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Joachim S. Tanski gibt Ihnen in seinem umfassenden Handbuch Antworten auf alle Fragen zum gesamten Jahresabschluss nach aktuellem Rechtsstand. Ausführliche Darstellungen mit Anwendungshinweisen sowie fast 200 Beispiele, Praxisfälle und Grafiken erleichtern das Verständnis und die praktische Anwendung. Sie erhalten Tipps sowie Gestaltungsmöglichkeiten bei konkreten Bilanzierungsfragen und Problemfällen. Auch bestens geeignet zur Prüfungsvorbereitung zur Steuerberater:in, Wirtschaftsprüfer:in, Bilanzbuchhalter:in und für Masterstudierende. Inhalte: - Jahresabschluss nach BilMoG und BilRUG: Bilanzierung und Bewertung - Handels- und Steuerrecht: gesammeltes Bilanzwissen für die Praxis und die Vorbereitung auf Berufsexamen - Mit den Regelungen zur Prüfung, Offenlegung, Bilanzberichtigung und Compliance - Die unterschiedlichen Bilanzierungssachverhalte werden zudem durch mehr als 40 Schaubilder zum Aufzeigen von Zusammenhängen, 90 Beispielen zur Verdeutlichung von Grundsachverhalten sowie 50 komplexeren Praxisfällen veranschaulicht Neu in der 8. Auflage: - Alle wichtigen steuerrechtlichen Änderungen durch Jahressteuergesetze, dem Wachstumschancengesetz, dem Mindeststeuergesetz, dem Bürokratieentlastungsgesetz IV, dem MoPeG und der neuen Pflicht zum Ertragsteuerbericht - Neueste Rechtsprechung - Neue Beispiele und Praxisfälle - Neuerungen zum Anlagevermögen und zu den Anschaffungskosten - Neues Thema und Vertiefungen im Buch zu Konsignationslager, Fremd- und Kryptowährungen und Offenlegung Die digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren Büchern Jetzt nutzen auf mybookplus.de.
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Seitenzahl: 868
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Joachim S. Tanski
Jahresabschluss
8. aktualisierte und überarbeitete Auflage , Mai 2024
© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
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Bildnachweis (Cover): © Tippapatt, iStock
Produktmanagement: Dipl.-Kfm. Kathrin Menzel-Salpietro
Lektorat: Helmut Haunreiter
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Nach nur zwei Jahren wird diese Neuauflage erforderlich. Einerseits war die Vorauflage durch konstante Nachfrage abverkauft, andererseits gab es in diesem relativ kurzen Zeitraum zahlreiche Neuerungen, die der Einarbeitung in den Text bedürfen. Da sind zunächst die Änderungen durch den Gesetzgeber, der beispielsweise mit Jahressteuergesetzen, dem Wachstumschancengesetz, dem Mindeststeuergesetz, dem Bürokratieentlastungsgesetz IV oder dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) dafür sorgte, dass auch im Bereich von Rechnungslegung und Bilanzierung keine Langeweile entstand.
An zweiter Stelle ist die kontinuierliche Flut an neuen Urteilen von den Finanzgerichten und dem BFH, aber auch von den OLG und dem BGH zu erwähnen. Dadurch mussten zahlreiche Ergänzungen und neue Praxisbeispiele in den Text eingearbeitet werden. Dies führte dazu, dass einige Textpassagen gestrafft werden konnten, während andere ergänzt, erweitert und präzisiert wurden.
Neben den vielen Einzelaktualisierungen wurden schwerpunktmäßig die gesamten Passagen zum Anlagevermögen und den Anschaffungskosten überarbeitet und um neue Aspekte und Fälle ergänzt. Neu aufgenommen wurden kleinere Abschnitte u. a. zu Konsignationslager und dem Ertragsteuerbericht, während beispielsweise die Ausführungen zu Fremd- und Kryptowährungen oder zur Offenlegung erweitert und aktualisiert wurden. Der »Dauerbrenner« Rückstellungen erforderte fast selbstverständlich ebenfalls hohe Aufmerksamkeit.
Neben den bereits angesprochenen ergänzten Beispielen wurden auch neue Grafiken eingefügt, um Zusammenhänge zu verdeutlichen oder Entscheidungswege/Entscheidungsbäume darzustellen.
Wenn Sie Fragen zum Inhalt dieses Buches, Hinweise oder Anregungen haben, dann freue ich mich auf Ihre Nachricht an [email protected].
Ich wünsche allen Lesern viel Erfolg und gutes Gelingen beim Erstellen von Jahresabschlüssen oder bei Examensvorbereitungen.
Berlin, 7. März 2024
Joachim S. Tanski
Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz hat dem deutschen Bilanzrecht die erste große Veränderung seit 25 Jahren gebracht, die zu teilweise erheblich neuen Denkweisen vor allem für die Handelsbilanz, aber auch für die Steuerbilanz führt. Beispielsweise seien hier nur die – partiell missglückte, partiell überflüssige – Annährung an internationale Bilanzierungsgepflogenheiten oder die weitere Lockerung des Maßgeblichkeitsprinzips genannt. Dies macht es erforderlich, sich in allen Bereichen des Jahresabschlusses neu zu orientieren. Für den ersten nach neuem Recht aufzustellenden Jahresabschluss wird deshalb dieses Buch vorgelegt als eine verlässliche, praxisnahe und präzise Wegleitung durch den gewandelten handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss.
Inhaltlich deckt dieses Buch den gesamten Bereich der Erstellung von Jahresabschlüssen ab. Der Schwerpunkt liegt auf den handels- und steuerrechtlichen Wertansätzen sowie der Darstellung in den einzelnen Posten von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Randthemen wie z. B. die Veröffentlichung (Publizität) oder die Prüfung des Jahresabschlusses werden in gebotener Kürze ebenso behandelt wie die Rechtsfolgen bei Bilanzverstößen, die in letzter Zeit größere Bedeutung erlangten.
Großer Wert wurde bei der Konzeption dieses Buchs auf eine leichte Verständlichkeit einerseits und große Praxisnähe andererseits gelegt. Wo irgendwie vermeidbar, wurde deshalb auf lange Theoriedarstellungen verzichtet, um ausreichend Platz für eine systematische Darstellung der Materie zu haben. Unterstützung findet der Leser dabei durch zahlreiche Praxisfälle, die Einarbeitung bedeutsamer Rechtsprechung, sowie die Illustration durch Beispiele, Übersichten und Grafiken. In die Gestaltung dieses Buchs flossen dabei auch die jahrzehntelange Erfahrung des Autors aus der Aufstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen unterschiedlicher Branchen sowie aus der Durchführung von Lehrgängen für angehende und fertige Wirtschaftsprüfer, Bilanzbuchhalter und Innenrevisoren, aber auch von Vorlesungen und Seminaren für Studenten ein.
Zielgruppe für dieses Buch sind daher zunächst alle Praktiker, die in der (Mit-)Verantwortung für die Aufstellung von Jahresabschlüssen stehen, wie beispielsweise Leiter Rechnungswesen oder Finanzen, Gruppenleiter Buchhaltung, Steuerberater, Geschäftsführer. Aber auch alle in der Ausbildung befindlichen Wirtschaftsprüfer und Bilanzbuchhalter sowie Studenten an Universitäten und Fachhochschulen in praxisnahen Vorlesungen bzw. Seminaren sind angesprochen.
Ich freue mich über Ihre Wünsche, Anregungen oder konstruktiven Hinweise zu diesem Buch, die Sie mir gerne unter [email protected] mitteilen können.
Berlin, 2. November 2010
Joachim S. Tanski
Buchführung und Bilanzierung sind nicht notwendigerweise eine Einheit. Es muss unterschieden werden zwischen der Verpflichtung, bestimmte Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen (Aufzeichnungs- oder Buchführungspflicht) und der Verpflichtung zum Abschluss dieser Aufzeichnungen (Abschluss- oder Bilanzierungspflicht). So ist zwar die Buchführung Voraussetzung für einen Abschluss, jedoch gilt dies nicht umgekehrt. Auch ist es denkbar, dass eine Buchführung ordnungsgemäß ist, nicht jedoch der nachfolgende Abschluss.
Jeden Kaufmann trifft eine Reihe von Buchführungspflichten, die sich nicht nur aus dem HGB ergeben. Zwar wird Buchführung meistens als Synonym für die kaufmännische Buchführung des HGB angesehen, jedoch gibt es noch eine Reihe weiterer Buchführungspflichten, so z. B.
bei Betrieben, die eine Besamungsstation betreiben, Aufzeichnungen u. a. über die Gewinnung, Abgabe und Verwendung des Samens nach § 18 Abs. 8 des Tierzuchtgesetzes (TierZG),
weitreichende Aufzeichnungen über den Kauf und Verkauf von Medikamenten in Apotheken (§ 22 Apothekenbetriebsverordnung) oder
haben Hebammen und Entbindungspfleger über die in Ausübung des Berufs getroffenen Feststellungen und Maßnahmen sowie über verabreichte und angewendete Arzneimittel die erforderlichen Aufzeichnungen (nach landesrechtlichen Vorschriften, so z. B. § 5 HebBOBbg) zu führen und mindestens zehn Jahre aufzubewahren (sog. Hebammenbuch).
