Iulia Farnesia - Roberta Mezzabarba - E-Book

Iulia Farnesia E-Book

Roberta Mezzabarba

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Beschreibung

Kann die Seele einer Frau, die von ihrer Familie an den Meistbietenden verkauft wurde, erlöst werden? Die wahre Geschichte der Giulia Farnese, einer Frau jenseits der Zeit.

Giulia Farnese, eine Frau, die die Zeit durchquert, um in diesem Roman ihre Erlösung zu finden. Ihre wahre Geschichte erzählt von einer Frau, die weit über die Figur der Braut Christi, als welche sie in der ganzen Welt bekannt ist, hinausgeht. Die Autorin zeichnet das Profil einer starken Frau, die, von den Fesseln einer Familie befreit, die sie zum Gehorsam erzogen hat, aus ihrer Asche und der damnatio memoriæ wiedergeboren wird, um Mater und Domina des Lehens von Carbognano zu werden. Mit fesselnder Prosa, basierend auf einem historischen Geflecht realer Ereignisse (aus Archivdokumenten), gibt die Autorin La Bella ihre Würde zurück, die von den historischen Chroniken zugunsten der Stimme des Klatsches des sechzehnten Jahrhundert immer beiseite geschoben wurde.

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Seitenzahl: 298

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Titel |IULIA FARNESIA - Seelenbriefe - Die wahre Geschichte der Giulia Farnese

Autorin| Roberta Mezzabarba

Übersetzung | Birgit Elisabeth Horn

ISBN | ____________

© 2022 - Alle Rechte vorbehalten

Alle Rechte dieses Werks liegen ausschließlich bei der Autorin. Kein Teil dieses Buches darf daher ohne die vorherige Zustimmung der Autorin vervielfältigt werden.

Auf dem Titelbild: Detail der „Raub der Proserpina" (1621-1622) Gian Lorenzo Bernini

Alamy Stock Photo - Lilie, heraldisches Symbol, Fleur de Lis

Erste Ausgabe März 2022

Roberta Mezzabarba

IULIA FARNESIA

Seelenbriefe

Die wahre Geschichte der Giulia Farnese

Roman

Übersetzung von Birgit Elisabeth Horn

Vorwort

Verehrte Leserinnen und Leser, ich möchte Ihnen persönlich und im Voraus für die Aufmerksamkeit danken, die Sie der Lektüre dieses Werkes widmen werden, das durch die talentierte Feder von Mona Roberta zum Leben erweckt wurde.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich viele Jahre lang auf der Suche nach jemandem war, der meine Geschichte erzählen konnte, die wahre Geschichte, ohne sich von all den Verleumdungen beeinflussen zu lassen, die im Laufe der Zeit über mich geschrieben wurden.

Ich habe Roberta zufällig an den Ufern meines geliebten Bolsenasees getroffen, als ich die Suche nach einem Stift, der Intellekt und Sensibilität in sich trägt, um bewegt zu werden, schon fast aufgegeben hatte.

Beim ersten Treffen hielt ich es für eine Blendung, ungläubig, dass ich endlich eine verwandte Seele gefunden hatte.

Unsere zunächst zufälligen Begegnungen wurden nach und nach immer häufiger: Oft sah ich sie mit dem Blick auf die Isola Bisentina gerichtet, in deren Staub meine sterblichen Überreste verstreut sind.

Also begann ich, auf sie zu warten und die Besuche und den Werdegang zu verfolgen. Manchmal drang sie bis unter die Strebepfeiler der Burg vor und schaute hinauf, manchmal sah ich sie auf den Steinen der Mergonara hocken, der Anlegestelle für die Boote meiner Familie, bis ihre Schuhe und Füße nass waren, und während sie glaubte, allein zu sein, lauschte ich ihrem Herzen. Sie hat mehrere Schriften verfasst: der erste Roman war La lunga ombra di un sogno (Der lange Schatten eines Traums), der größtenteils in Capodimonte und auf der Isola Bisentina spielt, der zweite trug den Titel Legàmi (Bindungen), der dritte war Le confessioni di una concubina (Bekenntnisse einer Konkubine).

Bisentina und Capodimonte in Verbindung mit einer Konkubine oder wofür die Welt sie gehalten hat... das kann sicherlich kein Zufall gewesen sein, wiederholte ich mir immer öfter...

Ihr Werdegang, ihre Schritte schienen unweigerlich zu mir zu führen: Als sie dann, fast scherzhaft, eine Kurzgeschichte über meine Person und insbesondere über meine testamentarischen Bestimmungen schrieb und damit überall Literaturpreise gewann, wusste ich ohne den geringsten Zweifel, dass sie meine Stimme sein würde.

Von da an beobachtete ich sie nicht mehr nur, sondern führte ich (oder veranlasste) sie dazu, meine Schritte zurückzuverfolgen: Zunächst führte ich sie an einem verregneten Sonntag im September anno Domini 2019 zu meinem ehemaligen Wohnsitz in Bassanello, und im Oktober desselben Jahres sorgte ich dafür, dass sie genau an dem Tag in Carbognano war, an dem die derzeitigen Schlossherren einen Besuch erlaubten.

In jenen Tagen studierte Mona Roberta eifrig die Schriften über mich, und da sie sich an meiner letzten Ruhestätte befand, bin ich sicher, dass sie die Botschaft verstehen und sich zu eigen machen konnte, die ich mit den Fresken vermitteln wollte, die ich dort hatte malen lassen.

Bei dieser Gelegenheit stellte ich ihr auch zwei Frauen aus Carbognano zur Seite, die sie und ihren netten Mann (ein netter Kerl, der mich sehr an meinen zweiten Mann Giovanni erinnert) durch die Straßen des Dorfes zur Kirche Santa Maria della Concezione, meiner Kirche, führten.

