkfjöll

Zur Askja über die Kverkfjöll-Route

Zum Kverkfjöll

Das Askja-Gebiet

Von der Askja zur Ringstraße über die F 88

Zur Eldgjá und nach Landmannalaugar

Die Eldgjá-Schlucht

Landmannalaugar

Von Landmannalaugar zur S 26 über Landmannaleið

Die Hekla

Die Kaldidalur-Route: Am Westrand des Langjökull

Abstecher und Wanderungen

Vom Lögurinn-See zum Snæfell

Von der Ringstraße zur Laki-Spalte

6. ALTERNATIVE ROUTEN IM WESTEN UND NORDWESTEN

Die Halbinsel Snæfellsnes

Redaktionstipps

Überblick

Von der Ringstraße nach Stykkishólmur

Von Norden • Von Süden • Stykkishólmur

Rund um die Halbinsel

Búðir • Arnarstapi • Der Snæfellsjökull • Hellissandur • Ólafsvík • Grundarfjörður

Die Westfjorde

Redaktionstipps

Überblick

Von der Ringstraße nach Ísafjörður

Hólmavík • Abstecher in den Norden • Weiter Richtung Ísafjörður • Ísafjörður

Abstecher Hornstrandir

Abstecher Bolungarvík

Ísafjörður – Patréksfjörður

Abstecher Suðureyri • Abstecher Flateyri • Patreksfjörður

Patréksfjörður – Búðardalur (– Stykkishólmur)

Abstecher zum Rauðasandur und Látrabjarg • Weiterfahrt nach Búðardalur • Búðardalur • Freilichtmuseum Eiríksstaðir • Alternativen zur Weiterfahrt

Zu den Inseln im Breiðafjörður

Überblick

Besuch auf Flatey

7. DIE WESTMÄNNERINSELN

Überblick

Lage und Entstehung der Inseln

Redaktionstipps • Der Ausbruch von 1973

Kurze Geschichte der Westmännerinseln

Fischerei: die wirtschaftliche Grundlage

Seevögel und ihre Bedeutung für die Inseln

Inselrundfahrt/-rundgang Heimaey

Die Stadt Heimaey

Die Insel Heimaey

Mit dem Ausflugsboot um Heimaey

ANHANG

Aussprache und Betonung

Wörterbuch

Literatur (Auswahl)

Stichwortverzeichnis

Bildnachweis

Kartenverzeichnis

Weiterführende Informationen zu folgenden Themen

Das Wikingerschiff

Ist Island ein skandinavisches Land?

Das Islandpferd

Isländische Eiderdaunenproduktion

Halldór Laxness – Leben und Werk

Die Isländer und ihre übernatürlichen Nachbarn

Wer war Jón Sveinsson (Nonni)?

Der Atlantische Lachs (salmo salar)

Die Herðubreið – Entstehung eines Tafelvulkans

Katastrophenjahr 1995: Lawinen in den Westfjorden

Surtsey – die Geburt einer Insel

Papageientaucher – die Clowns des Nordatlantiks

Ein tierischer Filmstar

Willkommen auf Island

Island – allein schon der Landesname weckt Erwartungen an eine wilde, unberührte und ungezähmte Natur. Die Insel gilt als ein „Land aus Feuer und Eis“. Die klare Luft mit ihrer guten Fernsicht, sauberes Wasser, riesige Gletscherflächen, tosende Wasserfälle, erstarrte Lavaströme, ausgedehnte Sandflächen, hoch aufragende Vulkane, tiefe Schluchten, die endlose, menschenleere Wüste des Inselinneren, vom Meer umspülte Inseln wie die Vestmannaeyar und natürlich das Phänomen der hellen Nächte im Sommer und des Nordlichts in der dunklen Jahreszeit – allein das sind schon gute Argumente für einen Urlaub auf der Insel.

Daneben tritt die Entwicklung einer Infrastruktur, die auch den Touristen zugutekommt: beispielsweise der Ausbau von Inland-Fluglinien und Busverbindungen genauso wie das steigende Angebot an Campingplätzen, Reitställen, pauschalen Abenteuer-Exkursionen und Hotelunterkünften. Immer mehr Bauernhöfe schließen sich dem Trend an und bieten ein zusätzliches Übernachtungsangebot, das weniger von den her­kömm­lichen, durchgeplanten Touristenanlagen als vielmehr vom Ursprünglichen und Unverfälschten geprägt ist.

Die kompakte Form der Insel mit 4.970 km Küstenlinie bei extrem dünner Besiedlung der meisten Landesteile ist für den Reisenden ideal: Überall bieten sich Möglichkeiten zu Abstechern in unberührte Gegenden, stellt sich ein Gefühl von Weite und Einsamkeit fernab der Zivilisation ein. Die Qualität der Straßen ist in den letzten Jahren immer besser geworden, ständig werden neue asphaltierte Abschnitte fertiggestellt, sorgen aufwendige Brückenkonstruktionen für kürzere Wege. Das Straßennetz wird ergänzt durch mehrere Auto- und Personenfähren, die die Ortschaften an der Küste mit vorgelagerten Inseln verbinden oder Buchten überqueren. Aber man mache sich keine falschen Vorstellungen über die Entfernungen:Wer in Island mit dem Auto, Wohnmobil oder Zweirad unterwegs ist, sollte vor allem eines mitbringen: Zeit! Das Wetter ist übrigens weitaus besser als sein Ruf. Sicher: Mit Regen und sogar mit Schnee sollte man zu jeder Jahreszeit rechnen. Aber ein ozeanisch-gemäßigtes Klima bringt es trotz der nördlichen Lage mit sich, dass – vom Hochland abgesehen – die Insel zu jeder Jahreszeit zu bereisen ist. Es versteht sich von selbst, dass der Naturraum Island eine Fülle von Outdooraktivitäten ermöglicht, die für jeden Sportinteressierten ein reiches Angebot darstellen. Traditionell nimmt der Pferdesport im Lande eine wichtige Rolle ein, hinzukommen vorzügliche Wandersportbedingungen. Die faszinierende Naturlandschaft bietet zudem den Rahmen für eine alte Kulturnation, deren historische Zeugnisse und Denkmäler aufzusuchen für viele ein Hauptreisegrund sein kann.

Dieses Reise-Handbuch wendet sich vor allem an den unabhängigen Individualreisenden, sodass im praktischen Teil Routen vorgestellt werden, die zu den wesentlichen Zielen des Landes führen. Wir wünschen Ihnen intensive Vorfreude bei Ihrer Reisevorbereitung und einen erlebnisreichen Island-Aufenthalt.

Ein herzliches Dankeschön geht an Guido Kratz, der einen Großteil der Bilder für die vorliegende Ausgabe zur Verfügung gestellt hat.

Lutz Berger, Ulrich Quack

Island auf einen Blick

Zahlen, Daten, Fakten

Fläche

103.106 km² (10 % Gletscher, 10 % Flüsse und Seen, 20 % Lavafelder)

Einwohner

325.000, 97 % Isländer

Staatssprache

Isländisch

Hauptstadt

Reykjavík (121.000 Einw.)

Religion

Evangelisch-lutherische Staatskirche (79 %), 5 % andere protestantische Glaubensgemeinschaften, 3 % Katholiken, 3 % Nichtgläubige

Flagge

Rotes Kreuz, mit weißem Streifen von blauem Feld abgegrenzt. Die Farben stehen für den Atlantischen Ozean (Blau), die Gletscher (Weiß) und das vulkanische Feuer (Rot)

Wappen

Die Landesfahne, umringt von Drache, Adler, Bulle und Riese

Nationalfeiertag

17. Juni (Unabhängigkeitstag)

Staats- und Regierungsform

Republik mit parlamentarischer Demokratie

Staatsoberhaupt

Präsident Ólafur Ragnar Grímsson

Städte

Reykjavík, Kópavogur (32.000 Einw.), Hafnarfjörður (28.000 Einw.),Akurey­ri (18.000 Einw.), Reykjanesbær (15.000 Einw.), Garðabær (14.000 Einw.)

Wirtschaft

Fischerei, Fischverarbeitung, Fremdenverkehr, Aluminium, Landwirtschaft

Problematik

Wirtschafts- und Finanzkrise fast bis zum Staatsbankrott 2009, deshalb auch hohe Arbeitslosigkeit und seit 2009/2010 Abwanderung vieler junger Isländer ins Ausland; Wiederaufbau des Bankensystems, Begrenzung der Auslandsverschuldung und Stabilisierung der Währung, Lösung der Verschuldungsprobleme von Privathaushalten und Unternehmen; Frage des EU-Beitritts

Historischer Überblick

Die grandiose Landschaft, für die meisten Besucher der Hauptgrund ihres Kommens, bildet trotz des abweisenden Charakters den Raum, in dem sich ein kleines Volk über Jahrhunderte gegen alle natürlichen und politischen Widrigkeiten behaupten konnte und überlebte. Tatsächlich ist es schon ein kleines Wunder, dass es überhaupt noch Isländer gibt, dass sie nicht, wie ihre Nachbarn auf Grönland, ausgestorben sind. Die Spuren der Geschichte, die im Land der Sagas und des Aberglaubens natürlich immer auch mit vielen Geschichten verwoben sind, kann der Besucher allenthalben entdecken: in fotogenen, liebevoll restaurierten Torfhäusern und Museen, aber auch in der isländischen Sprache, in Orts- und Flurnamen. Die Isländer sind stolz auf ihre Geschichte und sie haben allen Grund, dies zu sein.

