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Ich möchte den Leser auf eine kleine Rundreise durch eine Region mitnehmen, die mich nicht mehr loslässt: Istrien. Meine Reise beginnt im Norden des slowenischen Teil Istriens und führt zunächst an der kroatischen Westküste entlang bis nach Pula. Der Rückweg geht nach Osten zur Kvarner Bucht und über malerische Dörfer zurück an die Adriaküste. Nicht die großen touristischen Anlaufpunkte stehen im Vordergrund – kleine Karstdörfer und verborgene Schönheiten finden gleichberechtigt Platz neben dem strahlenden Piran oder dem charmanten Rovinj. Die liebenswerten „kleinen Dinge“ des Lebens halte ich gerne fest, ganz gleich, wie berühmt der Ort ist, wo ich sie finde. Karst und Küste, Landwirtschaft und Meeresbrise kennzeichnen die Region; strenge, karge Dörfer und mediterranes Flair liegen ganz nah beieinander. Das Zusammentreffen und Zusammenwirken dieser beiden Einflüsse beschert vielfältige Gaumenfreuden. Fangfrischer Fisch und feine Krustentiere, luftgetrockneten Karstschinken, wilder Spargel, Wein und Olivenöl der Spitzenklasse. Und natürlich die geheimnisvolle Knolle aus den Eichenwäldern: Trüffel. Dieses Büchlein ist kein neuer Reiseführer. Sie werden hier keine Öffnungszeiten oder Eintrittspreise finden. Ich möchte Sie in meinem Bilder-Lesebuch auf eine kleine Zeitreise mitnehmen und an Ihre Phantasie zu appellieren. Dieses Büchlein ist aber vor allem eine Hommage an eine Region, die mit Engagement und Phantasie versucht, eine lange kulturelle Präsenz in die Gegenwart mitzunehmen und zeitgemäß weiterzuführen.
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Seitenzahl: 66
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Blick von der Strandpromenade Opatijas über die Kvarner Bucht (2014)
Ich möchte Sie, liebe Leser, auf eine kleine imaginäre Rundreise durch eine Region mitnehmen, die es mir angetan hat, die mich fasziniert, die mich nicht mehr loslässt. Meine Reise beginnt im Norden des slowenischen Teil Istriens und führt zunächst an der kroatischen Westküste entlang bis nach Pula. Der Rückweg geht nach Osten zur Kvarner Bucht und über malerische Dörfer zurück an die Adriaküste. Nicht die großen touristischen Anlaufpunkte stehen im
Vordergrund – Karstdörfer und Küstenschönheiten finden gleichberechtigt Platz neben dem strahlenden Piran oder dem charmanten Rovinj. Die liebenswerten „kleinen Dinge“ des Lebens halte ich gerne fest, ganz gleich, wie berühmt der Ort ist, wo ich sie finde: kulturelle, historische und kulinarische Leckerbissen zweier Länder, die sich – wenn auch durch eine Staatsgrenze getrennt – eine gemeinsame Vergangenheit teilen: Istrien.
Karst und Küste, Landwirtschaft und Meeresbrise kennzeichnen die Region; strenge, karge Dörfer und mediterranes Flair liegen ganz nah beieinander. Das Zusammentreffen und Zusammenwirken dieser beiden Einflüsse beschert ungeahnte Gaumenfreuden. Das Meer liefert fangfrischen Fisch und feine Krustentiere, die Landseite steuert den luftgetrockneten Karstschinken „Pršut“, wilden Spargel, Wein und Olivenöl der Spitzenklasse bei. Und natürlich die geheimnisvolle Knolle aus den Eichenwäldern, bei der nicht nur Spitzenköche weiche Knie und feuchte Augen bekommen: Trüffel.