Die gesamten handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungsregeln finden sich im Dritten Buch (§§ 238 – 339 HGB mit dem Titel »Handelsbücher«) des HandelsgesetzbuchsHandelsgesetzbuch. Dieses Dritte Buch enthält die folgenden sechs Abschnitte:
1. Abschnitt (§§ 238 ff. HGB)
Dieser Abschnitt enthält Vorschriften für Einzelkaufleute und Personengesellschaften, soweit diese nicht unter das Publizitätsgesetz fallen, und allgemeine Vorschriften für alle anderen Kaufleute.
2. Abschnitt (§§ 264 ff. HGB)
Dieser Abschnitt enthält Spezialregelungen für Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH).
für den Jahresabschluss (1. Unterabschnitt, §§ 264 ff. HGB),
den Konzernabschluss (2. Unterabschnitt, §§ 290 ff. HGB),
die Abschlussprüfung (3. Unterabschnitt, §§ 316 ff. HGB),
die Offenlegung (4. Unterabschnitt, §§ 325 ff. HGB),
die Verordnungsermächtigung für Formblätter und andere Vorschriften (5. Unterabschnitt, §§ 330 HGB) und
die Straf- und Bußgeldvorschriften (6. Unterabschnitt, §§ 331 ff. HGB).
Diese Spezialregelungen ergänzen die auch für Kapitalgesellschaften geltenden allgemeinen Regelungen des 1. Abschnitts.
3. Abschnitt (§§ 336 ff. HGB)
Dieser Abschnitt enthält für Genossenschaften ergänzende Regelungen zusätzlich zu den Regelungen des 1. und 2. Abschnitts.
4. Abschnitt (§§ 340 ff. HGB)
In diesem Abschnitt finden sich die Regelungen für bestimmte Geschäftszweige (z. B. Banken).
5. Abschnitt (§§ 342 f. HGB)
Hier ist nur das zur Aufstellung weiterer Regeln installierte Rechnungslegungsgremium geregelt.
6. Abschnitt (§§ 342b ff. HGB)
Die hier vorgesehene Prüfstelle für Rechnungslegung ist derzeit nicht eingerichtet.
Die handelsrechtliche BuchführungspflichtBuchführungspflicht, handelsrechtliche ergibt sich aus § 238 Abs. 1 S. 1 HGB, wonach jeder Kaufmann verpflichtet ist, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. KaufmannKaufmann i. S. dieser Norm ist jeder Kaufmann gem. §§ 1 – 6 HGB.
Der nichtkaufmännische KleingewerbetreibendeKleingewerbetreibende (früher: Minderkaufmann) i. S. des § 1 Abs. 2, 2. Halbs. HGB braucht keine Bücher zu führen; für ihn ist es deshalb auch nicht notwendig, ein Inventar und eine Bilanz aufzustellen oder Briefabschriften aufzubewahren. Der Kleingewerbetreibende ist dadurch gekennzeichnet, dass sein Unternehmen keinen nach Art oder Umfang in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Ob ein solcher Geschäftsbetrieb erforderlich ist, richtet sich eher nach qualitativen als nach quantitativen Merkmalen. Zur Einstufung als Kleingewerbetreibender kommt es damit auf den Umfang der Geschäfte, der Kreditfinanzierung und/oder den Bestand des Umlaufvermögens an, nicht dagegen auf den Wert eines einzelnen Geschäfts.1
Die formellen Anforderungen an die durch den Kaufmann zu führenden Bücher sind in § 239 HGB geregelt.
Durch § 241a HGB, der durch das BilMoG eingefügt wurde, werden einzelkaufmännische KleinunternehmenKleinunternehmen von der Pflicht zur handelsrechtlichen Buchführung sowie zur Aufstellung des Inventars befreit (BuchführungsbefreiungBuchführung, Befreiung). Es steht ihnen damit frei, ob sie die §§ 238 – 241 HGB anwenden. Mit diesem Wahlrecht ist die Befreiung von der Anfertigung des Jahresabschlusses verbunden (§ 242 Abs. 4 HGB).2 Voraussetzung dafür ist, dass der Einzelkaufmann am Stichtag zweier aufeinander folgender Geschäftsjahre3
Umsatzerlöse bis einschließlich 600.000 Euro und
einen Jahresüberschuss bis einschließlich 60.000 Euro
aufweist.4 Diese Einzelkaufleute sind deshalb – bei Vorliegen einer Steuerpflicht – lediglich zu einer Rechnungslegung im Sinne einer Einnahmen-Überschuss-RechnungEinnahmen-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG verpflichtet.5
Mit der Tatbestandsvoraussetzung, dass das Unterschreiten dieser SchwellenwerteSchwellenwerte an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren vorliegen muss, sollen eine gewisse Kontinuität in der Rechnungslegung erzeugt und der ständige Wechsel zwischen handelsrechtlicher Rechnungslegung und nur steuerlicher Rechnungslegung vermieden werden.
Obwohl das Steuerrecht die Zweijahresbetrachtung nicht kennt, verzichtet in der Praxis die Finanzverwaltung bei nur einmaliger Überschreitung der Schwellenwerte häufig auf die Erstellung eines Jahresabschlusses. Trotzdem wäre hier eine identische Regelung sinnvoll gewesen.
Es ist nicht erforderlich, dass ein Jahresabschluss nach Maßgabe der handelsrechtlichen Vorschriften aufgestellt wird, um festzustellen, dass eine gesetzliche Verpflichtung dazu nicht besteht. Es genügt hier, wenn nach überschlägiger Ermittlung unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen Vorschriften zum Jahresabschluss ein Überschreiten der Schwellenwerte nicht zu erwarten ist. In entsprechender Weise ist fortdauernd zu überwachen, ob die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen.6
Kleinstunternehmen, die nicht unter die vorstehende Ausnahme fallen (insbes. alle Kapitalgesellschaften), müssen kaufmännische Bücher führen; für diese soll jedoch über eine Änderung der EU-Richtlinie eine Befreiung herbeigeführt werden.7
Der buchführungspflichtige Kaufmann hat als Nebenpflicht, die geordnete AufbewahrungAufbewahrung der Buchführungsunterlagen (Handelsbücher einschl. Jahresabschlüsse und Organisationsanweisungen wie z. B. Kontierungshandbücher sowie die Buchungsbelege) über 10 Jahre sicherzustellen. Dabei gelten die folgenden Aufbewahrungsfristen (§ 257 Abs. 1 und 4 HGB-E)8.
Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB, Lageberichte, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte sowie die zu ihrem Verständnis erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen
10 Jahre
Belege für Buchungen in den vom Kaufmann nach § 238 Abs. 1 HGB zu führenden Büchern (Buchungsbelege)
8 Jahre
Die empfangenen Handelsbriefe, Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe
6 Jahre
Sofern diese Unterlagen nicht in Papierform vorliegen, muss die jederzeitige LesbarmachungLesbarmachung sichergestellt sein (§ 257 Abs. 3 HGB). Die Aufbewahrungsfrist für den Jahresabschluss endet mit Ablauf des zehnten Jahres, nach dem die letzte Handlung zur Abschlusserstellung erfolgte.
Beispiel: Aufbewahrungsfrist
Ein Unternehmen erstellt die Buchführung für das Jahr 04. Die letzte Buchung für 04 wird in 05 vorgenommen; die Aufstellung des Jahresabschlusses und Unterzeichnung durch die Gesellschafter erfolgt erst am 18.5.06.
Die Aufbewahrungsfrist ist zehn volle Kalenderjahre und endet somit am 31.12.16.
Der jährlich durchzuführende Abschluss der Bücher ist der aus Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung bestehende Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB, Legaldefinition des Jahresabschlusses); für Kapitalgesellschaften ist der Anhang gem. § 264 Abs. 1 S. 1 HGB Bestandteil des Jahresabschlusses. Die Verpflichtung zur Aufstellung von Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung ergibt sich aus § 242 Abs. 1 und 2 HGB.
Abb. 1:
Handelsrechtliche Buchführungspflicht
Unternehmen dürfen zusätzlich zum handelsrechtlichen Einzelabschluss auch noch einen Abschluss nach International Financial Reporting Standards (IFRS)IFRSInternational Financial Reporting Standardsaufstellen. Dieser Abschluss darf jedoch für Informationszwecke, insbesondere für die OffenlegungOffenlegung, eingesetzt werden. Der handelsrechtliche Einzelabschluss bleibt grundsätzlich die Basis für
alle gesellschaftsrechtlichen Belange, insbesondere auch die Ausschüttungsbemessung,
die Steuerbilanz, soweit der Maßgeblichkeitsgrundsatz reicht, und
Berechnungen (z. B. Feststellung einer Überschuldung) bei drohender bzw. bestehender Insolvenz.
Während der vorstehend beschriebene Einzelabschluss immer von jedem einzelnen Unternehmen aufzustellen ist, wird ein zusätzlicher KonzernabschlussKonzernabschluss9 nur bei bestimmten Unternehmensverbänden erforderlich. Konzerne entstehen regelmäßig, wenn eine Gruppe von Unternehmen derart gestaltet ist, dass im einfachsten Fall ein Mutterunternehmen die einheitliche Leitung auch über die untergeordneten Tochterunternehmen ausübt. Die Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses ergibt sich aus §§ 290 ff. HGB sowie ggf. aus § 11 ff. PublG. Für kapitalmarktorientierte Konzerne ist ein IFRS-Konzernabschluss10 (ohne zusätzlichen HGB-Konzernabschluss) zu erstellen (§ 315a HGB).
