Jace & Malick - Jay Boss - E-Book

Jace & Malick E-Book

Jay Boss

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Beschreibung

Ein vernarbter Alpha Ein verführerischer Omega Und eine Nacht, die beide nicht vergessen können Jace hat einen Plan: einen reichen Alpha zu heiraten, um seinen Geschwistern endlich ein gutes Leben zu ermöglichen. Von diesem Plan wird er keinen Millimeter abweichen. Niemals. Nicht mal, wenn die Vergangenheit in Form eines tätowierten Riesen ins Triple Fox Café marschiert und seine Knie weich werden lässt. Denn leider gab es vor langer Zeit einen Alpha, der ihn fast vom Kurs abgebracht hätte: Malick St. Clair. Jace darf sich auf gar keinen Fall wieder von ihm ablenken lassen! Egal, wie rau Mals Stimme ist und wie sehr Jaces Herz rast, wenn er in seiner Nähe ist. Denn leider ist Mal immer noch der einzige Alpha, der ihm gefährlich werden kann ... Nie hätte Mal gedacht, dass er bei seinem letzten Auftrag Jace Kaida begegnet. Ausgerechnet Jace, dem geldgeilen kleinen Mistkerl, der ihm damals das Herz gebrochen hat. Doch als der Ex-Soldat und Leibwächter das kuschelige Café betritt, ist Jace da und sofort glüht die Luft zwischen ihnen. Er muss Jace die kalte Schulter zeigen, egal, wie oft der sich an ihn heranmacht. Egal, wie gierig die Blicke sind, die der Omega ihm zuwirft und egal, wie stark er immer noch auf dessen hinreißenden Duft reagiert. Denn Mal hat einen Job zu erledigen, und der ist, Jaces Kollegen zu schützen. Aber als Jace in Lebensgefahr gerät ist Mal der Einzige, der ihn retten kann. Falls er es schafft, die Finger von ihm zu lassen. Und ganz bestimmt sollten sie keine Gefühle füreinander entwickeln ... »Das Omega-Café: Jace & Malick« ist ein süß-scharfer MM Omegaverse-Roman. Er hat 86.000 Wörter, was ungefähr 410 Buchseiten entspricht. Die Romane der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein Happy End.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Jace
Mal
Jace, damals
Mal, damals
Jace
Mal
Jace
Mal
Jace
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Jace
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Jace
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Jace
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Jace
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Jace
Mal
Jace
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Jace
Mal
Jace
Mal
Jace
Mal
Jace

Jace

 

Er konnte es nicht sein.

Es war vollkommen unmöglich, dass Malick St. Clair die Tür ihres gemütlichen Cafés aufstieß, seinen gigantischen Körper hereinschob und alles durcheinanderbrachte.

Vor allem Jaces Herzschlag. Der stolperte, rappelte sich wieder auf und raste los, als wollte er die letzten fünf Jahre aufholen. Jace kannte dieses Gefühl, und er hatte es kein bisschen vermisst.

So gar nicht.

Bis vor wenigen Sekunden hatte er geglaubt, alles sei auf dem richtigen Weg. Das Triple Fox Café war voll, die Luft schwang vor Gelächter und angeregten Unterhaltungen und die Sonne schien durch die blitzblanken Scheiben. Der Duft frischer Zimtschnecken kitzelte Jaces Nase, weil Masashi hinten in der Küche zugange war. Vorne wuselten Vinh und er zwischen den Tischen hin und her, scherzten mit den Gästen und freuten sich über all das Geld, das reinkam.

Jaces Portemonnaie war prall gefüllt. Beruhigend schwer baumelte es unter seiner weißen Schürze und erfüllte ihn mit Zufriedenheit. Sein Arsch schmerzte immer noch, aber das war egal. Die Hitze mit Luther zu verbringen, war absolut die richtige Wahl gewesen. Der Alpha war zwar grob und ungeschickt, aber er zahlte immer den vollen Preis. Und er zahlte vorher. Darauf bestand Jace aus bitterer Erfahrung.

Fünfhundert Dollar, dachte er. Plus mindestens fünfzig Dollar Trinkgeld allein heute, das zahlte ihr Essen für zwei Monate oder die Schulgebühren für seine Geschwister, oder schlicht: die Miete. An die Schulden, die sie hatten, wollte er gerade nicht denken.

Er wünschte, er wäre öfter in Hitze als nur einmal im Monat. Dann müsste er nicht zusätzlich putzen gehen. Obwohl, wenn er nicht mehr putzte, würde er nicht mehr ins Mondseeviertel kommen, und da hatte er die größten Chancen, einen reichen Mann aufzugabeln …

»Du siehst heute echt gut aus«, flüsterte Nino, ein Alpha und Stammkunde. Lüstern betrachtete er Jace.

»Ich weiß«, sagte Jace mit einem frechen Grinsen. »Trotzdem Danke«.

Im Weggehen schwang er seinen Arsch ein bisschen mehr, als nötig gewesen wäre und spürte Ninos Blick. Machte Sinn, die Stammkunden bei Laune zu halten. Und Nino war zwar nicht reich, aber eine solide Geldquelle. Auch mit ihm hatte Jace schon eine Hitze verbracht.

Er stolzierte zwischen den Tischen hindurch wie ein Kater, den Kopf hoch erhoben, die langen Beine gestreckt. Ein prüfender Blick in den Spiegel offenbarte zwei Dinge:

Erstens: Er sah immer noch so gut aus wie heute Morgen. Die blonden Haare waren kunstvoll verwuschelt, das pflaumenfarbene Shirt schmiegte sich an seinen schlanken Oberkörper und die vollen Lippen glitzerten dank des Himbeer-Lipglosses, den er aufgetragen hatte. Absolut atemberaubend. Der schönste Omega im Triple Fox Café, ja, vielleicht sogar in ganz Zeman, ach was: in New Pyon City.

Und zweitens: Die Hälfte aller anwesenden Alphas hatte das auch kapiert und zog ihn mit ihren Blicken aus.

Jace lächelte. Genauso musste es sein. Dieser Körper war seine einzige Waffe, und er würde alles aus ihm herausholen, was er konnte.

Gutgelaunt balancierte er das Tablett in die Küche und lud das dreckige Geschirr ab. Masashi holte gerade ein Blech voller Croissants aus dem Ofen. Seine Wangen waren gerötet von der Hitze und das dunkle Haar fiel ihm in die Stirn. Wenn Jace nicht gewesen wäre, wäre Masashi der schönste Omega im Triple Fox gewesen, eindeutig.

»Das riecht gut.« Jace konnte den lüsternen Unterton nicht ganz aus seiner Stimme heraushalten.

Masashi lächelte das winzige Lächeln, das er nur Vinh und Jace schenkte. »Willst du eins probieren?«

»Ich kann nicht.« Jace seufzte. »Ich habe schon all meine Vormittagskalorien verfuttert, als du die Zimtschnecken gebacken hast.« Er schmollte. »Führ mich nicht in Versuchung, ja?«

»Ich werde dir nichts mehr anbieten«, sagte Masashi ernsthaft. »Erst nachmittags. Da mache ich Matchabrötchen.«

Jaces Lieblingsgebäck. Er stöhnte leise. »Masa, wenn du ein Alpha wärst, dann könntest du mich den ganzen Tag lang vögeln, und du müsstest nicht mal dafür bezahlen. Für eins von deinen Matchabrötchen lasse ich alles mit mir machen.«

Masashi errötete, aber dann lachte er. »Was denn zum Beispiel?«

»Also«, begann Jace, aber dann stürzte Vinh in die Küche.

»Hunger!«, rief der braungelockte Omega und schnappte sich eins der Croissants vom Blech. »Oh Gott, wie die duften … ah! Heiß!« Er warf das Croissant in die Luft und fing es wieder auf. »Au! Au!« Er jonglierte mit dem Gebäck, bis es abgekühlt war, dann verschlang er es mit drei Bissen.

»Du frisst uns die Haare von Kopf«, sagte Jace, überhaupt nicht neidisch.

»Ich esse für zwei«, sagte Vinh und schnappte sich das nächste Croissant.

