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Kann man das Schicksal der Titanic herausfordern? Drei Überlebende der Titanic kämpfen mit den Wunden der Vergangenheit: Rhoda Abbott, die ihre beiden Söhne an die eisigen Fluten verlor, Masabumi Hosono, von seiner Heimat als Feigling gebrandmarkt, und Bruce Ismay, den die Welt für die Tragödie verantwortlich macht. Auf der Suche nach Frieden wagen sie eine Reise zurück zur Titanic. Doch das Schicksal hat andere Pläne: Plötzlich stehen sie vor einer unglaublichen Möglichkeit, die Geschichte umzuschreiben. Können sie das größte Unglück der Seefahrt verhindern? Und welchen Preis wären sie bereit, dafür zu zahlen? Ein fesselnder Roman über Schuld, Verantwortung und den Mut, dem Unvermeidlichen entgegenzutreten – eine Geschichte, die die Grenzen von Zeit und Schicksal aufhebt.
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Seitenzahl: 104
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Phil Koschinski
Jenseits der Geschichte
Frontal auf den Eisberg:
Ein anderer Kurs für die Titanic
„Frontal auf den Eisberg:
Ein anderer Kurs für die Titanic“
aus der Reihe „Jenseits der Geschichte“
von Phil Koschinski
Impressum
E-Mail: [email protected]
Herausgeber: © Philipp Köhl
Kaiserstraße 237, 76133 Karlsruhe
Cover-Illustrator: © Florian Köhler
Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH,
Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Erscheinungsdatum: Dezember 2024
1. Auflage
Kapitel 1: Der Untergang
Kapitel 2: Die Einladung
Kapitel 3: Das Treffen
Kapitel 4: Masabumi Hosonos Geschichte
Kapitel 5: Bruce Ismays Geschichte
Kapitel 6: Der Ingenieur
Kapitel 7: Ein Wunsch entsteht
Kapitel 8: Schwarze Erinnerungen
Kapitel 9: Die Ankunft
Kapitel 10: Die letzten Worte der Söhne
Kapitel 11: Etwas stimmt nicht
Kapitel 12: Wieder zurück
Kapitel 13: Die Chance, es zu verhindern
Kapitel 14: Ein neuer Kurs
Kapitel 15: Kampf der Autoritäten
Kapitel 16: Der Albtraum
Kapitel 17: Der Eisberg
Kapitel 18: Die Suche
Kapitel 19: Das letzte Boot
Kapitel 20: Kampf ums Überleben
Kapitel 21: Der Abschied
Kapitel 22: Stimmen aus dem Jenseits
Kapitel 23: Ein neues Leben
Epilog
Die wahren Personen aus der Geschichte
„Rossmore! Eugene!“ Mein eigener Schrei durchdringt die Nacht, ein verzweifelter Ruf, von den aufgepeitschten Wellen verschluckt. Ich kämpfe mich durch das Durcheinander, strecke meine kalten Arme aus und nehme nur noch wahr, wie die Dunkelheit der Nacht und die tobenden Wassermassen meine Kinder vor meinen Augen verschlingen. In der Ferne rufen meine Söhne etwas, doch ihre Worte gehen im Durcheinander unter. Das Meer tobt um mich, und ich fühle mich machtlos in seiner unbarmherzigen Umarmung. Ihre Worte, ein letzter Versuch, zu mir durchzudringen, hallen in meinem Herzen wider, während ich verzweifelt nach ihnen greife, von der unerbittlichen Kraft des Meeres fortgerissen. Wie ein winziger Spielball fühle ich mich in der gnadenlosen Gewalt der Naturkräfte. Das Meer scheint sich gegen mich verschworen zu haben, und ich bin ein winziger Punkt in diesem erbarmungslosen Spiel. Ich würde alles opfern, um zu meinen Söhnen zu gelangen, sie in meine Arme zu schließen und vor dieser unbarmherzigen Gewalt zu schützen.
Die Titanic sank am 15. April 1912 und über 1500 Menschen verloren dabei ihr Leben. Das Schiff, das als unsinkbar galt, traf auf einen Eisberg und brach in zwei Hälften, bevor es in den eisigen Gewässern des Nordatlantiks verschwand. Unter den Opfern befanden sich auch meine beiden geliebten Söhne Rossmore und Eugene, die von den eisigen Fluten verschlungen wurden. Rossmore war 16 und Eugene 13. Die Erinnerung an diesen schicksalhaften Tag wird mich für immer begleiten.
