Jenseits von Markt und Staat. Über das Potential gemeinsamen Handelns - Elinor Ostrom - E-Book

Jenseits von Markt und Staat. Über das Potential gemeinsamen Handelns E-Book

Elinor Ostrom

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Beschreibung

Wie kann mit natürlichen Ressourcen – z. B. mit Land, Wasser oder Fischbeständen – so umgegangen werden, dass alle Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen können? Wie funktionieren gemeinschaftlich verantwortete Institutionen dauerhaft? Diese Fragen haben die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin und Umweltökonomin Elinor Ostrom ein Leben lang beschäftigt. 2009 wurde sie als erste Frau mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet, denn ihre Gemeingüter-Forschung gilt als bahnbrechend. Ostrom legt offen, wie kollektives selbstorganisiertes Handeln gelingt, und zeigt, dass es Regulierungsalternativen abseits von Markt und Staat gibt. In ihrer Nobelpreisrede, die hier erstmals in deutscher Übersetzung erscheint, zeichnet Ostrom ihre intellektuelle Lebensreise nach.

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Seitenzahl: 119

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Elinor Ostrom

Jenseits von Markt und Staat

Über das Potential gemeinsamen Handelns

Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Silke Helfrich unter Mitarbeit von Johannes Euler Mit einem Essay von Johannes Euler und Insa Theesfeld

Reclam

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2022 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

 

© The Nobel Foundation 2009

© Indiana University Foundation, Inc.

 

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2022

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962077-0

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-014179-3

www.reclam.de

Inhalt

Jenseits von Markt und Staat. Über das Potential gemeinsamen Handelns

1. Das bisherige Weltbild einfacher Systeme

2. Frühe Versuche, ein besseres Verständnis komplexer sozialer Systeme zu entwickeln

3. Die Entwicklung eines Analyserahmens für vielfältige menschliche Begebenheiten

4. Sind rationale Individuen in sozialen Dilemmas hilflos gefangen?

5. Experimente zur Untersuchung von Gemeinressourcen-Problemen

6. Untersuchung von Gemeinressourcen-Problemen in der Praxis

7. Aktuelle Entwicklungen der Theorie

8. Komplexität und Reform

Danksagung

Zu dieser Ausgabe

Anmerkungen

Literaturhinweise

Elinor Ostrom: Ein Leben für die Wissenschaft

1. Elinor Ostroms akademischer Werdegang

2. Der Nobelpreis und seine Rezeption

3. Ostroms Arbeiten aus heutiger Perspektive

4. Neuere Entwicklungen der Community

5. Weitere Ansätze der Commons-Forschung

Literatur

Werke von Elinor Ostrom (Auswahl)

Werke über Elinor Ostrom (Auswahl)

Silke Helfrich und Elinor Ostrom – ein Nachruf

Jenseits von Markt und Staat Über das Potential gemeinsamen Handelns

Die aktuelle Forschung zur Wirkung diverser institutioneller Anordnungen zur Verwaltung von Gemeinressourcen1 und öffentlichen Gütern beruht auf klassischer Wirtschaftstheorie. Doch die Forschenden entwickeln auch neue Theorien, um Phänomene zu verstehen, die nicht in die dichotome Welt von ›Markt‹ und ›Staat‹ passen. Sie gehen allmählich nicht mehr von einfachen Systemen aus und wenden sich komplexeren Analyserahmen, Theorien und Modellen zu. Sie wollen die vielfältigen Rätsel und Probleme durchdringen, mit denen Menschen in ihrem Miteinander in heutigen Gesellschaften konfrontiert sind. Die Menschen, deren Handeln wir untersuchen, bringen komplexe Motivationsstrukturen mit und sie schaffen vielfältige privat-gewinnorientierte, staatliche und gemeinschaftsgetragene institutionelle Arrangements, die ihre Wirkung auf verschiedenen Ebenen entfalten. Dabei bringen sie produktive und innovative, aber auch destruktive und perverse Ergebnisse hervor.2