Die Personen, die nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen haben, die auch für die Besteuerung von Bedeutung sind, haben diese Verpflichtungen, die ihnen nach den anderen Gesetzen obliegen, gem. § 140 AO auch für die Besteuerung zu erfüllen (derivative SteuerbuchführungspflichtSteuerbuchführungspflicht, derivative). »Andere Gesetze« i. S. d. § 140 AO können auch ausländische Rechtsnormen sein.11derivative Steuerbuchführungspflicht
Durch diese Vorschrift werden die außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften für das Steuerrecht nutzbar gemacht, ohne dass es einer gesonderten steuerlichen Buchführungspflicht bedarf. Verstöße gegen außersteuerliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten werden wie Verstöße gegen steuerrechtliche Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften behandelt.12
In Betracht kommen vor allem die handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften der §§ 238 ff. HGB, jedoch auch alle Regelungen für bestimmte Berufe, Branchen oder Betriebe. Den nichtsteuerlichen Gesetzen wird dabei i. d. R. eine gewisse Vorrangstellung eingeräumt; ist z. B. die nach einem anderen Gesetz vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist für die Bücher kürzer als die steuerliche Aufbewahrungsfrist, so gilt auch steuerlich die kürzere Aufbewahrungsfrist.13
Sofern sich nicht bereits nach § 140 AO eine Buchführungspflicht ergibt, kann sich eine Buchführungspflicht für gewerbliche Unternehmer (i. S. des § 1 Abs. 1 GewStDV) sowie für Land- und Forstwirte eine steuerliche Buchführungspflicht nach § 141 AO ergeben (originäre Steuerbuchführungspflicht). Steuerbuchführungspflicht, originäreNicht betroffen von dieser Vorschrift sind demzufolge FreiberuflerFreiberufler.
Die Buchführungspflicht nach § 141 AO tritt ein, wenn eine der folgenden Grenzen überschritten wird:
Sachverhalt
Grenze in EUR
1. Umsätze im Kalenderjahr
600.000
1. Betriebsvermögen
entfallen
1. Wirtschaftswert der selbst bewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen
25.000
1. Gewinn aus Gewerbebetrieb im Wirtschaftsjahr
60.000
1. Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft im Kalenderjahr
60.000
… und die formale Voraussetzung der Bekanntgabe der BuchführungspflichtBuchführungspflicht, Bekanntgabe durch die Finanzbehörde (§ 141 Abs. 2 AO) erfüllt ist. Zur Ermittlung der Umsatzgrenzen sind sämtliche Umsätze des Unternehmens einzubeziehen, so beispielsweise auch steuerfreie Auslandsumsätze.14 Mit dieser Buchführungspflicht besteht gleichzeitig die Verpflichtung aufgrund von jährlichen Bestandsaufnahmen (Inventuren) Abschlüsse zu machen (§ 141 Abs. 1 S. 1 AO). Für Einzelheiten wird auf die entsprechenden handelsrechtlichen Regelungen verwiesen (§ 141 Abs. 1 S. 2 AO); darin zeigt sich, dass sich das Steuerrecht insoweit sehr eng an das Handelsrecht anlehnt. Die MaßgeblichkeitMaßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz wird deshalb bereits durch § 141 AO begründet und auch sogleich durchbrochen (»sofern sich nicht aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt«).
Diese originäre steuerliche Buchführungspflicht ist besonders wichtig für nichtkaufmännische Kleingewerbetreibende, die handelsrechtlich nicht buchführungspflichtig sind und auch freiwillig keine Bücher führen (wollen), jedoch eine der in § 141 AO genannten Grenzen überschreiten.
Weitere Regelungen zur Buchführung finden sich in den §§ 142 ff. AO:
Ergänzende Vorschriften für Land- und Forstwirte (§ 142 AO)
Aufzeichnung des Wareneingangs (§ 143 AO)
Aufzeichnung des Warenausgangs (§ 144 AO)
Allgemeine Grundanforderungen (§ 145 AO)
Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen (§ 146 AO)
Ordnungsvorschrift für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnungssysteme; Verordnungsermächtigung (§ 146a AO)
Kassen-Nachschau (§ 146b AO)
Ordnungsvorschriften für die Aufbewahrung von Unterlagen (§ 147 AO)
Besondere Aufbewahrungsvorschriften für Steuerpflichtige mit Überschusseinkünften von mehr als 500.000 Euro (§ 147a AO)
Bewilligung von Erleichterungen (§ 148 AO)
Durch den Verweis der §§ 140 und 141 AO auf die handelsrechtlichen Vorschriften der Buchführung, ist bereits klargestellt, dass die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung auch für das Steuerrecht gelten, d. h., dass die Normen des Handelsrechts auch für das Steuerrecht maßgeblich sind. Für die Bilanzierung wird dieses Maßgeblichkeitsprinzip jedoch nochmals durch § 5 Abs. 1 EStG betont.
Auch hinsichtlich der AufbewahrungAufbewahrung von Buchführungsunterlagen greift § 147 AO weitestgehend auf die handelsrechtlichen Regelungen zurück. Eine Verlängerung der Aufbewahrungspflicht kann entstehen, wenn Buchführung und Jahresabschluss Gegenstand eines laufenden, formalen Prozesses (z. B. Betriebsprüfung oder Gerichtsverfahren) sind.
1 Vgl. FG Brandenburg, Urteil v. 21.06.2011, 5 K 5148/07, EFG 2012, S. 217, die dort für den Grundstückshandel genannten Merkmale lassen sich leicht auf andere Branchen übertragen; ergänzend: Kort (Kriterien).
2 Für weitere Einzelheiten s. auch Traut (Rechnungslegungsbefreiungen).
3 § 241a Abs. 1 S. 2 HGB setzt hierzu ein Korrektiv für den Fall der Neugründung.
4 Diese Schwellenwerte entsprechen den Werten des § 141 AO, jedoch müssen handelsrechtlich beide Schwellen unterschritten sein, während abgabenrechtlich das Überschreiten einer Schwelle die Buchführungspflicht nach sich zieht, sodass im Grenzfall handelsrechtliche und steuerrechtliche Buchführungspflicht auseinanderfallen.
5 Vgl. ergänzend Heyd/Kreher (BilMoG), S. 18.
6 BT-Druck. 16/10067 v. 30.7.2008, S. 46 f.
7 Vgl. BT-Drucks. 17/4813 v. 18.2.2011, Frage 24.
8 I. d. F. des Regierungsentwurfs zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes von 2024.
9 Vgl. einführend Küting u. a. (Konzernrechnungslegung).
10 Abschluss nach International Financial Reporting Standards (IFRS).
11 BFH, Urteil v. 14.11.2018, I R 81/16, DStR 2019, S. 876; vgl. ergänzend BFH, Urteil v. 20.4.2021, IV R 3/20, BFH/NV 2021, S. 1256 und BFH, Urteil v. 18.1.2023, I R 48/19, NV, DStR 2023, S. 1250.
12 AEAO zu § 140 AO.
13 BFH, Urteil v. 2.2.1982, VIII R 65/80, BStBl II, S. 409.
14 BFH, Urteil v. 7.10.2009, II R 23/08, BFH/NV 2010, S. 90.
MaßgeblichkeitsprinzipGrundsätzlich gilt, dass für Bilanzierung und Bewertung in der Steuerbilanz die Wertansätze der Handelsbilanz maßgeblich sind (Maßgeblichkeitsprinzip).15 Dieses Maßgeblichkeitsprinzip ist in § 5 Abs. 1 EStG kodifiziert und gilt für Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften (§ 238 ff. HGB) verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen. Das Maßgeblichkeitsprinzip besteht nicht bei Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG.
Übersehen wird bei dieser Darstellung des Maßgeblichkeitsprinzips fast immer die Bedeutung der Abgabenordnung. Bereits aufgrund des § 140 AO ist der Steuerpflichtige gehalten, die nach anderen Gesetzen ggf. bestehende Buchführungspflicht auch für Zwecke der Besteuerung zu erfüllen. Dadurch gewinnen z. B. die § 238 ff. HGB auch für die Besteuerung bereits an Bedeutung, ohne dass es des § 5 Abs. 1 EStG bedarf. Dies gilt auch für den Fall der Buchführungspflicht gem. § 141 AO, da in dieser Vorschrift ausdrücklich auf das HGB Bezug genommen wird.16 Die besondere Bedeutung des § 5 Abs. 1 EStG liegt deshalb in der Bezugnahme auf die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung.17
Besteht hinsichtlich der Bilanzierung handelsrechtlich ein Aktivierungs- oder Passivierungsgebot, so besteht wegen des Maßgeblichkeitsprinzips für das Steuerrecht ebenfalls das Gebot, einen entsprechenden Ansatz vorzunehmen. Entsprechendes gilt umgekehrt bei handelsrechtlichen Aktivierungs- oder Passivierungsverboten.