»Na ja.« Jace deutete auf Vinhs Bauch, der sich nur minimal unter der weißen Schürze wölbte. »Der Kleine ist doch höchstens so groß wie eine Bohne. Maximal eine Walnuss.«

»Ich brauche halt viel Energie.« Das zweite Croissant war schon halb verputzt. Genießerisch leckte Vinh sich über die Lippen. »Mmh. Masa, die sind absolut umwerfend.«

»Danke.« Masashi deutete auf Jace. »Jace wollte mir gerade erklären, welchen Schweinkram er für meine Matchabrötchen machen würde.«

»Oh, erzähl mal.« Vinh wackelte mit den Augenbrauen. »Vielleicht kann ich noch was lernen. Cy wird sich freuen.«

»Cy wirkt ziemlich zufrieden mit dem, was er bekommt.« Jace lachte. »Der schaut dich an wie ein ganzes Regal voller Matchabrötchen.«

»Echt?« Vinh kratzte sich am Nacken und sah so überglücklich aus, dass es Jace einen kleinen Stich versetzte. Das, was Vinh und Cyrus hatten, war für ihn unmöglich. Aber er würde auf seine eigene Weise glücklich werden, auch ohne die echte, eine, wahre Liebe zu finden.

»Du wirst ja ganz rot«, neckte Jace ihn. »Ist dir noch gar nicht aufgefallen, dass dein Alpha verrückt nach dir ist?«

»Er hat da sowas angedeutet.« Vinh kicherte. »Als er mich heute Morgen beim Frühstück vernascht hat, ist ihm vielleicht rausgerutscht, dass er mich ganz nett findet.«

»Ganz nett.« Jace verdrehte die Augen. »Der ist absolut verschossen in dich.«

Vinh zuckte mit den Achseln, aber er strahlte. Seit er mit Cyrus Verdugo zusammen war, leuchtete er heller als ein Scheinwerfer.

»Oh, da gibt es noch etwas, das ihr wissen solltet.« Auf Vinhs Stirn erschien eine Falte. »Irgendwer droht der Verdugo-Familie. Briefe und seltsame Fotos und so. Das kommt wohl alle paar Jahre mal vor, und sie sind schon dabei, das zu regeln. Aber … Also, Cy macht sich Sorgen um mich. Und um das Café und euch natürlich auch. Er will mir einen Bodyguard organisieren. Damit ich sicher bin.« Er rammte die Hände in die Hosentaschen. »Keine Ahnung. Er weiß genau, dass ich mich selbst verteidigen kann, aber es ist ihm wohl wichtig, weil …« Mit dem Kinn deutete er auf seinen Bauch.

»Natürlich macht er sich Sorgen um dich.« Masashi klang sehr sanft. »Wir wissen alle, wie stark du bist, aber du musst doch nicht alles alleine schaffen. Vor allem in deinem Zustand.«

»Genau.« Jace lächelte. »Heißt das, dass dieser Bodyguard jetzt ein paar Tage lang hinter dir herläuft?«

»Ich schätze, er sitzt einfach im Café wie ein Gast.« Vinh räusperte sich. »Ich habe Cy gesagt, dass der Typ auch etwas bestellen soll, wenn er schon einen ganzen Tisch einnimmt. Aber ihr kennt Cy ja. Das hat ihn nicht aufgehalten.«

»Ich schätze, der Verdugo-Erbe kann sich Kaffee und eine Zimtschnecke leisten«, sagte Jace. Er überlegte. »Sag mal, was sagt denn dein Bruder dazu, dass du in Gefahr bist? Anh ist doch bestimmt schon im Turbo-Papabär-Modus, oder?«

»Er weiß nichts davon.« Vinh kratzte sich an der Nase. »Karim und er machen doch endlich diese Motorradtour, die wollte ich ihnen nicht verderben. Wenn Anh hört, was los ist, heizt der mit 250 Sachen zurück nach New Pyon City.«

»Ja, wahrscheinlich«, sagte Jace. »Aber wenn ein Profi auf dich aufpasst … Ich schätze, das ist okay?«

»Hoffentlich.« Die Sache war Vinh deutlich unangenehm. »Und ich hoffe, dieser Bodyguard ist kein gruseliger Typ, der unsere Kunden vergrault.«

»Hm.« Jace sah an die Decke, wo sich ein altersschwacher Ventilator drehte. »Ich hoffe, er ist extrem durchtrainiert und hat schön enge Klamotten an. Dann haben wir was zu gucken, wenn wir die anderen Gäste bedienen.« Er sah sich zu Masashi um. »Was denkst du? Bist du auch für ein bisschen Augenzucker? Auf was für Kerle stehst du, Masa? Groß und tätowiert oder elegant und schmal?«

Masashi wiegte nichtssagend den Kopf hin und her, wie immer, wenn das Thema aufkam. Seit sie sich kannten, hatte Masashi kein Interesse an irgendwem gezeigt, weder Alpha noch Omega.

»Groß und tätowiert ist doch eher was für dich, Jace«, sagte er schließlich. »Wenn du mal einem Alpha hinterherschmachtest, ist er meistens so groß, dass er fast an die Decke stößt und so tätowiert, dass man keine Haut mehr sieht.«

Allein die Worte sandten wohlige Schauer durch Jaces Mitte. Er wusste auch nicht, woran es lag, aber allein der Gedanke, mit den Fingerspitzen über warme, verzierte Haut zu streichen, machte ihn so scharf, dass seine Hose enger wurde.

Nun, eigentlich wusste er, warum er so auf tätowierte Riesen stand. Aber er wollte nicht darüber nachdenken. Diesen Teil seiner Vergangenheit hatte er in ein sicheres Gefängnis gesperrt und den Schlüssel weggeworfen.

Doch einen Moment lang kroch eine Erinnerung durch die Gitterstäbe: starke Finger, die sich mit seinen verschränkten. Sein Name, geflüstert von einer Stimme, die so rau war, dass er sie kaum verstand.

Jace, ich …

Jace ballte die Fäuste und drängte das Gefühl zurück.

Das ist Geschichte, dachte er. Lange her. Sehr lange.

Wie lange eigentlich? Mindestens fünf Jahre. Seit Malick St. Clair ihn benutzt hatte wie ein altes Taschentuch.

Na ja, egal. Jace hatte schon damals einen Plan gehabt, und Mal hätte ihn nur dabei aufgehalten.

Es war ein verdammt guter Plan: einen reichen Mann finden. Heiraten, oder sich wenigstens aushalten lassen und alles in Ordnung bringen, was sein Papa verbockt hatte. Und wenn danach noch ein paar Cent übrig waren … Nun, dann würde er sich auch nicht beschweren.

Nachher, wenn sie das Café abschlossen, würde er wieder ins Mondseeviertel fahren und putzen, und eine Welt sehen, die er sich sonst kaum hätte vorstellen können. Er würde an der Goldenen Nadel vorbeifahren und versuchen, in die Zimmer zu spähen, deren Fenster geöffnet waren. Und träumen.

Hungriges Sehnen erfüllte seinen Körper. Er würde es schaffen. Er musste es schaffen. Endlich waren sie ein Stück weiter gekommen. Endlich lief das Café gut genug und er hatte seine Geschwister aus Kjell rausgeholt. Er durfte jetzt nicht zurück. Er würde sich den Arsch aufreißen, um weiterzukommen. Und er würde sich den Arsch wundficken lassen, solange es bedeutete, dass sie nicht zurückmussten. Er würde alles tun, damit sie nie wieder einen Fuß in das verdammte Viertel setzen mussten, in dem sie aufgewachsen waren.

Er blickte nach draußen, durch die Scheibe, in den Sonnenschein. Auf eine schmale, ruhige Straße, die von Bäumen gesäumt war, und auf der fast nie jemand abgestochen wurde. Bobby hatte erzählt, dass es in seiner neuen Schule noch nicht eine einzige Prügelei gegeben hatte. Niemand hatte ein Messer dabei und fast niemand trank in der Pause heimlich Bier. Seine Geschwister sahen ausgeruhter aus. Erholter. Fast wie Kinder in der Werbung oder so, weil sie sich nicht mehr ständig umschauen mussten, weil sie in einer ruhigen Wohnung mit netten Nachbarn lebten. Weil endlich Ruhe eingekehrt war.

