Julia Extra Band 185 - Susanne Mccarthy - E-Book

Julia Extra Band 185 E-Book

Susanne McCarthy

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Beschreibung

Braut zu verschenken von Susanne Mccarthy
Als Ginny auf ihrer Verlobungsparty von Alina erfährt, dass Oliver sie nur heiraten will, um einen Erben zu zeugen, ist sie entsetzt. Liebt er in Wahrheit Alina, die keine Kinder bekommen kann? In ihrer Not flirtet sie heiß mit Mark, der seine Chance übel ausnutzt. Halb entkleidet wird Ginny in seinen Armen entdeckt. Der Skandal ist perfekt...

Trauminsel der Liebe von Daphne Clair
Stefanie und Quinn gehen eine Vernunftehe ein, damit er den wichtigen Auftrag auf der Insel Busiata bekommt. Die Königsfamilie des kleinen Staates duldet keine fremden Junggesellen in ihrem Palast. Gefühle waren nicht eingeplant, doch genau die machen Stefanie größte Probleme: Zu gern würde sie sich von ihrem Mann verführen lassen.

Heiße Küsse im Büro von Jessica Steele
Emily weiß gar nicht, wie ihr das passieren konnte: Plötzlich liegt sie auf dem kuscheligen Teppich im Büro ihres Chefs und erwidert stürmisch Bardens Zärtlichkeit. Im Rausch der Sinne ist Emily zu allem bereit ihr Traummann scheint ihre leidenschaftlichen Gefühle zu erwidern. Liebt Barden tatsächlich, oder sucht er nur ein Abenteuer?

Gib mir Zeit, Darling von Gail Link
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Seitenzahl: 712

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Daphne Clair, Jessica Steele, Susanne McCarthy, Gail Link

Julia Extra Band 0185

IMPRESSUM

Julia Extra Band 0185 erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag:

Postfach 301161, 20304 Hamburg

Telefon: 040/60 09 09-361

Fax: 040/60 09 09-469

E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung:

Thomas Beckmann

Redaktionsleitung:

Claudia Wuttke (v.l.S.d.P.)

Produktion:

Christel Borges

Grafik:

Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

©

1998 by Susanne McCarthy Originaltitel: „Bride For Sale“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: PRESENTS Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

©

Deutsche Erstausgabe in der Reihe Julia Extra Band 0185 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Kai J. Sasse Fotos: RJB Photo Library

©

1999 by Daphne Clair de Jong Originaltitel: „Makeshift Marriage“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: PRESENTS Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

©

Deutsche Erstausgabe in der Reihe Julia Extra Band 0185 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Sofia Mendes Fotos: RJB Photo Library

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1999 by Jessica Steele Originaltitel: „A Nine-To-Five Affair“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ENCHANTED Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

©

Deutsche Erstausgabe in der Reihe Julia Extra Band 0185 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Ruth Landmann Fotos: RJB Photo Library

©

2000 by Gail Link Originaltitel: „Sullivan’s Child“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: SPECIAL EDITION Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam

©

Deutsche Erstausgabe in der Reihe Julia Extra Band 0185 Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Charlotte Braun Fotos: RJB Photo Library

Veröffentlicht im ePub Format im 09/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: readbox, Dortmund

ISBN 978-3-95446-054-0

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

CORA Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:

ROMANA, BIANCA, BACCARA, TIFFANY, MYSTERY, MYLADY, HISTORICAL

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SUSANNE McCARTHY

Braut zu verschenken

1. KAPITEL

Ginny Hamiltons schöne grüne Augen blitzten ihn schelmisch an. “Als Graf Dracula, Oliver? Eigentlich ist das hier ein Kostümfest und keine Erkenne-dich-selbst-Veranstaltung.”

Oliver Marsden lächelte kalt zurück. Er hatte seine pechschwarzen Haare zurückgekämmt und sah mit dem langen, schwarzen Umhang tatsächlich wie der sagenhafte Herr der Vampire aus. Und genauso bedrohlich.

“Das könnte ich auch zu dir sagen. Lass mich raten, was du darstellst! Scarlet O’Hara, die gerade Atlanta im Sturm erobert? Und jederzeit für einen Skandal gut ist?”

Ginny lachte und vollführte einen übertriebenen Hofknicks, der den weit schwingenden Rock ihres eng anliegenden Kleids zum Wogen brachte. “Ich muss immerhin meinem Ruf gerecht werden.”

“Das wird dir bestimmt nicht schwerfallen.” Er blickte anerkennend auf ihre zarten Brüste, die der tiefe Ausschnitt des Kleides zur Geltung brachte.