Jahre nach dieser Tragödie, als das Leben langsam weiterging, erhielt ich überraschenderweise eine Einladung zu einem Treffen in London. Die Einladung stammte von Masabumi Hosono und Bruce Ismay, zwei weiteren Überlebenden der Titanic-Katastrophe. Ich kannte beide Männer aus den Zeitungen, die über das Unglück berichtet hatten. Ihre Namen waren eng mit der Tragödie verknüpft, und sie waren seitdem von der Gesellschaft geächtet worden. Die Menschen sahen in ihnen Symbole für das Versagen und der Mitschuld an dem Unglück.
Zunächst zögerte ich, der Einladung nachzukommen. Nach all den Jahren, in denen ich glaubte, alle Tränen verschüttet zu haben, fand ich mich in einer seltsamen Leere wieder. Die Intensität von Trauer, Schmerz, aber auch Freude schien sich aus meinem Leben zurückgezogen zu haben. Meine Tage flossen dahin, in einer stillen Routine, trotz der erneuten Ehe mit George Williams, einem wunderbaren Mann, der mein Leben wieder mit Wärme erfüllte. Doch wie ein Schatten lag stets eine Schwermut über meiner Seele. Ich fürchtete, dass sich die alten Wunden wieder auftun und die Erinnerungen an die Tragödie und den Verlust meiner Söhne mich erneut überwältigen könnten. Und ich wusste, dass ich trotz der liebevollen Stütze von George eine weitere Phase solcher Qualen nicht überleben würde.
Letztendlich fand ich den Entschluss, dem Treffen aber doch zuzustimmen. Es war meine Neugierde, die mich schließlich bewegte. Welche Geschichten mochten diese zwei Männer aus unterschiedlichen Welten, die aber von der gleichen Bürde der sozialen Ausgrenzung seit dem Untergang der Titanic gezeichnet waren, mit mir teilen wollen? Welche Hoffnungen und Erwartungen verbanden sie mit unserer Begegnung?
Also überwand ich meine Zweifel und willigte ein, die beiden Überlebenden zu treffen. Das Gefühl der Angst, es bereuen zu können, wurde von meiner dumpfen Gleichgültigkeit betäubt, die mich in den letzten Jahren erfasst hatte. Mein Mann erkannte eine Chance in dieser Begegnung für mich. Er sah, wie sehr mich die Vergangenheit noch immer belastete, und er wusste, dass ich endlich Frieden finden wollte. Mit seiner liebevollen Unterstützung und seinen ermutigenden Worten gab er mir die Motivation, diesen Schritt zu gehen. Seine Überzeugung, dass mir diese Zusammenkunft guttun würde, stärkte meinen Entschluss. Vielleicht würde das Treffen mich auf irgendeine Weise dazu ermutigen, meine Vergangenheit anzunehmen, um die Wunden meiner Seele zu heilen.
Das Treffen fand im Café Royal in London statt, nicht weit von meiner Wohnung entfernt. Als Masabumi Hosono und Bruce Ismay mich herzlich empfingen und ich ihnen gegenübersaß, spürte ich sofort eine tiefe Verbundenheit. Unsere gemeinsame Geschichte, geprägt von der Tragödie und dem verzweifelten Überlebenskampf auf der Titanic, verband uns auf eine besondere Weise.