Für sie zumindest.

Jace musste sich weiter abstrampeln, aber das würde besser werden. War Zeit, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und einen reichen Stecher zu finden.

Ein Mann verdunkelte den Eingang zum Café, ein düsterer, hochgewachsener Alpha im Anzug, der die Tür aufstieß, als würde der Laden ihm gehören. Jace tippte Vinh auf die Schulter.

»Cy ist da.«

Vinhs Gesicht leuchtete auf. Wie ein Falke schoss er durch das Triple Fox Café und warf sich in Cys Arme.

»Hey«, hörte Jace ihn sagen.

»Hey.« Cys Miene wurde weicher. Vinh und er versanken in einem Kuss, der so leidenschaftlich war, als hätten sie sich nicht erst vor ein paar Stunden gesehen. Ein fieses Gefühl nagte an Jace. Eifersucht. Er würde nie so etwas erleben … egal.

»Ganz egal«, murmelte er, so leise, dass nicht einmal Masashi es hörte. Dann schnappte er sich sein Tablett und stellte zwei Tassen darauf. Tisch 3 hatte zwei Cappuccinos, zwei Zimtschnecken und einen großen Salat bestellt, und sie sollten nicht zu lange darauf warten.

Vinh hatte den Jackpot erwischt, und wenn jemand den Jackpot verdiente, dann war es Jaces bester Freund. Der hatte sich komplett versehentlich einen Alpha geangelt, der nicht nur reich und attraktiv war, sondern Vinh auch noch über alles liebte. Und er war schon schwanger von ihm. Was ein Versehen gewesen war, aber trotzdem ein sehr guter Schachzug, wenn er es geplant hätte. Vinhs Sorgen waren vergangen … na ja, bis auf diesen Typen, der die Verdugo-Familie bedrohte. Um den schien er sich viel zu wenig Sorgen zu machen.

»Hallo Cy«, sagte Jace, als er an den beiden vorbeiging. Cys Blick streifte ihn, einen Moment lang.

»Hallo, Jace.« Kühl, aber friedlich. Vinhs Verlobter mochte Jace nicht besonders, na ja, kein Wunder. Jace war auch kein großer Fan von Cy. Als der stinkreiche Alpha zum ersten Mal in ihr Café gekommen war, hatte Jace versucht, ihn zu verführen, und war abgeblitzt. Cy sah ihn als genau das, was er war: einen Goldgräber, der sich einen reichen Alpha schnappen wollte. Und Jace fand nicht, dass er sich deshalb schämen sollte.

Er bediente die beiden Omegas an Tisch 3 und nahm dann eine Bestellung an Tisch 7 auf, bevor er sich Tisch 5 zuwandte. Dort saß ein Alpha, den er beim ersten Hereinkommen als »vielversprechend« eingestuft hatte. Der Mann trug keinen Anzug, sondern ein graues Shirt und Jeans, aber beide saßen so auffällig gut, dass Jace gleich klargewesen war, dass sie teuer waren. Der Typ hatte Geld, und zwar so viel, dass er nicht damit protzen musste. Ein Sohn reicher Eltern. Alles, von seinem glatten, sorgenfreien Gesicht, bis zu den perfekt sitzenden Haaren, roch danach.

Während er sich näherte, verarbeitete Jace die Eindrücke so schnell, dass sein Gehirn sirrte. Das selbstbewusste Lächeln im Mundwinkel des Alphas, die Überheblichkeit, mit der der Kerl die Speisekarte studierte. Etwas leuchtete in Jaces Hinterkopf auf. Dann sah er es: Die Haltung des Alphas war ein wenig zu perfekt, die Kleidung etwas zu gut sitzend, das arrogante Lächen leicht übertrieben. Der machte sich Gedanken um sein Aussehen. Um sein Auftreten. Und als der Alpha sich kurz umblickte, hatte Jace die Bestätigung. Dieser Mann war viel unsicherer, als er sich gab. Von einem Moment zum nächsten änderte Jace seine Strategie.

»Äh, hallo.« Er lächelte schüchtern und hielt das Tablett vor sich, als hätte er irgendeinen Grund, seinen Körper zu verbergen. »Hast du schon etwas gefunden oder soll ich noch einmal wiederkommen?«

Der Alpha blickte auf, und es war, als würde er wachsen, als würde er seine überteuerten Klamotten erst jetzt richtig ausfüllen. Seine Augen leuchteten auf. Er witterte Beute. Einen Omega, der unter ihm stand, der sich unterwerfen würde und der wunderschön war. Das perfekte Opfer für einen unsicheren Alpha.

Jace verkniff sich ein triumphierendes Lächeln. Stattdessen biss er sich auf die Unterlippe und neigte den Kopf.

Huch, ein gutaussehender Alpha, dachte er, um sich selbst von seinem Schauspiel zu überzeugen. Ich bin es nicht gewohnt, dass Alphas mich ansehen, ich schüchternes Mäuschen.

»Was kannst du denn empfehlen?« Der Alpha lehnte sich zurück und betrachtete Jace, als könnte er ihn mit den Augen abschlecken. »Hab gehört, die Zimtschnecken wären gut.«

Jace nickte eifrig. »Ja, die sind echt lecker. Magst du eine?«

Der Alpha schwieg und lächelte. »Isst du sie auch gerne?«

»Absolut.« Jace strahlte. »Die sind echt richtig gut.«

»Ganz sicher?« Wenn dieser Alpha ihn weiter so ansah, würde er ein Loch in Jaces Brust brennen. Ein ziemlich arrogantes Lächeln breitete sich auf den Lippen des Kerls aus. Jetzt, wo er glaubte, die Oberhand zu haben, war er all das, was er versuchte, zu sein. »Versprichst du, dass sie gut sind?«

Jace schaute leicht entsetzt und achtete darauf, dass sein Mund ein niedliches Herz bildete. »Also …«, stotterte er.

»Du bist ein bisschen schüchtern, oder?«

Jace sah zu Boden und fuhr sich durch seine absolut perfekten Haare. »Also. Möchtest du nun eine Zimtschnecke, oder …«

»Ich nehme eine«, sagte der Alpha gönnerhaft. »Und einen Kaffee. Schwarz.«

»Alles klar. Ich beeile mich.« Jace entschwand, schüchtern-verführerisch mit dem Hintern wackelnd, was wirklich eine Leistung war. Eigentlich hätte er Schauspieler werden sollen. Er spürte die Blicke des Alphas auf sich.

Angebissen, dachte er, und bekam die Bestätigung kurz darauf, als er die Zimtschnecke und den Kaffee brachte. Als er die Tasse hinstellte, legte der reiche Alpha-Sohn eine Hand auf Jaces Daumen. Jace zuckte zusammen, als wäre er so viel Körperkontakt nicht gewohnt. Dabei tat ihm der Arsch noch weh von der letzten Nacht.

»Wie heißt du?«, raunte der Alpha.

»Jace«, stotterte Jace und schaffte es durch pure Willenskraft, zu erröten. Das hatte er sich selbst beigebracht, als ihm klargeworden war, wie viele Alphas auf unerfahrene Omegas standen.

»Hallo Jace.« Der Alpha leckte sich die Lippen und schaute ihn an wie ein hungriger Wolf. Er war hübsch. Hübsch genug, um es eine Weile mit ihm auszuhalten, definitiv. »Ich bin Gavin.«

»Gavin.« Jace tat, als wäre das der erstaunlichste Name, den er je gehört hatte. Dann biss er sich erneut auf die Unterlippe, nur, um die Gier in Gavins Augen zu sehen. »Also. Genieß die Zimtschnecke, Gavin.«

»Das werde ich.« Gavin würdigte die Zimtschnecke keines Blickes. »Danke für die Empfehlung. Jace.«

War es Zeit für ein weiteres schüchternes Lächeln? Bestimmt. Jace entschied sich, noch einen scheuen Seitenblick draufzupacken.

Und erstarrte.

