Jahre mit Ledig - Fritz J. Raddatz - E-Book

Jahre mit Ledig E-Book

Fritz J. Raddatz

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Beschreibung

Ein «Riesenschnörkel» steht am Anfang dieses Buchs. Ein junger Mann in Ostberlin staunt darüber. Der junge Mann heißt Fritz J. Raddatz, damals, als die Geschichte dieses Buches beginnt, Cheflektor des Ostberliner Verlags Volk und Welt; der Schnörkel ist die Unterschrift, in ihrem Schwung nicht leicht zu entziffern auf Briefen und Verträgen, von Heinrich Maria Ledig-Rowohlt. Ende der fünfziger Jahre lernen beide sich kennen, und aus dem Schnörkel wird eine Person, dann auch ein literarischer Gefährte, ein «Chef», ein Freund, ein Mit-Abenteurer auf den Beutezügen in die deutsche und die ausländische Literatur. Davon erzählt dieses Buch: wie das deutsche Verlagswesen nach dem Krieg neu begann und wie im Rowohlt-Verlag, Reinbek, zwei Männer in gemeinsamer Begeisterung für die Literatur einen internationalen Verlag schufen, wie er nicht seinesgleichen hatte. Dieses Buch ist ein Denkmal aus Worten, eine Erinnerung, es ist aufbewahrtes Wissen um einen Mann, der einer der entscheidenden Modernisierer des deutschen Verlagswesens gewesen ist. Normalerweise bleiben von Verlegern nur die Bücher, die sie herausgebracht haben: Was es aber darüber hinaus zu sagen gibt über Heinrich Maria Ledig-Rowohlt, das steht, mitreißend erzählt, empfindungsgenau in der Zustimmung wie im Widerspruch, in diesem Buch.

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Fritz J. Raddatz

Jahre mit Ledig

Eine Erinnerung

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Ein «Riesenschnörkel» steht am Anfang dieses Buchs. Ein junger Mann in Ostberlin staunt darüber. Der junge Mann heißt Fritz J. Raddatz, damals, als die Geschichte dieses Buches beginnt, Cheflektor des Ostberliner Verlags Volk und Welt; der Schnörkel ist die Unterschrift, in ihrem Schwung nicht leicht zu entziffern auf Briefen und Verträgen, von Heinrich Maria Ledig-Rowohlt. Ende der fünfziger Jahre lernen beide sich kennen, und aus dem Schnörkel wird eine Person, dann auch ein literarischer Gefährte, ein «Chef», ein Freund, ein Mit-Abenteurer auf den Beutezügen in die deutsche und die ausländische Literatur. Davon erzählt dieses Buch: wie das deutsche Verlagswesen nach dem Krieg neu begann und wie im Rowohlt-Verlag, Reinbek, zwei Männer in gemeinsamer Begeisterung für die Literatur einen internationalen Verlag schufen, wie er nicht seinesgleichen hatte.

Über Fritz J. Raddatz

Inhaltsübersicht

Heinrich Maria Ledig-RowohltWidmungAbbildung des «Riesenschnörkels»Er war ein ...PersonenregisterNachweis der BildrechteFritz J. Raddatz, geboren ...

Alexander Fest gewidmet,

dem Wahrer des Erbes

von Heinrich Maria Ledig-Rowohlt;

und eines Quänt’chens des meinen

Er war ein Riesenschnörkel. Dieser schwungvolle, Ehrfurcht gebietende Schnörkel stand unter Verträgen auf dem Geschäftspapier «Rowohlt Verlag, Hamburg». Den Mann hinter dem Schnörkel kannte ich nicht.