In diesem Aufsatz beschreibe ich die intellektuelle Reise, die ich im vergangenen halben Jahrhundert, seit ich in den späten 1950er Jahren mit dem Studium begann, unternommen habe. Meine ersten Bemühungen, die polyzentrisch verwaltete Wasserwirtschaft in Kalifornien zu verstehen, haben mich geprägt. Neben der Zusammenarbeit mit Vincent Ostrom und Charles Tiebout, die das Konzept der polyzentrischen Systeme zur Verwaltung von Metropolregionen formulierten, untersuchte ich die Arbeit zahlreicher privater und öffentlicher Wasserwerke. Sie waren mit einem überlasteten Grundwasserbecken konfrontiert, das sich in Küstennähe befand, und beobachteten, wie Salzwasser in die Grundwasserspeicher eindrang und deren langfristige Nutzung bedrohte. In den 1970er Jahren beteiligte ich mich mit Kolleg:innen an einer Studie über polyzentrisch organisierte Polizeidienststellen in US-amerikanischen Großstädten. Dabei stellte ich fest, dass die Theorie, welche bedeutenden Reformvorschlägen zugrunde lag, falsch war. Metropolregionen, die durch einen Mix von großen und kleinen Dienstleistern versorgt wurden, konnten in der Bereitstellung einiger Polizeidienstleistungen Größenvorteile erzielen (positive Skaleneffekte) und Größennachteile (negative Skaleneffekte) in der Bereitstellung anderer Dienstleistungen vermeiden.

Diese frühen empirischen Studien führten im Laufe der Zeit zur Entwicklung eines Analyserahmens für Institutionen und deren Entwicklung (Institutional Analysis and Development, IAD). Dieser mit der Spieltheorie übereinstimmende Bezugsrahmen ermöglichte uns, viele empirische Studien über Systeme gemeinsamer Ressourcennutzung durchzuführen, einschließlich einer Metaanalyse bereits existierender Fallstudien aus aller Welt. Sorgfältig konzipierte Studien in Laborsituationen erlaubten uns, bestimmte Kombinationen von Strukturvariablen zu testen und dadurch festzustellen, dass isolierte, anonyme Einzelne die Ressourcen von Gemeinschaftspools übermäßig ausbeuten. Doch einfach nur dadurch, dass ihnen Kommunikation – und sei es bloß ›ein einfacher Schwatz‹ – erlaubt wird, gelingt es den Teilnehmer:innen – entgegen den Annahmen der Spieltheorie – die Übernutzung zu verringern und die gemeinsamen Auszahlungen zu erhöhen. Groß angelegte Studien von Bewässerungssystemen in Nepal sowie von Wäldern auf der ganzen Welt stellten die Annahme in Frage, dass Regierungen für Verwaltung und Schutz wichtiger Ressourcen stets besser geeignet sind als die Nutzer:innen selbst.

Derzeit gibt es neue Bemühungen in der Theoriearbeit. Dabei liegt ein Hauptaugenmerk auf der Entwicklung einer allgemeineren Theorie individueller Entscheidung, die die zentrale Rolle des Vertrauens anerkennt, wenn es darum geht, soziale Dilemmas zu bewältigen. Aus der Beobachtung von Mikrosituationen schälten sich im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Erkenntnissen heraus, welche strukturellen Faktoren die Wahrscheinlichkeit für eine gesteigerte Kooperation beeinflussen. Aufgrund der Komplexität größerer Feldzusammenhänge brauchen wir konfiguralere Ansätze, um jene Faktoren untersuchen zu können, die das Entstehen und die Robustheit von Selbstorganisation in polyzentrischen Mehrebenen-Systemen verstärken oder abschwächen. Wenn wir diese empirischen Erkenntnisse auf die Politik übertragen, ist zu betonen, wie wichtig es ist, dass institutionelle Regeln auf das je spezifische sozial-ökologische Umfeld angepasst sind. Eine Politik der ›Einheitsgrößen‹ [ein Patentrezept für alle] wirkt nicht.

1. Das bisherige Weltbild einfacher Systeme

Mitte des 20. Jahrhunderts dominierte in der Wissenschaft der Versuch, das in der Welt Beobachtete in einfache Modelle zu fügen und jene institutionellen Anordnungen zu kritisieren, die sich dort nicht einpassen ließen. Ich werde kurz auf die grundlegenden Annahmen dieser Zeit eingehen, die inzwischen von Wissenschaftler:innen auf der ganzen Welt, darunter Herbert Simon3 und Vincent Ostrom4, in Frage gestellt wurden.