Ein Riese ragte hinter der Tür des Cafés auf, warf Schatten ins Innere und als er die Tür aufstieß, ging trotz der Sommerwärme ein kalter Wind durch den Raum. Die Glocke bimmelte. Jace bebte. Nicht aufgrund der Brise, sondern weil sein Körper wusste, was er selbst erst Sekunden später kapierte:

Mal.

Das war Mal.

Malick fucking St. Clair schob sich in das Triple Fox Café, ein breitschultriger Gigant, dunkel und tätowiert und so muskulös, dass Jaces Knie weich wurden und sein Mund nass. Nicht nur sein Mund. Sein ganzer verdammter Körper reagierte, als wäre er ein Teenager in Hitze. Aber es war verdammt schwer, bei diesem Anblick nicht feucht zu werden.

Bloße Arme, fett wie Baumstämme, schwellende Muskeln, überzogen mit einem Geflecht aus schwarzen Tattoos. Ein schwarzes Muskelshirt, eine schwarze Armeehose, unter der man das kraftvolle Spiel der Beinmuskeln erahnen konnte, und noch viel mehr. Sehr viel mehr. Jace versuchte, nicht auf Mals Schritt zu starren. Wenn ihn seine Erinnerung nicht trog, füllte der die Hose dort genauso gut aus wie überall sonst.

Mals Kampfstiefel brachten den abgetretenen Dielenboden des Cafés zum Zittern. Jace zitterte auch. Heiße Schauer schossen durch seinen Körper, auf und ab, und setzten seinen Unterleib in Brand.

Gut, dass er eine Schürze trug. Egal, wie sehr er sich dagegen wehrte, sein Schwanz bäumte sich auf und drängte gegen den Stoff seiner Unterhose.

Malick St. Clair wandte den rasierten Schädel. Er scannte den Raum. Seine Augen waren hinter einer schwarzen Sonnenbrille verborgen, aber Jace wusste ohnehin, wie sie aussahen: honigfarben, mit winzigen schwarzen Pupillen, wie die eines Tigers.

Mal war älter geworden. Sein voller Mund hatte einen harten Zug bekommen, und sein kantiges Kinn war von einem Bartschatten bedeckt, der Jaces Blut noch mehr in Wallung brachte als ohnehin schon. Mals Bewegungen hatten sich auch verändert. Kontrollierter, effizienter. Keine Geste war verschwendet.

Er ist zum Militär gegangen. Das hatte Vinh damals gesagt. Ben und er versuchen, die Aufnahmeprüfung bei Vantablack zu schaffen.

Sie hatten es geschafft, so viel wusste Jace. Aber nicht mehr. Mals Social Media-Profile, die wenigen, die er hatte, waren absolut nichtssagend. Nicht, dass Jace ihm folgte oder so. Überhaupt nicht. War ja außerdem normal, ab und zu zu schauen, was sein alter Kumpel machte.

Mal kam auf ihn zu. Jace straffte sich, völlig überrumpelt, wollte irgendetwas sagen, aber Mal schritt einfach an ihm vorbei, ohne ihn auch nur anzusehen.

Moment mal!

Ja, sie waren nicht im Guten auseinandergegangen, aber das war ja wohl ganz allein Mals Schuld gewesen! Der hatte aufgehört, mit ihm zu reden, nachdem …

Jace schluckte. Er erinnerte sich an Mals Hände auf seiner Haut, und er wollte es nicht. Warum sollte er daran denken, was er diesem Bastard gegeben hatte? Diesem Bastard, der danach prompt das Interesse an ihm verloren hatte?

Cy drehte sich zu Mal um und erhob sich. Und nickte. Die beiden riesigen Alphas standen sich gegenüber wie zwei sehr unterschiedliche Berge. Einer im Anzug, einer in einem Achselshirt, das wirklich nichts der Vorstellung überließ. Und doch ähnelten sie sich irgendwie. Die starre Haltung, das Pokerface. Vor langer Zeit hatte Jace geglaubt, dass er hinter Mals Maske schauen könnte, aber das war lange her und außerdem hatte er sich geirrt.

»Mr. St. Clair.« Cy deutete auf Vinh. »Das ist Vinh McDonald, mein Gefährte. Vinh, das ist …«

»Mal!« Vinh boxte Mal auf den Oberarm und lachte. »Was machst du denn hier?«

Mal öffnete den Mund und seine Stimme drang heraus wie ein Donnergrollen. »Hallo Vinh. Mr. Verdugo hat mich engagiert, um dich zu beschützen.«

»Was?« Vinh blinzelte. »Dich? Bist du jetzt ein Bodyguard?«

Mal nickte. Er war schon immer maulfaul gewesen, aber das waren ganz neue Ausmaße.

»Mr. St. Clair hat ausgezeichnete Referenzen«, sagte Cy. »Außerdem haben wir herausgefunden, dass ihr euch von früher kennt. Ich dachte, es wäre dir lieber, wenn dich jemand schützt, den du kennst.«

»Na klar ist mir das lieber!« Vinh lachte. »Mensch, Mal! Was hast du die ganzen Jahre getrieben? Warte, ich hol dir einen Kaffee, dann können wir quatschen.«

Cy schaute warnend. »Vor allem ist er hier, um auf dich aufzupassen.«

»Ach, das kann er doch auch mit einem Kaffee in der Hand. Setz dich, Mal.« Vinh deutete auf einen leeren Tisch. »Ist der gut?«

»Näher an der Tür wäre besser«, brummte Mal.

»Oh, dann der.« Vinh deutete auf einen anderen. »Hey, Jace! Schau mal, wer hier ist!«

Verdammt. Jace zuckte zusammen. Mal war an ihm vorbeigegangen, als wäre er Luft, aber das hatte Vinh wohl nicht mitbekommen. Und auch jetzt drehte Mal ihm seinen breiten Rücken zu.

»Jace arbeitet auch hier«, sagte Vinh, und Jace hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht. »Wir haben das Café zusammen aufgemacht, mit noch einem Freund. Wie cool, dass du mich beschützt. Das wird wie früher.« Er lachte, aber etwas weniger begeistert als vorhin. Die Atmosphäre wurde kühler, und selbst Vinh spürte das.

Mal nickte erneut. »Ich weiß. Mr. Verdugo hat mich über die Umgebung und deine Kontakte informiert.«

Er war also wirklich absichtlich an Jace vorbeigegangen. Was für eine absolute Frechheit! Die Wut gab Jace endlich genug Kraft, um sich zu bewegen und die paar Schritte zu machen, bis er vor Mal stand.

»Hi«, schnurrte er, legte den Arm um Vinh und sah Mal unter dichten Wimpern hindurch an. »Mal, richtig? Hab dich lange nicht mehr gesehen.« Als ob er Mals Namen vergessen könnte. Auch jetzt reagierte er auf den Alpha, als wäre der ungefähr tausend Grad heiß. Aus purem Trotz steckte Jace eine Hand in die Hosentasche, kippte die Hüfte und setzte seinen perfekten Körper noch mehr in Szene.

»Jace.« Eiskristalle klirrten in Mals Stimme. Seine Lippen bewegten sich kaum, als er den Namen ausspuckte wie eine lästige Fliege. Zwei Narben durchschnitten seine Oberlippe. Die waren neu. Genau wie der Hass in seiner Stimme.

Mal hob den Kopf, um Cy anzusehen. Endlich nahm er die Sonnenbrille ab, und seine Augen waren noch genau so hell wie früher. Aber es lag keine Freundlichkeit mehr darin.

»Ich checke als Erstes die Fluchtwege, dann die Umgebung. Heute Abend kommt mein erster Bericht.«

»Gut.« Cy wirkte zufrieden. Er verabschiedete sich von Vinh, mit einem Kuss, der einen Hauch zu heiß für die Öffentlichkeit war, und verschwand. Mal verschwand leider nicht. Systematisch durchsuchte er das Café und jagte Masashi vermutlich eine Heidenangst ein, als er sich die Küche ansah. Nachdem er sogar die Straße draußen angeschaut hatte, nahm er an seinem Tisch neben der Tür Platz, mit dem Rücken zur Wand, und holte ein zerknittertes Taschenbuch heraus.