Dieses Büchlein ist kein neuer Reiseführer im üblichen Sinn. Das haben zahlreiche Autoren schon früher und besser gemacht. Sie werden hier keine Öffnungszeiten oder Abfahrtszeiten öffentlicher Verkehrsmittel, Eintrittspreise oder Umrechnungskurse finden. Dies alles lässt sich im Internet oder vor Ort leicht und schnell ermitteln. Ich möchte Sie in meinem Bilder-Lesebuch auf eine kleine Zeitreise mitnehmen, die das Heute mit einschließt. Das Büchlein soll Sie nicht mit einer langen Aneinanderreihung von Jahreszahlen und geschichtlichen Ereignissen beschäftigen, auch wenn es zum Veständnis nicht ganz ohne geht. Ich versuche, einen Hauch von Atmosphäre einzufangen und an Ihre Phantasie zu appellieren. Ich möchte Geschichte in einen spürbaren Rahmen stellen, ohne das Gestern zu glorifizieren, Geschichte(n) in Bildern erzählen und Zeitzeugen aus der Literatur zu Wort kommen lassen.
Dieses Büchlein ist aber auch und vor allem eine Hommage an eine Region, die mit Engagement und Phantasie versucht, eine lange kulturelle Präsenz in die Gegenwart mitzunehmen und zeitgemäß weiterzuführen. Mir imponiert die Selbstverständlichkeit, mit der mir Lebensmittel von höchster Qualität auf den Tisch gestellt wurden, aber auch, wie historische Bauwerke sensibel und ideenreich erhalten und eingebunden werden. Oft ist er spürbar, der Stolz über das Erreichte und der starke Wille, noch besser zu werden. Ich möchte einen kleinen Anstoß geben, dieses Land nicht nur als Sommer-Sonne-Urlaubsland, sondern als Möglichkeit der Begegnung und Wertschätzung zu sehen.
Meine Rundreise erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit; nur Orte, die ich selbst besuchte, fanden Eingang auf diesen Seiten. Diese Region hat jedoch noch viel mehr zu zeigen und zu erkunden. Aber wie heißt es so schön: aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Maria Reichenauer, Januar 2015
Die Herzspitze Istriens: Kap Kamenjak (2008)
Die herzförmige Halbinsel schmiegt sich zwischen den Golf von Triest im Westen und die Kvarner Bucht im Osten, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Dabei schlägt dieses „Herz“, das in seiner langen Geschichte so viele Herren und so viele bewegende Momente erlebte, in der Brust dreier Länder. Und obwohl dies nicht immer im Gleichklang geschieht, zeigt es keinerlei Müdigkeit. Ganz im Gegenteil. Es schlägt kräftig und selbstbewusst …
Italien wirft mit der Gegend um Muggia nur ein kleines Hütchen in den Ring, deswegen wird es hier vernachlässigt. Der Löwenanteil gehört zu Kroatien. Slowenien schiebt sich mit einem schmalen, aber feinen Streifen von gerade einmal 50 km Breite dazwischen. Geografisch umfasst die Halbinsel mit einer Fläche von ca. 3.400 km2 das Dreieck zwischen der Bucht von Muggia (bei Triest) im Norden, dem Kap Kamenjak (südöstlich von Pula) im Süden und der Bucht von Preluka (bei Rijeka) im Osten.
Die geomorphologische Gliederung ist ein Indikator für die Vielfalt der Region. Das „weiße Istrien“ im Norden und Nordosten beinhaltet die Karstregion mit ihren hellen, teils kahlen Flächen sowie Teile des Učka-Gebirges. Trotz des Regenreichtums ist die Gegend dünn besiedelt. Der Karstboden schluckt die Niederschläge wie ein gieriger Schwamm. Nur landwirtschaftliche Überlebenskünstler haben hier eine Chance. Entlang des Učka-Gebirges fällt das Land steil zum Meer ab und zwingt die Menschen dazu, ihren Lebensunterhalt mit dem zu verdienen, was das Wasser hergibt.
An Weißistrien schließt sich das „Graue Istrien“ an, das den slowenischen Teil der Halbinsel und Zentralistrien beinhaltet. Grau ist die Landschaft jedoch nur im Winter, wenn die Felder abgeerntet sind und die für die Region typischen Laubbäume ihre Blätter verloren haben. Der Rest des Jahres ist durchaus farbenfroh: frische Grüntöne auf Viehweiden und Weinhängen, satte Farben von Büschen und Bäumen, gelb-grau-braune Lehmböden und helle Karstfelder wechseln locker durch. Es hat den Anschein, das Land würde farbiger, je näher man dem Meer kommt.