Sie musste wieder lachen. Ein tiefes, fast heiseres Lachen. “Willst du mir nicht erzählen, dass es dich schockiert, mich heute Abend hier zu treffen? Mein Vater ist gerade vor einer Woche beerdigt worden, und ich amüsiere mich auf einer Party.”

“Sollte ich denn schockiert sein?”

“Hast du denn erwartet, mich hier zu treffen? Mein Gott, ich hasse es, wenn ich so leicht zu durchschauen bin.” Sie schmollte spaßhaft.

“Da musst du keine Angst haben. Aber es tut mir leid, dass ich nicht zur Beerdigung kommen konnte. Ich war in Tokio.”

“Schade! Es war eine ausgezeichnete Beerdigung.” Sie lächelte traurig. “Es würde Daddy gefallen haben. Genau die richtige Mischung aus Schwulst und Prunk. Und die Grabrede wurde sogar von einem Bischof gehalten! Irgend so ein Verwandter dritten Grades. Einer dieser alten Knaben, die man nur zu Hochzeiten und Begräbnissen zu Gesicht bekommt. Aber ich fürchte, dass ich für die anderen wieder mal der Schandfleck der Familie war.”

“Hat es dich denn jemals interessiert, was die anderen von dir denken?”

“Nicht im Geringsten!” Sie versuchte, sich so unbeteiligt wie möglich zu benehmen. Nie im Leben hätte sie zugegeben, wie sehr ihr das Gerede hinter ihrem Rücken und die schiefen Blicke zugesetzt hatten. Das Verhältnis zu ihrem Vater war nicht immer einfach gewesen, aber sie hatte ihn vergöttert, so altmodisch und engstirnig er auch gewesen sein mochte.

Oliver gehörte zu den wenigen Menschen, die das nachvollziehen konnten. Sein Vater war mit ihrem Vater seit ihrer gemeinsamen Schulzeit befreundet gewesen. Dummerweise war Oliver Marsden aber auch der letzte Mensch, mit dem sie sich über ihre Gefühle unterhalten mochte. Es war jetzt sechs Jahre her, dass er um ihre Hand angehalten hatte, und sie hatte Ja gesagt. Aber dann war alles gründlich schiefgegangen.

Glücklicherweise hatte sie ihn in den folgenden sechs Jahren nur selten getroffen. Er lebte in New York und arbeitete für eine Großbank an der Wall Street. Vor zwei Monaten hatte sein Vater seinen Rücktritt als Vorsitzender von Marsden Lambert angekündigt, einem der letzten unabhängigen, kleinen Bankinstitute im Familienbesitz in London. Und Oliver sollte sein Nachfolger werden.

Dadurch würden sie sich zwangsläufig wieder häufiger über den Weg laufen. Ginny wusste nicht, was sie davon halten sollte. In der Zwischenzeit hatten sie sich ab und zu getroffen und dabei höflich unterhalten, doch konnte sie sich einer gewissen dunklen Ahnung nicht erwehren. Immerhin hatte sie vor sechs Jahren ihre Verlobung ausgerechnet auf der Verlobungsfeier platzen lassen. Und Oliver Marsden hatte ein gutes Gedächtnis.

Ihr Gesicht verriet jedoch nichts von ihren Gedanken, als sie ihn mit leuchtenden Augen ansah. Sie hatte sich für diese Partys einen bestimmten Augenaufschlag angewöhnt, der von ihren langen Wimpern betont wurde. “Na ja, vielleicht haben sie ja recht. Ich befürchte, dass ich tatsächlich hoffnungslos verdorben und selbstsüchtig bin! Du solltest froh sein, mich nicht geheiratet zu haben.”

“Hättest du mich geheiratet, wärst du nicht verdorben worden.”

Seine Bemerkung versetzte Ginny einen Stich. Etwas in seiner Stimme warnte sie, dass es nur zum Teil scherzhaft gemeint war. Sie nahm sich zusammen und versuchte zu lachen. “Na ja, dann bin jedenfalls ich froh, dich nicht geheiratet zu haben. Ich bin lieber verdorben.”

Bevor Oliver auf ihre Beleidigung antworten konnte, ließ sich eine ruhige, klare Stimme vernehmen, die sie nur allzu gut kannte. “Ginny, meine Liebe, dich hätte ich hier nicht erwartet!” Eine elfenhafte Schneekönigin erschien plötzlich neben Oliver. Sie war groß und gertenschlank, ihr langes, weißblondes Haar voll silbernem Glitter fiel um ihr schön geschnittenes Gesicht. Mit einem selbstsicheren, kühlen Lächeln hakte sie sich bei Oliver ein.