Im Dezember 2019 drängte ich sie, die Rocca di Capodimonte, in der ich geboren wurde, zu besichtigen: Einer der derzeitigen Besitzer, Ranieri Orlandi Brenciaglia, war so freundlich, ihrer Bitte nachzukommen, aber er gab ihr einen Termin am späten Abend, so dass sie aufgrund einer plötzlichen (und zufälligen!) Cervicobrachialgie gezwungen war, diesen Besuch am späten Abend abzusagen.

Die nächste Verabredung führte sie dazu, am helllichten Tag durch das Tor der Rocca di Capodimonte zu gehen und aus den Fenstern zu schauen und ihre Augen mit diesem herrlichen Anblick zu füllen: Ich bin sicher, dass sie spürte, von wo ich am häufigsten hinausschaute, nicht zuletzt, weil ich sie sehr lange an meinem Lieblingsfenster verweilen sah.

Sie beauftragte dann ihre gute Freundin und Malerin Francesca Cragnolini aus Udine, ein Porträt von mir zu malen, da sich jemand im Laufe der Zeit die Mühe gemacht hatte, jedes Kunstwerk, das mich darstellte, verschwinden zu lassen: Die Malerin befolgte geduldig alle Anweisungen und Tausende von Korrekturen, die Roberta verlangte, und ich muss sagen, dass ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden bin. Erst mit Francesca, dann mit Roberta genoss ich es, durch das Abbild des Gemäldes zu lächeln oder zu schmollen... Jetzt fühle ich mich endlich geliebt, und wie schon in Carbognano wurde mir von den anderen Frauen die tiefste und schönste Liebe zuteil. Doch leider sind die Menschen, die uns über längere oder kürzere Strecken unseres Lebens begleiten, uns nicht immer so wohlgeneigt: Ich hatte schon oft mit Mitmenschen zu tun, die mir einen Dolch in den Rücken stoßen würden, sobald sie die Gelegenheit dazu hätten.

Aber wenn man Glück hat, trifft man solche Frauen auf dem irdischen Weg: solidarisch, stark, ohne Neid.

Ich sorgte auch dafür, dass Roberta Madonna Felicita Menghini da Capodimonte kennenlernte, eine besondere Frau, die meine Familie zum Mittelpunkt ihres Lebens machte. Dann habe ich ihre Wege mit Madonna Patrizia Rosini aus Rom kreuzen lassen, die ihr Augenlicht und unzählige Jahre auf der Suche nach allen Dokumenten geopfert hat, die Zeugnis von meinem Dasein auf dieser Erde ablegten und den Lauf der Zeit überlebt haben: Die Arme hat mit Engagement und Hartnäckigkeit in allen öffentlichen und privaten Archiven nach meinen Spuren gesucht, bis sie schließlich anerkannt und vor dem Vergessen und der Zerstörung bewahrt wurden. Dann begann Roberta zu schreiben, aber ich spürte ihre Müdigkeit nach all dem Studieren der Zeugnisse über meine Person... Sie hat wirklich so viele Verpflichtungen, diese zierliche, explosive Frau, also ließ ich sie verschnaufen.

Ich muss ehrlich sagen, dass Geduld noch nie zu den Eigenschaften gehörte, die meinen Charakter auszeichnen.

So beschloss ich Anno Domini 2021, ihren Stift zu wecken, der durch unendlich viele andere Dinge abgelenkt war.

An einem Sonntagmorgen im Januar wurde in diesem Kasten, den man Fernseher nennt und in dem man alle möglichen Bilder sehen kann, eine Geschichte über mich ausgestrahlt, oder besser gesagt, sie trug den Titel meines Namens „Giulia Farnese, die Favoritin von Papst Alexander VI." .

Ich muss ehrlich sein, schon allein dieser Titel hatte mich nervös gemacht, und als sie dann anfingen, die Bilder zu zeigen, wurde mir klar, dass ich nicht nur in den ersten Minuten verleumdet wurde, sondern dass sie meinen Namen benutzt hatten,nur um Aufmerksamkeit zu erregen und dann über etwas ganz anderes zu reden... an diesem Punkt konnte ich meine Wut nicht mehr zurückhalten.

Ich schaltete den Apparat aus, einmal, zweimal, dreimal: Beim ersten Mal schaute der arme Sergio, der Ehemann von Madonna Roberta, der neben ihr saß, sie verwirrt an; beim zweiten Mal fragte er sie, ob sie die Vision beendet habe, und beim dritten Mal sagte er: „Liebling, das ist Giulia, nicht wahr?"

Ja, ich war es...

Nach diesem Schock nahm Roberta das schon fast halb fertige Manuskript in die Hand, zerlegte es fast wütend in seine Einzelteile und setzte es dann mit Geduld und großer Zufriedenheit Stück für Stück wieder zusammen.

Ich danke ihr von ganzem Herzen, dass sie sich durch Tausende und Abertausende von Wörtern gewühlt hat, dass sie in der Lage war, die Worte aufzunehmen und über sie hinauszugehen, dass sie Worten gelauscht hat, die sie nicht hören wollte, dass sie meiner Seele die Würde zurückgegeben hat, die nun endlich von der dunklen Last der Verleumdung befreit ist und mit Leichtigkeit diese Welt verlassen und zum Haus des Vaters gehen kann.

Iulia Farnesia

Ein wenig Geschichte

Giulia Farnese, den meisten als Giulia La Bella bekannt, ist eine Figur, die auch heute noch, fast fünf Jahrhunderte nach ihrem Tod, Interesse und Faszination weckt.

Giulia wurde 1475 in Capodimonte als Tochter von Pierluigi Farnese und Giovannella Caetani geboren, als letztes von vier Kindern.

Sie verbrachte den größten Teil ihrer Jugend auf der Burg Rocca di Capodimonte und erhielt ihre Ausbildung am Collegio di San Sisto in Rom.