Der Augustus-Tempel in Pula (2014)
Der breite Streifen, der sich an der Adriaküste entlangschlängelt, leuchtet intensiv rot – besonders im sanften Abendlicht. Die Erdfarbe sorgt auch hier für den passenden Namen: das „rote Istrien“. Der Kalksteinrotlehm ist zwar humusarm, oft steinig und trocknet an der Oberfläche leicht aus, aber er ist auch sehr tiefgründig und bei guter Bewässerung kräftig und fruchtbar. Der Eisenanteil sorgt für die dekorative Farbe. Über den Ursprung des eisenhaltigen Bodens sind sich die Fachleute nicht ganz einig. Die These, die farbige Erde sei das Relikt eines Jahrmillionen dauernden Prozesses, bei dem die Karbonate des Muttergesteins abgetragen und ausgewaschen wurden, hat Risse bekommen. Die mineralische Zusammensetzung erzählt eine abenteuerliche Geschichte: roter Wüstenstaub, der vor mehr als 12.000 Jahren über das Meer geweht wurde, könnte das rote i-Tüpfelchen in Kombination mit dem vorhandenen Karbonatgestein gegeben haben.
Verwaltungstechnisch gehört das slowenische Istrien, gleichbedeutend mit der historischen Landschaft Primorska (= Küstenlandschaft), zur Stadtgemeinde Koper. Zwischen dem Gesamtstaat und den Stadtgemeinden gibt es keine weitere administrative Ebene. Kroatien gliedert sich neben der Hauptstadt Zagreb in 20 Gespanschaften (kroatisch: županije). Das kroatische Istrien besteht im Westen aus der Gespanschaft gleichen Namens mit dem Verwaltungszentrum Pazin und im Osten aus Teilen der Gespanschaft Primorje-Gorski kotar, deren Verwaltungssitz Rijeka ist.
Die Halbinsel zwischen Triester und Kvarner Bucht ist nicht nur eine Region, deren Kultur weit zurückreicht, sie hat auch jede Menge Potenzial für die Zukunft. Wo vor Millionen von Jahren Dinos ihre Riesenfüße in die weiche Erde drückten, ist es heute vor allem das Duo aus römischen Spuren und venezianischem Erbe, das die Städte und Dörfer Istriens so anziehend macht. Nicht nur der geschichtsinteressierte Besucher wird staunend in der Arena von Pula oder vor den venezianischen Palazzi Pirans stehen; dem Charme der ursprünglichen, mittelalterlichen Ortskerne mit einem römischen i-Tüpfelchen kann man einfach nicht widerstehen. Und doch spürt man – wenn man sich darauf einlässt – es steckt mehr dahinter. Istrien ist nicht einfach ein Schmelztiegel verschiedener politischer und kultureller Einflüsse, die der Halbinsel zeitweise ihren Stempel aufdrückten und wieder in der Versenkung verschwanden. Hier sind die Spuren der Menschen, die Istrien ausmachen, so präsent und so spürbar, dass man das Gefühl hat, man wird auf eine Rundreise durch die Jahrtausende geschickt, ohne sich in die enge Jacke eines sentimentalen Damals zu zwängen. Ganz gleich, unter welchem nationalen Dach die einzelnen Gemeinden heute stehen, ob italienisch, slowenisch oder kroatisch – Istrien hat eine gemeinsame, oft schmerzliche Vergangenheit, die es nicht leugnen und nicht wegretuschieren kann. Auch wenn man nicht immer gemeinsam agiert, manchmal um Grenzen, Fischgründe oder Produktbezeichnungen aneinandergerät: die Istrier spüren insgeheim doch, das etwas sie verbindet, das stärker ist als die nationale Identität, die man nach dem Zerfall des Tito‘schen Jugoslawien zurückbekam – nördlich des Flüsschens Dragonja Slowenien und südlich Kroatien.
Piran: Hauptkanal der Saline (1901)
Lange, bevor Menschen diesen Landstrich in Besitz nahmen, tummelten sich Dinosaurier hier und arbeiteten sich vom Herzspitzchen, dem Kap Kamenjak, nach Norden vor. Sie hinterließen nicht nur bleibende Eindrücke im Gestein von Medulin; der Fund von Dinosaurierknochen im Meer bei Bale macht sie für uns sichtbar und greifbar ...