Das war Anfang der fünfziger Jahre, ich war im Ostberliner Verlag Volk und Welt Abteilungsleiter «Lektorat West» – so üppige Bürokratien leistete sich die DDR: Der zweitgrößte belletristische Verlag des Landes beschäftigte ca. zwanzig Lektoren, drei für Russisch, zwei für Chinesisch, einen für indische Literatur, und für die «Westliteratur» zwölf. Und «Westliteratur», das war Louis Aragon aus Frankreich, Mouloud Feraoun oder Mohammed Dib aus dessen arabischen «Kolonien», Pablo Neruda und, etwas rätselhaft, der Türke Nâzim Hikmet (wohl, weil er im westlichen Exil lebte). Ich war – zwanzigjähriger Student und bald stellvertretender Cheflektor des gesamten imposanten Imperiums – neben dem Studium dort tätig, weil ich als parteiloser «Bürgerlicher» kein Stipendium erhielt. So streckte ich meine Tentakel aus bis zum «Rowohlt Verlag, Hamburg», der recht gerne Lizenzverträge – etwa für Simone de Beauvoirs Amerika-Buch – schloss; wir zahlten pünktlich und in Devisen, recte: DM-West. Solche Verträge waren unleserlich unterschrieben. Der große Unbekannte hieß Ledig-Rowohlt.

Auf Taubenfüßen indes besuchte Ernst Rowohlt im heißen Sommer des Jahres 1951 den Verlag Volk und Welt und den jungen Herrn Raddatz nicht. Vielmehr erschien ein röhrendes Naturereignis, gezähmt allenfalls durch einen großen Mercedes mit Chauffeur. Der so herrlich wie herrschaftlich durchreisende Verleger – er wollte weiter nach Moskau – passte kaum in mein nicht gerade überdimensioniertes Arbeitszimmer. Warum er ausgerechnet mich besuchen, mich kennenlernen wollte, habe ich auch in späteren Jahren nicht herausgefunden. Immerhin trug er, fast skandalös für an Werbung nicht Gewöhnte, eine Krawatte mit eingesticktem rororo-Monogramm.

Damit kommt der große Unbekannte mit dem Riesenschnörkel ins Spiel. Heinrich Maria Ledig-Rowohlt.

Denn entgegen einer weitverbreiteten Fama war es nicht Ernst Rowohlt, der die Taschenbücher erfunden hat. Zwar hatte er gleich nach Kriegsende die legendären Zeitungsdrucke auf billigem Papier initiiert – als Nummer eins erschien Kurt Tucholskys ‹Schloss Gripsholm› –, aber das waren keine Bücher, sondern der Not und Armut der Bevölkerung entsprechend eben «Zeitungen», Literatur für die, die gar nichts mehr hatten, im Zeitungsformat. Immerhin trugen sie bereits den Namen «Rowohlts Rotationsromane» (= Ro-Ro-Ro). Doch was dann nach 1949 sehr bald auf den Markt kam, schreiend bunt und, von vielen Kritikern als Frevel befehdet, mit Anzeigenseiten mitten im Text, das war ausschließlich Ledigs Idee. Er war als einer der (wenigen) deutschen Verleger noch vor der Währungsreform 1948, gleichsam als «Re-Education»-Maßnahme, in die USA eingeladen worden und dort auf die für deutschen Geschmack scheußlichen Taschenbücher aufmerksam geworden: Preiswerte Bücher (Buchreihen war man eher von der erlesen-geschmackvoll ausgestatteten Insel-Bücherei gewohnt), so etwas galt zunächst als genauso neu und fremd wie chewing gum oder Erdnussbutter. Ledig allerdings stand in Flammen, sah eine Zukunft für Publikum und Markt. Er hatte nur ein anfangs unüberwindlich scheinendes Problem: Diese Bücher waren nicht gebunden, sondern geleimt; das Verfahren hieß Lumbecken nach dessen Erfinder, dem Buchhändler Emil Lumbeck, aber «gelumbeckte» Bücher gab es bisher nicht in Deutschland. Es war der findige, angeblich mit Gummi-Ersatz aus dem Kriege sich auskennende Herstellungsleiter des Verlages Edgar Friedrichsen, der nach langen und mühseligen Experimenten eine Lösung dafür fand, wie man 100, 200, 300 Papierseiten per Lumbeck-Verfahren so zusammenfügen konnte, dass sie nicht gleich nach dem ersten Umblättern auseinanderfielen. Der Herr Friedrichsen hatte fortan bis ans Ende seiner Rowohlt-Tage eine Sonderstellung im Verlag, und wenn er dann – bis weit in die achtziger Jahre – ein Buch für unkalkulierbar erklärte, galt sein Wort. Das allein Ledig durch beschwörende List zu umschiffen vermochte: «Friedrichsen, Geliebter, mein Schätzchen», wusste er zu charmieren, «machen Sie mir einen anderen Preis, ich will dieses Buch verlegen» – wenn es etwa um einen voluminösen Thomas Wolfe ging. Ledig konnte seinen Charme einsetzen wie Lauren Bacall ihre Augen, auch etwas verlogen.