Seine Stiefschwester, so blond, wie er dunkel war, und genauso schön wie hinterhältig.

“Hallo, Alina!” Ginny war die Freundlichkeit in Person. “Ich konnte mir diese Party doch unmöglich entgehen lassen.”

“Ich war sehr betrübt, als ich das von deinem Vater hörte.” Alinas Stimme triefte vor falscher Freundlichkeit. “Das war bestimmt ein großer Schock für dich.”

“Nicht wirklich. Er war ja schon eine ganze Weile sehr krank.”

“Aber natürlich. Und er war auch schon ganz schön alt. Aber dein Kleid ist ja wirklich fantastisch! Ganz schön mutig, diese Farbe zu tragen!”

“Danke!” Ginny hatte nicht die geringste Lust, auf die versteckte Beleidigung einzugehen. “Es war schön, wieder mal mit euch zu plaudern. Wir sehen uns dann später. Bye!”

Mit einem strahlenden Lächeln mischte sie sich unter die restlichen Partygäste, scherzte mit einigen und flirtete mit jedem männlichen Wesen von achtzehn bis achtzig. Ginny Hamilton, das Partygirl. Und obwohl heute Abend auch prominente Künstler und die Creme des Adels anwesend waren, zog sie die meisten Blicke auf sich.

Dabei war sie eigentlich nicht im klassischen Sinne schön. Das Wort, das die meisten benutzten, um sie zu beschreiben, war eindrucksvoll. Sie war groß und geschmeidig, ihr langes Haar glänzte wie poliertes Ebenholz und bildete einen interessanten Kontrast zu ihrer hellen Haut. Aber ihre Nase war einen Tick zu scharf geschnitten und ihr Mund ein kleines bisschen zu breit.

Nur wenige Menschen hatten sie genau genug betrachtet, um die Intelligenz in ihren grünen Augen erkennen zu können, ihre Entschlossenheit und die Verletzlichkeit, die hinter ihrem strahlenden Lächeln verborgen war. Die meisten sahen, was sie sie sehen lassen wollte, das Partygirl, das verzogene, kleine Mädchen, oberflächlich und frivol. Sie spielte ihre Rolle trotz des üblen Klatsches, und dies erfüllte sie mit einem merkwürdigen Stolz. Sie hatte schon vor langer Zeit erkannt, dass dies eine wirksame Tarnung war.

Von denen, die sie jetzt beobachteten, wussten nur die wenigsten, dass sie die treibende Kraft hinter dem Festkomitee war. Und nur aus diesem Grund war sie heute Abend hier und spielte ihre Rolle, obwohl ihr, weiß Gott, nicht danach zumute war.

Denn hierin lag ihre Stärke. Sie besaß ein fast unglaubliches Talent, den Leuten ihr Geld für wohltätige Zwecke aus der Tasche zu ziehen. Und sie hatte die Fähigkeit, die Feste so zu gestalten, dass sich alle Anwesenden wohlfühlten. Und wer sich wohlfühlte, war umso großzügiger.

Am heutigen Abend ging es um die Unterstützung einer Organisation, die sich um Obdachlose kümmerte, von denen viele Alkoholiker oder Drogenabhängige waren. Normalerweise hätten die meisten der Anwesenden von diesen Leuten noch nicht einmal Notiz genommen, wenn sie auf dem Weg zur Oper über sie hinwegsteigen mussten.

Aber Ginny war in Hochform. Charmant plauderte sie noch mit den hochnäsigsten alten Ladys über die Probleme, einen angemessenen Friseur zu finden, oder über ihre Enkelkinder und deren Kinderkrankheiten. Nur ihre engsten Freunde wussten, welche Kraft es sie kostete, diese glitzernde Fassade aufrechtzuerhalten.

Sie hatte diese Art der Verstellung schon in ihrer Kindheit lernen müssen. Sie war gerade neun Jahre alt gewesen, als ihre Mutter starb, und sie hatte bald gemerkt, dass ihr Vater ihre Tränen nicht ertragen konnte. Also hatte sie ihre Trauer hinter einem heiteren Lächeln verborgen, und dies war ihr im Laufe der Zeit zur zweiten Natur geworden.

Es hatte ihr auch vor sechs Jahren geholfen, als Alina ihre romantischen Träumereien zerstört hatte. Alina und ihr eigener kindlicher Stolz, wie sie zugeben musste, hatten dazu geführt, dass sie die Verlobung mit Oliver gelöst hatte.