Jace starrte ihn an. Immer wieder, während er Tische abwischte und Kunden bediente. Als er es nicht mehr aushielt, stiefelte er zu Vinh, der immer noch ganz rosig aussah, weil Cy hier gewesen war.

»Er hat mich ignoriert«, zischte Jace, so leise, dass es hoffentlich niemand mitbekam.

Vinh blinzelte. »Was? Wer, äh … oh.« Er kratzte sich am Kopf. »Ja, das war deutlich.«

In Jace brodelte es. »So ein Trottel.«

»Meinst du, er ist immer noch sauer wegen damals?«, fragte Vinh.

»Was hat der denn für einen Grund, sauer zu sein?«, murrte Jace.

»Jace …«

»So ein Blödmann.« Jace konnte sich nicht beherrschen: Er warf einen Blick zu Mal, der in seinem Buch las, ohne einen Muskel zu bewegen. Vermutlich las er gar nicht. Vermutlich tat er nur so und scannte in Wahrheit die Umgebung.

Mistkerl.

Das Schlimmste war, dass Jace ihn einen Moment lang gerochen hatte. Ein Hauch hatte gereicht: Er war so hart, dass es wehtat. Der Duft hatte ihn in die Vergangenheit geschleudert, in einen Nachmittag vor langer Zeit, an dem er diesen Duft auf seiner Haut gerochen hatte. Er holte tief Luft.

»Wir sollten ihm einen Kaffee bringen«, sagte Vinh. »Also, ich kann …«

»Tisch 1 ist mein Tisch«, knurrte Jace und fuhr sich durch die Haare. »Ich frage ihn, was er will.«

»Jace …«

»Ich werde absolut professionell sein.« Er richtete seine weiße Schürze.

»Ist gut.« Vinh betrachtete ihn. »Lass dich nicht ärgern.«

»Wer ärgert sich hier?« Jace sah in den Spiegel über der Theke. Zum Glück war er immer noch wunderschön. »Ich frage ihn, ob er einen verkackten Kaffee will. Genau so wie jeden anderen Gast.«

»Wie wär’s mit einem Lächeln?« Vinh wackelte mit den Augenbrauen.

»Ich lächle immer.« Jace zwang sich, den Mund zu verziehen.

»Jace.« Vinh wirkte eindeutig besorgt. »Du hast mir nie gesagt, was damals …«

Aber Jace war schon unterwegs.

Mal

 

Jace Kaida.

Er starrte Mal entgegen, von Seite 4 der Akte, von einem kleinen Foto, das verriet, dass Jace immer noch derselbe war: listig, arrogant und so schön, dass einem die Augen tränten. Mit einem Heiligenschein blonder Locken und diesem unglaublichen Mund, der Mal früher bis in seine Träume gefolgt war.

Die Gefühle rauschten zurück. Einen Moment lang war Mal wieder ein dämlicher Teenager, viel zu dämlich, um zu kapieren, wem man trauen konnte und wem nicht.

Sein Bruder hatte ihn vor Jace gewarnt, aber er hatte nicht hören wollen.

Ein Blinzeln, dann hatte er sich wieder im Griff. Er war kein dämlicher Teenager. Er war ein erwachsener Mann, der zu viel gesehen und definitiv zu viel getan hatte. Seine Rippen schmerzten von dem Kampf gestern. Sein Körper jagte Leuten Angst ein, und sein Gesicht erst recht.

»Mr. St. Clair?«

Hatte Verdugo etwas gemerkt? Mal blickte von den Papieren auf. Cyrus Verdugo saß ihm gegenüber, hinter seinem polierten Schreibtisch, in seinem klimatisierten Büro und sah aus wie ein gut gepflegter Wolf. Mals neuer Auftraggeber war eindeutig niemand, den man verarschen sollte.

»Ich kenne Vinh MacDonald«, sagte Mal. »Und Jace Kaida. Wir haben eine Zeit lang im gleichen Block in Kjell gewohnt.«

Verdugos linke Augenbraue wanderte hoch. Er sah aus wie ein Filmbösewicht, vor der dunklen Wand mit den Lichtleisten und dem Bücherregal, in dem irgendwelche ledergebundenen Schinken standen.

»Tatsächlich«, sagte er.

»Ist das ein Problem?«

Verdugo schien zu überlegen. »Im Gegenteil. Mein Gefährte wird sich freuen, wenn ein Bekannter ihn beschützt. Waren Sie befreundet?«

Mal dachte an Vinh, den besten Freund dieses kleinen Luders Jace. Ein lieber Kerl, aber niemand, mit dem man sich anlegen sollte. »Ein wenig. Ich habe Vinh ein paar Schulterwürfe beigebracht.«

Ein unerwartetes Lächeln glitt über Verdugos Lippen. »Die wendet er immer noch gerne an.«

Mal schwieg. Seit er die Akte aufgeschlagen hatte, fragte er sich, wie ausgerechnet Vinh MacDonald aus der Lott-Siedlung zum Gefährten dieses Mannes hier geworden war. Wo waren sie sich auch nur begegnet?

Mal beschützte Leute aus dem Mondseeviertel. Alphas und Omegas, deren Großeltern schon reiche Großeltern gehabt hatten. Er bewegte sich in einer Welt, die ihm fremd war. Vinh MacDonald wäre die erste Schutzperson, die einen ähnlichen Hintergrund hatte wie er.

»Nehmen Sie den Auftrag an?«, fragte Verdugo.

Mal nickte.

»Gut.« Verdugo schob ihm den Vertrag hin. »Vinh wird sich freuen. Vielleicht können Sie ihm noch ein paar Schulterwürfe beibringen. In der Zeit bei Vantablack haben Sie sicher viel Neues gelernt.«

Hatte er, aber das waren tödlichere Techniken gewesen. Oder hatte Verdugo einen Scherz gemacht? Egal, Mal hätte ohnehin nicht gelacht. Er unterschrieb, und dann war sein letzter Auftrag unter Dach und Fach. Noch zwei Wochen, dann war er fertig. Seine Zeit bei CM Secure würde enden, und er hatte keine Ahnung, was er danach machen würde.

Unwichtig. Das konnte er sich später überlegen.

***

Natürlich war Jace Kaida das Erste, was er sah.

Mal erspähte ihn schon durch die Schaufensterscheibe, ehe er das Café auch nur betreten hatte. Eine winzige Bewegung, die er registrierte, bevor er die ganze Szene erfasste.

Jace stand am Tisch eines Alphas, war immer noch so schön, dass es schmerzte, und er log. Mal sah es in seiner Körpersprache. In der Art, wie er den blonden Kopf neigte, die Augen unschuldig aufriss und gleichzeitig seinen schlanken Körper so präsentierte, dass vermutlich jeder Alpha im Raum einen Ständer bekam.

Es war nichts Unschuldiges an Jace Kaida. Nie gewesen.

Der kleine Mistkerl versuchte sich gerade an einem scheuen Lächeln, das so falsch war, dass Mal fast gelacht hätte. Sein Opfer musste ein ziemlicher Idiot sein, wenn er darauf hereinfiel. Wenn der darauf hereinfiel, wollte er hereinfallen. Mal hätte fast Verständnis für ihn gehabt, denn Jace war atemberaubend. Jetzt noch mehr als früher. Der letzte Babyspeck war aus seinem Gesicht gewichen und die Frechheit von früher hochmütiger Arroganz gewichen. Man sah es in den Winkeln von Jaces vollem Mund, im Schwung seiner schmalen Hüften, in der Art, wie er das Tablett hinter dem Rücken hielt, damit sein Körper besser zur Geltung kam. Die Pose hätte schüchtern gewirkt, wenn man ihn nicht kannte, aber es war offensichtlich, dass er spielte.

Ich werde einen reichen Mann heiraten. Das hatte Jace damals gesagt, als sie nachts auf dem Klettergerüst gesessen hatten. Als die Sterne zwischen den grauen Wolken nicht mit dem Glanz in Jaces Augen hatten mithalten können … oder was für einen Scheiß Mal damals gedacht hatte. Da war Jace Kaida schon so zielstrebig wie eine Klapperschlange gewesen.

Egal.

Er war nicht wegen Jace hier. Verdugo war schon da und sprach mit Vinh. Entschlossen stieß Mal die Tür auf. Er erfasste das Innere des Cafés mit ein paar Blicken und schritt an Jace vorbei.