Ledig Triumphator. Stolz führte er Ernst Rowohlt, der ja noch immer Haupteigentümer des Verlages war, die ersten Probeexemplare der neugeborenen rororo-Ausgaben vor. Und der war empört. Er trampelte wütend auf ihnen herum, hochrot vor Ärger, und schrie: «Das Zeug kommt mir nicht ins Haus!»

«Ledig Triumphator», 1961

Sie kamen dann ins Haus. Mehr noch. Mit Riesenauflagen «bauten» sie das Haus. Mühelos konnte Ledig damals durch gigantische vorausbezahlte Garantieauflagen bei jedem deutschen Verlag Lizenzen für Titel seiner Wahl erwerben, mal Unterhaltungsschund wie Gábor von Vaszary und mal Joseph Roth. Seine Taschenbücher waren Selbstgänger, sanierten den verschuldeten Verlag, schafften den Spagat aus Renommee und Gewinn. Als später – übrigens zu Ledigs Ärger; aber es gab ja kein Patent für diese Art Bücher – der S. Fischer Verlag eine eigene Taschenbuchproduktion auflegte, gingen die Leute in den Laden und verlangten «ein rororo von Fischer».

 

Doch «Haupteigentümer Ernst Rowohlt» – wie das? Ernst von Salomon hat in seinem Erfolgsklassiker ‹Der Fragebogen› die höchst widersprüchliche Beziehung zwischen Ernst Rowohlt und Heinrich Maria Ledig in einem ausführlichen Kapitel aufgezeichnet. Hier deshalb nur eine Skizze. Ledig – manchmal lässt Geschichte keine Pointe aus – war der 1908 geborene uneheliche Sohn aus einer frühen Leipziger Affäre, die Ernst Rowohlt mit einer Schauspielerin namens Ledig hatte. Wie Mütter das so tun, wollte die Dame dem Sohn ein möglichst warmes Nest bereiten. Sie schmuggelte den knapp erwachsenen Knaben als Lehrling in den Rowohlt Verlag. «Der Alte», wie Ernst Rowohlt bald allenthalben genannt wurde, wusste von Beginn an, wer dieser Lehrling war – und ignorierte es komplett. «Herr Ledig soll mal kommen»: So lauteten die väterlichen Anordnungen. Ledig wurde in den zwanziger und dreißiger Jahren wie ein fremder Angestellter gesiezt.

Nachdem Ernst Rowohlt 1938 aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen worden war, was einem Berufsverbot gleichkam, leitete Ledig in der Nazizeit dann allerdings – implant publisher heißt so etwas heute – den Rumpf-Verlag unter dem schützenden Dach der Deutschen Verlags-Anstalt in Stuttgart. Ernst Rowohlt, so will es eine fromme Legende, war emigriert; in Wahrheit seiner Frau nach Südamerika gefolgt. Aus lauter Anti-Nazi-Widerstand kehrte er mitten im Krieg nach Berlin zurück. Erich Kästners Bonmot «Die Ratten betreten das sinkende Schiff» ist bekannt: Da hatte er den «Emigranten» am Kurfürstendamm getroffen, bereits in Uniform; denn Rowohlt war alsbald Offizier in Hitlers Armee.