Der Abend schien ein voller Erfolg zu werden. An die zweihundert Menschen tanzten unter prächtigen Kronleuchtern, widergespiegelt von den goldfarbenen gerahmten Spiegeln, die die ganze Wand bedeckten. Sie genossen es offensichtlich, auf einem Maskenball zu sein und für ein paar Stunden ihrem alltäglichen Leben entfliehen zu können.

Während sie sich umsah, spürte Ginny eine tiefe Zufriedenheit. Ihre Arbeit hatte sich bezahlt gemacht. Wochenlang hatte sie an der Planung gearbeitet, hartherzige Geschäftsleute überredet, in dem Programmheft zu inserieren, und alle in ihrem großen Bekanntenkreis überzeugt, sich eine Eintrittskarte zu kaufen.

Sie gönnte sich eine kleine Verschnaufpause. Sie stellte sich neben die schweren Brokatvorhänge am Ende des Ballsaals, und als sie sich unbeobachtet fühlte, verschwand sie durch die Verandatür.

Draußen lag der kleine Innenhof des Hotels. Tagsüber konnte man hier Kaffee trinken oder ein Eis essen, aber jetzt lag er verlassen da. Von drinnen drangen die Musik und das Lachen der Gäste an ihr Ohr, aber die geschlossenen Vorhänge vermittelten ihr ein Gefühl der Geborgenheit.

Obwohl es erst Mai war, war die Luft nicht kühl. Mit einem leichten Seufzer ließ sie sich an einem der Tische nieder und begann, ihre Schläfen zu massieren. Diese aufgesetzte Freundlichkeit war auf die Dauer sehr anstrengend.

Vielleicht machte sie einfach nur aus falschem Stolz allen vor, dass sie keine Probleme hätte, aber dieser Stolz war auch alles, was ihr geblieben war. Die feine Gesellschaft würde es bald herausfinden. Gerade diejenigen, die sich besonders gern das Maul über sie zerrissen, würden sagen, dass sie nur das bekam, was sie verdiente.

Aber sie konnte sich noch nicht einmal darüber beschweren! Es war ihre eigene Schuld. Sie war der Mittelpunkt des Skandals auf ihrer Verlobungsfeier gewesen und hatte seitdem nichts unternommen, sich wieder ins rechte Licht zu stellen. Es hätte ihr wohl auch niemand geglaubt. Warum auch! Sie hatte ihren Schmerz sehr gut hinter all diesen Lügen verbergen können, einen Schmerz, den sie auch jetzt noch tief in ihrem Inneren spürte.

Vielleicht hätte ich Oliver nicht mit der alten Geschichte reizen sollen, dachte sie und lächelte ironisch. Das Glitzern in seinen dunklen Augen war eine Warnung gewesen, dass die Zeit nicht alle Wunden heilte.

Schon als Neunzehnjährige war ihr aufgefallen, dass sich hinter der Oberfläche des ruhigen, kultivierten Großstädters jemand völlig anderes verbarg. Selbst heute hatte sie unter seinem Smokingjackett den durchtrainierten, muskulösen Körper wahrnehmen können, der eher zu einem Athleten oder Bauarbeiter passte als zu dem Vorsitzenden eines der ältesten Investmentinstitute der Stadt.

Marsden Lambert galt als die traditionellste und konservativste Bank in der ganzen Stadt. Es war fraglich, ob sie das mit Oliver an der Spitze auch bleiben würde. In New York hatte er an der Börse gearbeitet, und nach allem, was sie wusste, war das fast wie ein Glücksspiel. Aber der Erfolg hatte nicht lange auf sich warten lassen.

Wahrscheinlich war es besser so, dass sie damals nicht geheiratet hatten. Was sie für Liebe gehalten hatte, war wohl eher eine jugendliche Schwärmerei gewesen. Außerdem hätte er bald genug von seiner kleinen, naiven Frau gehabt.

Sie fragte sich insgeheim, ob er nicht doch Rachegedanken hegte. Solange ihr Vater lebte, hatte sie sich sicher gefühlt. Oliver hätte nie etwas getan, was den besten Freund seines Vaters verärgern würde. Aber nun …?

“Hi! Ich habe mir schon gedacht, dass ich dich hier finde.”

Ginny drehte sich um und begrüßte ihre beste Freundin Sara mit einem spröden Lächeln. “Ich musste mich mal erholen. Alle Welt starrt mich an und hält mich für ein herzloses Miststück, nur weil ich heute hier bin.”

“Nur die, die dich nicht kennen.”

“Mein Ruf ist jetzt wahrscheinlich völlig zerstört.”

“Sei nicht albern! Das ist doch alles nur leeres Gerede.”

“Kein Rauch ohne Feuer!”