Der Vater starb 1487, und so fuhr die ehrgeizige Giovannella fort, das Leben ihrer Kinder zu größerem Ruhm des Hauses Farnese zu verflechten: Angelo, der älteste Sohn, hatte bereits Lella Orsini aus Pitigliano geheiratet; Gerolama war mit einem angesehenen Florentiner (einem gewissen Puccio Pucci) verheiratet worden.

Nachdem die ersten beiden Kinder versorgt waren, hatte Giovannella noch die Zukunft ihrer letzten beiden Kinder, Alessandro und Giulia, in der Hand. Vielleicht war es das Treffen mit Adriana De Mila, der Frau des verstorbenen Ludovico Orsini Migliorati, das die Tür für ihren verrücktesten Plan öffnete.

Da ihre beiden Ehemänner, die beide verstorben waren, vor Jahren einen Ehevertrag geschlossen hatten, mit dem ihre jeweiligen Kinder Giulia und Orsino miteinander verbunden werden sollten, beschlossen die beiden Frauen, diesen Vertrag in die Tat umzusetzen.

Mehr noch, sie wollten über die Vorteile dieser Verbindung hinausgehen und stellten sich vor, dass Alessandro, der Jüngste der Familie Farnese, den päpstlichen Thron besteigen könnte.

Der erhoffte Erfolg des verrückten Plans der beiden Frauen stützte sich auf zwei Fakten: Giulias Schönheit und die Laszivität des Kardinals Rodrigo Borgia, der Cousin Adriana De Milas.

Und so kam es, dass die zum Gehorsam erzogene und ihre Familie liebende Giulia mit Orsino Orsini verheiratet wurde (auch als der Einäugige bekannt) und an den zügellosen Kardinal Borgia „verkauft“ wurde, der sie als Kind nahm und zur Frau machte.

Die Chroniken jener Zeit beschreiben oft eine skrupellose, schamlose und unverfrorene Giulia vor den Augen des Volkes, das sie Venere Papale oder sogar Braut Christi nannte.

Orsino, ein unglückseliger Junge mit einem von Akne gezeichneten Gesicht, dem seit seiner Kindheit durch einen Jagdunfall ein Auge fehlt, fand sich auf Druck seiner Mutter mit dieser paradoxen Situation ab. Diese fand aufgrund des unsicheren Charakters ihres Sohnes auch Mittel und Wege, die Besitztümer der Familie Orsini zu vermehren; so kam es häufig vor, dass Borgia Orsino „Geschenke" machte, damit der junge Mann seine Frau Giulia dauerhaft in Rom und nicht bei ihm auf Schloss Bassanello (dem heutigen Vasanello) wohnen ließ.

Im Jahr 1493 wurde der undisziplinierte Alessandro Farnese im Alter von nur fünfundzwanzig Jahren und ohne jemals zum Priester geweiht worden zu sein, von Papst Borgia zum Kardinal ernannt. Von da an war seine kirchliche Laufbahn ein kontinuierlicher Aufstieg unter dem Schutz des Spaniers, der im Jahr zuvor Papst AlexanderVI.geworden war.

Giulia gebar Laura, ihre einzige Tochter, von der die Historiker der damaligen Zeit böswillig behaupteten, sie sei nicht die Tochter Orsinos, sondern des Papstes.

Nie war eine Lüge größer.

Giulia war nach dem Tod ihres Bruders Angelo nach Capodimonte gegangen und zögerte im darauffolgenden Jahr mit der Rückkehr nach Rom. Ihre Unentschlossenheit brachte den eifersüchtigen Rodrigo Borgia in Rage: In einem der feurigen Briefe, die der Papst an Giulia schrieb und in denen er ihr drohte, sie zu exkommunizieren, leugnete er die Vaterschaft der kleinen Laura und befahl ihr, nicht nach Bassanello zu gehen, da sie sonst „von diesem Einäugigen“ (Orsino)"geschwängert" zurückkehren würde.

Giulia war eine Frau geworden und litt immer mehr unter der Situation, in der sie leben musste, aber sie hielt auch die Verpflichtungen ein, die sie gegenüber ihrer Familie eingegangen war, um die kirchliche Karriere ihres Bruders Alessandro zu erleichtern.

Der Einfall der Franzosen in Italien im Jahr 1498, um das für sich beanspruchte Königreich Neapel zu erreichen, gab Giulia die Möglichkeit, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen und sich von allen Giften des Hofes und allen Vorspiegelungen zu lösen. Und an diesem Punkt befreite sich Giulia von dem erdrückenden Mantel, den ihre Familie ihr umgehängt hatte und der ihr Entscheidungen aufzwang, die sie vielleicht nie getroffen hätte. Sie breitete ihre Flügel aus, um wie der Phönix aus der Asche wiedergeboren zu werden. Sie hätte sich leicht an den Rock eines anderen Kardinals klammern können, dazu fehlten ihr weder die Kunst noch die Beziehungen, aber frei von den familiären Verpflichtungen wählte sie für sich das Leben, das sie bevorzugte. So kehrte sie mit ihrer kleinen Tochter Laura auf Schloss Bassanello zurück und vereinte sich wieder mit ihrem Mann Orsino.

Abseits des päpstlichen Hofes entdeckten Giulia und Orsino einander. Ihre durch die Entscheidungen anderer gequälten Seelen schienen Erlösung zu finden, wenn auch nur auf vergängliche Weise: Orsino ging so weit, ihr das Schloss und das Lehen von Carbognano zu schenken und sie zur Herrin dieses Ortes zu machen, ohne dass ein Dritter zwischengeschaltet war, und ihr damit die Würde einer Domina zu verleihen.

Im Sommer 1500 starb der unglückselige Einäugige durch den Einsturz der Decke seines Schlafgemachs: Auch dieses tragische Ereignis wurde von den Historikern der Zeit und den üblichen Rechtschaffenden als Zeichen dafür gewertet, dass La Bella nicht mit ihrem Mann schlief und die eheliche Idylle somit nicht gegeben war.