Als das Schiff gesunken war, also 1945, wurde der Rowohlt Verlag neu gegründet. «Der einzige Verlag mit Lizenzen aller vier Besatzungsmächte», verkündete «der Alte» bei jeder passenden Gelegenheit. Auch das war gezinkt. «Väter’chen Rowohlt», wie er sich gerne nennen hörte, war nämlich nicht nur Offizier gewesen – er war auch Mitglied der NSDAP. Ein Pg hatte keine guten Chancen bei der Verteilung von Lizenzen. Da entdeckte der schlaue Mann, dass er ja einen Sohn hatte. Ernst Rowohlt erhielt zwar die britische, der unbelastete, kriegsverwundete Ledig aber die amerikanische Lizenz. Die russische holte Mary Tucholsky – als geborene Baltin russischsprachig –, die inzwischen als Sekretärin in Ernst Rowohlts Berliner Büro arbeitete; der «Frau» (in Wahrheit geschiedenen Witwe) des «großen deutschen Antifaschisten Tucholsky» mochten die Genossen in Karlshorst die Lizenz nicht verweigern. Zuvor schon hatte Kurt Kusenberg die französische Lizenz erhalten, was dem skurril-begabten Erzähler und später kundigen Herausgeber von Rowohlts Monographien zeitlebens einen Sonderstatus im Verlag garantierte. Jahre danach, als ich für und mit Ledig arbeitete, akzeptierten Kusenberg und ich es als stillschweigende Übereinkunft der Rücksichtnahme, dass ich das Zimmer verließ, wenn er Ledig seine Programmvorschläge unterbreitete.

Und dieser Ledig war nun Sohn. Fortan hieß er Ledig-Rowohlt. Bald war er Minderheitsbeteiligter. Ernst Rowohlt, gerne und viel reisend, mal als ein Puntila Osram-Glühbirnen bei einer Tagung der Gruppe 47 verteilend, mal bei Buchhändlerzusammenkünften «meinen Verlag» mit großem Pathos vorstellend: Ernst Rowohlt war die landesweit bekannte Emily auf dem Kühler des Rolls-Royce; der Motor unter der Haube aber war Heinrich Maria Ledig-Rowohlt. Im Verlagshaus Bieberstraße – genauer gesagt: den Häusern; denn das expandierende Unternehmen musste in Eppendorf immer wieder Nebengebäude anmieten – hatte Ernst Rowohlt Ende der fünfziger Jahre nicht mal mehr ein Büro. Der Gargantua, ein flotter Trinker und fröhlicher Esser, war seit geraumer Zeit krank. Bald galten seine Reisen eher Sanatorien als der von ihm geliebten Buchhandlung Ludwig in Köln.