Sara war jetzt wütend geworden. “Du bist selbst daran schuld. Du hast es ja förmlich darauf angelegt.”

“Sicherlich. Jede wäre lieber eine verdorbene Schlampe als das nette Mädchen von nebenan!”

Sie mussten beide lachen, aber Sara ließ nicht locker. “Du hättest heute Abend nicht kommen müssen. Wir hätten deine Arbeit übernehmen können.”

Ginny schüttelte den Kopf und war plötzlich sehr ernst. “Nein, das muss ich schon selber machen. Zu Hause rumzusitzen und Trübsal zu blasen, macht ihn auch nicht wieder lebendig.” Sie zögerte einen Moment, bevor sie mit einem zerknautschten Lächeln fortfuhr: “Außerdem ist dies wahrscheinlich die letzte High Society-Party, auf die ich gehen werde.”

Sara sah sie verdutzt an. “Was soll denn das bedeuten?”

Ginny legte den Kopf in den Nacken und betrachtete den Nachthimmel. Als ihre Mutter gestorben war, hatte sie sich vorgestellt, dass sie nun ein Stern am Himmel sei und über sie wache. Ob ihr Vater nun auch dort oben war? “Erinnerst du dich an die letzte große pleite im Versicherungsgeschäft? Eine ganze Menge Leute haben ihr Vermögen verloren, und mein Vater war einer von ihnen.”

“Oh … mein Gott!”

“Du sagst es.” Diesmal konnte Ginny die Bitterkeit in ihrer Stimme nicht verbergen. “Ironie des Schicksals. Er war immer so vorsichtig und altmodisch. Und investiert ausgerechnet in eine Firma, die so pleitegegangen ist, dass sie noch nicht einmal jetzt wissen, wie hoch der Verlust überhaupt ist.”

“Das ist ja furchtbar. Hast du noch irgendwas davon retten können?”

“Nichts. Ich hätte mir nur gewünscht, dass er mir etwas davon gesagt hätte. Es hätte wohl nichts geändert, aber ich fühle mich so schuldig, wenn ich daran denke, wie viel Geld ich für Schmuck und Kleider ausgegeben habe, während er ums geschäftliche Überleben gekämpft hat. Trotzdem hat er alle meine Rechnungen bezahlt, als ob nichts geschehen wäre.”

Sara schüttelte den Kopf. “Er wollte dich damit wohl nicht belasten.”

“Ich kann ihn jetzt noch sagen hören: ‘Zerbrich du dir mal nicht dein hübsches Köpfchen darüber!’ Unglücklicherweise kann ich jetzt nichts anderes mehr machen. Ich werde wohl das Haus verkaufen müssen.”

“O nein!” Sara sah ihre Freundin voller Mitgefühl an. “Das ist ja schrecklich. Wo willst du denn wohnen?”

“Ich werde schon was finden.”

“Du könntest zu uns ziehen. Wir haben genug Platz.”

Ginny musste plötzlich lachen. “Ich befürchte, für Peter und mich wäre selbst der Buckingham-Palast zu klein. Warum hast du auch ausgerechnet meinen tumben Vetter geheiratet? Ich habe mir immer Vorwürfe gemacht, euch miteinander bekannt gemacht zu haben.”

Sara kicherte. “Er ist gar nicht tumb, nur etwas vorsichtig. Aber jetzt mal ernsthaft. Was hast du vor?”

“Ich sollte mich wohl nach einem Job umsehen. Dummerweise habe ich überhaupt keine Ausbildung. Armer alter Daddy! Was Frauen und Arbeit anging, hatte er sehr altmodische Vorstellungen. Und ich habe nichts dagegen gemacht. Und nun stehe ich ohne Ausbildung da, wenn man mal von meinen Erfahrungen in französischer Kochkunst absieht. Meine einzige Begabung besteht darin, Feste zu organisieren.” Sie deutete auf den Ballsaal.

“Aber darin bist du spitze! Vielleicht solltest du einen Beruf daraus machen. Es gibt viele Wohltätigkeitsvereine, bei denen du erfolgreich arbeiten könntest.”

Ginny schüttelte den Kopf. “Das klappt nur, weil ich mich in den entsprechenden Kreisen bewege. Und wenn ich kein Geld mehr habe, werde ich mir das nicht mehr leisten können.”

“Na ja, du könntest immer noch einen Millionär heiraten. Heute Abend sind eine ganze Menge da. Ich glaube kaum, dass es dir schwerfallen würde, einen zu finden.”

Ginny schnippte mit den Fingern. “Das ist es! Sara, du bist toll.”

Ihre Freundin sah sie entgeistert an. “Das war ein Witz.”