A. Zwei optimale Organisationsformen

Der Markt galt als optimale Institution für die Produktion und den Austausch von Privatgütern. Für nichtprivate Güter hingegen brauchte man ›die‹ Regierung, um Regeln und Steuern zu verordnen, und um damit eigennützige Individuen zu zwingen, das Notwendige beizusteuern und auf eigennütziges Handeln zu verzichten. Ohne eine hierarchische Regierung, welche die Regeleinhaltung herbeiführt, würden selbstsüchtige Bürger:innen und Funktionär:innen nicht fähig sein, öffentliche Güter wie Frieden und Sicherheit auf verschiedenen Ebenen effizient herzustellen.5 Einer Regierungsbehörde wurde beispielsweise empfohlen, die »chaotische« Struktur großstädtischer Verwaltungen abzubauen, ihre Effizienz zu steigern, Konflikte zwischen den Behörden und Verwaltungseinheiten einzudämmen und bestmöglich einer als homogen angesehenen Öffentlichkeit zu dienen.6

Diese dichotome Weltsicht erklärte zwar die Interaktionsmuster und Ergebnisse der Produktion und des Austauschs von reinen Privatgütern über den Markt,7 konnte aber die Dynamiken im Inneren von privaten Unternehmen nicht angemessen fassen.8 Gleiches galt für die große Vielfalt institutioneller Arrangements, die Menschen schaffen, um öffentliche Güter und Gemeinressourcen zu regeln, bereitzustellen und zu verwalten.

B. Zwei Güterkategorien

In seinem klassischen definitorischen Essay unterschied Paul Samuelson9 zwei Arten von Gütern. Danach sind reine Privatgüter sowohl ausschließbar (Person A kann vom Konsum privater Güter ausgeschlossen werden, wenn sie nicht dafür zahlt) als auch rival (was Person A konsumiert, kann niemand anderes konsumieren). Öffentliche Güter sind nicht ausschließbar (es ist unmöglich, jene, die für ein Gut nicht bezahlt haben, vom Konsum desselben abzuhalten) und nicht rival (was Person A konsumiert, schränkt den Konsum weiterer Personen nicht ein). Diese grundlegende Einteilung passte gut zur Dichotomie der institutionellen Welt, in der Güter in Privateigentum in einer Marktumgebung getauscht und Eigentum in öffentlicher Hand von staatlichen Hierarchien verwaltet wurden. Die Menschen wurden vor allem als Verbraucher:innen oder Wähler:innen betrachtet.

C. Ein Menschenbild

Die Annahme, alle Menschen seien völlig rational, war im Mainstream der Wirtschaftswissenschaften und in der Spieltheorie allgemein akzeptiert. Von vollkommen rational handelnden Individuen wird angenommen, dass sie (1) in einer bestimmten Situation auf alle vorhandenen Strategien zurückgreifen, (2) aufgrund des wahrscheinlichen Verhaltens der anderen wissen, welche dieser Strategien mit welchen Ergebnissen verbunden sind, und (3) jedes dieser Ergebnisse mit Blick auf die eigenen – als Nutzen gemessenen – Präferenzen in eine Rangfolge bringen. Für ein solches Individuum ist die Maximierung des erwarteten Nutzens in jeglichen Handlungssituationen rational. Während der Nutzen in den Wirtschaftswissenschaften ursprünglich als Möglichkeit konzipiert war, viele externe Werte auf einer einzigen internen Skala abzubilden, wurde er in der Praxis mehr und mehr mit einer externalisierten Maßeinheit gleichgesetzt – etwa dem erwarteten Gewinn. Dieses Modell des Individuums führte zu nützlichen sowie gut belegten Vorhersagen über die Ergebnisse des Tauschs von Gütern mit bestimmten Eigenschaften im Wettbewerbsmarkt, nicht aber in vielfältigen sozialen Dilemmas. In Abschnitt 7 A werde ich auf die Diskussion zur Theorie des individuellen Verhaltens zurückkommen.

2. Frühe Versuche, ein besseres Verständnis komplexer sozialer Systeme zu entwickeln

Die Idee aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, die Welt in einfachen Systemen zu fassen, hat sich infolge umfangreicher empirischer Forschung sowie durch die Entwicklung eines Analyserahmens, der mit spieltheoretischen Modellen konsistent ist und für vielfältige Fragestellungen eingesetzt werden kann, allmählich verändert.