Entdeckung und Besiedlung

Innerhalb Europas ist die Insel derjenige Nationalstaat, der ganz zuletzt besiedelt wurde. Nach herkömmlicher Lehrmeinung fand die planmäßige Inbesitznahme des Landes durch größere Auswanderergruppen ab 874 n. Chr. statt, nachdem vorher bereits (im 8. Jh. n. Chr.) Einsiedler der iro-keltischen Kirche sich für einige Zeit auf Island niedergelassen hatten. Ob es vor dem Intermezzo der Mönche und vor der Landnahme durch die Wikinger andere Entdecker gab, darüber gehen die Meinungen auseinander. Eine der Theorien ist, dass die Insel zuerst vom griechischen SeefahrerPytheas von Massilia gesichtet wurde, der auf seiner Forschungsreise 345–325 v. Chr. bis an die Treibeisgrenze vorstieß. Eine andere Theorie besagt, dass Island zuerst von den Römern entdeckt wurde. Dafür sprechen fünf Münzfunde, die man ab 1905 aus dem Boden holte. Sie stammen aus der Epoche der Kaiser Aurelius (270 n. Chr.), Tacitus (275–276), Probus (276–282) und Diocletian (284). Und schließlich könnten es auch christliche Kelten aus Irland gewesen sein. Ihr berühmtester Seefahrer war der Heilige Brendan (6. Jh.), dem auch die Entdeckung Amerikas nachgesagt wird und der ebenfalls Ultima Thule erreicht haben will.

Alle genannten Theorien sind bislang nicht beweisbar. Zweifellos steht aber fest, dass es spätestens seit dem 8. Jh. irische Mönche auf Island genauso wie auf den Färöern und Shetlands gegeben hat. Sie hinterließen zwar ebenfalls keine archäologisch nachweisbaren Spuren, werden aber in den Sagas, z.B. in der Íslendingabók mehrfach genannt. Die geografischen Angaben, die im frühen 9. Jh. der Mönch Dicuil in seinem Buch liber de mensura orbis machte, belegen außerdem die Bekanntheit der Insel im iro-schottischen Raum. Dazu passt, dass es auf Island einige Orts- und Flurnamen mit dem Bestandteil papa, Pfaffen, gibt, die aus der ersten Zeit der Besiedlung stammen. Was aus den Mönchen wurde, als die Invasion der Wikinger einsetzte, ist unbekannt. In den Sagas heißt es, sie hätten die Insel fluchtartig verlassen, möglich ist auch, dass sie einem Gemetzel zum Opfer fielen, wie es für wikingische Übergriffe seit Lindisfarne (s. S. 16) typisch war.

Die Frühzeit – Wikinger, Landnahme, Bürgerkrieg

Es gibt wohl kaum eine Zivilisation in Europa, die den Beginn ihrer eigenen Existenz so genau datieren und belegen kann wie die isländische. Der Grund dafür liegt darin, dass innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums (874–930 n. Chr.) norwegische Wikinger in einem wahren Exodus die Insel planmäßig besiedelten, sich anschließend in einer freien Bauernrepublik organisierten und kurz darauf eine literarische Tradition begründeten, die geradezu minutiös von den Anfängen ihres Gemeinwesens berichtete. Die Begriffe, die sich für diese Epochen eingebürgert haben, heißen Landnahme-Zeit und Saga-Zeit; beide zusammen stehen für eine 400-jährige Ära, in der die Insel komprimiert Höhen und Tiefen durchlebte, um sich anschließend selbst zu eliminieren und nach einer Periode bürgerkriegsähnlicher Zustände für fast 700 Jahre in die Hände fremder Mächte zu gelangen. Gleichzeitig ist die isländische Nation das Produkt jener Epoche, die die Wikingerzeit genannt wird. Immerhin geht schon auf die ersten wikingischen Seefahrer, die wohl unfreiwillig in die Weite des Nordatlantik verschlagen wurden, der Landesname zurück, und die Berichte, die diese Pioniere in ihrer Heimat ablieferten, machten die spätere Massenauswanderung dorthin erst möglich.

Um 860 n. Chr., als Mitteleuropa bereits seit sieben Jahrzehnten unter wikingischen Überfällen zu leiden hatten, verschlug es ungefähr gleichzeitig, aber unabhängig ­von­ein­an­der den Norweger Naddoður und den Schweden Garðar auf die Vulkaninsel. Der Norweger gab dem unwirtlichen Land den Namen Snæland, „Schneeland“, und zog es vor, so schnell wie möglich wieder zurückzukehren. Sein schwedischer Kollege fand heraus, dass es sich bei dem Land um eine große Insel handelte, die er in bestem wikingischen Selbstbewusstsein nach sich selbst benannte: Garðarshólmur, „Insel des Garðar“. Er überwinterte an der Nordküste und ließ seinen Gefolgsmann Náttfari auf seinen Wunsch hin dort zurück; beide sind also, wenn man so will, die ersten wikingischen Siedler gewesen.

Offiziell wird das nicht so gesehen, da ihre Anwesenheit nicht von Dauer war. Gleiches gilt für den Norweger Flóki Vilgerðarson, der 865 nicht aus Zufall, sondern sich bewusst auf den Weg nach Island machte. Seine Auswanderungspläne scheiterten bereits nach dem ersten Jahr, da sein Vieh im Winter einging und er in die Heimat zurückkehren musste. Ihm jedoch war es vorbehalten, dem Land seinen heute noch gültigen Namen Ísland zu geben, „Eisland“.

Als erster Siedler des Landes wird in den Annalen der aus Westnorwegen stammende Ingólfur Arnarson geführt, der sich auf einer Erkundungsfahrt 872 die Verhältnisse auf der Vulkaninsel anschaute und 874 dann, zusammen mit seinem Bruder Leifur, Frauen, Gesinde und Vieh, endgültig auswanderte, ohne jemals wieder zurückzukehren. Der Sage nach ließ er den besten Platz für seine Niederlassung von den Göttern entscheiden: Er folgte seinem über Bord geworfenen Hochsitz-Pfosten, der in einer Bucht an Land gespült wurde. Diese benannte Arnarson nach den aufsteigenden Dampfsäulen Reykjavík, „Rauchbucht“. Wo sich heute die isländische Hauptstadt erstreckt, errichtete der Wikinger seinen Hof, wo seine Familie noch lange leben sollte. Mit Ingólfur Arnarsons erfolgreicher Ankunft war der Startschuss gefallen für eine stürmische Einwanderungswelle, in der Zehntausende Menschen die beschwerliche Reise über den Ozean wagten, um ein neues Leben zu beginnen.

Die Wikinger

Der BegriffWikinger wird unterschiedlich interpretiert. Am plausibelsten erscheint die Übersetzung, die sich vom altnordischen vik, Bucht, ableitet. Demnach waren Wikinger „Männer, die aus den Buchten kamen“, womit die norwegischen Fjorde gemeint sein können. Andere Sprachhistoriker halten das Wort vig, Schlacht, für den Namensgeber, wieder andere den Bezirk viken am Oslofjord. Das Wort kommt auf einigen Runensteinen des 11. Jh. vor, häufiger aber in Heldenliedern und isländischen Schriften des Mittelalters. Daneben taucht in den zeitgenössischen Quellen die lateinische Bezeichnung normanni, Normannen, auf.

Die Wikinger kamen aus Skandinavien, d.h. aus Schweden, Dänemark und Norwegen. Als ein bestimmtes nordisches Volk können sie nicht angesehen werden, d.h. der Begriff meint keine Nation. Er ist vielmehr eine Zusammenfassung gleich oder ähnlich sprechender nordgermanischer Stämme mit einer gleichen oder ähnlichen Kultur und Religion. Zu Beginn der Wikingerzeit hatten sich im Norden ab dem 6. Jh. mehrere Stämme gegenüber anderen durchgesetzt und erste Machtkonzentrationen wie Mittelschweden, Oslofjord, Ostseeinsel Gotland gebildet. Damit ging eine kulturelle Blüte einher, die sich in der Weiterentwicklung der Schiffsbau- und Waffenschmiedekunst wie in einem äußerst hochstehenden nordgermanischen Kunsthandwerk dokumentierte. Die skandinavischen Königreiche wurden auf Kosten einer Vielzahl widerstrebender Kleinkönigtümer oder Gaue gegründet, sodass es möglich ist, ab dem 9–11. Jh. von „Norwegern“, „Schweden“ oder „Dänen“ zu sprechen. Bis 1066, in dem die Epoche zu Ende geht, können die Nordleute durchaus noch unter dem Begriff Wikinger zusammengefasst werden.

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Das Wikingerschiff

Bereits aus der Bronzezeit (ab 1500 v.Chr.) sind in Skandinavien Felsritzungen überliefert, die das Schiff als magisch-religiöses Symbol zeigen. Die wichtigsten Entwicklungsschritte hin zum voll ausgebildeten Wikingerschiff wurden dann in den 400 Jahren vor der Epoche getan, ablesbar an Darstellungen auf den berühmten gotländischen Bildsteinen.

Die lange Erfahrung im Bootsbau spiegelt sich in der Konstruktion wider, die im Klinkerbau errichtet wurde. Die Planken der Bordwand überlappten einander, sodass sie leicht abgedichtet werden konnten. Die Reling war fast bis zur Wasserlinie herabgezogen und konnte bei widrigen Wetterverhältnissen durch die Rundschilde der Seekrieger erhöht werden. In den obersten Planken befanden sich die Löcher für die Riemen, denn in erster Linie wurde gerudert; d.h. das Segel hatte die Aufgabe, die Ruderer zu entlasten und ermöglichte bei günstiger Witterung Fahrten über das offene Meer. Der Klappmast konnte durch den Mastfisch umgelegt werden, einen herausnehmbaren Eichenblock auf dem Schiffsboden. Die Eleganz der Boote ergab sich u.a. durch die hoch hinaufgezogenen Vorder- und Hintersteven, die meist mit Spiralen oder Drachenköpfen verziert waren. Die maximale Länge des Kiels entsprach der natürlichen Länge des Bauholzes und ging wohl kaum über 30m hinaus.