“Nein, nein! Das ist die Lösung. Ich könnte nicht nur das Haus behalten, es würde auch niemand wissen, dass mein Vater verarmt gestorben ist. Er war immer ein so stolzer Mann. Sein Geheimnis zu hüten ist das Mindeste, was ich tun kann.” Sie stieß ihre Freundin an. “Los, denk nach! Wen kennen wir? Wie wäre es mit Jeremy? Er sieht ganz gut aus und ist auch nett.”

“O nein, er ist zu nett! Er hätte keine Chance gegen dich.”

“Hm … stimmt vielleicht!” Ginny hielt kurz inne. “Ralph?”

“Er riecht nach Pferdestall.”

“Ich mag Pferde. Na gut, vielleicht nicht so sehr! Alastair?”

“Du fandest seine Ohren immer zu groß.”

“Das bedeutet ja nicht, dass er nicht ein guter Ehemann sein könnte.”

“Zu schade, dass das mit Oliver nicht geklappt hat!”, sagte Sara abwesend. “Er ist sehr reich und sieht unverschämt gut aus.”

“Oliver?” Ginny lachte freudlos auf. “Nein, viel zu arrogant. Den würde ich noch nicht einmal heiraten, wenn ich völlig verzweifelt wäre.”

“Ich dachte, du bist völlig verzweifelt?”

“Bin ich auch. Aber ich würde ihn trotzdem nicht heiraten. Ah, es klingt so, als würden sie das Essen auftragen! Lass uns hineingehen!”

Ginny hatte sich früher am Abend überzeugt, dass der Oberkellner alles im Griff hatte. Die Tische waren wunderschön gedeckt, und das Licht der Kronleuchter brach sich in den wertvollen Kristallgläsern.

Während sie Sara an ihren Tisch folgte, ärgerte Ginny sich über sich selbst. Sie hatte nicht daran gedacht, dass Oliver sich zu ihnen setzen würde, da er und Peter sich von der Universität her kannten.

Sie setzte ihr professionelles Lächeln auf und begrüßte ihn erneut. “Du leistest uns beim Essen Gesellschaft?”

“Wenn es keine Einwände gibt?”

“Nicht von mir”, sagte sie übertrieben. Er nahm den Stuhl und rückte ihn ihr zurecht. Jeremy, der eigentlich als ihr Tischherr vorgesehen war, blieb nichts weiter übrig, als sich still neben sie zu setzen. Zum Ausgleich schenkte Ginny ihm ein strahlendes Lächeln, das ihn etwas verlegen machte. Sara hatte wohl recht. Es wäre keine gute Idee, ihn zu heiraten. Er war ein zu leichtes Opfer. Außerdem würde seine linkische Art sie binnen einer Woche wahnsinnig machen.

Ein weiteres befreundetes Paar setzte sich zu ihnen an den Tisch. Lucy, im Kostüm einer Flamencotänzerin, setzte sich sofort neben Oliver. “Du böser Junge, warum hast du dich so selten in London sehen lassen? Du weißt doch, dass wir nicht genug gut aussehende Männer hier haben.”

Oliver lächelte verschmitzt zurück. “Tut mir leid. Es war mir nicht bewusst, dass man meine Abwesenheit überhaupt bemerken würde.”

Lucy überschlug sich vor Lachen. “Wie war es in New York? Es ist so aufregend. Ich liebe es. Um einzukaufen, ist Macy’s nicht zu schlagen. Ich kaufe dort seit Jahren meine Weihnachtsgeschenke.” Sie grinste Ginny unbedarft an. “Waren Sie jemals da?”

“Einmal”, antwortete sie knapp und versuchte, nicht zu Oliver zu schauen.

“Aber ja!” Alina mischte sich mit zuckersüßer Stimme ein. “Zu schade, dass es ein so kurzer Besuch war! In ein paar wenigen Tagen kann man New York gar nicht richtig kennenlernen.”

Ginny hatte nicht vergessen, dass Alina einige Zeit in New York verbracht hatte. Und auch der kurze Blick ihrer eisblauen Augen in Olivers Richtung war ihr nicht entgangen. Glücklicherweise lenkte Lucys Ehemann das Gespräch auf die internationale Finanzwirtschaft, und Ginny konnte sich zurücklehnen.

Oliver schien sich in den letzten sechs Jahren kaum verändert zu haben. Er sah höchstens noch besser aus. Er wirkte erwachsener. Seine Wangenknochen schienen noch härter geschnitten, genauso wie sein Mund, der sie immer so angezogen hatte. Sie konnte sich noch immer an ihren ersten Kuss erinnern …

Oliver merkte, dass sie ihn beobachtete, und vergaß für einen Augenblick die anderen Gäste. Unverhohlen ließ er seinen Blick über ihren Hals und ihre festen Brüste gleiten und lächelte ihr anerkennend zu.