Hosono lächelte mich zögerlich an, als er seine Stimme hob und langsam begann: „Mrs. Abbott, wir sind zutiefst dankbar, dass sie unserer Einladung gefolgt sind. Wir waren uns nicht sicher, ob sie überhaupt auf unsere Kontaktaufnahme reagieren würden. Sie kennen vermutlich die Berichte, die uns im Zusammenhang mit dem Untergang der Titanic verurteilen.“ Ich nickte zögerlich und bemerkte, dass Hosono den Tränen nahe war. Ismay sprach unbeholfen weiter: „Ich möchte ihnen ohne Umschweife den Grund unserer Einladung erklären. Wir haben erfahren, Mrs. Abbott, dass sie zu denjenigen gehören, die lebend aus dem eiskalten Wasser gerettet wurden, während Ihre beiden Söhne ihr Leben lassen mussten. Sowohl Hosono als auch ich hatten das Glück, in eines der Rettungsboote zu gelangen, und das wird uns für immer belasten.“ Hosono, von Reue erfüllt, fügte leise hinzu: „Nicht wir, sondern sie und ihre Kinder hätten in diesem Boot sein sollen.“
Ich hörte den beiden stumm zu, ohne jegliche emotionale Regung. Es war, als ob meine Gefühle vor langer Zeit erstarrt waren, unfähig, auf ihre Worte zu reagieren. Hosono fuhr fort, seine Stimme brüchig vor Emotionen: „Mrs. Abott, seit dieser furchtbaren Nacht hat unser Leben jeglichen Wert verloren. In unserer Heimat werden wir geächtet. Wir gelten als Feiglinge. Schlimmer noch, wir werden für den Tod vieler unschuldiger Menschen mitverantwortlich gemacht. Wir haben unsere Arbeit verloren, unser Umfeld meidet uns und wir fühlen uns isoliert und verdammt. Wir sind gebrochene Männer, dem Alkohol verfallen, von fürchterlichen Albträumen geplagt und von unvorstellbaren Gewissensbissen gequält. Der Glaube an jeglichen Sinn im Leben hat uns verlassen.“ Hosonos Augen füllten sich mit Tränen, die seine inneren Qualen auf schmerzliche Art widerspiegelten.
„Ist das der Grund, warum sie hier sind? Um mir das mitzuteilen?“, fragte ich tonlos. Ismay antwortete leise: „Wir suchen nach Frieden, nach einer Art von Absolution. Deshalb...“ - „Erzählen sie mir ihre Geschichten!“ unterbrach ich ihn. Auch wenn viel in der Presse über sie geschrieben worden war, wollte ich ihre Version der Ereignisse hören, bevor über irgendwelche Absolutionen gesprochen werden sollte. Ich bat zunächst Hosono von seinen Erfahrungen zu berichten. Es folgte ein Moment der Stille, in dem wir uns darauf vorbereiteten, die tiefen Wunden der Vergangenheit wieder aufzureißen und unsere Erlebnisse miteinander zu teilen.
Hosono lehnte sich zurück, rieb sich das Gesicht und begann seine Geschichte zu erzählen. Seine Augen schienen starr und mit Leid erfüllt in der Zeit zurückzublicken, während er sich an die Ereignisse erinnerte, die sein Leben für immer verändert hatten.
„Kurz vor der Tragödie war ich als Beamter des japanischen Verkehrsministeriums in Russland tätig, um das russische Staatseisenbahnsystem zu erforschen. Meine Rückreise nach Tokyo sollte mich über England und die USA führen. Ich kam nach Southampton, wo das Schicksal mich an Bord der Titanic brachte“, begann Hosono. „Die ersten Tage auf dem Schiff waren für mich voller Aufregung und Abenteuer. Die Titanic war ein Prachtstück der modernen Technik, ich war so beeindruckt von ihrem Luxus und Komfort. Aber dann kam die Kollision mit dem Eisberg. Das Schiff bebte, als hätte es seinen eigenen Puls. Der Klang des Zusammenstoßes durchdrang meinen Schlaf und ich wurde krachend aus meinen Träumen gerissen. Erst nach einiger Zeit, als ich draußen Panik und Chaos vernahm, begann ich die Ernsthaftigkeit der Situation zu begreifen.“