Maßgeblichkeitsprinzip, DurchbrechungBei handelsrechtlichen Bilanzierungswahlrechten besteht zwar theoretisch ebenfalls das MaßgeblichkeitsprinzipMaßgeblichkeit, durchbrochene, jedoch gilt hier durch Gesetz und Rechtsprechung die Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips. Die Rechtsprechung18 neigt sogar dazu, handelsrechtliche Bilanzierungswahlrechte nicht zu berücksichtigen und stattdessen bei Aktivierungswahlrechten eine steuerliche Aktivierungspflicht und bei handelsrechtlichen Passivierungswahlrechten ein steuerliches Passivierungsverbot anzunehmen, sofern im Steuerrecht nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist. Für Zwecke der Besteuerung soll dadurch ein zu geringer Gewinnausweis vermieden werden.
Auch hinsichtlich der Bewertung bereits bilanzierter Gegenstände gilt das Maßgeblichkeitsprinzip, d. h., der in der Handelsbilanz vorgeschriebene oder gewählte Wert ist auch in die Steuerbilanz zu übernehmen. Besteht für die Steuerbilanz ein Bewertungswahlrecht, so ist auch für die Steuerbilanz der in der Handelsbilanz angesetzte Wert zu übernehmen; das steuerliche Bewertungswahlrecht kommt dann für die Gewinnermittlung gem. § 5 Abs. 1 EStG nicht zum Tragen.
Genau wie für die Bilanzierung wird das Maßgeblichkeitsprinzip auch für die Bewertung verschiedentlich durchbrochen. Vor allem ist hier § 5 Abs. 6 EStG zu nennen, nach dem das Maßgeblichkeitsprinzip nur gilt, wenn dadurch nicht gegen die Bewertungsvorschriften z. B. des § 6 EStG verstoßen wird. Als Beispiel sei der derivative Firmenwert angeführt, der in der Handelsbilanz planmäßig abzuschreiben ist (§ 253 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 246 Abs. 1 S. 4 HGB), während er in der Steuerbilanz auf 15 Jahre abgeschrieben werden muss (§ 7 Abs. 1 EStG). Auch durch § 7 EStG kann das Maßgeblichkeitsprinzip durchbrochen werden; liegt beispielsweise in der Handelsbilanz die degressive Abschreibungsquote über den Grenzen des § 7 Abs. 2 EStG, so ist in der Steuerbilanz nur der steuerlich maximal zulässige Wert anzusetzen.
Es gibt jedoch noch weitere wesentliche Fälle einer Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips, die darauf beruhen, dass steuerlich bestimmte Aufwendungen nicht oder nur teilweise anerkannt werden. Zu den nur teilweise zulässigen Aufwendungen (Betriebsausgaben) zählen die in § 4 Abs. 5 EStG aufgeführten Aufwendungen für Geschenke an Betriebsfremde, bestimmte Aufwendungen für Bewirtung, Aufwendungen für bestimmte Gästehäuser etc. Gegebenenfalls ist bei diesen Aufwendungen § 4 Abs. 7 EStG zu beachten, der besondere Anforderungen an die Buchführung vorsieht.
Weiterhin besteht für bestimmte Steuerarten ein steuerliches Abzugsverbot der Steuerzahlungen (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer u. a.), dagegen werden diese Steuerarten in der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnung als Aufwand abgezogen und mindern somit den Handelsbilanzgewinn.
Im Prinzip kann man sich merken, dass der Gewinnausweis der Steuerbilanz i. d. R. nicht kleiner als in der Handelsbilanz sein wird.
In der Praxis ist nicht selten zu beobachten, dass die Handelsbilanz an die Steuerbilanz angelehnt wird, statt eine Anlehnung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz vorzunehmen. Diese Tatsache wird als Umkehrung des MaßgeblichkeitsprinzipsMaßgeblichkeitsprinzip, Umkehrung bezeichnet und beruht darauf, dass der Buchführungspflichtige handelsrechtlichen Buchführungsregeln unterliegt, die weniger streng als die steuerrechtlichen Regeln sind (z. B. der Einzelkaufmann); diese Handelsbilanz ist darüber hinaus für externe Informationsempfänger von untergeordneter Bedeutung. Es wird in diesem Fall häufig nur eine Bilanz entsprechend den strengeren steuerrechtlichen Normen (Steuerbilanz) erstellt, die dann zugleich auch Handelsbilanz gem. § 242 HGB ist. Dadurch wird eine erhebliche Arbeitsvereinfachung bewirkt, ohne dass i. d. R. irgendwelche Nachteile entstehen. Externe Informationsempfänger (z. B. eine Bank im Fall der Kreditgewährung) bevorzugen oder verlangen ohnehin meistens Einblick in die Steuerbilanz, da eine evtl. vorhandene, getrennte Handelsbilanz ggf. keiner Pflichtprüfung unterliegt.
Die früher ebenfalls existierende Umkehrung der Maßgeblichkeit, um steuerpolitisch motivierte Wahlrechte19 auch in der Handelsbilanz auszunutzen und um dabei die Einheitlichkeit von Handels- und Steuerbilanz zu wahren, wurde 2009 mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) aufgehoben. Für diese Fälle gilt zukünftig die Aufhebung der Maßgeblichkeit.
Maßgeblichkeit, AufhebungFür den Fall, dass der Bilanzierende ein steuerliches Wahlrecht so ausübt, dass sich ein von der Handelsbilanz abweichender Wert ergibt oder ergab, wird die Maßgeblichkeit nicht angewandt (§ 5 Abs. 1 S. 1 letzter HS EStG). Diese Aufhebung der Maßgeblichkeit ist 2009 durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz eingeführt worden.
Voraussetzung für die Ausübung dieser steuerlichen Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende VerzeichnisseVerzeichnis aufgenommen werden. In den Verzeichnissen sind
der Tag der Anschaffung oder Herstellung,
die Anschaffungs- oder Herstellungskosten,
die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und
die vorgenommenen Abschreibungen
nachzuweisen (§ 5 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG). Es reicht aus, wenn diese Angaben einem GwG-Verzeichnis, einem Anlageverzeichnis oder einer Anlagenbuchhaltung zu entnehmen sind.
Der Umfang der Aufhebung ist strittig. Laut Gesetzesbegründung der Bundesregierung20 ist klar erkennbar, dass die Bundesregierung mit der Einführung des BilMoG zum einen am bewährten Maßgeblichkeitsprinzip nichts ändern wollte und zum anderen ein Wahlrecht zur Teilwertabschreibung bei dauernder Wertminderung verneint und generell nur die steuerpolitischen Vorschriften der ursprünglichen umgekehrten Maßgeblichkeit schützen wollte.21
Der Gesetzestext lässt dagegen auch eine weitergehende Aufhebung der Maßgeblichkeit nicht ausschließen. Aufgrund des Texts wird in der Literatur eher die weitergehende Auslegungsvariante unterstützt.22 Entscheidend ist für die Praxis letztlich jedoch, dass sich auch die Finanzverwaltung23 dieser weitergehenden Auslegung angeschlossen hat.
Dies eröffnet dem Bilanzierenden die Möglichkeit, alle steuerlichen Wahlrechte unabhängig von der Bilanzierung in der Handelsbilanz auszuüben und entsprechend bilanzpolitischbilanzpolitisch zu nutzen.24 So hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, beispielsweise eine Teilwertabschreibung zu unterlassen und in der Steuerbilanz einen höheren Wertansatz auszuweisen. Durch die folgenden unterschiedlichen planmäßigen Abschreibungs-(AfA-)beträge ergeben sich nicht nur unterschiedliche Ansätze, sondern auch stetig unterschiedliche Gewinne in beiden Rechenwerken. Dies kann noch durch die Wahl unterschiedlicher Abschreibungsmethoden verschärft werden.
Für die ertragsteuerliche Steuerbemessung stellt die Steuerbilanz die Kerninformation für die Finanzverwaltung dar. Ein steuerpflichtiges Unternehmen ist daher gezwungen, eine Steuerbilanz der SteuererklärungSteuererklärung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer beizufügen.
Gem. § 25 EStG wird der Steuerpflichtige mit dem im Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) bezogenen Einkommen zur Einkommensteuer veranlagt. Bei körperschaftsteuerpflichtigen Personen (§§ 1 und 2 KStG) erfolgt die Veranlagung aufgrund des § 31 Abs. 1 KStG ebenfalls nach dem Vorschriftenbereich des § 25 EStG. Zwecks Veranlagung hat der Steuerpflichtige gem. § 56 EStDV eine SteuererklärungSteuererklärung abzugeben, deren Form in § 60 EStDV geregelt ist.
§ 60 Abs. 1 EStDV bestimmt, dass die Abschrift der (Handels-)Bilanz der Steuererklärung beizufügen ist, wenn der Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelt wird, Gleiches gilt für die Gewinn- und Verlustrechnung, und auf Verlangen des Finanzamts außerdem für eine HauptabschlussübersichtHauptabschlussübersicht. Liegt ein Anhang, ein Lagebericht oder ein Prüfungsbericht vor, so ist gem. § 60 Abs. 3 EStDV ebenfalls eine Abschrift der Steuererklärung beizufügen.
Entspricht die Handelsbilanz nicht in allen Posten den steuerlichen Vorschriften, was die Regel ist, so müssen diese Posten durch Zusätze oder Anmerkungen den steuerlichen Vorschriften angepasst werden (§ 60 Abs. 2 S. 1 EStDV), da die Bemessungsgrundlage nicht der handelsrechtliche Gewinn, sondern der steuerrechtliche Gewinn ist. Letztlich sind für die steuerliche Veranlagung nur die steuerlichen Werte einer SteuerbilanzSteuerbilanz zugrunde zu legen.