Ein heißer Schauer lief ihr über den Rücken. Vor sechs Jahren war sie noch ein magerer Teenager ohne nennenswerte Kurven gewesen. Niemals hätte sie ein solches Kleid wie heute tragen können. Errötend erwiderte sie sein Lächeln.

Jeremy schenkte ihr ein Glas Wein ein. Ginny nahm ihre Gabel und wandte sich ihrem Teller zu. Obwohl das Essen fantastisch zubereitet war, hatte sie plötzlich keinen Appetit mehr. Als schließlich abgeräumt wurde, fiel ihr auf, dass sie kaum etwas gegessen hatte.

Unwillkürlich sah sie zu Alina hinüber, die sich zu Oliver neigte und ihm etwas ins Ohr flüsterte, was wohl zu privat war, als dass es die anderen am Tisch hören sollten.

Da überkamen sie wieder diese verdammten Gefühle, diese Mischung aus Wut und Eifersucht, die sie für längst überwunden gehalten hatte. Mit neunzehn war sie keine Rivalin für die ältere Frau gewesen, aber nun war auch sie älter geworden und ihr durchaus gewachsen.

Der Abend näherte sich nun seinem Höhepunkt, und das Publikum sah voller Erwartung in die ausliegenden Programme. “Darling, das ist eine wundervolle Idee!” Eine ältere Dame stand neben Ginnys Tisch und puderte sich die Nase. “Ich bin so aufgeregt, ich weiß gar nicht, für wen ich bieten soll.”

Ginny lächelte sie an. “Dann bieten Sie doch für alle, Lady Lulworth! Je mehr Leute mitbieten, desto höher wird der Preis.”

“Oh, natürlich! Und es ist ja auch für einen guten Zweck.”

Ginny rollte mit den Augen, als sie sich wieder ihren Bekannten zuwandte. “Sie weiß überhaupt nicht, wofür wir heute sammeln.”

Die anderen lachten, nur Peter zog die Stirn in Falten. “Ich weiß nicht, ob die Idee so gut ist. Besonders da du einer der Preise bist.”

“Sei nicht so spießig! Das ist doch nur Spaß.”

“Seid ruhig!”, sagte Sara. “Die Versteigerung fängt an.”

Dieser Teil des Festes war Ginnys Trumpfkarte. Sie hatte ihre Freunde und Verwandten nicht nur dazu überredet, ihr Geld zu spenden, sondern auch ihre Zeit. Das Spiel hieß Sklave für einen Tag, und jeder verpflichtete sich, seine besonderen Fähigkeiten dem Meistbietenden für einen Tag zur Verfügung zu stellen.

Der erste Sklave war eine ihrer ältesten Freundinnen, die für ihre Blumenarrangements berühmt war. Die gebotenen Beträge wurden immer höher, und Ginny kreuzte die Finger als Glücksbringer. Jeder einzelne Penny würde der Wohlfahrt zugute kommen.

Als Auktionator hatte sie einen berühmten Komödianten gewinnen können, der auch auf seine Gage verzichtet hatte. Er ermunterte das Publikum, ordentlich mitzubieten, und auch die nächsten Freiwilligen erzielten anständige Preise.

“Und nun, oh! Dieses Angebot wird besonders die Damen interessieren. Wo ist meine Frau gerade? Halte dich bitte zurück! Oliver Marsden! Wo sind Sie, Oliver? Ah …!”

Wie die anderen Sklaven vor ihm stand Oliver auf und verbeugte sich leicht.

“Das ist unser Angebot: Oliver wird den Meistbietenden mit seinem Privatflugzeug zu einem Abendessen bei Kerzenlicht nach Paris fliegen! Meine Damen, wer könnte dieser Offerte widerstehen? Darf ich um Ihre Gebote bitten? Danke, Madam!”

Die Bieterinnen übertrumpften sich unaufhörlich, während Oliver gelassen das Treiben betrachtete. Alina saß neben ihm und sah sich triumphierend um, als hätte sie Anteil daran. In einem Anfall schwarzen Humors wünschte sich Ginny, wieder zehn Jahre alt zu sein und ihr eine Sahnetorte ins Gesicht werfen zu können.

Lady Lulworth bot kräftig mit und heulte jedes Mal entsetzt auf, wenn sie überboten wurde.

“Möchten Sie weiterbieten, Lady Lulworth?”

“Oh … ja! Noch einmal fünfzig Pfund mehr.”