Erneut Schande über Giulia.

Schmerz über Schmerz.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Laura das heiratsfähige Alter erreicht, und Giulia nutzte die Kenntnisse, die sie in ihren Jahren am päpstlichen Hof erworben hatte, um für ihre Tochter einen Ehevertrag mit der mächtigen Familie von Nicola Franciotti Della Rovere, dem Lieblingsneffen von Papst Julius II., zu schließen.

Zufrieden mit dieser ausgezeichneten Verbindung, zog sie sich nach Carbognano zurück, wo Giulia ihr wahres Ich entfaltete.

An diesem Punkt nahm die Metamorphose dieser Figur Gestalt an: Von der Femina, die von den Begierden schamloser Männer bedrängt wurde, machte sie den ersten Schritt, indem sie sich mit der Geburt ihrer Tochter Laura in Mater verwandelte, und beendete dann ihre Existenz als Domina. Ihr zweiter Ehemann, Giovanni Capece Bozzuto, den sie aus Liebe geheiratet hatte, sollte nie Herr des Schlosses von Carbognano werden, sondern der Ehemann der „Signora", der Herrin.

Giulia verwaltete ihren Besitz mit Geschick und brachte mit der ruhigen Hand eines fähigen Mannes die miserable Wirtschaft dieses Teils der Tuscia wieder zum Blühen. Und damit wurde ihr eine weitaus wichtigere Aufgabe zuteil: den Frauen, die in ihren Diensten standen, eine echte, selbstbestimmte Zukunft zu sichern und zu geben, und nicht nur den Übergang eines Lebens im Schatten eines Vaters zu dem im Schatten eines Ehemanns.

Leitfaden zu den Hauptfiguren

Wenn man sich in die ersten Seiten eines Romans vertieft, passiert es oft, dass man sich zwischen den unzähligen Figuren nicht zurechtfindet und die Lust am Lesen verliert.

In dieser Geschichte, die sich mit den Mäandern der Gesellschaft zur Zeit der Renaissance befasst, könnte es für den Leser schwierig sein, sich mit den vielen Namen und verwandtschaftlichen Beziehungen zurechtzufinden, die diese und jene Figur miteinander verbinden.

Daher habe ich mir erlaubt, diesen kleinen Leitfaden zu den Hauptfiguren zu verfassen, die neben der Protagonistin eine mehr oder weniger wichtige Rolle in den erzählten Ereignissen spielen und von den Lesern und Leserinnen dieser Geschichte nach Belieben konsultiert werden kann.

OrsinoOrsini Migliorati,bekannt als der Einäugige (1473-1500): einziger Sohn von Ludovico Orsini Migliorati, Herr von Bassanello (Vasanello - VT), und Adriana de Mila; erster Ehemann von Giulia Farnese.

Giovanni Maria Capece Bozzuto(?-1517): neapolitanischer Adliger, heiratete Giulia (Witwe von Orsino Orsini) 1506; die beiden lernten sich 1496 bei der Ankunft von Sancha von Aragon in Rom kennen.

Adriana de Mila(1434-1502): Tochter von Perot de Mila, Sohn von Catalina Borgia, Schwester von Papst Calixtus III. und Schwägerin von Jofré, dem Vater von Rodrigo Borgia (später Papst Alexander VI.), und somit seine Cousine zweiten Grades. Sie heiratete Ludovico Orsini, Herr von Bassanello (Vasanello - VT) und Mutter von Orsino Orsini.

Giovannella Caetani(1440-?): Mutter von Giulia Farnese und ihren drei Geschwistern (Alessandro, Angelo und Gerolama), Tochter von Onorato Caetani und Nachkomme von Papst Bonifaz VIII.

Angelo Farnese(1465-1494): ältester Sohn von Pierluigi Farnese und Giovannella Caetani; Bruder von Giulia, Herr von Canino und Montalto, verheiratet mit Lella Orsini.

Alessandro Farnese(1468-1549): Bruder von Giulia Farnese. Im Jahr 1534 bestieg er unter dem Namen Papst Paul III. den päpstlichen Thron, bis zu seinem Tod. Im Jahr 1540 genehmigte er auf Anregung von Ignatius von Loyola die Gründung der katholischen Ordensgemeinschaft Gesellschaft Jesu; 1545 berief er das Konzil von Trient ein.

Gerolama Farnese(1464-1504): Tochter von Pierluigi Farnese und Schwester von Giulia. Sie heiratete Puccio Pucci, mit dem sie eine Tochter, Isabella, hatte und wurde 1494 Witwe.

Im Jahr 1495 heiratete sie den Grafen Giuliano dell'Anguillara. Sie wurde von ihrem Stiefsohn ermordet.

Isabella della Anguillara(1497-1564): Tochter von Giuliano dell'Anguillara und Gerolama Farnese (Schwester von Giulia Farnese), nach dem Mord an ihrer Mutter wurde sie von Giulia aufgezogen. Im Jahr 1518 heiratete sie Galeazzo Farnese aus dem Zweig der Latera.

Laura Orsini(1492-1530): einzige Tochter von Giulia Farnese und ihrem Ehemann Orsino Orsini. Sie war mit Nicola Franciotti della Rovere verheiratet, mit dem sie drei Kinder hatte: Giulio, Elena und Lavinia.

Lella Orsini(?-1494): Tochter von Niccolò, Graf von Pitigliano, heiratete 1488 Angelo Farnese; nach dessen Tod zog sie sich in das Florentiner Kloster Murate zurück.

Lucrezia Borgia(1480-1519): uneheliche dritte Tochter von Papst Alexander VI. (geboren als Rodrigo Borgia) und Vannozza Cattanei; Ehefrau von Giovanni Sforza, Alfonzo d'Aragona und Alfonso d'Este.