Für die Ermittlung der der Erklärung beizufügenden Steuerbilanz gibt es grundsätzlich drei verschiedene Möglichkeiten:
Im einfachsten Fall bestehen zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz keine Unterschiede, d. h., dass die Handelsbilanz nicht gegen steuerliche Vorschriften verstößt, i. d. R. deshalb, weil die Handelsbilanz bereits unter Berücksichtigung der steuerlichen Normen erstellt wurde. So ist es ausreichend, wenn der Steuererklärung die Handelsbilanz beigefügt wird (§ 60 Abs. 1 EStDV). Aufgrund der vielen Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz ist diese sog. EinheitsbilanzEinheitsbilanz in der Praxis unter Einhaltung aller Normen kaum noch bzw. nur bei sehr kleinen, einfachen Unternehmen realisierbar.
Der vom Gesetzgeber vorgesehene Regelfall ist die Ableitung der Steuerbilanz aus der Handelsbilanz in der Form einer Mehr-Weniger-RechnungMehr-Weniger-Rechnung. Diese Überleitungsrechnung basiert auf der Handelsbilanz und stellt postenweise die Unterschiede zur Steuerbilanz dar (§ 60 Abs. 2 S. 1 EStDV). Letztlich wird damit eine Steuerbilanz erstellt, die häufig als eigenständige Bilanz der Steuererklärung beigefügt wird.
Anstelle von Handelsbilanz plus Mehr-Weniger-Rechnung darf auch eine eigenständige SteuerbilanzSteuerbilanz der Steuererklärung beigefügt werden (§ 60 Abs. 2 S. 2 EStDV). Dies ist in der Praxis der häufigste Fall. Bei einem starken Anfall von Korrekturposten betrifft dies regelmäßig Großunternehmen, die eine gesonderte SteuerbuchhaltungSteuerbuchhaltung im Buchhaltungskreis einrichten, welche unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorschriften direkt zu einer Steuerbilanz gelangt, die dann Bestandteil der Steuererklärung wird.
Sofern von Steuerbilanz gesprochen wird, sind hier immer Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung gemeint. Sofern ein Anhang, ein Lagebericht oder ein Prüfungsbericht vorliegt, sind diese Unterlagen ebenfalls in Kopie der Steuererklärung beizufügen (§ 60 Abs. 3 EStDV).
Beispiel: Mehr-Weniger-Rechnung
Ein Unternehmen erstellt die vorliegende Handelsbilanz (HB), sie entspricht im Wesentlichen auch den Steuernormen, jedoch wurde für Maschinen eine degressive Abschreibung vorgenommen, die um 15.000 Euro über dem steuerlich zulässigen Wert liegt; weiterhin enthält die Handelsbilanz eine steuerlich unzulässige Rückstellung in Höhe von 10.000 Euro.
Handelsbilanz
Gewinnkorrekturen
Steuerbilanz
(+)
(-)
Gebäude
300.000
300.000
Maschinen
Vorräte
Kasse
Bank
150.000
75.000
45.000
120.000
15.000
165.000
75.000
45.000
120.000
Aktiva
690.000
705.000
Eigenkapital
350.000
350.000
Rückstellung
50.000
10.000
40.000
Verbindlichkeit
Gewinn
200.000
200.000
90.000
25.000
115.000
Passiva
690.000
25.000
25.000
705.000
Da sich die Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz auch auf die folgenden Jahre (Veranlagungszeiträume) auswirken, kann es sinnvoll sein, dies durch die Einführung und Fortschreibung von Steuerausgleichsposten zu berücksichtigen.
Abb. 2:
Auswirkungen der Mehr-Weniger-Rechnung
In einer gesonderten SteuerbuchhaltungSteuerbuchhaltung entfällt u. a. auch das teilweise recht mühsame Aussondern von Aufwendungen, die nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Gerade dieser Punkt kann dadurch vereinfacht werden, indem auch bei einer Mehr-Weniger-Rechnung die nicht als Betriebsausgaben abzugsfähigen Aufwendungen auf einem Unterkonto erfasst werden. Es sind also bis zu einer gewissen Grenze auch Kombinationen zwischen einer Mehr-Weniger-Rechnung und einer selbständigen Steuerbuchhaltung möglich. In vielen Fällen stellt diese Kombination – gerade in kleineren und mittleren Unternehmen – m. E. die beste Lösung zur Ableitung der Steuerbilanz dar.
Seit dem Veranlagungszeitraum 2013 muss die Steuerbilanz in elektronischer Form eingereicht werden (sog. E-BilanzE-Bilanz).25 Dazu ist der Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln (§ 5b Abs. 1 EStG). Eine Steuerbilanz in Papierform ist nicht mehr zulässig, es sei denn, die Härtefallregelung des § 150 Abs. 8 AO oder des § 5b Abs. 2 EStG (s. u.) kann zur Anwendung kommen.
Auch in der Ära der elektronischen Übermittlung bleiben die drei bisherigen Alternativen zur Einreichung prinzipiell erhalten.
Der Inhalt der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung ist in Form eines XBRL-DatensatzesXBRL-Datensatz auf elektronischem Weg zu übermitteln. XBRL (eXtensible Business Reporting Language) ist ein international verbreiteter Standard für den elektronischen Datenaustausch von Unternehmensinformationen. Der Standard XBRL ermöglicht es, Daten in standardisierter Form aufzubereiten und mehrfach – etwa neben der Veröffentlichung im UnternehmensregisterUnternehmensregister – zur Information von Geschäftspartnern, Kreditgebern, Aufsichtsbehörden oder Finanzbehörden – zu nutzen.
Damit ist für die Einreichung der steuerlichen Unterlagen auf dieselbe IT-Umgebung zurückzugreifen, die auch für die Einreichung beim Handelsregister zur Anwendung gelangt.
§ 51 Abs. 4 Nr. 1b EStG ermächtigt den BMF im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder, den MindestumfangMindestumfang, Datenübermittlung der nach § 5b EStG elektronisch zu übermittelnden Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zu bestimmen. Dieser Mindestumfang darf m. E. aber keine Angaben verlangen, die nicht durch ein Handels- oder Steuergesetz gedeckt sind.
Bei der Festlegung des zu übermittelnden Dateninhalts wird grundsätzlich von der HGB-TaxonomieHGB-Taxonomie des XBRL Deutschland e. V. ausgegangen. Die TaxonomienTaxonomie bilden die allgemeinen handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften ab und enthalten u. a. die Module »Bilanz«, »Gewinn- und Verlustrechnung«, »Ergebnisverwendung«, »Kapitalkontenentwicklung« und »Anhang«. Soweit spezielle Rechnungslegungsvorschriften gelten, existieren hierzu Spezial-Taxonomien/Taxonomie-Erweiterungen. Zur Festlegung des nach § 5b EStG zu übermittelnden Datensatzes werden diese Taxonomien erweitert, um alle nach steuerlichen Vorschriften erforderlichen Positionen abzudecken.26
Bestimmte Positionen sind verpflichtend zu übermitteln und werden in den Taxonomien als solche gekennzeichnet (Mindestanforderungen).27
Bei der Übermittlung einer Handelsbilanz mit Überleitungsrechnung können auch vom Taxonomie-Schema abweichende individuelle Positionen übermittelt werden. Für diesen Ausnahmefall sieht die Taxonomie die Möglichkeit vor, zu den individuellen Positionen anzugeben, in welche – steuerlichen Vorschriften entsprechende – Positionen diese umzugliedern sind (z. B. Umgliederung einer handelsrechtlichen Position zwischen Anlage- und Umlaufvermögen auf Anlagevermögen einerseits und Umlaufvermögen andererseits).
§ 88 AO sowie die MitwirkungspflichtenMitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen, insbesondere §§ 90, 97, 146, 147 und 200 Abs. 1 S. 2 AO bleiben unberührt. Der Steuerpflichtige kann beispielsweise im Rahmen der Mitwirkungspflicht die Summen- und Saldenliste sowie das Anlageverzeichnis elektronisch übermitteln.28
Praxisfall: Umfang der Einreichung
Nimmt ein Unternehmen für steuerliche Zwecke zulässigerweise eine von der Handelsbilanz abweichende Bilanzierung vor, so muss dies dem Finanzamt durch eine gesonderte Steuerbilanz oder eine Mehr-Weniger-Rechnung zur Kenntnis gebracht werden.
