Johann der Posthume - Jason Schwartz - E-Book

Johann der Posthume E-Book

Jason Schwartz

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Beschreibung

Ein Post-Gothic-Roman aus rätselhaften Dingen, ungesicherten Namen und anderen Schatten, eine Anatomie von Familie, Ehebruch und Mord, untermalt mit Ahnentafeln, apokryphen Schriften und einer Geschichte des amerikanischen Bettes.

Johann der Posthume existiert zwischen ­Fiktion und Poesie, Elegie und Geschichte, nachgeborener Vision und untoten Machenschaften. Jason Schwartz operiert mit feinem Besteck: Leise verrückt er die ­Möbel, führt präzise das Licht, erzählt von Kindheit und Mord, dem dünnen Licht mancher Träume und dem fast unhörbaren Schrei in allen ­Dingen. Eine gestochen scharfe Prosa, direkt auf die Netzhaut gemalt.

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Seitenzahl: 102

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Johann der Posthume

Jason Schwartz

Johann der Posthume

aus dem amerikanischen Englisch von Andreas L. Hofbauer

diaphanes

 Susan Pollard 1943–1998

HORNBUCH

EINS

Der Mädchenname – und dann eine Liste der Schwestern.

Eleanor, die Jüngste, kommt zuerst. Aus der Ferne – der Abstand zwischen Zaunpfahl und Straße etwa oder der zwischen dir und dem Haus – scheint sie in einen Brunnen zu stürzen. In der Tat verschwindet sie im Farnkraut. ­Audrey ist die Kleinste. Feuerhaken und eine braune Wand, ein Rock mit Nagelkopf­muster. Zugezogene Vorhänge sind weit weniger reizvoll als unter Wasser gezogen zu werden – wie die Mutter zu sagen pflegt. Wohingegen Bettlaken, diesem alten Sprichwort zufolge, die Messer des Bettes sind. Blanche, die Älteste, kommt zuletzt. Sie stellen sich vor, wie sie sich vorwärts kämpft, am falschen Haus anlangt. Oder zum Treppenabsatz zurückkehrt, etwas üppiger nun die Röte auf den Wangen.

Die Mutter sitzt aufrecht, getrennt vom Vater.

Dessen Bruder – Eduard oder vielleicht Edmund – leidet ziemlich kunstvoll. Seine Erniedrigungen, damals – an einer westlich gelegenen Anhöhe oder als Knabe oder eines Tages im Herbst. Sie trennen sich an einer Allee, an deren Ende, unweit eines Parks. Oder unweit eines Hafens im darauffolgenden Sommer. Und so weiter, quasi so, wie es ins nach vorne gelegene Zimmer hineinregnet. Wo seine Tochter – den Verlauf ihres Weggangs könntest du von oben her verfolgen – ohne einen Verehrer sitzt. Ihr Name – Gertrude, mit blauer Tinte – sagt nichts über das Pferdebildnis, den Lampenschirm im Kamin oder die Stunde.

Die Großmutter väterlicherseits weint im Grün.

Ihre Schwester – Esther – lebt in einer vornehmeren Straße, östlich von hier, unweit des Flusses. Sie wendet sich dem Türstopper aus Messing zu – wie sich herausstellt, befindet sich eine Ratte, keine Maus, in der Handtasche – und hernach den abgewirtschafteten Schuhen ihres Gatten. Der Ehemann – William, kursiv – ist bettlägerig oder wirkt unpässlich, krank, wenngleich es ihm jetzt ­seltsamerweise ein wenig besser geht, vor allem abends. Auf der Jagdplatte liegt ein Schweinebug, garniert mit schwarzen Oliven – obgleich er grüne vorzieht. Sein Teller ähnelt einem grauen Gesicht, das Messer verdeckt die Augen.

Der Großvater väterlicherseits setzt mit der Klinge ein richtungsweisendes Zeichen.

Sein Bruder – sein Name verblichen – kehrt um neun Uhr zurück. Zehn Uhr, wie sie es sich vorstellen – ein Bahnhof und ein Rasen, ein Malheur auf einer Brücke. Oder eine angekohlte Hutablage und ein Metallhaken, seine Ehefrau in irgendeinem Kleid. Die Gattin – Anne oder vielleicht Anna – steht eher so wie deine Schwester, das Gesicht der Gardine zugewandt. Ihre Habseligkeiten, damals – auf dem Fensterbrett, auf dem Ankleidetisch, in der Schreibtischschublade. Der Bettpfosten, von einem einfühlsameren Blickwinkel her betrachtet, könnte einen Teil des Kleiderschranks verdecken und das Zimmer entzweien.