Cesare Borgia(1475-1507): Sohn von Rodrigo Borgia (Papst Alexander VI.) und Vannozza Cattanei; er war Bischof, Erzbischof und Kardinaldiakon. Im Jahr 1493 wurde er von seinem Gelübde entbunden und 1498 vom französischen König zum Herzog von Valentinois ernannt.

Camilla Lucrezia Borgia (1502-1573): leibliche Tochter von Cesare Borgia und wahrscheinlich von Drusilla, der Hofdame von Lucrezia Borgia, legitimiert im Jahr 1509.

Sie legte ihr Gelübde ab und wurde 1545 Äbtissin des Klosters San Bernardino in Ferrara.

Pietro Bembo(1470-1547): italienischer Kardinal, Schriftsteller, Philologe, Dichter und Humanist.

Die Orte des Romans

„Das Leben ist nicht das, was man gelebt hat,

sondern das, an das man sich erinnert

und wie man sich an es erinnert, um seine Geschichte zu erzählen"(Gabriel García Márquez - Leben, um davon zu erzählen)

Die Heimkehr

Das Boot ließ heftig schaukelnd die Ufer der Insel hinter sich. Mit seinem majestätischen Gang schien es die unbewegliche Oberfläche des Wasserspiegels zu verwunden und erzeugte auf seinem Weg Wellen wie flüssige Schauer, die sich ausbreiteten um sich dann in Nichts aufzulösen.

Die kalte Novemberluft kroch durch die Schichten des schweren Gewandes und ließ Iulia, die Kapuze tief über ihr blasses Gesicht gezogen, frösteln. Alles erschien ihr so unwirklich, alles so unglaublich, dass es ihr wie ein Traum oder vielmehr wie ein Alptraum vorkam, aber in ihrem Herzen war sie glücklich, dass es ihr wenigstens gelungen war, den letzten Wunsch ihres geliebten Mannes zu erfüllen und seine sterblichen Überreste auf seine geliebte Insel zu bringen. Der Nordwind hatte am Tag zuvor, als sie mit dem Sarg ihres Mannes aus Carbognano gekommen war, wütend auf den See gepeitscht und schien sich nun auf wundersame Weise beruhigt zu haben.

* * *

Giovanni Capece Bozzuto war seit einigen Tagen tot. Um den Wunsch ihres Geliebten zu erfüllen hatte Giulia sofort einen Boten zu ihrem Bruder, Kardinal Alessandro Farnese, mit der Bitte geschickt, Giovanni auf der Isola Bisentina in der Familiengedenkstätte begraben zu dürfen. Doch Alessandros Antwort blieb aus: Vielleicht, so dachte Giulia, war ihr Bruder zu sehr damit beschäftigt, das dichte Netz um den päpstlichen Thron zu weben, um auf ein so unsinniges Anliegen zu antworten.

An jenem Morgen organisierte die Herrin des Schlosses von Carbognano in aller Eile die Abfahrt nach Capodimonte, um den Sarg ihres Mannes zu seiner letzten Ruhestätte zu bringen.

Onofria und Berna, die ihr gegenüber im Planwagen saßen, hatten seit der Abfahrt kein Wort gesprochen. Die alte Amme und die junge Magd beobachteten ihre Herrin, wie sie durch das schmale Fensterchen auf die vorbeiziehende Landschaft blickte: Nur das regelmäßige Atmen der Herrin durchbrach die vollkommene Stille.

Es war bereits dunkel, als sie Capodimonte und die majestätisch den See überragende Festung erreichten. Und während es für Onofria eine Heimkehr war, war es für Berna das erste Mal, dem Rauschen des vom Nordwind aufgewühlten Sees zu lauschen. Das eng in ihren Schal eingewickelte Mädchen erschauerte. Schnell stieg sie aus dem Planwagen, nachdem dieser in den Hof der Festung eingefahren war und suchte Schutz unter dem Säulengang des quadratischen Lichthofes.1 Onofria hob ihre Nase zum Himmel und atmete tief ein.

Energisch gab Giulia den Männern, die den Sarg ihres Mannes trugen, knappe und präzise Anweisungen.

„Bringt ihn in eines der Gemächer im Erdgeschoss und bewacht ihn die ganze Nacht."

Bevor sie die Treppe hinaufstieg streichelte sie mit ihrer behandschuhten Hand kurz den Sarg.

Onofria und Bern folgten ihr wie nach einem bereits geschriebenen Drehbuch.

Während man in den Räumen der Rocca di Carbognano am Morgen die Vorbereitungen für die Reise traf, war die treue Onofria in die Ställe hinabgestiegen und hatte eine Vorhut zur Rocca di Capodimonte geschickt, wobei sie die Männer zu Eile, zu großer Eile aufrief.

Die Pferde schäumten vor Müdigkeit im Hof des Palastes, nun endlich frei von der Last der Menschen. So erfuhren die Diener der Festung von der Ankunft der Herrin, und die kalten Räume begannen, sich mit Lärm und Leben zu füllen: in den Kaminen knisterten die Flammen und saubere Laken wurden auf den Betten ausgebreitet, wo die Herrin und ihre Mägde die Nacht verbringen würden.

Die treue Amme hatte Anweisung gegeben, hier in dem Palast, in dem Giulia geboren und aufgewachsen war, das Gemach herzurichten, das sie als Mädchen bewohnt hatte.

Die alte Frau wusste genau, dass Giulia als Herrin der Festung das Herrengemach vorbehalten war, das auch ihre Eltern jahrelang bewohnt hatten. Aber Onofria wusste auch, dass ihre Iulia tiefen Kummer empfand nach dem Verlust, den sie in den vergangenen Tagen erlitten hatte, und sie wollte nicht, dass die Geister ihres vergangenen Lebens Giulia noch mehr wach hielten, als sie es ohnehin schon war.