Das Führen eines Verzeichnisses nach § 5 Abs. 1 S. 2 EStG ist nur notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für eine steuerbilanzielle Abweichung von einem handelsbilanziellen Ansatz. Die Ausübung von steuerrechtlichen Wahlrechten bedarf zur Wirksamkeit der Vorlage der notwendigen Unterlagen bei der zuständigen Finanzbehörde; bloß intern geführte Inventarkarten können keinen abweichenden Steuerbilanzansatz begründen.29
Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten (HärtefallregelungHärtefallregelung). Dem Antrag ist zu entsprechen, wenn eine elektronische Übermittlung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine elektronische Übermittlung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung zu nutzen (§ 5b Abs. 2 S. 2 EStG i. V. m. § 150 Abs. l 8 AO).30
In einem Streitfall hat das FG Schleswig-Holstein den Antrag auf Verzicht einer elektronischen Übermittlung wegen wirtschaftlicher Härte abgelehnt, weil auf der ELSTER-Website mehrere Softwareanbieter aufgelistet seien, die die Möglichkeit der Übertragung einer E-Bilanz bieten würden; die Angebote seien teilweise kostenlos, teilweise für einen günstigen Preis zu haben, sodass kein erheblicher finanzieller Aufwand entstehe.31 In der Revision hat der BFH diese Auffassung prinzipiell bestätigt: Eine »unbillige Härte« i. S. des § 5b Abs. 2 EStG liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten (in diesem Streitfall ca. 40 Euro) unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i. S. des § 150 Abs. 8 S. 2 Halbs. 1 AO vor.32
15 Für grundsätzliche Ausführungen m. w. N. vgl. Freericks (Bilanzierungsfähigkeit), S. 280 ff.
16 Zum Verhältnis von handelsrechtlicher zu steuerrechtlicher Rechnungslegung vgl. Wichmann (Frage).
17 Eine ähnliche Auffassung vertritt Freericks (Bilanzierungsfähigkeit), S. 282.
18 BFH v. 3.2.1969, GrS 2/68, BStBl II, S. 251.
19 Zum Beispiel steuerfreie Rücklagen nach § 6b EStG, Sonderabschreibungen nach § 7 g EStG.
20 Vgl. BT-Drucks. 16/10067, RegE v. 30.7.2008, S. 124, zu Nummer 17.
21 Im Ergebnis ebenso Schultze-Osterloh (GoB).
22 Vgl. für viele: Niemeyer/Froitzheim (Praxisfragen).
23 BMF, Schreiben v. 12.3.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl 2010 I, S. 239.
24 Vgl. Künkele/Zwirner (Steuerbilanzpolitik).
25 Informationen im Internet u. a. unter www.esteuer.de, www.xbrl.de, www.bundesfinanzministerium.de.
26 Die aktuellen Taxonomien werden vom BMF veröffentlicht. Sie können unter www.esteuer.de abgerufen werden.
27 BMF, Schreiben v. 19.1.2010, IV C 6 – S 2133-b/0, Elektronische Übermittlung von Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen, Tz 2; weitere Informationen zur Hinterlegung unter https://publikations-plattform.de/sp/wexsservlet.
28 BMF, Schreiben v. 19.1.2010, IV C 6 – S 2133-b/0, Elektronische Übermittlung von Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen, Tz 2.
29 Hessisches Finanzgericht, Urteil v. 25.3.2021, 4 K 1756/18, NWB BAAAH-85871.
30 BMF, Schreiben v. 19.1.2010, IV C 6 – S 2133-b/0, Elektronische Übermittlung von Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen, Tz 3.
31 FG Schleswig-Holstein, Urteil v. 9.9.2020, 3 K 6/20, BeckRS 2020, 34237.
32 BFH, Urteil v. 21.04.2021, XI R 29/20, NWB WAAAH-86593.
Der Jahresabschluss ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger BuchführungGrundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) aufzustellen (§ 243 Abs. 1 HGB). Was unter den GoB zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht erläutert; es handelt sich deshalb um einen unbestimmten RechtsbegriffRechtsbegriff, unbestimmter. Allerdings sind die meisten dieser Grundsätze im Laufe der Zeit – ohne konkreten GoB-Bezug – als generelle Grundsätze in das Gesetz aufgenommen worden.
Nachfolgend ein Überblick über diese Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (sofern vorhanden mit Angabe der Kodifizierung)33:
Die Rahmengrundsätze
Grundsatz der Richtigkeit und Willkürfreiheit34
Grundsatz der Klarheit (§ 243 II HGB)
Grundsatz der Vollständigkeit (§ 246 I HGB)
Die Grundsätze der Periodenabgrenzung
Das Realisationsprinzip (§ 252 I 5 HGB)
Grundsatz der sachlichen Abgrenzung
Grundsatz der zeitlichen Abgrenzung
Das ImparitätsprinzipImparitätsprinzip (§ 252 I 4 HGB)
Der ergänzende Grundsatz der Vorsicht (§ 252 I 4 HGB)
Die restriktiven Grundsätze
Grundsatz der WesentlichkeitWesentlichkeit (Materiality)
Grundsatz der Rechtzeitigkeit (§ 243 III HGB)
Grundsatz der Vergleichbarkeit (auch der Stetigkeit) (§ 246 III HGB, § 252 I 1 HGB, § 252 I 6 HGB)
Grundsatz der Wirtschaftlichkeit
Ergänzt werden die GoB von den folgenden Bewertungsgrundsätzen:
Das Stichtagsprinzip (§ 242 I, II HGB)
WertbeeinflussungWertbeeinflussung (auch Wertbegründung/Wertschaffung), WertaufhellungWertaufhellung (§ 252 I 4 2. HS HGB)
Der Grundsatz der Unternehmensfortführung (§ 252 I 2 HGB)
Das Niederstwertprinzip (§ 253 III, IV HGB)
Der Grundsatz der EinzelbewertungEinzelbewertung (§ 252 I 3 HGB)
SaldierungsverbotSaldierungsverbot (§ 246 II HGB)
Bewertungsvereinfachungsverfahren (§ 256 HGB)
Sachgesamtheiten (R 5.4 II EStR)
Bewertungseinheiten (§ 254 HGB)
Der Grundsatz der Bestimmtheit des Wertansatzes
Der Grundsatz der Methodenfreiheit
Der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (StetigkeitsgrundsatzStetigkeitsgrundsatz) (§ 252 I 6 HGB)
Die handelsrechtlichen Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze finden eine Ergänzung in dem aus der anglo-amerikanischen Rechnungslegung kommenden Grundsatz des true and fair viewtrue and fair view. Dieser Begriff ist dem Handelsrecht zwar fremd, gleichwohl wird die Formulierung des § 246 Abs. 2 S. 1 HGB gerne als deutsche Interpretation des anglo-amerikanischen Begriffs angesehen. Danach hat der Jahresabschluss »ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und ErtragslageVermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln«. Dabei sind jedoch – aufgrund des klaren Gesetzestexts – zwingend die GoB einzuhalten.35 Deshalb verlangt § 246 Abs. 2 S. 2 HGB eine Anhangangabe, falls dieses Bild (beispielsweise wegen vorrangiger Beachtung der GoB) nicht vermittelt wird.
Zu den schillerndsten Grundsätzen dürfte der Grundsatz der WesentlichkeitWesentlichkeit, Grundsatz gehören.36 Die leider oft zu hörende Meinung, nach diesem Grundsatz dürften Fehler bis zur imaginären Wesentlichkeitsgrenze gemacht werden, ist strikt abzulehnen37. Grundsätzlich hat die gesamte Rechnungslegung fehlerfrei zu erfolgen. Von Bedeutung wird dieser Grundsatz als Prüfergrundsatz bei der Prüfung des (Jahres-)Abschlusses; danach führen unwesentliche Fehler nicht zu einer – erheblichen – Beanstandung durch den Prüfer. Gleichzeitig gibt dieser Grundsatz die Möglichkeit, Irrtumsfehler als unwesentlich anzusehen, solange sie nicht gegen den in § 264 Abs. 2 S. 1 HGB kodifizierten Grundsatz der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes der Vermögens-, Finanz- und ErtragslageVermögens-, Finanz- und Ertragslage (true and fair viewtrue and fair view) verstoßen. Problematisch ist, dass keine – verbindlichen – Werte zur Abgrenzung der Wesentlichkeit zur Unwesentlichkeit existieren.38 In der Praxis gibt es deshalb eine Vielzahl divergierender Werte und dazu gehörender Bezugsbasen.39
Neben den einschlägigen Regelungen in Gesetzen stellen diese Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze auch die Grenzen für eine zulässige BilanzpolitikBilanzpolitik des Unternehmens dar. Eine Überschreitung dieser Grenzen kann u. a. einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. d. § 42 Abs. 1 S. 1 AO darstellen. »Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll.«40
Das Steuerrecht kennt für die Steuerbilanz keine eigenen OrdnungsmäßigkeitsgrundsätzeOrdnungsmäßigkeitsgrundsatz, sondern verweist über die §§ 140, 141 AO und § 5 Abs. 1 EStG auf die handelsrechtlichen GoB. Insoweit gilt auch hier die Maßgeblichkeit. Allerdings finden sich im Steuerrecht noch einige formelle Ordnungsmäßigkeitsregeln in den §§ 143 – 148 AO, die im Handelsrecht überwiegend ihre Entsprechung in den §§ 238 Abs. 1 S. 2 und 3, 239, 257 HGB finden.