 ZWEI

I.

Der Korintherbrief hebt an mit einem Gruß, und nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte, mit der Be­­schreibung von Heuschrecken auf einer Bergspitze. Oder gar mit Käfern in einem Wald, einem Wäldchen, einem Gehölz – auf Fichten zum Beispiel, wie hinter unserem Haus. Kapitel zwei spricht von »Zerrüttung« – »Ich kam in Schwäche und Furcht, zitternd und bebend« –, obwohl das wenig über eine brennende Stadt aussagt. Ich stelle mir, irgendwie, Achsen und ein Holzwagenrad vor und dann ein Tier – sein Gekreisch, denke ich mir, eher wie der Aufschrei eines Kindes, nachts. Kapitel drei erwähnt »Feuer« – im Römerbrief hingegegen folgt auf eine »hölzerne Kehle« eine »Seite des Fleisches« oder um­­gekehrt – neben »dem Turm« und »dem Haus« und »der Straße«. Silber wird in einem späteren Ab­­schnitt an einer Mauer oder einem Tor abgelegt, ungeachtet der Farbe der Schakale. Kapitel vier erwähnt »Lumpen«, was, so vorgestellt, dich an gewisse Vögel erinnern mag, wie jene, die aus dem Nest fallend verloren gehen. Man hat ihnen das Augenlicht genommen, oder? Oder vielleicht sind sie vor Schreck gestorben. Rauch oder Nebel war der Grund, dieser Geschichte zufolge – eine große graue Anordnung. Das Gefieder war blau, ja, doch hege ich eine Schwäche für die Hasen im Farnkraut. Kapitel fünf erwähnt »Satan«, selbst dann, wenn die Leiche gelegentlich die eines Knaben ist. Die Organe und die ­Knochen jedenfalls – wenngleich jene schon bald durch Heu und Stroh ersetzt werden. Letzteres ist schwarz – scheußlich zugeben zu müssen, dass dies meinem Herzen immer noch einen Stich versetzt – und das Gewand weiß. Kapitel sechs erwähnt »Diebe« und »Ehebrecher« – anstelle der »Witwenliste« im Brief an Timotheus. Die Begriffe weichen in der ägyptischen Fassung ein wenig ab, wo jede Heimsuchung von Dämonen begleitet wird. Hier bezeichnet der Baldachin – in einer der weniger übertriebenen Beschreibungen – eine Krone. Zeigt ein solcher Baldachin Figurinen des Opfers oder der Opfer, dann sind die Schnüre rot, um Orte der Ansteckung anzuzeigen. Das Sackleinen verschwindet, soviel ich weiß, aus den anderen Häusern, nördlich entlang der Straße.

Kapitel sieben enthält den in Frage stehenden Satz.

In der Authorized Version (1611), der Common Version (1833), der English Revised Version (1881–1885) und der American Standard Version (1901) sowie in John Wesleys Neuem Testament (1755), der Literal Translation von Young (1862) und der Darby-Bibel (1890): »Es ist besser zu heiraten, als zu brennen.«

Linkerhand jedes Satzes erscheint Satan. So eine althergebrachte Vorstellung. Oder, in manchen Schriften, jeweils links von jedem Buchstaben. Zuweilen erscheint Satan rechterhand – oder, weniger häufig, hinter – der Ziffer Neun. Und anschließend schafft er die Knochen des Sohnes weg.

Verschiedene mittelalterliche Krankheiten ­wurden nach dem Teufel benannt – andererseits galt dies wiederum auch für Türrahmen befremdlicher Bauweise. Wenn tote Menschen als versengte Mauern erscheinen anstatt innerhalb dieser – solches dachte man sich einstmals als Beweis für den Teufel. Den Teufel stellte man sich einst als einen Vogel in seinem Blut vor. Die Versionen, von Abschnitt zu Abschnitt, hingen von der Anordnung der Gliedmaßen ab.

In zahlreichen Berichten erscheint der Teufel als Klageweib bei einem Begräbnis.

In der Wycliffe-Bibel (1388) – »Besser ist’s sich zu vermählen denn zu verbrennen« – stammt die Übersetzung von John Wycliffe, oder Wiclif, dessen Leiche man, gemäß der einen historischen Überlieferung, wieder ausgrub, schwarz bemalte, zerstückelte und dann in einem hölzernen Käfig zur Schau stellte. Oder, gemäß einer anderen Überlieferung, wieder ausgrub, enthauptete und dann auf einem Kirchhof verbrannte und die Asche in einen Fluss kippte.