A. Erforschung polyzentrischer öffentlicher Dienstleistungen

Durch empirische Studien zur Bereitstellung, Herstellung und Verwaltung öffentlicher Dienstleistungen und gemeinschaftsgetragener Eigentumsregime10 auf verschiedenen Ebenen durch Bürger:innen, lokale öffentliche Unternehmer:innen oder Angestellte im öffentlichen Dienst konnte umfangreiches Wissen geschaffen werden, das nicht durch zwei Modelle für optimale Organisationsformen erklärt werden kann. Im Versuch zu verstehen, ob öffentliche und private Einrichtungen, die in Ballungsräumen Dienstleistungen bereitstellten, tatsächlich chaotisch handelten – wie andere Wissenschaftler:innen behaupteten – oder ob es sich um potentiell produktive Arrangements handelte, führten Vincent Ostrom, Charles Tiebout und Robert Warren das Konzept der Polyzentralität ein.

›Polyzentrisch‹ bedeutet, dass es viele Zentren der Entscheidungsfindung gibt, die formal voneinander unabhängig sind. Ob sie tatsächlich unabhängig voneinander funktionieren oder vielmehr ein interdependentes System von Beziehungen darstellen, ist im Einzelfall empirisch zu prüfen. In dem Maße aber, wie sie sich im Wettbewerb gegenseitig berücksichtigen, verschiedene vertragliche und kooperative Verpflichtungen miteinander eingehen oder Zugang zu zentralen Konfliktlösungsmechanismen haben, können die verschiedenen Zuständigkeitsbereiche in einem Ballungsraum kohärent funktionieren und konsistente sowie vorhersagbare Interaktionsmuster aufweisen. Und in dem Maße, wie dies der Fall ist, kann man davon sprechen, dass sie als ein ›System‹ funktionieren.11

In Anlehnung an das Konzept der öffentlichen Dienstleistungsindustrie12 wurde in den 1960er Jahren in verschiedenen Regionen Kaliforniens die Leistungsfähigkeit der Wasserwirtschaft untersucht.13 Dies lieferte stichhaltige Belege dafür, dass mehrere öffentliche und private Einrichtungen auf verschiedenen Ebenen zu einem produktiven Wassermanagement gefunden hatten und stand im Gegensatz zu der Annahme, das Vorhandensein mehrerer staatlicher Einheiten ohne klare Hierarchie sei chaotisch. Darüber hinaus arbeiteten die Forscher:innen drei Wirkmechanismen heraus, die die polyzentrische Organisation in Ballungsräumen produktiver machen: (1) Kleinere bis mittelgroße Städte überwachen das Verhalten der Bürger:innen sowie relevante Kosten effektiver als Großstädte, (2) Bürger:innen, die mit der Leistungserbringung unzufrieden sind, können »mit ihren Füßen abstimmen« und dorthin ziehen, wo der Mix an Leistungen und Kosten ihren Vorlieben mehr entspricht, und (3) lokal eingebundene Gemeinschaften können mit größeren Produzenten verhandeln und die Verträge ändern, wenn sie mit den erbrachten Leistungen nicht zufrieden sind, wohingegen Nachbarschaften in einer Großstadt keine Stimme haben.

In den 1970er Jahren wurde dieser Forschungsansatz zur Wirkung verschiedener Organisationsformen der Wasserversorgung in Ballungsräumen auf die Bereiche Polizeiarbeit und öffentliche Sicherheit ausgeweitet. Wir stellten fest, dass in den 80 untersuchten Großstädten zwar viele Polizeidienststellen die Menschen versorgten, die Bürger:innen aber kaum doppelt versorgt wurden.14 Auch die weitverbreitete Meinung, eine Vielzahl von Dienststellen in einem Großstadtgebiet sei ineffizienter, konnte nicht bestätigt werden. Tatsächlich liefern »die effizientesten Produzent:innen in Ballungsräumen mit zahlreichen Dienststellen mehr Output pro gegebenem Input als effiziente Produzent:innen in Metropolregionen mit weniger Dienststellen«.15 Metropolregionen mit einer großen Zahl autonomer Akteure, die ihre Leistungen direkt anbieten, waren im technischen Sinne effizienter.16 Die technische Effizienz war auch dort besser, wo nur wenige Dienstleister für indirekte Leistungen wie Funkkommunikation oder kriminaltechnische Analysen zur Verfügung standen. So konnten wir die Theorie widerlegen, die den Reformvorschlägen für Metropolregionen zugrunde lag. Wir haben, mit Blick auf die Verwaltung von Großstädten, gezeigt, dass Komplexität nicht das Gleiche ist wie Chaos. Diese Erkenntnis wurde durch weitere empirische Studien zur polyzentrischen Verwaltung von Ressourcen- und Infrastruktursystemen auf der ganzen Welt untermauert.17