Obwohl es sich nicht um allgemeine Ordnungsmäßigkeitsgrundsätze handelt, sind für IT-gestützte Buchführungen und eine Betriebsprüfung noch die Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBDGoBD) zu beachten.41
Es taucht immer wieder die Frage auf, ob es bei der Bilanzierung ein allgemeines KorrespondenzprinzipKorrespondenzprinzip gibt. Danach sollen bei Geschäftsvorfällen zwischen bilanzierenden Unternehmen die buchmäßigen Darstellungen dieser Geschäftsvorfälle bei beiden Unternehmen (durch gegenläufige Buchungen) korrespondieren. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird dies regelmäßig der Fall sein: Was bei dem einen Geschäftspartner eine Forderung ist, wird beim anderen eine Verbindlichkeit sein, entsprechendes gilt beispielsweise auch für Aufwand und Ertrag, Auszahlung und Einzahlung, Bestandserhöhung und Bestandsminderung; ebenso z. B. Umsatzerlöse und Wareneingänge. Dieses Korrespondenzprinzip hat allerdings Grenzen. So werden sich die Bilanzierungen zwar häufig dem Grunde nach entsprechen, aber der Höhe nach (Bewertungen) differieren; dies ist u. a. regelmäßig bei Fremdwährungsgeschäften der Fall (z. B. durch die Unterschiede zwischen Devisenbrief- und Devisengeldkurs). Ein weiteres Beispiel ist die Aktivierung eines PachterneuerungsanspruchsPachterneuerungsanspruch beim Verpächter und die Passivierung einer Pachterneuerungsrückstellung, die sich ebenfalls nicht zwangsläufig in der Höhe entsprechen müssen.42
Es gibt jedoch auch »klassische« Bilanzierungsaufgaben ohne jedwede Bilanzkorrespondenz dem Grunde nach: Während z. B. ein geschädigter Geschäftspartner lange Zeit keine Schadenersatzforderungen bilanzieren darf, muss der Schädiger bereits eine Rückstellung und den entsprechenden Aufwand erfassen. Das betriebswirtschaftliche Korrespondenzprinzip existiert also nur im Rahmen von Grundüberlegungen der kaufmännischen Buchhaltung, wird dann aber durch ergänzende Prinzipien und die GoB (z. B. Ausweisverbot für nicht realisierte Forderungen im Fall des eben genannten Geschädigten) modifiziert bzw. aufgehoben. Dass insbesondere bei Bewertungsfragen häufiger keine Bilanzkorrespondenz erkennbar ist, liegt daran, dass Vermögensgegenstände und Schulden nach einer Transaktion bei den beiden Geschäftspartnern – spätestens – nach einer logischen Sekunde ein individuelles »Eigenleben« beginnen können.
Weder das Handelsrecht noch das Steuerrecht kennen einen kodifizierten oder aus dem Gesetz ableitbaren allgemeinen Grundsatz einer korrespondierenden BilanzierungBilanzierung, korrespondierende43oder der Erfolgsneutralität zusammenhängender Aktiva und Passiva bei den Beteiligten eines Geschäfts44. Einen solchen Grundsatz gesetzlich zu verankern, wäre auch kaum möglich, weil der Kreis potenzieller Ausnahmen einer Korrespondenzbilanzierung zu groß und vielschichtig wäre. Dennoch kann die Einhaltung der Korrespondenz auch für die Handels- und Steuerbilanz ein Indiz (aber eben kein Beweis) für eine korrekte Bilanzierung sein.
Beispiel: Keine korrespondierende Bewertung
Die A-GmbH gewährt der B-GmbH für mehrere Jahre ein unverzinsliches Darlehen über 100.000 Euro. Die A-GmbH hat die Darlehensforderung mit den Anschaffungskosten von 100.000 Euro zu aktivieren; bei der B-GmbH entsteht eine Verbindlichkeit von 100.000 Euro, die mit 5,5 % abzuzinsen ist. Eine Teilwertabschreibung bei der A-GmbH aufgrund der Unverzinslichkeit ist nicht zulässig.
Eine Abschreibung dieser Forderung bei der A-GmbH ist auch nicht mit Hinweis auf die sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG ergebende Verpflichtung zur Abzinsung der korrespondierenden Darlehensverbindlichkeit bei der B-GmbH zu begründen. »Die sich daraus ergebende Asymmetrie, die z. T. als ›umgekehrte Imparität‹ bezeichnet wird, ist den gesetzlichen Regelungen immanent. Ein übergeordnetes Korrespondenzprinzip, durch das sich ein derartiges Ergebnis verhindern ließe, existiert nicht.«45
Dieses Beispiel zeigt einen Fall mit korrespondierender Bilanzierung dem Grunde nach, aber fehlender Bilanzkorrespondenz der Höhe nach.
33 Vgl. ausführlich Tanski (Rechnungslegung) S. 130 ff.
34 Dieser Grundsatz wird häufig als »Grundsatz der Bilanzwahrheit« bezeichnet, was unberücksichtigt lässt, dass es keine absolute Bilanzwahrheit gibt. Zur Bilanzwahrheit siehe auch EuGH, Urteil v. 23.4.2020, C-640/18, Wagram Invest SA/Belgischer Staat, abrufbar unter http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C-640/18.
35 »Der ›true and fair view‹-Grundsatz bedeutet keine Aufgabe des Realisationsgrundsatzes und des Vorsichtsprinzips. Er ergänzt beide Grundsätze, macht sie jedoch weder überflüssig, noch verkehrt er sie in ihr Gegenteil.« BFH, Beschluss v. 07.08.2000, GrS 2/99, BFH/NV 2000, S. 1404.
36 Vgl. allgemein Kahle/Kopp (Wesentlichkeitsgrundsatz).
37 Vom Grundsatz ähnlich BFH, Urteil v. 6.6.2012, I R 99/10, BFH/NV 2012, S. 1715, Rz. 34.
38 Tanski (Bestimmung).
39 Vgl. Schmitz/Widmann (Festlegung).
40 BFH, Urteil v. 20.07.2018, IX R 5/15, BFH/NV 2019, S. 71, Rz. 28 m. w. N.
41 Vgl. BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003; einen guten und umfassenden (sowie kostenlosen) Überblick verschafft »GoBD – Ein Praxisleitfaden für Unternehmen«, der in der jeweils neuesten Version downloadbar ist unter: https://www.awv-net.de/fachergebnisse/schriftenverzeichnis/steuer-und-handelsrecht/index.html.
42 Für weitere Details s. BFH, Urteil v. 17.2.1998, VIII R 28/95, BFH/NV 1998, S. 1407–1410.
43 FG Köln, Urteil v. 28.9.2017, 7 K 1175/16, DStZ 2018, S. 170.
44 BFH, Urteil v. 9. 1.2013, I R 33/11, BFH/NV 2013, S. 1009.
45 BFH, Urteil v. 24.10.2012, I R 43/11, BFH/NV 2013, S. 311 (m. w. N.).
Die Rechnungslegungsvorschriften des HGB enthalten keine detaillierten Regelungen zum BilanzierungsumfangBilanzierungsumfang. Die Frage, ob bestimmte Objekte bilanziert werden müssen, können oder nicht dürfen, ist daher nach den GoB zu beantworten. Dabei kann für die Handelsbilanz auf § 242 Abs. 1 HGB zurückgegriffen werden, wonach der Kaufmann am Ende eines jeden Geschäftsjahres »einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen« hat. § 5 EStG bestimmt als Inhalt der Steuerbilanz die nach handelsrechtlichen GoB anzusetzenden – positiven und negativen – Wirtschaftsgüter. Das Handelsrecht spricht dagegen nicht von Wirtschaftsgütern, sondern von Vermögensgegenständen und Schulden (§ 240 Abs. 1 HGB).
Damit ist die Frage nach der AktivierungAktivierung grundsätzlich gleichbedeutend mit der Frage nach den Merkmalen des handelsrechtlichen Vermögensgegenstands bzw. des steuerrechtlichen positiven Wirtschaftsguts. Für die PassivierungPassivierung richtet sich der Umfang der Schulden bzw. negativen Wirtschaftsgüter nach den für das Unternehmen bestehenden Lasten. Schulden sind eine abstrakte Rechengröße, die bilanzrechtlich einen Anspruch an das Vermögen ausdrückt. Der Schuldenbegriff geht über den bürgerlich-rechtlichen Schuldbegriff hinaus und umfasst alle gegenwärtigen und künftigen, jedoch selbständig abgrenz- und bewertbaren Belastungen des Vermögens des Kaufmanns, die dem Grunde nach bestehen oder hinreichend sicher erwartet werden, auch wenn deren Höhe evtl. noch ungewiss ist.
Die abstrakte BilanzierungsfähigkeitBilanzierungsfähigkeit, abstrakte sagt jedoch noch nichts über den konkreten Umfang des zu bilanzierenden Vermögens. Die Forderung des § 246 Abs. 1 HGB, dass der Kaufmann seine sämtlichen Vermögensgegenstände und Schulden in die Bilanz einzubeziehen hat, wird durch zwei Bilanzierungsgrundsätze konkretisiert:
Grundsatz der wirtschaftlichen Zugehörigkeit
Verbot der Bilanzierung privater Vermögensgegenstände und Schulden (bzw. Wirtschaftsgüter)
Obwohl in der Praxis nur relativ selten Probleme hinsichtlich des Kreises der zu bilanzierenden Gegenstände auftreten, ist die Frage, welche Gegenstände der Bilanzierung (Aktivierung oder Passivierung) unterliegen, in der Theorie nur schwer zu beantworten.46
Allein in § 240 Abs. 1 HGB ist bestimmt, dass jeder Kaufmann seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes und seine sonstigen Vermögensgegenstände genau zu verzeichnen hat. Was unter dem Begriff »Vermögensgegenstand«zu verstehen ist, ist in keinem Gesetz geregelt, es fehlt also eine Legaldefinition. Einen Anhaltspunkt für den Inhalt dieses Begriffs bildet lediglich das handelsrechtliche Mindestgliederungsschema für die Bilanz.