Neben dem leichten Kriegs- oder Mannschaftsschiff mit geringem Tiefgang gab es das geräumige Handelsschiff, „Knorr“ genannt. Mit diesem konnte neben größeren Frachtwaren auch Vieh transportiert werden, womit sich das Knorr für Händler und Emigranten anbot. Eine etwa einwöchige Reise von Norwegen nach Island konnte bei idealem Wind in drei Tagen bewältigt werden. Zur Navigation dienten der Polarstern, die Sonne, die Meeresströmungen, die Vorkommen von Walpopulationen oder die Flugrichtung der Seevögel. Die Sagas berichten zudem von Instrumenten wie dem „Sonnenstein“, durch den der Sonnenstand auch bei bedecktem Himmel ermittelt werden konnte. Mit Sicherheit war das Leben an Bord der offenen Schiffe knochenhart. Als Proviant diente neben frisch gefangenem Fisch gepökeltes und geräuchertes Fleisch, Trockenfisch, lebende Schafe sowie Brot und Zwiebeln. Die Wikingerschiffe gehören nicht nur zu den schönsten Wasserfahrzeugen, die jemals gebaut wurden, sondern waren mit Sicherheit die besten und schnellsten ihrer Zeit. Selbst mehr als 500 Jahre später konnte Kolumbus nicht annähernd so schnell segeln wie die Wikinger. Ohne ihre Schiffe, denen sie häufig Kosenamen gaben und denen viele skaldische Gedichte gewidmet waren, hätten die Wikinger niemals die kulturgeschichtliche Bedeutung erlangt, die ihnen als Händler, Staatengründer, Forscher und Künstler zukommt.

Die nach den Wikingern benannte Ära begann schlagartig im Jahr 793 durch den brutalen Überfall auf das nordenglische Kloster Lindisfarne auf der Insel Holy Island, nördlich des heutigen Newcastle. Dort bemerkten die Mönche, die bis dahin abgeschieden und friedlich gelebt hatten, am Horizont die Segel einiger Schiffe, die sich mit ungeahnter Schnelligkeit näherten und direkt bis zum Uferrand fuhren. Heraus sprangen Männer, die auf das Kloster zustürmten, die Mönche erschlugen, die Kultgegenstände und das Vieh raubten und schließlich genauso schnell wieder verschwanden, wie sie gekommen waren.

Der geschilderte Vorfall galt im ganzen christlichen Abendland als Zeichen dafür, dass da im Norden eine „unbekannte, heidnische Rasse“ zu einer Bedrohung für die zivilisierte Welt herangewachsen war. Die Wikinger bedrohten nicht nur die Küsten der Nord- und Ostsee, später der Irischen See, Frankreichs, Spaniens und sogar des Mittelmeeres, sondern fuhren auch über Flüsse wie Rhein, Maas, Seine, Schelde und Loire weit ins Landesinnere hinein. So wurden Derby, Nottingham, London, Lincoln und York im Jahr 835 heimgesucht, 840 Novgorod und Kiew, 843 Nantes, 844 Lissabon und Sevilla, 845 Hamburg, Aachen, Köln und Paris, 856 Tours, 860 Pisa, Luna und Konstantinopel, 862 schließlich Nektor in Marokko und das Gebiet der Camargue … Wohin sie auch kamen, überall verbreiteten die Wikinger einen solchen Terror in den europäischen Ländern, dass sie geradezu als Vorboten des kommenden Weltunterganges gesehen wurden.

Insgesamt umfasst die Wikingerzeit gut 250 Jahre. Am Ende der Epoche waren die skandinavischen Länder zu Königreichen und z.T. zu europäischen Großmächten ­her­an­ge­wachsen. 1066 unterlag der Norweger Harald Hardråde, „der Gestrenge“ und der letzte große Wikinger-Seekönig, der im östlichen Mittelmeer Ruhm und Reichtum erworben hatte und nun England seinem Imperium einverleiben wollte, bei Stamford Bridge in Yorkshire dem Angelsachsen Harold, der selbst nur wenig später gegen William dem Eroberer bei Hastings sein Reich und Leben verlor.

Gründe für die wikingische Expansion

Warum Ende des 8. Jh. die Wikinger zunächst ihre Raubzüge, dann ihre Handels- und Forschungsfahrten und schließlich ihre Staatengründungen über die Meere begannen, ist noch strittig. Ein Punkt ist die technische Voraussetzung für Schiffe, Waffen und Nautik, ohne die die Nordleute gar nicht in der Lage gewesen wären, sich so schnell und nachhaltig auf die weltpolitische Landkarte zu katapultieren. Auch das nordgermanische Erbrecht wird eine Rolle gespielt haben. Das sog. Anerbenrecht sorgte dafür, dass der älteste Sohn den Hof übernahm, sodass den anderen Jungen nur das Meer als Alternative blieb.

In der Anfangsphase stießen die wikingischen Beutezüge auf keinen nennenswerten Widerstand: Niemand hatte auch nur annähernd so gute Schiffe, um die Angreifer zur See bekämpfen zu können. Die politische Schwäche z.B. des Frankenreichs nach Karl dem Großen ist ebenfalls für das explosionsartige Auftauchen der Seekrieger in Mitteleuropa verantwortlich.Auch die Aussicht auf lukrativen Handel war sicher motivierend. Einen weiteren Grund stellen die politischen Verhältnisse in der nordischen Heimat dar. Dadurch, dass sich die kleinen Stammesfürstentümer in der Wikingerzeit zu staatenähnlichen Gebilden zu entwickeln begannen, gab es jede Menge Unterlegene im Kampf um die Macht. Ein ehemaliger Kleinkönig wird wohl lieber auf Eroberungsfahrt gegangen sein, als sich einem heimischen Großkönig zu beugen und Steuern zu zahlen. Vor allem die Besiedlung Islands geht auf so einen Vorfall zurück (s. S. 19). Schließlich dürften auch charakterliche Eigenschaften wie Abenteuerlust, Risikobereitschaft und Heldentum für die wikingische Expansion eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben.

Entdeckten die Wikinger Amerika?

Natürlich wurde Amerika nicht von den Wikingern „entdeckt“. Doch wer nach den Indianern als nächster die Neue Welt erreichte, z.B. Ägypter, Phönizier, Römer oder Kelten, darüber wird spekuliert. Diese Theorien können – jedenfalls bislang – nicht eindeutig bewiesen werden. Anders verhält es sich mit den Wikingern.

Standbild von Leifur Eriksson in Reykjavík

Schon um 982 war dem aus Norwegen und Island verbannte Erik der Rote ein weiter Schritt in Richtung Westen gelungen. Er entdeckte Grönland, das er „grünes Land“ taufte, um weitere auswanderungswillige Wikinger dorthin zu locken. Er ließ sich dort nieder. Schon 14 Jahre vorher war von dem Isländer Bjarni Herjolfsson ein bewaldetes Land westlich von Grönland gesichtet worden, wahrscheinlich Südlabrador. Um 1001 brach der Sohn Eriks des Roten, Leif Eriksson (isl.: Leifur Eiríksson) mit 35 Mann auf, um dieses Land zu suchen – aus Abenteuerlust, wahrscheinlicher aber wegen des Holzmangels in Grönland. Sie segelten in Nordamerika an drei Landschaften vorbei, die sie helluland (Steinland), markland (Waldland) und vínland (wohl Wiesen- und Weideland) nannten. Bei L’Anse aux Meadows in Neufundland ist zweifelsfrei eine wikingische Siedlung nachgewiesen worden.

In der Vínland-Saga und Grönland-Saga wurden die Forschungs- und Emigrationsfahrten in die Länder westlich von Island bereits detailgetreu aufgezeichnet. Obwohl um 1012 die Überlieferung der Vinland-Fahrten aufhört, kann angenommen werden, dass noch lange Zeit Isländer und Grönländer Amerika aufsuchten – nicht um dort zu siedeln, sondern um sich das lebenswichtige Bauholz zu holen. Noch 1347 ist von solch einer Fahrt die Rede.

Weitere Leistungen der Wikinger

Die Entdeckung und Besiedlung des nordatlantischen Raumes bis hin zur kanadischen Küste zeigt, zu welchen weittragenden und auch friedlichen Leistungen die Skandinavier in der Lage waren. Dazu gehört die Errichtung eines weitreichenden Handelsnetzes, das später die Hanse erben konnte. Vor allem im osteuropäischen Raum sind enorme Taten vollbracht worden. Die Versorgung der mitteleuropäischen Länder mit arabischen Luxusgütern stellten die Wikinger sicher, denen – etwa in Konstan­tinopel und Bagdad, aber auch auf den skandinavischen Märkten – die Araber Sklaven, Felle und Bernstein im Tausch gegen Silber, Gewürze, Schmuck und anderen Waren förmlich aus der Hand rissen. In Skandinavien hat man rund 60.000 arabische Silbermünzen aus jener Zeit finden können. Die üppig sprudelnde Quelle der Handelsschiene Skandinavien – Russland – Arabien/Indien versiegte mit dem Einsetzen der Kreuzzüge.