B. Die Verdoppelung der Güterkategorien

Die Forschung darüber, wie Menschen mit verschiedenen öffentlichen Problemen umgehen, führte uns letztlich dazu, Samuelsons Gütereinteilung in zwei Arten abzulehnen. Buchanan18 hatte bereits eine dritte Art hinzugefügt, die er »Clubgüter« nannte. Bei Clubgütern konnten mehrere Menschen private Vereinigungen (Clubs) gründen und sich im kleinen Maßstab mit nichtrivalen Gütern und Dienstleistungen versorgen. Während sie in diesen Genuss kamen, blieben Nichtmitglieder von Zugang und Konsum solcher Güter und Leistungen ausgeschlossen.

Im Lichte weiterer empirischer und theoretischer Forschung schlugen wir zusätzliche Änderungen der Güterklassifikation vor, um grundlegende Unterschiede zwischen den Gütern, die sich auf die Nutzungsanreize für die Individuen auswirken, zu identifizieren.19

 

Ersetzen des Ausdrucks ›Rivalität im Konsum‹ durch ›Substrahierbarkeit durch Nutzung‹.

Substrahierbarkeit und Ausschließbarkeit nicht als ›vorhanden‹ oder ›nicht vorhanden‹ charakterisieren, sondern als variierend zwischen ›niedrig‹ und ›hoch‹.

Offenkundig die Ergänzung einer vierten Güterart, Gemeinressourcen, die mit Privatgütern die Eigenschaft der Substrahierbarkeit und mit öffentlichen Gütern die Schwierigkeit des Ausschlusses teilen.20 Wälder, Gewässer, Fischbestände und die globale Atmosphäre sind allesamt Gemeinressourcen, die für das Überleben der Menschen überaus bedeutsam sind.

Änderung des Begriffs ›Clubgut‹ in ›Mautgut‹21, da viele Güter mit diesen Eigenschaften sowohl von überschaubaren und öffentlichen als auch privaten Akteuren bereitgestellt werden

 

Abbildung 1 gibt einen Überblick über die vier großen Güterarten. Sie bringen unterschiedliche Probleme mit sich, wenn Institutionen entwickelt werden sollen, die verschiedene Güter bereitstellen, produzieren und verbrauchen. Diese vier Güterkategorien enthalten zahlreiche Unterarten, die sich in ihren Eigenschaften substantiell unterscheiden. So sind beispielsweise ein Fluss und ein Wald beide Gemeinressourcen. Sie unterscheiden sich jedoch deutlich voneinander, etwa was die Mobilität, die Messbarkeit, die Regenerationszeiträume der jeweils produzierten Ressourceneinheiten und andere Eigenschaften angeht. Spezifische Gemeinressourcen unterscheiden sich auch in ihrer räumlichen Ausdehnung, in der Anzahl der Nutzer:innen und vieler anderer Faktoren.

 

Substrahierbarkeit durch Nutzung

hoch

niedrig

Schwierigkeit, potentielle Nutzer:innen auszuschließen

hoch

Gemeinressourcen: Grundwasserbecken, Seen, Bewässerungssysteme, Fischerei, Wälder usw.

Öffentliche Güter: Frieden und Sicherheit eines Gemeinwesens, nationale Verteidigung, Wissen, Brandschutz, Wettervorhersagen usw.

niedrig

Privatgüter: Lebensmittel, Kleidung, Autos usw.

Mautgüter: Theater, private Clubs, Kindertagesstätten usw.

Abbildung 1: Vier Arten von Gütern22

 

Wer umfangreiche Feldforschung betreibt, begegnet einer außerordentlichen Vielfalt von Situationen, in denen Menschen interagieren. Wer als Beobachter:in an einem Samstag mitten in der Nacht mit der Polizeistreife durch das Zentrum einer amerikanischen Großstadt fährt, erkennt andere Muster als jene, auf die die Polizei an einem Wochentag nachmittags gegen Schulschluss in einem Vorort trifft. In beiden Fällen beobachtet man, dass Beamt:innen der kommunalen Regierung ein öffentliches Gut bereitstellen: lokale Sicherheit. Die anderen Beteiligten unterscheiden sich in Alter und Nüchternheit, sie haben andere Gründe vor Ort zu sein und wollen anderes erreichen. Dieser Kontext wirkt sich auf die Strategien der beobachteten Polizeibeamt:innen aus.