Da auch der bürgerlich-rechtliche Begriff der SacheSache, Begriff (§ 90 BGB) nicht zu einer Klärung führt, weil unter einer Sache nur körperliche Gegenstände erfasst werden, muss die Bestimmung der zu bilanzierenden Vermögensgegenstände nach den GoB erfolgen. Danach können als bestimmend für den Vermögensgegenstand angesehen werden:
die VerkehrsfähigkeitVerkehrsfähigkeit (steuerlich auch als Übertragbarkeit bezeichnet),
der wirtschaftliche WertWert, wirtschaftlicher,
die selbständige BewertungsfähigkeitBewertungsfähigkeit, selbständige.47
Praxisfall: Kein Wirtschaftsgut bei fehlender Übertragbarkeit
Die einem Unternehmen gewährte Sendelizenz stellt kein eigenständiges zu aktivierendes Wirtschaftsgut dar, wenn die medienrechtlichen Rahmenbedingungen eine für die Wirtschaftsgutseigenschaft ausreichende wirtschaftliche ÜbertragbarkeitÜbertragbarkeit (i. S. einer Verkehrsfähigkeit) der erteilten Sendelizenz ausschließen. Beispielsweise ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Abs. 4 Satz 1 LMedienG BW die Zulassung eines privaten Veranstalters von Hörfunk- oder Fernsehprogrammen nicht übertragbar.48
Ansprüche (insbes. Forderungen) und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäftschwebendes Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, weil während des Schwebezustandes die widerlegbare Vermutung besteht, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Ein Bilanzausweis ist nur geboten, wenn und so weit das Gleichgewicht solcher Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist oder aus diesem Geschäft ein Verlust droht. Das gilt nicht nur für gegenseitige Verträge, die auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet sind, sondern auch für Dauerschuldverhältnisse.49
Auf der BlockchainBlockchain-Technologie oder vergleichbaren Technologien basierende virtuelle GüterWirtschaftsgut, virtuelles werden eine zunehmende Rolle im Wirtschaftsleben spielen.50 So stellen BMWi und BMF fest, dass mittels Blockchain-Technologie alle erdenklichen Werte, Rechte und Schuldverhältnisse an materiellen und immateriellen Gütern durch TokenToken, Grundlagen repräsentiert und deren Handel- und Austauschbarkeit potenziell vereinfacht werden können.51 Diese Token (immaterielle bzw. virtuelle Wertmarken52) sind auch im Rechnungswesen abzubilden. Deshalb zählen regelmäßig auch virtuelle bzw. elektronische Güter (Token) wie z. B. BitcoinsBitcoin zu den VermögensgegenständenVermögensgegenstand, virtuellerVermögensgegenstandsiehe auch Wirtschaftsgut (oder Wirtschaftsgütern).53 Diese Güter werden meistens unterschieden in54:
Currency Token, die den Charakter von Zahlungsmitteln haben (KryptowährungenKryptowährung wie z. B. Bitcoins)55,
Security bzw. Investment Token (Asset Token) wie elektronische Anleihen56 (Debt Token) oder Geschäftsanteile (Equity Token),
Utility Token, die gutscheinähnlich zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen berechtigen.
Für die Bilanzierung und Bewertung dieser Güter gelten im Wesentlichen die allgemeinen Regeln.57 Gem. § 2 Abs. 2 eWPG entfaltet ein elektronisches WertpapierWertpapier, elektronisches dieselbe Rechtswirkung wie ein Wertpapier, das mittels Urkunde begeben worden ist. Außerdem stellt § 2 Abs. 3 eWPG die Fiktion auf, dass ein elektronisches Wertpapier als Sache im Sinne des § 90 BGB gilt.
Auch für den Begriff der Schulden wird man sich auf die GoB zurückziehen müssen. Folgende Merkmale sollen für die SchuldenSchulden gegeben sein, damit sie bilanzierungsfähig sind:
die wirtschaftliche Belastung,
die Leistungsverpflichtung durch das Unternehmen,
eine quantifizierbare Leistung,
die selbständige Bewertungsfähigkeit.58
Ist nach den vorstehenden Merkmalen die abstrakte BilanzierungsfähigkeitBilanzierungsfähigkeit, abstrakte für einen Gegenstand festgestellt, richtet sich die konkrete Bilanzierungsfähigkeit nach gesetzlich geregelten Bilanzierungsverboten und -wahlrechten; für nicht geregelte Fälle besteht aufgrund der GoB ein Bilanzierungsgebot. Obwohl durch die Bilanzierungsgebote der GoB erfasst, zählen Korrektur- und Ausgleichsposten nicht zu den Vermögensgegenständen bzw. zu den Schulden.
46 Vgl. ausführlich zum gesamten Problemkreis Freericks (Bilanzierungsfähigkeit), S. 122 ff. m. w. N.
47 Freericks (Bilanzierungsfähigkeit), S. 141 ff.
48 BFH, Urteil v. 22.3.2022, IV R 13/18, NWB DAAAJ-18506.
49 BFH, Urteil v. 17.2.1998, VIII R 28/95, BFH/NV 1998, S. 1407–1410.
50 Vgl. grundlegend Schuster/Theissen/Uhrig-Homburg (Anwendungen).
51 BMWi und BMF (Blockchain-Strategie).
52 Davon zu unterscheiden sind materielle Wertmarken/Token wie Jetons (z. B. als Spielgeld) oder Zutrittschips (z. B. zur U-Bahn).
53 FG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 20.6.2019, 13 V 13100/19, rkr., BB 4/2020, S. 176; BMF-Schreiben v. 10.5.2022, IV C 1 – S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022 I, S. 668, Tz. 31+32.
54 So auch BMF v. 10.5.2022, IV C 1 – S 2256/19/10003 :001, BStBl 2022 I, S. 668, Tz. 2–29 mit Erläuterung weiterer Begriffe.
55 Zu den Grundlagen s. IdW Knowledge Paper Kryptowährungen v. 5.5.2022, abrufbar unter: https://www.idw.de/blob/136386/802979efda34207646535144e04528d6/down-kp-kryptowaehrungen-web-data.pdf.
56 Im Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) von 2021 ist in einem ersten Schritt die elektronische Begebung von Schuldverschreibungen auf den Inhaber ermöglicht worden. Die spätere Ausweitung auf andere Wertpapiere – insbes. Aktien – ist zu erwarten, immerhin ist der Gesetzeswortlaut entsprechend offen angelegt. Die Regelung erfolgt technologieneutral. Das heißt: Über Blockchain begebene Schuldverschreibungen sollen gegenüber anderen elektronischen Begebungsformen grundsätzlich nicht begünstigt werden.
57 Vgl. Hötzel, in: Hötzel/Krüger/Niermann/Scherer/Lehmann (Unternehmensfinanzierung), S. 26–56; Sixt (Behandlung).
58 Freericks (Bilanzierungsfähigkeit), S. 224 ff., hier insbes. S. 226 ff.
WirtschaftsgutAufgrund des MaßgeblichkeitsprinzipsMaßgeblichkeitsprinzip der Handelsbilanz für die Steuerbilanz ist die für das Handelsrecht getroffene Ableitung der Bilanzierungsfähigkeit für die Steuerbilanz zu übernehmen. Das Steuerrecht hat jedoch eine eigene Begriffsbildung in Gesetzestext und Rechtsprechung gefunden. Für die Steuerbilanz wird für die zu bilanzierenden Gegenstände der Begriff Wirtschaftsgut gebraucht. Dabei werden die – auf der Aktivseite auszuweisenden – Vermögensgegenstände als positive Wirtschaftsgüter, die – auf der Passivseite auszuweisenden – Schulden als negative Wirtschaftsgüter bezeichnet.59
Nach h. M. und der Rechtsprechung60 sind der Begriff des Vermögensgegenstands und der des positiven Wirtschaftsguts als weitestgehend identisch anzusehen.61 Gleiches ist für die Begriffe der Schulden und des negativen Wirtschaftsguts anzunehmen, da sich sowohl Handels- als auch Steuerrecht auf die GoB berufen.62 Letztlich sah sich der BFH berufen, eine eigene – HGB-kompatible – Definition des Wirtschaftsgutes zu geben:
Der Begriff umfasst alle Gegenstände i. S. d. § 90BGB und auch sonstigen Vorteile, d. h. tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind. Eine selbständige Bewertbarkeit liegt vor, wenn ein Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde. Zum jeweiligen Stichtag muss ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegen, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann.63
Im Wesentlichen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, um ein Wirtschaftsgut annehmen zu können:64
Es muss nach der Verkehrsauffassung bilanzierungsfähig sein,
es muss selbständig bilanzierungsfähig sein,
es muss selbständig bewertungsfähig sein, d. h. ein Käufer eines Gesamtunternehmens muss z. B. für ein vorhandenes positives Wirtschaftsgut ein besonderes Entgelt zahlen.65
Auch in der Steuerbilanz zählen Korrektur- und Ausgleichsposten nicht zu den Wirtschaftsgütern.
59 Vgl. Freericks (Bilanzierungsfähigkeit), S. 304 ff.
60 Vgl. für viele BFH v. 2.3.1970, GrS 1/69, DStR 1970, S. 313.
61 Vgl. Tanski, in: Petersen u. a. (Syst. Praxiskommentar) § 246 Tz. 20.
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