Neben ihrer Aktivität als Piraten, Entdecker und Händler waren die Wikinger erfolgreiche Staatengründer. In ihrer eigenen Heimat schufen sie durch die Vereinigung vieler kleinerer Häuptlingstümer die skandinavischen Königreiche Norwegen, Dänemark und Schweden. Außerhalb der Heimat konnten die Norweger nordatlantische Inseln wie die Orkneys, Färöern, Hebriden und Shetlands sowie Island (und von dort aus Grönland und Vínland) besiedeln und für lange Zeit bzw. bis heute zu skandinavisch geprägten Gemeinwesen machen. Auch in Schottland, Irland und auf der Isle of Man waren Norweger kolonisatorisch tätig, allerdings in starker Konkurrenz zu den Dänen. Diesen gelang immerhin die zweimalige Eroberung des mächtigen England, wo sie das Danelagen, das „unter dänischem Gesetz stehend“ genannte Gebiet, zu einem lange funktionierenden Teil ihres Königreiches machten. Die englische Sprache und das englische Recht kennen zahllose Einflüsse aus dieser Zeit.

Bedeutend war auch der Beitrag, den die Wikinger als Künstler und Kulturträger leisteten. Man denke nur an den Schiffsbau, die Goldschmiedekunst, die Steinmalerei, das Waffenhandwerk und die Schnitzkunst, die später z.B. an den norwegischen Stabkirchen weiterlebte. Nicht zu vergessen ist, dass die hochstehende Literatur, die Norwegen und vor allem Island hervorbrachte, inhaltlich auf die Wikingerzeit zurückgeht (s. S. 66).

Die Religion der Wikinger

Länger als in anderen Teilen der germanischen Welt hielt sich im Norden der Glaube an Odin, Thor und Freyr. Auch nach der Taufe trugen viele als Amulett den Thorshammer und das Kreuz gleichzeitig. Ein Beispiel dafür ist Island:

Nachdem nach den ersten Siedlern um Ingólfur Arnarson immer mehr Einwanderer von den schon christlichen britischen Inseln nach Island kamen, wurde im Jahr 1000 im Althing, dem Inselparlament, die Frage der Religionszugehörigkeit beschlossen. Danach befürwortete eine Mehrheit die Annahme des Christentums. Ein politischer Akt also, in freier Entscheidung und ohne Zwang von außen durchgeführt. Die christliche Kirche blieb noch lange von heidnischen Strukturen durchsetzt.

Die Wikingerzeit wie Teile ihrer alten Mythologie sind auf Island bis heute im Bewusstsein der Menschen verankert. Die Namen der Wochentage, Orts- und Flurbezeichnungen (z.B. der Goðafoss), Firmenembleme und die Werbung nehmen immer wieder Bezug auf die heidnische Vergangenheit. Island ist zudem das einzige Land, in dem es immer noch Anhänger der alten nordgermanischen Religion gibt, die sogar staatlich anerkannt sind (s. S. 95).

Die historische Schlucht von Þingvellir

Besiedlung und Bauernrepublik

Die Geschehnisse auf Island sind von der politischen Großwetterlage in der Wikingerzeit nicht zu trennen. Hier ist besonders Norwegen gemeint, das sich im 9. Jh. auf dem Weg zur staatlichen Einheit befand. Die erste „Reichssammlung“ erfolgte unter Harald I. (ca. 860–930), der den Beinamen „Schönhaar“, hårfagre, trug. Im Hafrsfjord südlich von Stavanger hatte er 872 die Widerstand leistenden Kleinfürsten besiegt und sich zum alleinigen König von Norwegen aufgeschwungen. Für zahlreiche bis dahin freier Wikinger, die als Großbauern, Kleinkönige oder Gauhäuptlinge nahezu unumschränkte Macht genossen hatten, bedeutete dies eine enorme Umstellung. All jene wurden zur Auswanderung veranlasst, die sich nicht unterordnen wollten. Die Zahl der Immigranten war nach zögerlichem Beginn enorm: Um 930, als fast alles brauchbare Land vergeben war und der Strom der Siedler spürbar nachließ, lebten bereits etwa 30.000 bis 40.000 Menschen auf Island. Fast ein Drittel der gesamten Insel-Nutzfläche geriet anfangs in die Hände von vier Großgrundbesitzern, darunter auch Ingólfur Arnarson mit seiner Sippe.

Bis 930 wurde Island durch eine steigende Zahl autarker Höfe geprägt, denen freie Bauern vorstanden. Viele davon hatten aus der Heimat das Amt des Tempelbesitzers, goði, mitgebracht, das man auf der Insel zusehends weltlich umdeutete. Die Goden wurden zu Häuptlingen. Um ein für allemal verbindliche Regeln für das Zusammenleben der Bauern zu schaffen, richtet man im Jahr 930 in Þingvellir das Althing ein (s. S. 178), eine Art Inselparlament, in dem die Vertreter der lokalen Thinge Sitz und Stimme hatten. Damit hatte sich Island als Freistaat oder Bauernrepublik selbst konstituiert, dessen oft beschworene „Demokratie“ jedoch nichts mit unserer Vorstellung von „Volksherrschaft“ zu tun hat. Durch den Ausschluss von Frauen, Gesinde und unfreien Bauern war die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung nicht repräsentiert. Das Althing trägt den Ruf, das älteste funktionierende Parlament der Welt zu sein. Recht zu sprechen und Recht durchzusetzen sind jedoch zweierlei. An der Exekutive mangelte es dem Freistaat. Dieses Defizit führte später zu einer langen Reihe von Sippenfehden und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, in letzter Konsequenz dann zum Verlust der staatlichen Unabhängigkeit.

Seit 965 war laut Beschluss des Althings der Freistaat in vier Bezirke eingeteilt, die jeweils drei bzw. vier lokale Thinge hatten. In jedem gab es jeweils drei Tempel, die wiederum jeweils dem Privatbesitz eines Goden angehörten. Jeder Isländer musste sich einem der Goden und dessen Gemeinde anschließen und später auch mit Abgaben unterstützen. Für die Frühzeit der isländischen Geschichte wurde damit die Institution des Godenamtes, goðorð, zum entscheidenden Faktor für alle wichtigen religiösen, kulturellen und politischen Angelegenheiten.

Religiöse Folgen hatte es, wenn ein Gode zum Christentum übertrat, denn dies bedeutete meistens den geschlossenen Übertritt der gesamten Gemeinde. Trotz aller Eigenständigkeit erkannten die isländischen Goden-Priester die Oberhoheit des Bremer Erzbischofs an, dem alle skandinavischen Gemeinden unterstanden. Er weihte im Jahr 1056 mit Ísleifur Gíssurarson auch den ersten isländischen Bischof, dessen heimatlicher Hof von Skálholt sich damit zum Bischofssitz wandelte. 1106 wurde in Hólar ein zweiter isländischer Bischofssitz eingerichtet (s. S. 186).

Durch ihre Ländereien und ihren Anteil vom „Zehnten“ konnten die Goden Reichtümer anhäufen, mit denen sie das rege kulturelle Leben finanzierten, das sich an ihren Höfen entfaltete. Beispiel dafür war der Hof Oddi in Südwestisland, auf dem die wichtigsten Gelehrten, Dichter und Historiker des Freistaats zu Hause waren, darunter auch Snorri Sturluson (1178–1241), Islands überragende Gestalt des Mittelalters (s. S. 324).

Politisch waren die Goden als Häuptlinge und Anführer ihrer Gemeinde bedeutsam, indem sie deren Interessen auf den lokalen Thingen und dem Althing durchzusetzen wussten. Dadurch wurde das Konkurrenzverhältnis zwischen den einzelnen Goden verstärkt, unterstützt durch die Möglichkeit, das Godenamt auch käuflich zu erwerben. Einige der ehrgeizigen und machtbesessenen Sippen schoben sich nach einer relativ friedlichen Periode im 12. und 13. Jh. in den Vordergrund. Aus dem anfänglichen Miteinander wurde ein Gegeneinander. Dies bedeutete das Ende der Endzeit der unabhängigen Bauernrepublik, eine Epoche, die durch ununterbrochene Kämpfe der mächtigen Geschlechter gekennzeichnet ist. Das mächtigste und bekannteste war das der Sturlunger, zu dem auch Snorri Sturluson gehörte.

Während die Goden durch Ämterverkauf und Parteinahme ihre eigene Stellung untergruben und die Basis des Freistaats zerstörten, profitierten zwei miteinander verbündete Kräfte davon: die Kirche und das norwegische Königreich. 1238 wurden die beiden vakanten isländischen Bischofssitze mit Norwegern besetzt, und schließlich mussten die Goden ihre einzigartigen Privilegien abgeben. Gleichzeitig fand Norwegen in Håkon IV. Håkonsson (1217–1263) einen aktiven und machthungrigen Herrscher. Als geschickter und skrupelloser Taktiker verstand er es, die einzelnen isländischen Mächtigen gegeneinander auszuspielen. Während sein Königreich eine mittelalterliche Blütezeit erlebte und sich als europäische Großmacht etablierte, musste sich die ­Bauern­republik der Übermacht beugen. 1262–1264 unterwarf sich jeder der vier Bezirke der Insel, zuerst der Nord- und Westteil, dann der Süden und zum Schluss der Osten. Durch den „Alten Vertrag“, gamli sáttmáli wurde die Personalunion zwischen Norwegen und Island besiegelt. Das starke norwegische Königshaus, 400 Jahre zuvor noch der Auswanderungsgrund vieler Siedler, hatte seine ehemaligen Landeskinder eingeholt.

Das Mittelalter – nach dem Aufstieg der Fall

In den ersten Jahren der norwegischen Herrschaft verändert sich in Island nichts grundlegend. Der Fall in die Bedeutungslosigkeit hatte andere Gründe.