Sie lächelte, als sie sah, wie ihre Herrin ohne zu zögern auf ihr Gemach zuging, kurz auf der Schwelle verweilte, bevor sie eintrat und die Tür hinter sich schloss.

***

Giulia fand sich in ihrem Mädchengemach wieder, mit den Fenstern, die auf ihre geliebte Insel Bisentina hinausgingen.

So viele Erinnerungen...

Sie legte ihren Umhang ab, legte ihn auf das Bett und näherte sich mit langsamen Schritten dem Fenster, das nur den Blick auf die tiefe Dunkelheit der Nacht freigab: Es war, als stünde sie vor ihrer Seele, entblößt und vom eisigen Wind gepeitscht.

Sie verharrte einige Augenblicke so, den Blick ins Leere gerichtet, bevor sie sich vor den Frisiertisch setzte und einen langen Seufzer ausstieß.

Onofria klopfte leise an die Tür und als sie keine Antwort erhielt, öffnete sie die Tür und schaute vorsichtig ins Zimmer hinein. Als sie Iulia bewegungslos dort sitzen sah, näherte sie sich ihr mit sanften Schritten.

„Madonna Iulia, soll ich euch behilflich sein, euch für die Nacht vorzubereiten?", flüsterte sie ihr zu.

Giulia wandte langsam den Kopf, nickte und blickte die alte Amme traurig an. Normalerweise war diese Aufgabe jetzt Berna anvertraut, aber Onofria wollte an diesem Abend voller Emotionen und Erinnerungen in der Nähe ihrer Herrin sein.

„Onofria, ich dachte, dieser Tag würde nie kommen, und doch sind wir hier... ich bin wieder Witwe..."

Giulias Augen füllten sich mit Tränen: Im Verlauf ihres Lebens konnte sie die Gefühle, die ihre Brust erfüllten, selten zum Ausdruck bringen, aber in dieser Nacht, an diesem Ort, konnte sie sich nicht zurückhalten.

Diese Mauern, die sie auf die Welt kommen und aufwachsen sahen, vermittelten ihr gemischte Gefühle, Liebe und Abscheu zugleich: Sie fühlte sich verloren ohne ihren geliebten Giovanni. Morgen würde es irgendwie weitergehen, aber an diesem Abend wurde sie von einer Welle von Gefühlen überrollt, die sie nicht losließ.

„Hier zu sitzen, in diesem Gemach, in diesem Palast, in Abwesenheit all der Menschen, die Teil meines Lebens waren, meiner Brüder, meiner Schwestern, meiner Mutter und meines Vaters, hat etwas Unwirkliches."

Onofrias geschickte Hände hatten begonnen, an den Zöpfen und Haarnadeln zu nesteln, um Giulias Haar zu lösen. Diese Berührung versetzte sie in ihre Jugend zurück, in die sorglosen Stunden, in denen ihr die geduldige Amme die Haare frisierte, in das kokette Geplauder und in die Naivität ihrer Seele, die noch nicht die Intrigen und Kompromisse kannte, die diese abscheuliche Welt fordert.

„Mein Kind, das ist das Leben, Begegnungen und Abschiede, Ankünfte und Abreisen, mit einem einzigen sicheren Datum: der Tod."

„Und dann mein Bruder Alessandro, der sich nicht einmal herabließ, auf meine Botschaft zu antworten... als ob ich wirklich seine Erlaubnis bräuchte, um meinen Gemahl auf der Bisentina begraben zu lassen..."

Unter Onofrias geschickten, betagten Händen glitten die Knöpfe einer nach dem anderen aus den Knopflöchern: Wie oft hatte sie diese Geste schon wiederholt...?

„Betrübe dich nicht, Iulia, dein Bruder wird mit seinen Aufgaben beschäftigt sein, er hatte sicher nicht einmal Zeit, deine Botschaft zu lesen..."

Das Kleid glitt zu Boden, und Giulia erschauerte augenblicklich. Der plötzliche Temperaturunterschied ließ sie zusammenzucken, so dass sie schnell in das kalte Nachthemd schlüpfte, das die alte Frau ihr reichte.

„Es mag so sein, wie du sagst, Onofria, aber trotzdem habe ich allmählich genug von all diesen Formalismen, all diesen Vortäuschungen, hinter denen sich abgrundtiefe Leere verbirgt."

Ein Windstoß, der stärker war als die anderen, schlug gegen die Fensterläden und ließ sie auf beängstigende Weise vibrieren. Giulia fröstelte, dann nahm sie das Gespräch wieder auf und umschloss die Hand der Amme mit dem sanften Druck ihrer Hände.

„Nur du, Onofria, bleibst von der Vergangenheit übrig. Nur du und eine Flut von Erinnerungen, die sich in meinen Kopf drängen. Hoffen wir, dass uns der Nordwind morgen verlässt."

Und mit diesen Worten schlüpfte sie unter die Decken, wo Onofria einen mit Glut gefüllten Bettwärmer platziert hatte.Die warmen Laken hüllten sie in eine wohlige, tröstliche Umarmung, der sie sich vollkommen hingab.

Giulia genoss die liebevollen Aufmerksamkeiten ihrer Amme, die diese ihr seit sie auf der Welt war treu und ergeben zuteilwerden ließ. Die Bettdecken richtend dachte die Amme an die Kinderzeiten ihrer Herrin in denselben Mauern und zog sich dann still und lächelnd zurück.

* * *

Onofria hätte Berna gerne erlaubt, Giulia auf die Bisentina zu begleiten, zu viele Erinnerungen verbanden sie mit diesem Ort, aber die Herrin war unerbittlich: Sie wollte, dass beide Frauen sie begleiteten, um ihrem geliebten Giovanni die letzte Ehre zu erweisen.