Das Café war bunt und gemütlich, aber ein Albtraum, wenn man hier jemanden beschützen wollte. Vor allem, wenn dieser Jemand kellnerte. Jeder konnte von draußen reinschauen. Jeder konnte Vinh angreifen, wenn er sich als Gast tarnte.

Aber Mal hatte schon schwierigere Kunden gehabt.

Verdugo begrüßte ihn und stellte Vinh vor. Vinh MacDonald. Der immer noch der Alte war: quirlig, braungelockt und spindeldürr. Nun, fast. Sein Bauch zeigte eine leichte Rundung. Seine Augen leuchteten auf, als er Mal erkannte.

»Mal!« Er boxte Mal auf den Oberarm, erstaunlich fest. »Was machst du denn hier?«

»Hallo Vinh. Mr. Verdugo hat mich engagiert, um dich zu beschützen«, sagte Mal. Er musterte Vinh. Der sah so glücklich aus wie ein Welpe im Frühling. Ein hübscher Kerl. Mal kapierte, was Verdugo an ihm fand, ja, er hätte einem reichen Sack wie dem nie so viel guten Geschmack zugetraut. Vinh MacDonald war immer hilfsbereit, zuverlässig und absolut aufrichtig gewesen.

Anders als sein bester Freund. Jace glitt heran, während sie die Details des Auftrags besprachen, legte einen Arm um Vinh und sah Mal an. Unter Wimpern, die so dicht waren, dass sie für drei Omegas gereicht hätten. Seine schrägen Raubtieraugen schleuderten Mal zurück in die Vergangenheit.

Diese Augen hatten zu ihm aufgeschaut, vor langer Zeit, voll von etwas, das er für Liebe gehalten hatte.

Es war keine Liebe gewesen. Er wusste immer noch nicht, was für ein Spiel Jace gespielt hatte, aber er wusste, dass dieser Omega nie etwas für Mal empfunden hatte.

»Hi«, schnurrte Jace und musterte Mal, zwischen blonden Locken hindurch. »Mal, richtig? Hab dich lange nicht mehr gesehen.«

Es war absolut dämlich, aber es tat weh. Hatte Jace wirklich seinen Namen vergessen?

»Jace«, sagte Mal, und in seiner Stimme lag viel zu viel Gefühl. Okay, das Gefühl war Abscheu, immerhin, aber es nervte trotzdem, wie wenig er sich unter Kontrolle hatte, wenn Jace Kaida anwesend war. Als hätte er in den letzten fünf Jahren nichts dazugelernt.

Mal beschloss, Jace zu ignorieren, und besprach die Details mit Mr. Verdugo. Es waren nicht mehr viele Details. Die Akte war sehr ausführlich gewesen, und den Rest hatten sie schon im Gespräch geklärt. Als Verdugo gegangen war, durchsuchte Mal das Café und erntete interessierte Blicke.

»Er überprüft den Rauchmelder und die Fluchtwege«, hörte er Vinh sagen. Keine schlechte Idee. Würde aber nicht erklären, warum Mal in den nächsten Tagen hier im Café herumsitzen würde.

Beim Überprüfen der Küche stellte er sich dem Bäcker vor und fand heraus, dass das Café immerhin nur einen Hinterausgang hatte. Der Bäcker war ein schwarzhaariger, blasser Omega, und so schüchtern, wie Jace eben vorgegeben hatte, zu sein.

Schließlich gab es nur noch eins zu tun: Mal setzte sich an seinen Tisch und holte ‚Denke wie ein Milliardär‘ hervor. Er schlug eine der zerknitterten Seiten auf, las aber nicht. Er kannte das Buch auswendig. Ben hatte ihm daraus vorgelesen, nachdem ihr Vater gestorben war. Nicht als Gutenachtgeschichte, dazu war Mal schon viel zu alt gewesen. Ben hatte ihm beim Abendessen vorgelesen und ständig ‚Verstehst du?‘ gefragt. Immer wieder. Er hatte versucht, Mal den Inhalt dieses Buches ins Gehirn zu prügeln, und er hatte es geschafft. Mal hatte sich sowohl die zehn goldenen Regeln des Reichwerdens als auch die vier Eckpfeiler jedes erfolgreichen Businessmanns gemerkt. Ob er daran glaubte, das war eine andere Sache. Das Buch erinnerte ihn an Ben, deshalb schleppte er es mit. Er hatte es bei dem Einsatz in Merin dabeigehabt, und sogar in Weißbünden.

Vorne im Buch stand eine Widmung, aber die war weder für Mal noch für Ben. ‚Für Hinz. Viel Erfolg!‘ stand dort. Ben hatte das Ding samt Widmung für einen Dollar in einem Ramschladen gekauft, und da war es schon ziemlich zerknickt gewesen.

Mal fragte sich, ob Hinz reich geworden war. Ob er mit den zehn goldenen Regeln zum Milliardär geworden war und das Buch dann weggeschmissen hatte? Oder war er so arm gestorben wie Dad und Ben?

Ein Omega kam in das Café, winkte seinem Freund an Tisch 5 und setzte sich zu ihm. Unverdächtig. Mal blickte durch das Schaufenster. Gegenüber lag ein Wohnhaus, aber nur aus dem Erdgeschoss war ein Schuss ins Innere des Cafés möglich. Er hatte vorhin an der Tür geklingelt, doch der alte Omega, der ihm geöffnet hatte, hatte unverdächtig gewirkt. Er hatte nichts als eine labbrige Unterhose und silberne Nippelklemmen getragen, hatte also eindeutig nicht versucht, irgendetwas zu verbergen …

Jemand näherte sich. Aus dem Augenwinkel sah Mal, dass es Jace war, und blickte in sein Buch. Ben hatte einen Satz doppelt unterstrichen und ‚Genau!‘ an den Rand geschrieben.

Jede Versuchung, der du nachgibst, macht dich schwächer.

Danke, Bruder, dachte Mal und ignorierte Jace. Der stemmte die Hände in die Hüften.

»Hey«, sagte er in seinem leicht rauchigen Singsang. »Wie willst du Vinh beschützen, wenn du ein Buch liest? Pass gefälligst auf.«

»Ich passe auf«, sagte Mal, ohne ihn anzuschauen.

»Das sieht aber nicht so aus«, murrte Jace. Es war zu sehr wie früher.

»Ich bin ein Profi, Jace.« Mal sah zu ihm auf. »Solltest du nicht fragen, was du mir bringen darfst?« Er hob eine Augenbraue. »Wer von uns beiden versagt gerade in seinem Job?«

Wow, so viel hatte er seit Wochen nicht mehr geredet. Aber es lohnte sich: Jaces Augen blitzten empört.

»Was willst du?«, fragte er mit gefletschten Zähnen. »Kaffee? Tee? Einen Arschtritt?«

»Habe ich dir etwas getan?« Mal scannte die Umgebung, dann blickte er wieder in sein Buch.

»Nein. Gar nichts.« Jace räusperte sich. »Also.« Seine Stimme wurde süßer. »Was kann ich dir bringen, Schnuckelchen?«

Fast hätte Mal gelacht. »Kaffee. Mit Milch und Zucker.«

»Nicht sehr männlich.«

»Kommentierst du alle Bestellungen?« Mal blätterte eine Seite um. »Ein Wunder, dass ihr noch Gäste habt.«

»Ein Wunder, dass du noch Kunden hast, Leseratte. Wie viele Schützlinge sind schon verreckt, weil du lieber die Nase in Bücher gesteckt hast statt zu arbeiten?«

»Keiner.«

»Was liest du da überhaupt?« Jace kam näher und sein Duft stieg in Mals Nase. Süß und verführerisch wie eine giftige Blume. »Eine Schmonzette über einen Alpha-Holzfäller mit fettem Schwanz und einen jungfräulichen Omega?«

»Einen Ratgeber für Kellner«, sagte Mal ungerührt. »Hier steht, dass du mir einen Kaffee bringen solltest, statt dumme Fragen zu stellen.«

Jace schnaubte. Genau wie früher. Genau so hatten sie sich gekabbelt, nur … anders. Der Unterton war locker gewesen statt bitter.