Die Fischerei, besonders Trockenfisch, konnte den wirtschaftlichen Niedergang kurzzeitig ­aufhalten

Seit der Landnahme fußte die isländische Zivilisation auf dem Bauerntum. Doch die Bäume, die für den Schiffs- und Wohnungsbau gefällt wurden, wuchsen längst nicht so schnell nach wie in Skandinavien, zudem wurden die jungen Triebe durch Viehverbiss vernichtet, Erosion setzte ein. Abholzung und Weidewirtschaft führten dazu, dass die nutzbare Fläche immer kleiner wurde und Island zunehmend auf Importe, vor allem von Holz, angewiesen war. Dazu trat ab etwa 1400 mit der „kleinen Eiszeit“ eine klimatische Verschlechterung ein, die bis zum 18. Jh. andauern sollte. Verschneite Winter, Treibeis vor den Küsten, kalte Sommer und Missernten traf die traditionelle Lebensgrundlage des Landes empfindlich.

Hungersnöte gehörten bald schon zum unvermeidlichen Alltag in der Winterzeit. Zur sich ausbreitenden Armut gesellten sich Epidemien wie die Pocken, die 1347 viele Todesopfer forderten. Verschärft wurde die Situation durch Vulkanausbrüche und Erdbeben, die häufiger und schlimmer als in der Landnahmezeit auftraten und der Landwirtschaft großen Schaden zufügten. Allein die Hekla brach im 14. Jh. dreimal aus und brachte Tod und Vernichtung den in ihrer Nähe befindlichen Höfen.

Der wirtschaftliche Niedergang konnte zu Beginn der norwegischen Herrschaft noch aufgefangen werden, indem sich mittellos gewordene Bauern und Kleinpächter der Fischerei zuwandten. Durch den Städtebund der Hanse wurde der Aufkauf und Vertrieb besonders von Trockenfisch forciert, der damals in ganz Europa eine begehrte Fastenspeise war. Mit dem zunehmenden Schiffsverkehr wurde aber auch die Verbreitung von Seuchen gefördert. Über den Hafen von Bergen kam 1349 die Pest nach Norwegen und raffte dort einen großen Teil der Bevölkerung dahin. Ganze Landstriche wurden dermaßen entvölkert, dass die Wirtschaft kollabierte und das feudalistische System schließlich zusammenbrach. Auch in Island wütete der Schwarze Tod und die norwegische Misere führte dazu, dass der Schiffsverkehr nicht mehr aufrechterhalten werden konnte und die Insel isoliert und von Importen abgeschnitten war.

Als 1380 König Håkon VI. starb, war das vor über hundert Jahren zur Großmacht aufgestiegene norwegische Reich ausgeblutet. Da er keinen männlichen Erben hinterließ, wurde das Land, ebenso wie Island, von Dänemark übernommen. 1905 gewann Norwegen seine Selbstständigkeit zurück. In Island dauerte der Zustand der Fremdherrschaft noch 39 Jahre länger an.

Das wirtschaftliche und soziale Leben auf der Insel war zu Beginn der dänischen Zeit katastrophal. Der Fischfang, die einzige Erwerbsquelle in diesen Jahren, musste mit offenen Ruderbooten ausgeführt werden. Schließlich grassierte, schlimmer noch als im 14.Jh., die Pest auf Island, die 1402–1404 zwei Drittel der Bevölkerung hinwegraffte. Der dänische Krone war daran gelegen, auch noch die letzten beiden Aktivposten, die den Isländern geblieben waren, aus machtpolitischen Gründen zu untergraben: die Fischerei und die wenigen Kirchengüter, die Gewinn abwarfen. Handelsbeziehungen mit Ausländern wurden von den Dänen ab 1490 durch eine Verordnung, Þíningsdómur, gekappt, indem man sie durch Aufenthaltsverbote und Zölle abschreckte und arme Isländer zur Landwirtschaft zwang.

50 Jahre danach intervenierte das inzwischen protestantisch gewordene Königreich auch in Glaubensdingen und verordnete die Reformation. Dies ging bei den traditionell katholischen Isländern nicht ohne Druck. Erst 1551 konnte die neue Konfession völlig durchgesetzt werden, nachdem man Jón Arason, den Bischof von Hólar und entschiedensten Gegner der Reformation, zusammen mit zwei Söhnen und einigen Gefolgsleuten enthauptete. Vorher war es Arason noch gelungen, gegen die Dänen einen Feldzug nach Südisland durchzuführen und auf Viðey, einem Inselchen bei Reykjavík, das geplünderte Kloster wiederherzustellen sowie Verteidigungsanlagen zu dessen Schutz bauen zu lassen.

Die Neuzeit – 300 Jahre des Leidens

Die lange Reihe der politischen und Naturkatastrophen, die das ausgehende Mittelalter geprägt hatte, sollte sich nach der Reformation in den nächsten 300 Jahren sogar noch verschlechtern. Dänemark wollte nach den Erfahrung des 15./16. Jh. den Islandhandel mit keiner anderen Macht mehr teilen, sondern völlig in eigener Regie durchführen; selbst um den Preis der völligen Verelendung der Isländer. Seit 1602 (und bis 1787) lag das alleinige Handelsmonopol bei dänischen Gesellschaften in Malmö, Helsingør und Kopenhagen. Dadurch wurde die Handelstätigkeit insgesamt stark eingeschränkt, andererseits blühte der Schwarzhandel.

Damit die Insulaner das Monopol nicht selbst unterlaufen konnten, verbot man ihnen 1621 gar die Seefahrt mit größeren Booten. Die dänischen Gesellschaften konnten die Fischpreise nach Belieben diktieren und für lächerliche Summen einkaufen, andererseits aber als Importware teure und minderwertige Produkte liefern. Auf dem Land waren längst schon die größten Areale (etwa 50 % der Nutzfläche) an die Krone gefallen, die durch einen Landvogt vertreten wurde, der Rest an einige wenige Großgrundbesitzer. Die große Masse versank in größter Armut – aus der Insel der freien Bauern war eine der Hungerleider, Besitzlosen und Schwindsüchtigen geworden. Hier gibt Halldór Laxness‘ „Islandglocke“ eine packende und realistische Schilderung der isländischen Drangsal. Zu allem Übel kamen wieder Klimaverschlechterungen, harte Winter und Naturkatastrophen: 1618, 1619, 1625, 1636, 1660 und 1693 hatten Vulkanausbrüche und/oder Erdbeben verheerende Folgen. Und, als wäre die Insel noch nicht genug gestraft, suchten zu Anfang des 17. Jh. verstärkt fremdländische Seeräuber die Südküste heim, um die Bevölkerung als Sklaven nach Nordafrika zu verschleppen. Am bekanntesten wurde der Überfall der „Türken“ im Jahr 1627, der die Westmännerinseln betraf (s. S. 400). Es ist schon ein kleines Wunder, dass das Volk in diesen Zeiten überlebte und seine Identität und Sprache bewahrte.

Eine Reihe von Naturkatastrophen, Hungersnöten und Seuchen führte die Insel dem absoluten Tiefpunkt zu. Eine Volkszählung im Jahr 1703, weltweit die erste statistische Erhebung dieser Art, hatte ergeben, dass die Bevölkerung von 80.000 auf 35.000 Menschen gesunken war. Jeder fünfte lebte unterhalb des Existenzminimums, 44 % aller Höfe waren aufgegeben worden. Im weiteren Verlauf des Jahrhunderts sollte es keine Erholung geben, sondern erneut schlimme Vulkanausbrüche und Erdbeben, häufig verbunden mit Gletscherläufen. Naturgemäß zogen die jeweiligen Ernteausfälle Hungersnöte nach sich. Der Ausbruch der Laki-Spalte, 1783/84, die wohl größte Naturkatastrophe auf der Insel, führte mit der Langzeitwirkung von Giftgasen dazu, dass die inzwischen wieder angestiegene Zahl der Bevölkerung auf der Insel um knapp ein Viertel (von 48.884 auf 38.363) dezimiert wurde. Außerdem fielen 50 % der Rinder, 76 % der Pferde und 79 % der Schafe der Eruption zum Opfer. Eine nachfolgende Pockenepidemie brachte das Volk an den Rand der Auslöschung. Daraufhin dachte man in Kopenhagen ernsthaft daran, Island aufzugeben und die Überlebenden zur Urbarmachung der Heide nach Jütland zu evakuieren.

Islands einzigartige Natur vernichtete im 17. und 18. Jh. beinahe die Lebensgrundlage seiner Bewohner

Immerhin hatte die Laki-Katastrophe zur Folge, dass sich die Blicke der Kolonialmacht auf ihre arme Provinz richteten. Selbst im fernen Kopenhagen merkte man, dass es so mit dem nordatlantischen Vorposten nicht weitergehen konnte. Eine erste Lockerung der strengen Handelsbestimmungen erfolgte wenige Monate nach dem Abflauen der vulkanischen Tätigkeit. Doch musste Island noch einige Dekaden warten, bis eine Besserung der sozialen Lage spürbar wurde. Denn mit den Napoleonischen Kriegen hatten Europa (und Dänemark) andere politische Prioritäten.

Politisch und administrativ war ihnen durch die Auflösung desAlthing im Jahr 1800 zudem eine schmerzhafte Beschneidung ihrer nationalen Identität beigebracht worden. Indem die Dänen damals in einer Verwaltungsreform den Obersten Gerichtshof im 300-Seelen-Ort Reykjavík ansiedelten, leiteten sie andererseits aber den Aufschwung der Siedlung zur Hauptstadt unserer Tage ein.