Die einheimischen Fischer hatten der ihr zwei Boote zur Verfügung gestellt: In dem einen fuhren der Sarg und die beiden Männer, die den Sarg auf ihren Schultern tragen sollten, in dem anderen fanden die drei Frauen Platz.

Berna klammerte sich mit den Fingernägeln an die Planke, auf der sie saß, und zitterte vor Kälte und, bei jedem Schwanken des Bootes, vor Angst: Es war das erste Mal, dass sie das trockene Land verließ und sich auf ein Gewässer wagte. Sie beobachtete ihre Herrin, die aufrecht am Bug stand und mit jedem Ruderschlag die Insel näher kommen sah. Der Steuermann, dessen Gesicht trotz der kalten Jahreszeit von der Sonne gebräunt war, stieß das Ruder so kräftig ins Wasser, dass Spritzer des eisigen Wassers aufstiegen.

Tausend Erinnerungen drängten sich der Witwe auf: Sie dachte zurück an die Zeit, als sie auf der Insel Zuflucht gefunden hatte, als die Bewegungen ihrer Seele zu mächtig waren, um beherrscht zu werden, sie dachte zurück an die Vergangenheit und die Verwüstung, die dem Willen und den Wünschen anderer widerfahren war.

Sie dachte an Giovanni und den Respekt, den er ihr immer entgegengebracht hatte. Sie dachte über sich selbst und ihren Werdegang nach und bemerkte nicht, dass das Boot zwischen den beiden majestätischen, die Anlegestelle auf der Insel markierenden Sommereichen 2 angekommen war.

Der Fischer, der sie zur Insel geführt hatte, sicherte das Ruder an Bord und sprang auf den kurzen Steg, an dem sie angedockt hatten und ließ das kleine Boot dabei beängstigend tanzen.

Bern versenkte ihre Fingernägel weiter in die Planke, während der Mann seine trockene, schwielige Hand nach Giulia ausstreckte und ihr half auszusteigen, gefolgt von Onofria und Berna.

Die Herrin ging ein paar Schritte auf das Dickicht der Insel zu und sah, wie sich Berna, noch verängstigt von der Überfahrt, am Arm des armen Mannes festkrallte, um das Festland wieder zu erobern. Berna klammerte sich an Onofria, um die letzten Meter des Stegs zu Fuß zurückzulegen, als mit einem Rauschen des Wassers das andere Boot ankam.

Das Geräusch von Seilen, die über das Holz des Kais geworfen wurden, ließ Giulia sich umdrehen und weckte sie aus ihren Gedanken: Der Sarg war mit Seilen verschnürt worden, um ihn auf den Kai hieven zu können. Instinktiv hob sie eine Hand zu den Männern von Carbognano, als wolle sie sie bitten, Rücksicht auf ihren Mann zu nehmen, senkte sie aber sofort wieder.

Auch der Fischer, der die Frauen übergesetzt hatte, schloss sich den anderen Männern an. Gemeinsam nahmen sie den Holzsarg vom Boden des Bootes auf und legten ihn auf ihre Schultern.

Onofria befreite sich aus Bernas Händen und warf mit einer einzigen Geste ein schwarzes Samttuch über den Sarg, das sie mit steifen Fingern zurechtrückte, während die scharfe Morgenbrise den Sarg leicht in Bewegung brachte.

Der Leichenzug bewegte sich über das taufeuchte Gras, das die schwarzen Gewänder der drei Frauen bald durchnässte. Das Grün der dichten Vegetation war noch nicht von den ersten Strapazen der kalten Jahreszeit gezeichnet, und einige bunte Blumenkronen hielten sich tapfer zwischen den gepflegten Hecken. Die Klostermauer kam mit jedem Schritt näher, als wolle sie dem kleinen Trauerzug entgegenkommen, bereit - wie ein symbolisches Bollwerk gegen das Böse - das Kloster und die Kirche vor irdischen Versuchungen zu schützen.

Giulia wusste, dass diese Mauer eine Grenze zwischen ihrer Familie und ihren Gästen und den Franziskanern darstellte: Wenn die Farnese auf der Insel weilten, durften die Mönche den Bereich des Klosters nur für religiöse Zwecke verlassen. An diesem Tag wartete eine Gruppe von Mönchen vor der Mauer auf sie, um ihnen diesen traurigen Dienst zu erweisen.

Im Inneren der Kirche vergoss der Weihwasserwedel Tränen auf den Samt, der den Sarg umgab, während dieser in die klaffende Öffnung eines der Nebenaltäre auf der linken Seite hinabgelassen wurde. Die Brüder sangen ihre Psalmen mit tiefer Stimme und beteten für die Seele des Verstorbenen.

Dann wurde der Grabstein herabgelassen um die gähnende Öffnung zu verschließen, die Giovannis Körper aufgenommen hatte.

Das Geräusch des Steins, der sich mit dem Boden vereinte, hallte unwiderruflich zwischen den geweihten Wänden wider.

IN VE CHITO

Giulia hatte nicht noch eine Nacht fern von Carbognano schlafen wollen, als ob die Rocca di Capodimonte und ihr geliebter See sie stören würden.

Ihr Geist war zu überladen, um auch mit den Erinnerungen an eine Vergangenheit fertig zu werden, die ihr manchmal wie gar nicht gelebt vorkam.

Deshalb beeilten sich Onofria und Berna, sobald sie die Festung erreicht hatten, die wenigen Dinge zusammenzusuchen, die die Herrin mitnehmen wollte, während diese im Garten verweilte, der sich am Fuße des strengen Baus erstreckte.

„Onofria, ihr dient unserer Herrin schon seit vielen Jahren, nicht wahr? Ihr bewegt euch in diesen Mauern, als ob es euer Zuhause wäre..."

„Und das war es, du neugieriges Mädchen..."

„Ihr habt also die Magna Graecia und Spanien bereist! Ich erkannte es, als wir auf das Boot stiegen... Ihr hattet überhaupt keine Angst, ich schon..."