Mit Ernst Rowohlt

Filmschnitt. Die Rückblende als Trailer. Noch sitze ich ja in Ostberlin bei Volk und Welt. Unter den Lizenzverträgen aus Hamburg, mal für frech von mir an der Zensur vorbeigeschmuggelte Bücher von Sartre oder Faulkner, immer der unleserliche Riesenschnörkel. Inzwischen ließen meine beiden Chefs – die zarte, bürgerlich gebildete Marianne Dreifuß und Walter Czollek, der sich selber einen «alten Spittelmarkt-Juden» nannte; beide Rückkehrer aus der Schanghai-Emigration – mich weitgehend selbständig das Programm bestimmen. Sie mochten meine Literaturbesessenheit, schätzten die Erfolge, die ich herbeiangelte, und ließen sich gern ein bisschen belügen. So, als ich schwindelte, ich hätte ganz zufällig den Schweizer Verleger von Steinbecks ‹Früchte des Zorns› (unbedingt wollte ich den Roman im Volk-und-Welt-Programm sehen) getroffen und zu einem Vertrag überredet. Tatsächlich war ich mit falschen Papieren heimlich nach Zürich geflogen, was beiden klar war, was beide «übersahen». Dann der große Moment: Die Idee der vor allem in der DDR propagierten «einen deutschen Literatur» benutzend, hatte ich eine gesamtdeutsche große Kurt-Tucholsky-Ausgabe vorgeschlagen. Das war nicht ganz legitim, wenn nicht gar kühn; denn der Verlag mit dem etwas simplen Namen war ausschließlich für ausländische Literatur konzipiert, es herrschte strikte Abgrenzung zum weitaus größeren, viel einflussreicheren Aufbau-Verlag, der unter dem Patronat von Kulturminister Johannes R. Becher stand – und wo Bücher nicht nur von ihm, sondern in schönen Ausgaben von Friedrich Wolf, seinem Antipoden Brecht, von Anna Seghers, Arnold Zweig, Heinrich Mann und bald auch Thomas Mann erschienen. Meine beiden von mir übrigens nicht nur respektierten, sondern fast verehrten Chefs wankten und schwankten. Der «Spittelmarkt-Jude» liebte Tucholsky, den er schon in der Weimarer Republik bewundert hatte. Ich müsse zu Johannes R. Becher persönlich, dessen höchstministerielle Genehmigung für diesen Seitensprung einholen. Da steht nun der noch sehr junge Mann und erklärt dem einstigen Insel-Autor, weiland von Harry Graf Kessler hoch gelobt und unterstützt, warum er ohne Wenn und Aber diesen bedeutenden Antifaschisten, Antimilitaristen, Linken für den am besten geeigneten Schriftsteller hält, um deutlich zu machen, dass die deutsche Literatur unteilbar ist. Eine mehrbändige, textidentische Ausgabe mit doppeltem Verlags-Signet «Rowohlt, Hamburg», «Volk und Welt, Berlin» – das hieße ein Zeichen setzen. Wider Erwarten war Becher begeistert. Ich hatte ihn angesteckt. Ob er sich einen Augenblick lang der eigenen Zeile «Deutschland, einig Vaterland» aus seiner Nationalhymne erinnert hatte? «Dann fahren Sie, Genosse Raddatz» (er setzte automatisch voraus, dass jemand in meiner Position SED-Mitglied sei) «nach Hamburg und verhandeln Sie das mit Rowohlt. Ich genehmige Ihnen seitens meines Ministeriums eine fünftägige Westreise und 70 DM Devisen.» Seltsamerweise begleitete er mich zur Tür seines Hermann-Göring-großen Büros und sagte leise – ich begriff rasch: weit weg vom Telefon –: «Und falls Sie Erich Kästner treffen, grüßen Sie ihn von mir.» Das war ein Sakrileg – Kästner war Präsident des West-PEN-Clubs, ein Klassenfeind.

Auf einen Schild hoben Dreifuß und Czollek mich nicht. Doch sie waren stolz erstaunt. Fast mehr als ich – der schnurstracks in das HO-Maßatelier eilte, um sich einen West-tauglichen Anzug anpassen zu lassen; arg verlegen, wusste ich die Frage des altmodisch ausgebildeten Schneidermeisters «Sind Sie Linkshänger?» nicht zu beantworten. «Also wie üblich.»

Üblich aber war nun gar nichts. Westreise! Interzonenpass! 70 DM-West! Besuch bei dem großen Unbekannten, dem Schnörkelmann! In wenigen Tagen entwarf ich einen Editionsplan und schickte ihn mit erläuterndem Brief und der Ankündigung meines Besuches nach Hamburg, hochgemut und fest der Überzeugung, in dieser Bieberstraße auf eine wahre Fundgrube an Tucholsky-Materialien zu stoßen.

Ankunft in den heiligen Hallen des Rowohlt Verlages. Jedoch war nichts «heilig», noch gab es Hallen. Mein Schock war größer als bei der Frage im HO