Äußere Kräfte leiteten zu Beginn des 19. Jh. eine wirtschaftliche Erholung und das Erwachen eines Nationalbewusstseins ein. Das dänische Königreich war die verhängnisvolle Waffenbrüderschaft mit Frankreich eingegangen und stand am Ende der napoleonischen Ära als Verlierer da. Es musste seine große Provinz Norwegen 1814 an die Siegermacht Schweden abtreten (nach einer sechsmonatigen Unabhängigkeit Norwegens). Island, Grönland und die Färöern verblieben zwar unter der Kopenhagener Administration, doch fand nun der Ruf nach Selbständigkeit immer häufiger seinen Weg auch in den Nordatlantik. In Jón Sigurðsson (1811–1879), ihrem bis heute verehrten Nationalhelden, besaßen die Isländer eine überragende Gestalt, die ihrer politischen Emanzipation Ausdruck verlieh und die Forderung nach Loslösung von Dänemark stellte.

Passend zur Stimmungslage verfasste der nationalromantische Poet Bjarni Þorarensen Gedichte, die die glorreiche Sagazeit zum Thema hatten und schrieb das noch heute populäre Nationallied Eldgamla Ísafold. Ein erster Erfolg war 1843 mit der Wiedereinsetzung des Althing erreicht, das allerdings noch keine gesetzgebende Gewalt bekam. Die soziale Situation verbesserte sich dadurch, dass 1854 der Handel komplett freigegeben wurde. Doch ging der Wandel vielen Landeskindern nicht schnell genug. Zwischen 1855 und 1890 wanderten rund 12.000 Menschen in die USA und nach Kanada aus.

1874, anlässlich der 1.000-Jahr-Feier der Besiedlung, empfing die Insel König ChristianIX. als Gast, der ihr die lang ersehnte neue Verfassung mitbrachte. Darin wurde dem Althing wieder seine alte, legislative Funktion zugebilligt, daneben konnten die Isländer nun über ihre Finanzen und Rechtsprechung selbst bestimmen.

Das 20. und 21. Jahrhundert

Der Weg zur Unabhängigkeit

Erst nachdem im Königreich Dänemark 1901 eine liberale Regierung ans Ruder gekommen war, erhielt Island echte Selbstverwaltung. 1904 konnte Island als autonomer Landesteil etabliert werden. Die Nation gestaltete ihren neuen Status wie der Freistaat geendet hatte: mit Parteiengezänk. Folgenschwer war die Entscheidung des Althing im Jahr 1909 die Prohibition durchzusetzen, die erst 1989 völlig beendet wurde.

Während einige Zeitgenossen diesen Schritt schon damals kritisierten, stieß die Gründung der Universität von Reykjavík im Jahr 1911 auf allgemeine Zustimmung. Am Ende des Ersten Weltkriegs regte die dänische Regierung einen zunächst auf 25 Jahre befristeten Vertrag an, der die staatliche Unabhängigkeit vorsah. In einer Volksabstimmung wurde mit über 12.000 Ja-Stimmen der Vorschlag angenommen, nur 897 Stimmberechtigte waren dagegen. Die 1918 zur Realität gewordene Souveränität machte das Land zum ersten Mal seit dem Mittelalter in allen Belangen unabhängig, einschließlich eigener Landesflagge.

Das letzte Kappen der Stränge zu Dänemark resultierte aus der Geschichte des Zweiten Weltkriegs. Deutschland hatte 1940 Dänemark (und Norwegen) besetzt, womit die Verbindung abgerissen war. Im Gegenzug wurde die strategisch wichtige Insel – die ja nahe der Seerouten zwischen Europa und Nordamerika und den ­sowje­tischen Häfen am Weißen Meer lag – am 10. Mai 1940 von britischen Truppen besetzt. Der weltpolitischen Situation Rechnung tragend erklärte das Althing, dass „nach Lage der Dinge Island berechtigt ist, die Union mit Dänemark aufzuheben, da es gezwungen war, all seine Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen“. Fast gleichzeitig übernahmen die USA den Schutz der Insel von den Briten.

Obwohl sich keine Kriegshandlungen auf Island abspielten, war die Anwesenheit der alliierten Streitkräfte doch von allergrößter Bedeutung – sowohl in sozialer und politischer, als auch in infrastruktureller und kultureller Hinsicht. Niemals zuvor war das bis dahin rein bäuerliche Volk mit einer solchen Zahl von Ausländern konfrontiert worden. Die Soldaten machten zeitweilig ein Drittel der Bevölkerung aus. Niemals zuvor kam man so schnell in den Genuss bisher unbekannter Waren, niemals zuvor ist soviel gebaut worden (Straßen, Häuser, Flugplatz Keflavík etc.). Island war eines der wenigen Völker in Europa, das vom Krieg profitieren konnte: Die Fischexporte stiegen sprunghaft an und die Bezahlung in Dollar machte Importe in bisher nicht gekanntem Umfang möglich; zum ersten Mal zog ein Hauch von Wohlstand auf die Insel.

In einer 1944 abgehaltenen Volksabstimmung sprachen sich 95 % der Landeskinder für die Republik auf demokratischer Grundlage aus und stimmten dafür, die Union mit Dänemark endgültig zu beenden. Die Ausrufung der unabhängigen Republik Island fand am 17. Juni 1944, dem Geburtstag des Freiheitshelden Jón Sigurðsson, am historischen Platz in Þingvellir statt. Damit hatte das Land – 682 Jahre nach Auflösung des Freistaats – wieder in die Gemeinschaft der souveränen Staaten zurückgefunden. Es folgte der Eintritt in alle möglichen Organisationen; u.a. wurde Island 1945 der Weltbank angeschlossen, 1946 in die UNO aufgenommen, 1947 Mitglied der OECD, 1949 der NATO. Im Rahmen eines bilateralen Verteidigungsabkommens von 1951 hatten die Amerikaner bis 2006 einen Militärstützpunkt auf der Insel. Seit Juli 2010 ist Island, hauptsächlich infolge der Finanzkrise 2008/ 2009, EU-Beitrittskandidat.

Am 17. Juni wird alljährlich der Tag der Ausrufung der unabhängigen Republik Island gefeiert

Die Zeit des modernen Island beginnt mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie war und ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Strukturwandel, in dem die Insel innerhalb kürzester Zeit den Sprung vom Armenhaus Europas zu einem Land mit einem der höchsten Lebensstandards in der Welt schaffte. Ein ganzes Bauern- und Fischervolk, das zu 90% auf dem Land lebte, zog in die Städte bzw. nach Reykjavík, stürzte sich in einen Kaufrausch und war wenig später flächendeckend mit Fernsehern, Autos, Eigenheimen, Schwimmbädern, Einkaufszentren, PCs und Handys ausgestattet. Dies ging nicht ohne einen gewissen Kulturschock vonstatten, den das Land immer noch zu verarbeiten hat.

Parteien und Regierung

Die gesetzgebende Gewalt liegt beim Althing, das seit 1991 nur eine Kammer besitzt. Es hat derzeit 63 Abgeordnete, die in sechs Wahlkreisen für jeweils 4 Jahre gewählt werden. Die Wahlbeteiligung lag in der Vergangenheit stets bei deutlich über 80 %.

Die 1929 gegründete Unabhängigkeitspartei, Sjálfstæðisflokku, ist die nach Mitgliederzahlen größte Partei des Landes und steht dem EU-Beitritt ablehnend gegenüber. Die Bürgerbewegung, Borgarahreyfingin, ist die jüngste politische Partei Islands. Sie gründete sich 2009 als Reaktion auf die Finanzkrise und schaffte auf Anhieb mit 7,2% und 4 Mandaten den Sprung ins Parlament.

2007 kam es zu einer großen Koalition unter Premierminister Geir Hilmar Haarde (Unabhängigkeitspartei). Diese Regierung hatte das Pech, Ende 2008 mit der globalen Finanzkrise in die größten Turbulenzen der Nachkriegszeit zu geraten, die schnell auch eine Regierungskrise nach sich zog. Nach fast täglichen Protesten musste Geir Haarde im Januar 2009 seinen Rücktritt bekannt geben.

Die Allianz, Samfylkingin, entstand 1999 durch den Zusammenschluss mehrerer linksorientierter Vorgängerparteien. Die vorgezogenen Neuwahlen brachten 2009 erstmals seit 1944 eine absolute Mehrheit für die linken Parteien. Die Allianz führte eine linke Minderheitsregierung gemeinsam mit der ebenfalls 1999 gegründeten Links-Grünen Bewegung, Vinstrihreyfing-Grænt framboð, unter Duldung durch die linksliberale Fortschrittspartei, Framsóknarflokkur. Zusammen mit der Links-Grünen Bewegung erreichte die Allianz 51,5% der Stimmen und bildete unter Jóhanna Sigurðardóttir eine neue Regierung.

Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise konnten von der Regierung jedoch nur unzureichend bekämpft werden, sodass die linken Parteien bei den Parlamentswahlen 2013 teils erdrutschartige Stimmenverluste erlitten. Die Folge war die Bildung einer neuen Regierungskoalition der Unabhängigkeitspartei mit der Fortschrittspartei, deren Führer Sigmundur Davíð Gunnlaugsson isländischer Ministerpräsident wurde.

Eine andere Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise war der Vertrauensverlust der Isländer in die Politik, der sich u.a. durch sinkende Wahlbeteiligung bemerkbar machte. Und auch durch Kuriositäten, wie dem Sieg der neu gegründete Spaß-Partei „Beste Partei“ („Besti flokkurinn“), in der viele Künstler und andere prominente Isländer mitarbeiten, bei den Kommunalwahlen 2010. Frontmann der Partei ist der TV-Komiker Jón Gnarr, der im Wahlkampf u.a. kostenlose Handtücher an allen heißen Quellen versprochen hatte. Von 2010 bis 2014 füllte Gnarr die Rolle des Oberbürgermeister von Reykjavík recht unkonventionell, aber trotzdem erfolgreich aus.

Während der Ministerpräsident mit seinem Kabinett für die Gestaltung der praktischen Politik verantwortlich ist, dient das Amt des Staatspräsidenten hauptsächlich repräsentativen Zwecken. Zzt. bekleidet dieses Amt Ólafur Ragnar Grímsson, der 2012 zum fünften Mal in das höchste Amt der Republik gewählt wurde.