„Gesegnetes Kind, du hast noch viel zu lernen!"

Die Gewänder der Herrin wurden gefaltet und in die Truhe gelegt, das Bett gemacht.

Die beiden Frauen waren bereit, in den Hof hinabzusteigen und alles auf den Planwagen zu laden, der sie zurück nach Carbognano bringen sollte.

Berna schaute aus einem der Fenster, die zur Belüftung der Räume offen gelassen worden waren: Die kalte Luft streichelte ihre Wangen wie eine eisige Hand. Sie wollte die Fensterläden schließen, hielt aber inne, als sie ihre Herrin im Garten sah, die über die steinerne Brüstung hinausblickte, den Blick auf die weite Wasserfläche in Richtung der Insel gerichtet, wo sie gerade die sterblichen Überreste ihres Mannes begraben hatte.

„Madonna Iulia hat wirklich Pech... man hat mir erzählt, dass Messer Orsino, ihr erster Ehemann, unter dem eingestürzten Dach seines Schlafgemachs im Schloss Bassanello erdrückt wurde, und nun, da sie diesen gütigen Signor Giovanni gefunden hatte, hat auch er sie allein gelassen."

„Berna, du Dummkopf, Madonna Iulia braucht keinen Mann. Sie ist auch allein stark, sonst wäre sie nicht da, wo sie ist, und würde das Lehen Carbognano als Lehnsherrin nicht so souverän regieren!"

Berna drehte sich um, erstaunt über den Eifer, der in Onofrias Worten mitschwang, aber die alte Frau hatte den Raum bereits verlassen und mit ihr war auch die Truhe mit den Gewändern der Herrin verschwunden. Sie zog die Vorhänge vor, warf noch einmal einen Blick auf den See und ging unwillig hinunter in den Hof, um sich wieder auf die Reise zu machen.

* * *

Die Rückfahrt kam ihnen, wenn überhaupt, noch länger vor als die Fahrt am Vortag: Die Unebenheiten der Straße schienen noch ausgeprägter zu sein, und die Stille im Planwagen war so schwer, dass sie in ihm widerzuhallen schien.

Bei der ersten Poststation, wo der Kutscher die Pferde tränkte und ausruhen ließ, nutzte Berna die Gelegenheit, um aus dem Planwagen auszusteigen. Es war das erste Mal, dass sie Carbognano verlassen hatte und selbst ein einfacher steinerner Brunnen, an dem die Pferde tranken, erschien ihr staunenswert. Der gefrorene Boden knirschte unter den Schritten der jungen Frau, während sie zum Planwagen zurückkehrte.

„Madonna Iulia", sagte sie und wandte sich an ihre Herrin, "wenn Ihr erlaubt, würde ich die Reise gerne neben dem Kutscher sitzend fortsetzen, um etwas Luft zu bekommen..."

"... und um vielleicht ein bisschen zu plaudern, nicht wahr, Berna?" Giulia konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen: Das alte Mädchen schaffte es immer wieder, mit unpassenden und spontanen Kommentaren die dunkelsten Momente zu verharmlosen,ohne es zu wollen. Sie nickte Berna zu und sprach dann, während sie ihren Blick mit Onofria kreuzte, laut einen Gedanken aus, der ihr durch den Kopf schoss.

„Ich habe das arme Mädchen mit meinem langen Gesicht wohl genug betrübt, aber du weißt nur zu gut, was es für mich bedeutet, an meinen See und in die Heimat zurückzukehren, in der ich geboren und aufgewachsen bin."

Onofria schaute ihr gerade in die Augen, ohne Angst, Traurigkeit darin zu lesen. Mit einem leichten Ruck setzte sich der Planwagen leicht hin und her schaukelnd wieder in Bewegung.

„Jetzt kennst du auch den beschwerlichen Weg, den ich beschritten habe, um Herrin meines Schlosses zu werden. Du warst immer an meiner Seite... Berna hat mich erst vor ein paar Jahren kennengelernt, und sie kann es nicht wissen... aber vielleicht ist es wirklich besser so."

Giulia sah, wie Onofria sich leicht zu ihr hinunterbeugte: Sie schloss die Augen und spürte die beruhigende, leichte, trockene Berührung der warmen Hand, die ihr Gesicht streichelte und sie auf magische Weise wieder Kind sein ließ.

„Iulia pulcherrima3, es gibt niemanden, der Euch den Weg, den Ihr eingeschlagen habt, vorwerfen kann. Ihr seid eine starke, fähige Frau, und euer Vater wäre stolz darauf, zu sehen, was Ihr aus eigener Kraft geworden seid!"

Giulia öffnete ihre Augen wieder, und die weise Onofria las in ihnen das Bedürfnis ihrer Herrin, diese Worte zu hören.

Sie lächelten beide.

* * *

Am nächsten Morgen wachte Giulia früh auf, erfrischt von ihrer Nachtruhe. Sie durchquerte den seltsam menschenleeren Saal und genoss die Stille. Sie fühlte sich voller Energie und beschloss, direkt zu den Ställen zu gehen, ohne vorher etwas zu essen.

Sie trug die Beinkleider ihres Mannes Giovanni, die sie mit einem ledernen Band so gut es ging hochhielt. Gefangen in einem unglaublichen Strudel von Gefühlen fühlte sie sich seltsamer Weise dennoch wohl.

Obwohl die Stallknechte in ihre Arbeit vertieft waren, hoben sie den Blick als sie ihre Schritte wahrnahmen: Giulia bemerkte Neugier und Überraschung in ihren Gesichtern. Zuerst sah sie, wie sie sich gegenseitig Blicke zuwarfen, als würden sie sie nicht erkennen. Dann kamen nach und nach Verwirrung und Überraschung darüber auf, dass sie ihre geliebte Herrin in diesen seltsamen Gewändern wiederkannten.