Hosono erzählte, wie er in seinem Pyjama überstürzt Richtung Deck stürmte und wie er mit eigenen Augen fassungslos und ungläubig das Ausmaß der Katastrophe erkannte. „Das eisige Wasser umspülte das Schiff und es war klar, dass die Titanic dem Untergang geweiht war. Die Rettungsboote wurden herabgelassen, aber das Chaos und die Hektik ließen kaum Platz für geordnete Evakuierungsmaßnahmen. Ich kämpfte mich durch die Menge, verzweifelt auf der Suche nach einem Platz in einem Rettungsboot. Die Zeit schien stillzustehen, während ich auf das Deck blickte und das schreckliche Durcheinander wahrnahm. Der Klang der schreienden Passagiere und das Knirschen des Schiffes, das sich langsam in die Tiefe neigte, dröhnte in meinen Ohren. Als ich noch weiter auf das Deck in Richtung der Rettungsboote gelangen wollte, wurde ich von einem Besatzungsmitglied aufgehalten. Er hielt mich fälschlicherweise für einen Passagier der dritten Klasse und verwehrte mir den Zugang. 'Bitte lassen sie mich durch!', flehte ich verzweifelt. Ich versuchte mit Händen und Füßen das Missverständnis zu klären, aber nur in meinem Pyjama bekleidet, hatte ich natürlich keine Papiere oder sonstiges bei mir. Inmitten des tobenden Chaos war die Sehnsucht, meine Familie wieder in die Arme zu schließen, meine treibende Kraft. Ihr Bild vor Augen, kämpfte ich mich in eine andere Richtung durch die Menschenmassen und suchte dort verzweifelt nach einem Ausweg. Mit bangem Blick beobachtete ich, wie Rettungsboote zu Wasser gelassen wurden. Vier Boote waren bereits verschwunden, und die Aussicht, dass ich diesem Fiasko entrinnen konnte, wurde immer unwahrscheinlicher. Ich geriet in Panik, als mir klar wurde, dass ich meine geliebte Frau und meine Kinder nie mehr wiedersehen würde.“
Die Angst, die Hosono in jener Nacht ergriff, schien sich auf seinem Gesicht widerzuspiegeln. „Um mich herum bot sich ein schreckliches Bild: Neben der immer lauter werdenden Panik wurden Notraketen abgefeuert und erfüllten den Nachthimmel mit grellen Blitzen und donnerndem Knallen. In meiner Not wollte ich einen Offizier um Hilfe bitten, als dieser einem anderen Mann auf einem Evakuierungsboot zurief: 'Nur Frauen und Kinder! Verlassen sie sofort das Boot!' Aus der Presse erfuhr ich später, dass es sich um den Ersten Offizier, William Murdoch, handelte, der das Unglück leider auch nicht überlebte. Ich werde die Szene nie vergessen, als der Mann im Boot auf einmal hilflos mit einem Ruderriemen wild um sich schlug, um seinen Platz zu verteidigen, während sich die Mütter im Boot voller Panik schützend auf ihre Kinder warfen. Der Offizier wurde von dem Ruder so hart getroffen, dass er beinahe über die Reling gestolpert wäre, hätte ich ihn nicht gerade noch festhalten können. Andere Passagiere und Besatzungsmitglieder stürmten herbei und versuchten den Mann zu beruhigen. Sein verzweifeltes Gesicht hat sich bis heute in meine Erinnerung gebrannt – zusammen mit dem ohrenbetäubenden Schuss, der unvermittelt den Mann traf. Ich konnte nicht erkennen, woher der Schuss kam und was mit dem Mann geschah, weil ich vor Schreck das Weite suchte und mich erneut durch die aufgebrachte Menschenmenge durchkämpfte.
Obwohl mich nach diesem traumatischen Ereignis das Gefühl der Machtlosigkeit überwältigte, suchte ich trotzdem weiter nach einer Möglichkeit zu überleben und wartete zitternd auf meine Gelegenheit.“ Hosono schluckte gedankenverloren. „Die Anzahl der verbleibenden Rettungsboote nahm rapide ab, und ich hatte mich schon fast mit meinem Schicksal abgefunden. Innerlich versuchte ich mich auf den schrecklichen Moment des Untergangs vorzubereiten. Aber mit jedem Schritt, den ich auf dem überfüllten Deck machte, wuchs plötzlich mein Entschluss wieder, zu überleben. Ich musste zu meiner Familie! Ich konnte sie nicht im Stich lassen!“
Hosono schlug mit der Faust auf den Tisch und wir alle konnten nachempfinden, in welchem Dilemma er sich damals befunden haben musste. „Als ich schließlich an eine andere Stelle gelangen konnte, an der noch Rettungsboote vorhanden waren, wurde ich wieder damit konfrontiert, dass bei der Evakuierung Frauen und Kinder Vorrang hatten. Doch die Hektik und das Durcheinander führten dazu, dass diese Praxis nicht konsequent eingehalten wurde. Ich stand vor einem moralischen Dilemma. Ich wollte um jeden Preis überleben und das rettende Boot erreichen. Gleichzeitig kämpfte ich mit meinem Gewissen, da ich wuss