Zeittafel

8. Jh. n. Chr.

Im Südosten des Landes und auf den Westmänner-Inseln leben irische Mönche als Eremiten.

ab 860

Vom Kurs abgekommene norwegische und schwedische Seefahrer sichten die isländische Küste; z.T. überwintern sie auf der Insel.

874

Der Norweger Ingólfur Arnarson lässt sich als erster dauerhaft nieder. Es beginnt die Zeit der Landnahme (bis 930), in der norwegische ­Wikin­ger Island besiedeln.

930

Gründung des Althings.

930–1030

Saga-Zeit.

982

Erik der Rote entdeckt Grönland.

um 1000

Annahme des Christentums; Leif Eriksson entdeckt Amerika.

1056

Weihung des ersten isländischen Bischofs, Isleifur Gíssurarson.

1117

Erste Aufzeichnung von Gesetzen, Beginn der isländischen Literatur.

1178–1241

Snorri Sturluson; Islands größter Gelehrter des Mittelalters.

1262–1264

Verlust der Unabhängigkeit an Norwegen.

1380

In Personalunion mit Norwegen wird Island dänischer Landesteil und Mitglied der dänisch beeinflussten Kalmarer Union.

1402–1404

Pest: zwei Drittel der Bevölkerung sterben.

1540–1551

Von Dänemark wird die Reformation verordnet und durchgesetzt.

1584

Bibelübersetzung des Bischofs Guðbrandur Þorláksson.

1602–1787

Dänische Gesellschaften errichten ein Handelsmonopol; die Isländer verelenden.

1621

Repressalien der Dänen:Verbot des Fischfangs mit größeren Booten.

1663–1730

Árni Magnússon; isländischer Gelehrter, der sich von Kopenhagen aus um die Erforschung der Literatur bemüht.

1800

Die Dänen lösen das Althing ihrer Kolonie auf.

1843

Wiedereinsetzung des Althings.

1854

Vollständige Freigabe des Handels.

1874

Anlässlich der 1.000-Jahr-Feier der Besiedlung erhält die Insel von ­Kopen­hagen eine neue Verfassung.

1904

Island wird autonomer Landesteil Dänemarks.

1918

Island wird Königreich in Personalunion mit Dänemark.

1940

Britische Truppen besetzen am 10. Mai die Insel.

1941

Die Amerikaner übernehmen Island.

1944

In Þingvellir wird am 17. Juni die unabhängige Republik Island ausgerufen.

1958

Ausdehnung der Fischereigrenzen auf zwölf Seemeilen.

1966

Einführung des Fernsehens.

1972

Ausdehnung der Fischereigrenzen auf 50 Seemeilen; erfolgreicher ­„Kabel­jau-Krieg“ gegen Großbritannien.

1974

Vollendung der Ringstraße.

1975/76

Ausdehnung der Fischereigrenzen auf 200 Seemeilen.

1986

Mit dem „Reykjavík-Gipfel“ läuten Ronald Reagan und Michail Gorbatschow den Anfang vom Ende der West-Ost-Konfrontation ein.

1989

Freigabe des Bierausschanks.

1994

Aufnahme in die Europäische Wirtschaftszone (EEA).

2001

Island und Norwegen treten dem Schengener Abkommen bei.

2006

Am 30. September verlassen die letzten auf Island stationierten US-Soldaten das Land.

2007

Die Unabhängigkeitspartei unter Premierminister Geir Hilmar Haarde gewinnt die Parlamentswahl.

2008

Die globale Finanzkrise trifft Island mehr als andere Länder. Ein Staatsbankrott wird nur durch einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der skandinavischen Länder verhindert. Die drei größten Banken werden verstaatlicht, es kommt zu Protesten gegen die große Koalition. Die isländische Krone büßt massiv an Wert ein, wodurch viele Isländer ihre Ersparnisse verlieren, zudem steigt die Arbeitslosigkeit drastisch an.

2009

Im Januar Rücktritt der Regierung. Die Parlamentswahl bringt den linken Parteien erstmals seit 1944 die absolute Mehrheit.

2012

Ein Sondergericht spricht Ex-Regierungschef Haarde wegen seiner Rolle in der Finanzkrise nur in einem von vier Anklagepunkten schuldig und verhängt keine Gefängnisstrafe.

2013

Bei den Parlamentswahlen wird das erfolglose Krisenmanagement der Linkskoalition abgestraft. Die beiden nun stärksten Parteien im Althing, Unabhängigkeitspartei und Fortschrittspartei, bilden eine neue Regierungskoalition unter Ministerpräsident Sigmundur Davíð Gunnlaugsson.

2014/2015

Ein Ausbruch des Vulkansystems des Barðarbunga im August hält bis 2015 an, ein riesiges neues Lavafeld entsteht.

Landschaftlicher Überblick

Die Entstehung des Landes

Noch in der Kreidezeit (bis vor ca. 125 Mio. Jahren) gab es den Nordatlantik nicht. Nordamerika, Grönland und Europa bildeten einen Kontinent, verbunden von einem riesigen Gebirgszug, dessen Überreste sich in den Appalachen, in Neufundland, Ostgrönland, im schottischen Hochland und auf Spitzbergen nachweisen lassen. Als sich die Platte in Eurasien und Nordamerika teilte, füllte sich die Senke über der Nahtstelle mit Wasser, der Nordatlantik entstand. Dem Ozeanboden entströmte (und entströmt) aber weiterhin Lava. Der größte Teil der weltweit geförderten Lava, nämlich rund 70%, wird auf dem Grund der Weltmeere produziert. Das neue Material wurde zum sog. Mittelatlantischen Rücken aufgeworfen, der heute ungefähr in der Mitte zwischen der ostamerikanischen und westeuropäischen bzw. westafrikanischen Küstenlinie verläuft. Er ist 15.000 km lang, 500–2.000 km breit und erhebt sich bis zu 2.500m über dem Meeresboden. Von der Mitte dieses Rückens driften nach wie vor die Kontinente nach außen, um ca. 1 cm pro Jahr zu jeder Seite.

Island ist, wie z.B. die Azoren, eine der wenigen Spitzen des Mittelatlantischen Rückens, die die Meeresoberfläche durchbrochen haben. Das geschah erst vor rund 60Mio. Jahren, als ein Teil des Rückens über eine Magmakammer von außergewöhnlich hoher Temperatur und erhöhter Förderung, einen hot spot, geriet. Der untersee­ische Sockel wuchs immer schneller. Vor ca. 20 bis 16 Mio. Jahren erreichte die Lava zum ersten Mal Meeresniveau und Island war geboren. Eine ungefähre Vorstellung von dieser Geburt bekam man am 14. November 1963, als vor den Kameras der ­Welt­öffent­lich­keit zischend und brodelnd das Inselchen Surtsey bei den Westmännerinseln ans Tageslicht trat (s. S. 396).

Basaltsäulen im Vesturdalur

In den folgenden Jahrmillionen vergrößerte sich die Insel, indem immer neues vulkanisches Material gefördert und zu Plateau- oder Flutbasalten aufgeschichtet wurde. Die Plateaubasalte reichen bis zu 10.000m ins Erdinnere hinab und dokumentieren, wie sich eine Lavaschicht nach der anderen über das Land ergossen hat. Da die Driftbewegung nach wie vor von der Mitte ausgeht, müssen sich die ältesten Gesteine also am Rand der Insel befinden, wo sie im äußersten Westen und Osten 17 bzw. 13 Mio. Jahre aufweisen. Entsprechend der Driftbewegung ist die West-Ost-Ausdehnung Islands größer als die in nord-südlichen Richtung. Und noch etwas ist klar: Die Insel wird stetig größer!

Die jüngsten Gesteine finden sich im Landesinneren, wo die Basalte nur 3 bis 0,7 Mio. Jahre alt sind. Ein 40 bis 60 km breiter Gürtel, der die Insel von Südwesten nach Nordosten durchzieht und dem etwa ein Drittel ihrer Oberfläche zuzuordnen sind, säumt als vulkanisch aktive Zone jene Nahtstelle, an der nach wie vor neues Land entsteht und das bereits entstandene zur Seite weggedrückt wird. Häufig sind die Reißkräfte des Erdinneren mit bloßem Auge zu sehen: Da gehen tiefe Risse durch Hunderte Meter dicke Gletscher oder wird der 1.900m hohe Vulkan Kverkfjöll in zwei Teile gespalten.

Island ist die aktivste Vulkanregion der Nacheiszeit. Faszinierend ist, dass hier jene Entstehungsvorgänge unserer Welt zu beobachten sind, die sich sonst in 2.000 bis 3.000m Tiefe im Ozean abspielen. Und da aufgrund der nahen Nachbarschaft zu Gletschern einige vulkanologische Formen nur hier vorkommen, sind nirgendwo sonst eine annähernd konzentrierte Vielzahl solcher Phänomene zu beobachten.

Entsprechend der jungen Entstehungsgeschichte Islands sind seine Gesteine von der Plattentektonik und ihrem Vulkanismus bestimmt. Der Anteil der dunklen Basalte am Aufbau der Insel ist mit ca. 80 % sehr hoch und verantwortlich für ihr oft düsteres Erscheinungsbild. Etwa 10 % der insularen Oberfläche werden von Basalten und Lava bedeckt, die jünger als 10.000 Jahre alt sind. Die Beschaffenheit der Lava, d.h. ihre dünn- oder zähflüssige bzw. gasarme oder -reiche Struktur, ist nicht nur für den Aufbau der verschiedenen Vulkanformen verantwortlich (s. S. 32), sondern zeigt sich auch in der Oberflächengestalt. Das gasarme, schnell und breitflächig ausgeströmte Material wird als Fladenlava, helluhraun, bezeichnet, wie am historischen Þingvellir zu beobachten ist. Nun ist die Fließgeschwindigkeit nicht immer gleich; anders als Wasser kann ein Lavastrom aufgehalten werden und dabei an der Oberfläche erstarren. Die sonst glatte Oberfläche wird dabei von tiefen Rissen und Gräben durchzogen oder zu den außergewöhnlichen und bizarren Formationen aufgeworfen.