Das Teufelstier findet sich, in den Bilderbüchern, im Haus des Vaters, manchmal aus weißem Garn bestehend. Braune Katzen, eher als schwarze, werden auf die Gefangenen geworfen, die sich auf ihrem Weg zum Turm befinden. Die Überreste sind grün oder sie scheinen so – während in der Nachbargemeinde ein Tisch hinkt.

Der Teufel deckt den Tisch, wie sie zu sagen pflegten. Und dann schneidet er durchs Pfaffenauge. Das Ratsherrnstück ist für die bedeutenderen Gäste reserviert. Ein Hase, gebraten, wird an seinen Hinterläufen herbeigeschafft, seine Ohren hat man an den Ansätzen entfernt.

Von einem bestimmten Hund – häufig einem sterbenden – glaubt man, er erinnere an eine blaue Schlinge oder an eine zerrissene Steppdecke am Fußende des Bettes.

Die Douay-Rheims-Bibel (1582) – »Es ist besser zu heiraten, als verbrannt zu werden« – wurde in Douay, oder Douai, begonnen und in Rheims, oder Reims, fertiggestellt. Die Übersetzung – von Gregory ­Martin, einem Schwindsüchtigen – wurde, unter anderen, von Thomas Worthington und William Allen durchgesehen und überarbeitet. Ersterer heiratete übrigens die Nichte des Letzteren. Die Weymouth-Bibel (1903) – »Denn die Heirat ist besser, als das Fieber der Leidenschaft« – ist eine Übersetzung von Richard Francis Weymouth, der 1902, außerhalb von Essex, starb.

Timotheus erscheint zuweilen als Schwert oder Dolch.

Paulus erscheint zuweilen als Hund mit Hörnern.

Einst war es Brauch, alle Namen aufzulisten, die Namen der Heiligen und ihrer Martyrien, und die Familiennamen und dann die Namen der Orte, in jeweiliger Reihenfolge, von einem Ende zum anderen – nach der Art, wie man Gegenstände auf einem grauen Tisch anordnet oder graue Gegenstände in ländlicher Landschaft.

II.

Im Buch Levitikus werden der Ehebrecher und die Ehebrecherin »mit dem Tode bestraft«. Oder, genauer gesagt, »sie sollen« oder »werden ­gewisslich« – abhängig von der Textgestalt. Ein Mann, der »mit der Frau seines Vaters schläft«, hat darüber hinaus noch »die Nacktheit seines Vaters entblößt«. Oder, anders übersetzt, dessen »Scham« – selbst wenn wir dem die einfachere Vorstellung von Falten oder Furchungen in einem Mantel vorziehen. Sie verschwinden, leider – oder scheiden hin, wie die Alten es vielleicht genannt hätten –, während du die Decke zur Seite legst. Buch Numeri stellt die Ehefrau entehrt oder anderswie besudelt dar, und den eifersüchtigen Ehemann. Der Akt ist »geheim«, »ohne Zeugen«, »vor seinen Augen verborgen«. Das Martyrium jedoch schreit nach Brandopfer und Bitterwasser, nach der Rezitation eines Schwurs. Im Buch Deuteronomium zeigt der Vater das Bettlaken der Tochter vor. »Blut« allerdings wurde vermieden. Vielleicht stellst du dir stattdessen einen Kreis vor – einen kleinen Kreis – und dann etwas Schlimmeres. Wenn ein verlobtes Mädchen sich mit einem anderen Mann hinlegt, und wenn sie »nicht schreit« – »dann sollt ihr sie steinigen«, das Mädchen und den Mann, am Stadttor. Oder am Tor des Dorfes, wenn man das Mädchen in einem Dorf entdeckt, in einer späteren Textversion. Das Buch Hosea stellt die Ehe als unglücklich dar – »Darum versperre ich ihr den Weg mit Dornengestrüpp«; »Ich verwüste ihre Reben und Feigenbäume«. Die Kleidungsstücke – »die Wolle und das Leinen« – werden in einem Wald gefunden, wie wir annehmen dürfen, eher als Tiere, blind und sterbend.

Mit Susanna habe ich so meine Schwierigkeiten, denn das ist der Name meiner Mutter. In meiner Kinder­bibel kratzte ich, wie ich mich nun entsinne, diesen Namen an drei Stellen aus.