»Ich bringe dir einen Kaffee. Mit Milch und Zucker.« Jace klang honigsüß. »Vielleicht spucke ich sogar rein.«

»Reiß dich zusammen.« Mal blickte Jace an, so eiskalt er konnte. Was offenbar ziemlich kalt war: Der Omega zuckte zurück und einen Moment huschte echte Angst durch seine Miene. »Du bist kein Kind mehr, Jace.«

Jaces Kiefer mahlte. »Schön, dass dir das auffällt. Du musst ein Genie sein oder so.« Mit diesen Worten entschwand er, hüftschwingend und nach Zimt duftend.

Mal legte sein Buch nieder und beobachtete den Laden. Die Gäste waren unauffällig. Mehr Omegas als Alphas, und fast alle Alphas waren damit beschäftigt, Jace auf den Arsch zu starren. Vor allem der reiche Bubi, bei dem Mal ihn vorhin gesehen hatte. Der guckte, als wolle er Jace mit Haut und Haaren verputzen.

Verschluck dich nicht, dachte Mal. Dieser Köder ist vergiftet.

Er betrachtete den Bubi eingehend. Altes Geld, so viel war klar. Schlecht vorgetäuschtes Selbstvertrauen und … die Härchen in Mals Nacken stellten sich auf. Etwas gefiel ihm nicht.

Er betrachtete den Alpha, so gut er das von hier aus konnte. Er sah keine Ausbuchtung, die auf eine Waffe hindeutete, aber etwas störte ihn.

Du hast Instinkt, hatte Leutnant Sailer damals gesagt. Verlass dich drauf, dann überlebst du vielleicht.

Mal hatte überlebt, aber mehr als einmal war es knapp gewesen. Und immer wieder hatte sein Körper vor ihm kapiert, dass jemand sich auffällig verhielt. Dass etwas nicht stimmte.

Wie der Alpha-Bubi Jace ansah, gefiel ihm nicht. Der schaute nicht wie all die anderen, nämlich, als wollte er Jace die zu enge Hose runterreißen und ihn ficken, bis er Sterne sah. Dieser Alpha schaute, als wollte er etwas anderes. Mal hatte viele Arten von Monstern kennengelernt. Soldaten, die sich nahmen, was sie kriegen konnten, Gangmitglieder aus Kjell, reiche Geschäftsmänner, die ihre Omegas bis zur Besinnungslosigkeit verprügelten.

Er hätte fast seinen Job verloren, weil er einem von denen die Nase gebrochen hatte. Sein Job war es gewesen, den Alpha zu schützen, nicht den Omega. Aber sein Chef hatte sich vor ihn gestellt. Er hatte gedroht, der Polizei alles zu erzählen, falls der Kerl Mal anzeigte. Sein Chef war selbst ein ehemaliger Polizist, der hatte noch Kontakte. War gut, ihn zu kennen. War gut, Kontakte zu haben. Das hatte Ben ihm immer wieder eingebläut und ihm vorgelesen, was weltberühmte CEOs zum Thema Networking sagten.

Jace kam zurück, und er bewegte sich wie ein lüsterner Kater. Ein winziger Funke löste sich in Mals Brust und schwebte abwärts, direkt zwischen seine Beine. Jace hatte diese Wirkung, schon immer. Wie oft hatte Mal damals neben ihm gesessen, locker mit ihm geredet und sich innerlich danach verzehrt, ihn zu berühren. Ein freundschaftlicher Klaps, ein Schulterklopfen, ein Blatt, das er aus Jaces Haaren gezogen hatte.

Einmal hatte Jace mit dem Zeigefinger Mals Tattoo nachgezeichnet und seine Hose wäre beinahe geplatzt. Aber er war kein notgeiler Teenager mehr. Vollkommen gelassen wartete er, dass Jace sich näherte. Der stellte ihm wortlos einen Kaffee hin und dazu ein Croissant.

»Das habe ich nicht bestellt«, sagte Mal.

»Weiß ich.« Jace zog einen Schmollmund, der viel zu niedlich war. »Vinh meint, du musst das unbedingt probieren. Und sobald es ruhiger wird, will er alles über dich wissen. Wie es beim Militär war und so.«

Mal schwieg. Als ob man das erklären könnte. »Nett von ihm.«

»Vinh ist sehr nett.« Jace stemmte die Hände in die Hüften. »Supernett sogar. Pass gut auf ihn auf, klar?«

Mal nickte. Er nippte an seinem Kaffee, sah sich im Café um und ignorierte Jace.

Der wurde offenbar nicht gern ignoriert. Er beugte sich zu Mal hinunter und sein gefährlich süßer Duft war plötzlich überall.

»Schmeckt der Kaffee?« Jace legte den Kopf schief. Seine dezent glänzenden Lippen verzogen sich zu einem neckischen Lächeln. Sachter Himbeergeruch, gemischt mit Zimt, wehte zu Mal hinüber. Jaces Stimme wurde einen Hauch dunkler und verführerischer. »Ist er süß und sahnig genug?«

»Ja.« Mal legte eine Hand auf Jaces Schulter und schob ihn zur Seite. »Ich brauche freie Sicht.«

Jace schnaubte erneut. Vor langer Zeit hatte Mal dieses Geräusch sehr niedlich gefunden. »Schön, dass du deinen Job endlich ernst nimmst. Ruf mich, wenn du noch was brauchst.«

Mal wusste genau, was er von Jace gebraucht hätte, wenn der nicht, nun, Jace gewesen wäre. Er gestattete sich einen knappen Blick auf Jaces Arsch, der sich in der engen Hose aufs köstlichste verformte. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Umgebung. Und ab und zu auf das Buch in seinen Händen.

Die Sonnenstrahlen fielen schräger durch die Schaufensterscheibe. Einige Gäste gingen und der Lärmpegel senkte sich. Dieser reiche Bubi zwei Tische weiter blieb. Er starrte Jace nach, flirtete mit ihm und fiel komplett auf diese Unschuldiger-Junge-vom Land-Nummer rein, die Jace abzog.

Trottel.

Mal blickte auf die Sätze, die Ben unterstrichen hatte.

Auge aufs Ziel.

Ein Sieger gibt niemals auf!

Eine Chance ist nichts, wenn man sie nicht verwandelt.

Ben hatte gewusst, was Jace Kaida war. Vermutlich hatte er genau so über Mal gedacht, wie der über diesen reichen Bubi zwei Tische weiter. Den, der Jace anschmachtete, als wäre er aus Marzipan.

Vor langer, langer Zeit hatte Mal Jace auch für süß gehalten. Für jemanden, der seine zarte Seele hinter frechen Sprüchen und gespielter Skrupellosigkeit versteckte.

Natürlich hatte er sich geirrt. Jace Kaida war von innen wie von außen pures Gift.

Jace, damals

Vor 5 Jahren

 

Er war nicht nervös. Überhaupt nicht nervös, kein bisschen. Dass sein Herz flatterte und sein Atem in schmerzhaften Stößen ging, lag nur an der Hitze. Jace schluckte.

Mit butterweichen Knien stieg er aus dem Schulbus. Ignorierte das Chaos und die dummen Kommentare der Alphas aus der neunten und zehnten Klasse. Sie stanken. Die Hitze schärfte seine Sinne, was echt eine Plage war, wenn man mit einem Haufen ungeduschter, mit Deo eingesprühter Teenager zur Schule ging.

»Alles okay?«, fragte Vinh und drückte seine Hand.

Jace nickte. »Die Wellen sind noch ganz schwach. Ich schaff es nach Hause, kein Problem.«

»Sicher?«

»Sicher.« Sie blickten auf. Vor ihnen erhob sich die Lott-Siedlung wie ein verschachtelter Berg. Grau und massiv und so hässlich, dass Jace das Gesicht verzog. Jemand, der so schön war wie er, sollte nicht in so einem Kasten leben müssen. Der Gestank der Mülltonnen wehte über den heißen Asphalt und quälte ihn zusätzlich.