Manchmal bricht glühende Lava durch die schon erkaltete Kruste und wälzt sich ineinander verdreht langsam vorwärts, Stricklava genannt. Oder die erstarrte Oberfläche eines Lavastromes wird durch Verdampfung von Wasser aufgebrochen und zu sog. Schollendomen aufgewölbt. An anderen Stellen kann die Oberfläche erstarrt sein, während später das noch dünnflüssige darunterliegende Material abfloss: Zurückblieben Gänge und Stollen, die sich z.B. an einer Stelle in Westisland, hallmundarhraun, als 23 km langes Tunnelsystem darstellen. Der bekannteste Lavatunnel ist Surtshellir, die Höhle des Feuerriesen Surt, die 1.300m lang ist und unter Lampenlicht erkundet werden kann. Ganz anders die Dimmuborgir am Mývatn: hier brachte aufsteigender Wasserdampf in einem Lavasee das Material zur Erstarrung, das als riesiges Labyrinth von Säulen stehenblieb, nachdem die umgebende Lava abgeflossen war.

Im Gegensatz zur heißen, dünnflüssigen Fladenlava wälzt sich gasreiches und weniger heißes Material langsamer vorwärts und erstarrt zur sog. Blocklava, apalhraun: ein zerrissenes, von scharfkantigen Blöcken, Schollen und Scherben geprägtes Terrain, das für Wanderer äußerst unangenehm ist.

Verdankt Island seine Entstehung der enormen Produktion aus dem Erdinneren, so bedurfte es zum heutigen Erscheinungsbild der Insel weiterer, nicht weniger starker Kräfte. Hier sind in erster Linie die verschiedenen Eiszeiten gemeint, die vor 3,1 Mio. Jahren begannen und deren letzte erst vor 12.000 Jahren zu Ende ging. Einerseits haben die ungeheuren, kilometerdicken Eismassen Berge abgeschliffen, Täler ausgehobelt und Lavaflächen zersplittert, andererseits haben sie den auch in der Eiszeit tätigen Vulkanen zu merkwürdigen Formen verholfen, die erst nach dem Abschmelzen sichtbar wurden. Neben den Gletschern haben Wind, Wasser, Frost und der heranbrandende Ozean immer wieder verändernd gewirkt. Zum Schluss trug auch der Mensch durch Abholzung und Weidewirtschaft dazu bei, dass der Charakter des Landes ein anderer wurde.

Die Feuerinsel – Vulkane, Geysire und Solfatare

Aufgrund der geschilderten geologischen Zusammenhänge ist der Vulkanismus auf Island in einer vulkanisch aktiven Zone konzentriert. Sie geht von der Reykjanes-Halbinsel im Südwesten, die sich mit einem zu den Westmänner-Inseln reichenden Zweig vereint, durch das Hochland bis zum Mývatn-Gebiet im Norden. Innerhalb der vulkanisch aktiven Zone finden sich heiße Quellen, Solfataren- und Fumarolengebiete, „lebende“ und „schlummernde“ Vulkane aller Formen, und hier werden die meisten Erdbeben registriert. Immerhin ein Drittel des gesamten Landes kann der Zone zugerechnet werden.

Vulkane und Vulkanformen

Nach dem Abschmelzen der eiszeitlichen Gletscherdecke waren auf Island 200Vulkane tätig, wovon etwa 50 in historischer Zeit und derzeit noch etwa 30 als aktiv anzusehen sind. Die Insel hat alle Erscheinungsformen vulkanischer Tätigkeit aufzuweisen, darunter auch solche, die woanders nicht beobachtet werden können. Die wichtigsten Vulkan- und Kraterformen sind:

Tafelvulkane sind eine für Island charakteristische Form, wobei der Ausbruch unter einem eiszeitlichen Gletscher stattfand. Durch den Kontakt mit dem Eis erstarrte die aus der Erde quellende Lava rasch und schichtete unter dem Eis Bergformationen auf, deren Gestalt umgedrehten Blumentöpfen gleicht (s. S. 345). Beispiele Herðubreið und Eiríksjökull.

Schildvulkane sind vom Auswurf dünnflüssiger und gasarmer Lava gebildet worden, wobei die hohe Fließgeschwindigkeit für einen sehr großen Durchmesser einerseits und sehr flache Flanken (max. 10 Grad Neigung) andererseits verantwortlich ist. Das hat zur Folge, dass sie nur unwesentlich über ihre Umgebung herausragen, manchmal sogar gar nicht als Vulkane erkannt werden. Beispiele Skaldbreiður und Trölladyngja.

Schichtvulkane: Bei der Entstehung von Schichtvulkanen, auch Zentral- oder Stratovulkane genannt, ist sehr viel zähflüssigere und gasreichere Lava sowie Asche beteiligt als bei den Schildvulkanen. Die Grundfläche ist mehr begrenzt, die Flanken gehen steiler und höher hinauf. Von der Kegelform der Schichtvulkane spricht man, wenn sie ähnlich wie der Fudjijama gleichmäßig konisch zulaufen und in einem Krater enden. Beispiele Öræfajökull und Snæfellsjökull. Sind sie eher abgeflacht und besitzen statt eines Kraters mehrere, bzw. eine Spalte, spricht man von der Rückenform, Beispiel Hekla.

Eruptionsspalten: Die typischste Form vulkanischer Tätigkeit auf der Insel, wie auch Island insgesamt ja dem Spaltenvulkanismus seine Entstehung verdankt. Aneinandergereihte Magmakanäle werfen zeitgleich Lava und Aschen aus, über den Eruptionsspalten oder den wie an einer Schnur aufgereihten Kraterlinien stehen die charakteristischen Feuerwände. Beispiel Laki.

Pseudokrater: Kein eigentlicher Vulkanismus: Lava fließt über Wasserflächen, Moore etc. hinweg, wobei das Wasser explosionsartig verdampft und die aufliegende Lava zu einem Krater aufwirft. Beispiel Mývatn.

Explosionskrater: Die einmalige Explosion eines gasreichen Gemischs hinterlässt hierbei einen steilen Ringwall. Beispiel Hverfjall.

Calderas: Nach einem Ausbruch stürzt die entleerte Magmakammer in sich zusammen. Beispiel Askja.

Vulkanausbrüche

Seit Beginn der Landnahme vor über 1.000 Jahren kam es zu rund 200 überlieferten Vulkanausbrüchen aus rund 40 Kratern, d.h. dass die Insel durchschnittlich alle fünf Jahre von Eruptionen betroffen ist. Ein knappes Zehntel der Insel, rund 10.000 km², sind von nacheiszeitlicher Lava bedeckt. In keinem anderen Vulkangebiet der Welt sind in den letzten Jahrtausenden auch nur annähernd so große Auswurfmengen zu Tage getreten. 1783 förderte allein die Laki-Spalte die bisher größte bekannte Menge Lava in historischer Zeit.

Die Hekla, einer der aktivsten Vulkane der Welt, brach seit Beginn der historischen Überlieferung 20 Mal aus und galt deswegen im christlichen Mittelalter als Eingangspforte zur Hölle. Sie war insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg äußerst aktiv und brachte es auf insgesamt fünf schwere Eruptionen (1947/48, 1970, 1980, 1991 und 2000). Allein dem Ausbruch von 1970 fielen 7.500 Schafe zum Opfer. Und der Ausbruch vom Februar 2000 war als gigantisches Feuerwerk selbst in der 100 km entfernten Hauptstadt gut zu erkennen, was Tausende Reykjavíker zum Anlass nahmen, auf eigens geräumten Wegen näher zum Schauplatz zu fahren.

Eine hohe internationale Aufmerksamkeit erreichte der von Seismologen vorhergesagte Ausbruch des Vulkans Barðarbunga im Oktober/November 1996. Die unter dem Eis des Vatnajökull stattfindenden Eruptionen rissen eine 7 km lange Erdspalte auf und ließen eine gewaltige Dampf- und Aschewolke 5 km hochschießen – verfolgt von Fernsehzuschauern in aller Welt und Tausenden von ausländischen Touristen, die zur Beobachtung des Schauspiels auf die Insel geflogen waren. Nach einem weiteren Ausbruch 1998 setzte sich der Vulkan 2004 durch eine 13 km hohe Asche- und Rauchsäule erneut spektakulär in Szene und zuletzt ab August 2014 mit einer mehrmonatigen Eruption, die ein 80 km² großes Lavafeld hinterließ.

Für noch größeres Aufsehen hatte bereits 1963 ein unterseeischer Vulkanausbruch vor den Vestmanneyar gesorgt, der die Insel Surtsey entstehen ließ. Die bis 1967 andauernden Aktivitäten, die in allen Nachrichtensendungen auf dem Globus gezeigt wurden, spiegelten im Zeitraffer die Geburt von Island selbst wider. 1973 gab es erneut Anlass für die internationale Presse, nach Island zu reisen: Ein katastrophaler Ausbruch auf den Westmännerinseln zwang zur Evakuierung der gesamten Bevölkerung von Heimaey und bedeckte den Ort mit einer meterdicken Ascheschicht. Einer der meistgefürchteten Vulkane ist die Katla