Matthäus bezieht sich auf ein »lüsternes Auge«. Dieses – oder genauer »dein rechtes Auge« – soll »herausgerissen werden«, »herausgehauen«, »herausgeschnitten«. Bei Petrus – wenn wir für den Augenblick es uns gestatten dürfen, von der ordnungsgemäßen Reihenfolge abzuweichen – »begehen sie Ehebruch mit den Augen«. Oder, anders übersetzt, »sie haben nur Augen für die Ehebrecherin« und »sind unersättlich in der Sünde«. Bei Johannes wird die Frau morgens zum Tempel gebracht. Sie steht »in der Mitte« oder »in ihrer Mitte«, wahrhaftig, oder »vor ihnen allen« – was sie trägt bleibt ungesagt. Die Tat ist die »nämliche« – auch später dann, wenn du dir die Häuser als Gesichter vorstellst zum Beispiel, oder als Särge. Im Römerbrief – wie auch höchst bemerkenswert bei Markus und Lukas – ereignet sich zuerst der »Ehebruch«. Schlag nun das Laken zurück, so, und schon hast du eine hübsche alte Szene. Das Laken, allerdings, an der Kehle gerafft – das ist am besten als eine gesonderte Angelegenheit zu betrachten. Der Galaterbrief erwähnt die »Werke des Fleisches«. Diese Wendung lässt den Vorhang, zerrissen und verbrannt, außer Acht – genauso wie die Hornissen, die in das Kleid der Tochter eingenäht sind. In der Offenbarung des Johannes, »Ich werfe die ­Ehebrecherin auf ein Bett«. Oder – ausführlicher – auf ein »Krankenbett« oder ein »Bett des Trübsals«. Die Männer »weinen und trauern«, beobachten den brennenden Körper.

III.

Der Korintherbrief schließt weitaus fröhlicher, ohne zusätzliche Erwähnung von Bruch, Trennung, Scheidung. Nichtsdestotrotz gibt es eine Liste von Städten und Dörfern, Dörfern und Städten – in Flammen, wie ich mich erinnere, in fünf Zeilen. Die Bäume brauche ich nicht zu erwähnen – oder, was das betrifft, die Blumentöpfe vor unserem Haus, neben dem Weg, unweit der Hintertür, die in dem einen Jahr grau gestrichen war und rot in einem anderen. Der Römerbrief zitiert die Psalmen – »Ihre Kehlen sind offene Gräber«, »Sie sind Fremde« – doch das hat wenig mit Setzlingen oder Zweigen zu tun, mit Aschenglut oder Schlacke, oder mit Ehefrauen, die sich in einer schattigen Gartenlaube verbergen. Ein Wald hingegen, die Beschreibung eines ­Waldes, wie man sie in einem Handbuch, einem Sammelband, einem Jahrbuch findet – das legt doch eine Liebesgeschichte irgendeiner Art nahe, nicht wahr? Der Galaterbrief erwähnt das »Gefängnis des Gesetzes«, wenngleich die Worte im Staub – wenn uns dies irgendetwas angeht – sich auf Mord beziehen mögen. Oder, wahrscheinlicher, auf Diebstahl, mit Asche anstelle der Haare und – aus Anlass einer jüdischen Zusammenkunft – einem Haufen Schilfrohr. Die Kleidungs­stücke dunkeln an bestimmten Stellen nach, zumindest so wie ich es verstehe – die Kehle, oder die Handgelenke und die Kehle, die Säume, sie scheinen zu bluten. Der Epheserbrief erwähnt »Kinder«, was einen Fleck, sagen wir mal, am Rand rechtfertigen könnte, wenn nicht sogar dise Gruppe von Pferden an einem Küstenstreifen. Die Vögel an den Wasserfällen ihrerseits – es handelte sich um Wasservögel der gewöhnlichen Art, die traurigeren Exem­plare verkrüppelt oder entstellt. Es war ein verschwenderisches Ertrinken, dieser Geschichte zu­­­­­folge – ein ­Gentleman oder irgendeine andere einsame Figur, früh am Morgen, ein Gestrüpp und eine Bergspitze in der Ferne. Der Philipperbrief erwähnt »Entstellung« und, anderswo, das »Buch des Lebens« – aus welchem im Buch Exodus und den Psalmen, die Namen der Toten ausgestrichen, herausgenommen oder anderswie herausgeschnitten werden.