»Ekelhaft«, brachte er hervor. »Hauen wir ab.« Er trank noch einen Schluck pappsüßen Eistee, bevor er ihn an Vinh weiterreichte, der die Schachtel aussaugte und wegwarf. Ein Alpha aus der Klasse unter ihnen hatte Jace den Tee geschenkt, zusammen mit einem Erdnussriegel.

Gut, dass er so hübsch war, sonst wäre er in der Schule vermutlich verhungert. Die meisten Eltern gaben ihren Kindern Snacks mit, oder Geld, um Snacks zu kaufen. Jace bekam nichts. Glücklicherweise war Vinh immer bereit, sein Essen zu teilen, das sein Opa ihm mitgegeben hatte. Dankbar sah Jace seinen besten Freund an. Vinh hüpfte die verdreckten Stufen zur Siedlung hoch. Er musste sich keine Sorgen machen, dass ihm etwas geschah. Alle wussten, dass er jedem Alpha die Fresse polieren konnte, der sich ihm näherte. Dafür hatte sein Bruder gesorgt, der ihn in jeden Kampfsportkurs der Welt geschleppt hatte, seit Vinh fünf Jahre alt gewesen war.

Niemand hatte das für Jace getan. Alles, was er über Verteidigung wusste, hatte er von Vinh, der ihm ein paar Grundlagen beigebracht hatte. Genug, um einen Angreifer abzuwehren. Nicht genug, für mehrere. Wenn es darum ging, brauchte er Hilfe. Jaces Herz flatterte erneut. Eine zittrige Welle spülte durch seinen Körper und er krümmte sich.

»Ah.« Er konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. So ein Mist. So ein verdammter Mist. Jetzt hatte Vinh bestimmt gemerkt, wie weit seine Hitze schon fortgeschritten war.

»Ich bring dich nach Hause«, bot der an. Sein besorgter Blick war so lieb, dass Jace ihn am liebsten geküsst hätte.

»Alles gut. Also.« Jace straffte sich. Er sah sich um, aber die anderen Schüler hatten sich bereits verstreut. Ein paar saßen noch unten auf den Stufen und teilten sich ein Bier. Immer, wenn jemand vorbeikam, machten sie dumme Sprüche. Jace schnaubte. Alphas in ihrem Alter waren ein ekliges Pack, also. Bis auf einen.

Seine Ohren wurden heiß, wenn er an ihn dachte.

»Jace«, flüsterte Vinh und sah sich besorgt um. »Du bist wirklich in Hitze. Du bist hier nicht sicher.«

»Ich weiß«, zischte Jace zurück. »Aber ich …« Es brachte nichts. Sein Gehirn war watteweich vor Lust und Schmerzen. Ihm fiel keine Ausrede ein. »Ich will nicht nach Hause.«

Nun wirkte Vinh noch besorgter. »Ist Cody zurück?«

Jace schüttelte den Kopf. »Cody ist weg.«

Dem Himmel sei Dank. Sein Papa hatte echt gar keinen Geschmack bei Männern. Als Cody bei ihnen gewohnt hatte, war Jace bei Vinh untergekrochen. Er hatte damals kaum seine erste Hitze hinter sich gehabt, aber Cody hatte ihn schon mit einem Blick angesehen, der ihm ganz und gar nicht gefallen hatte. Einem Blick, den er immer häufiger zu spüren bekam. Jetzt, wo er fast fertig mit der Schule war, wo er ausgewachsen und verdammt lecker war, konnte Jace sich vor Angeboten kaum retten.

Er wusste, was er zu tun hatte. Er wusste, was er mit seinem hübschen Körper und dem noch hübscheren Gesicht tun musste, solange beide noch frisch waren: Er musste Geld verdienen. So viel und schnell wie möglich. Er hatte sich schon genug Zeit gelassen. Andere Omegas in ihrer Klasse waren längst dabei, ihre Schönheit gegen zerknitterte Scheine einzutauschen. Warum sollte Jace noch länger warten? Ein jungfräulicher Omega wurde besonders gut bezahlt, das hatte er von Dylan und Clovis erfahren, die ihre Unschuld beide gegen bare Münze eingetauscht hatten.

Aber …

Er schluckte erneut. Sein Körper brannte und nun würde jeder es ihm ansehen. Wirklich jeder. Er musste aufhören, an Mal zu denken, aber …

Lieber an Papa denken. Lieber daran, was geschah, wenn man seine Schönheit an nutzlose Alphas verschwendete, bis nichts mehr davon übrig war. Papas Aussehen war verwittert, bis die Alphas verschwunden waren, und er mit einem Haufen Schulden und einem Haufen Gören zurückgeblieben war. Eins dieser Gören war Jace, und er würde aus den Fehlern seines Papas lernen. Das hatte er sich geschworen, und doch …

Mal, flüsterte sein Körper und er schämte sich ein bisschen.

Nur ein Mal, dachte er. Ein einziges Mal, dann bin ich vernünftig.

Ein erstes Mal.

»Also.« Flehend sah er Vinh an. »Kannst du mich in Block C bringen?«

Vinh blinzelte. Sie beide wohnten in Block A, und von allen Menschen in Block C waren sie nur mit einem einzigen befreundet.

»Zu Mal?«, fragte Vinh, der viel zu schlaue Fuchs.

Jace zuckte mit den Achseln. »Ja.«

»Jace …« Vinh kam näher. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er Jace. »Bist du sicher?«

Jace zuckte erneut mit den Achseln. Er war sicher. Er war nur höllisch nervös.

»Ich halte es nicht mehr aus«, murmelte er. »Ich will ihn. Ich meine …«

»Wow.« Vinhs Wangen färbten sich rot. »Ich … wow. Okay. Ich bringe dich hin.«

»Danke.« Jace grinste schief. »Sorry. Ist mir so rausgerutscht.«

Aber es stimmte. Er hielt es nicht mehr aus. Wann immer er in Mals Nähe war, wann immer er dessen köstlichen Duft erschnupperte, prickelte etwas durch ihn, das ihn zu verschlingen drohte.

Wie gestern Abend, als sie alle bei Sonnenuntergang auf dem Klettergerüst gesessen hatten, den Angebereien der Alphas gelauscht hatten, und dem leisen Schmatzen der Paare, die sich küssten. Mal hatte mit Corvin rumgemacht, den er um mehr als einen Kopf überragte, den riesigen Körper so gegen dessen schmalen gepresst, dass Jace heiß und kalt geworden war, vor Eifersucht und vor Gier. Er selbst hatte sich mit Dom abgelenkt, der ständig versucht hatte, mehr zu bekommen als Jace ihm geben wollte. Nachdem er zum zehnten Mal versucht hatte, Jaces Hose zu öffnen, war Jace gegangen. Dom hatte versucht, ihn aufzuhalten, aber Mal war dazwischengegangen. Wie immer. Wenn Vinh nicht da war, schützte Mal Jace, und er schützte ihn gut. Niemand legte sich mit einem an, der fast zwei Meter groß war und schon mal jemanden krankenhausreif geschlagen hatte. Jace konnte kaum glauben, dass sie gleich alt waren. Aber das waren sie.

Er biss sich auf die Unterlippe. Wann hatte es angefangen? Sie sahen sich im Hof, ab und zu, seit Mals Familie hergezogen war. Inzwischen bestand Mals Familie nur noch aus seinem großen Bruder, so wie Jace sämtliche Stiefväter abhandengekommen waren.

Mal und er hatten sich gekannt, aber sie waren nie besonders eng gewesen. Jace war zu quirlig und Mal war zu ruhig. Sie hatten kaum ein paar Worte miteinander gewechselt, obwohl sie in den gleichen Gruppen rumhingen. Dann war Jace stets im Zentrum des Geschehens, während Mal mit verschränkten Armen an der Wand stand und sich mit den anderen Alphas durch Nicken und einsilbige Sprüche verständigte.

Aber dann …

Sie hatten ihm aufgelauert, letztes Jahr. Die Fünf hatten wohl auch gedacht, dass Jace langsam reif war, und auf ihn gewartet, als er von seinem Nebenjob heimgekommen war. Als er todmüde die Stufen hochgestiegen war, weil der Aufzug mal wieder kaputt war.

---ENDE DER LESEPROBE---