“Bereust du jetzt, mitgemacht zu haben, Oliver?” Ginny zog ihn auf.

“Aber nein.” Oliver wirkte vergnügt.

“Sie wird versuchen, dich mit ihrer Tochter zu verkuppeln”, warnte ihn Jeremy. “Das versucht sie schon seit Jahren.”

“Noch weitere Gebote?” Der Auktionator hob den Hammer. “Verkauft an Lady Lulworth!”

“Wie wunderbar!” Sie sprang auf, küsste den Auktionator auf die Wange und schnappte sich dann Oliver. “Ich kann es kaum erwarten. Oh, wie ich mich darauf freue!”

Als die Lady sich wieder an ihren Tisch gesetzt hatte, ergriff Jeremy das Wort. “Klingt bedrohlich! Nimm dich vor der Tochter in Acht! Letztes Jahr hatte sie sich Edward Chatsby eingefangen. Er hatte sogar schon die Verlobungsringe gekauft. Und dann hat sie sich abgesetzt. Na ja, was erzähl ich dir das! Ich … oh!” Plötzlich lief er rot an, als ihm bewusst wurde, was er gerade gesagt hatte. “Tut mir leid … Ich habe doch glatt vergessen … ich meine, ihr beide …”

Ginny spürte eine innere Unruhe, aber sie schaffte es, in ein herzhaftes Lachen auszubrechen. “Keine Sorge, Jeremy! Das ist schon so lange her. Da können wir doch beide rückblickend nur lachen. Nicht wahr, Oliver?”

Er lächelte freundlich zurück, nur seine Augen schienen etwas anderes auszudrücken. “Aber sicher! Es wäre doch sehr töricht von uns, wenn wir das immer noch übel nehmen würden.”

Er hob sein Weinglas. Ginny griff nach dem ihren. Ihr Mund war wie ausgetrocknet. Es schien ungewöhnlich heiß im Ballsaal zu sein. Sie fächelte sich mit dem Programm Luft zu, aber es half nichts.

Das Publikum beteiligte sich begeistert an der Versteigerung, und Ginny ging die Einnahmen im Kopf durch. Es hatte sich doch gelohnt.

Der Auktionator begann mit seiner letzten Ansprache: “Ladys und Gentlemen, wir kommen nun zum letzten Angebot des Abends. Und ich bin mir sicher, dass es das reizvollste des Abends ist. Unsere einzigartige Ginny! Ginny, komm und verbeuge dich!”

Lachend erhob sich Ginny und machte einen leichten Knicks.

“Ginny bietet ihr einmaliges Talent als Ausrichterin von Partys dem Meistbietenden an. Von den Einladungen bis zum Abwasch. Also, höre ich ein Gebot?”

Die Versteigerung kam schnell in Gang und überbot bald alle gezahlten Summen. Ginny lachte und erkannte ein Paar, das sie seit Jahren kannte. Ihre Tochter würde sich bald verloben, daher wollten sie sie gerne für sich gewinnen.

“Sechshundert Pfund! Kann ich da noch mehr erwarten?” Der Auktionator war begeistert. “Zum Ersten …”

“Eintausend Pfund.” Die Stimme kam von ihrem eigenen Tisch.

Unruhe kam auf. Die Gäste versuchten, den Bieter zu erkennen. Der Betrag war enorm hoch. Oliver! Ginny merkte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Warum tat er das?

Sie sah sich nach dem befreundeten Paar um, doch diese schüttelten nur traurig den Kopf.

Der Auktionator hob seinen Hammer, und alle Augen im Raum richteten sich auf Oliver. “Eintausend Pfund sind geboten. Zum Ersten … zum Zweiten …” Der Hammer fiel, und Ginny fühlte einen Stich in ihrem Herzen. “Verkauft an Oliver Marsden!”

2. KAPITEL

Es war schon spät in der Nacht, als sich das Fest schließlich zum Ende neigte. Die meisten Gäste waren nach Hause gegangen, aber einige Unentwegte schienen bis zum nächsten Morgen durchtanzen zu wollen. Ginny entschied, dass sie für heute genug getan hatte und sich ein wenig entspannen konnte. Sie huschte durch die Terrassentür und setzte sich wieder in den Innenhof des Hotels. Die Nachtluft war angenehm kühl. Sie schloss die Augen, atmete tief durch und massierte ihre Schläfe.

Dieser verdammte Oliver Marsden! Warum hatte er bloß eine solch enorme Summe für sie geboten? Es musste ihm doch klar sein, dass er damit alle Aufmerksamkeit auf sich zog und die Leute wieder an den Skandal von vor sechs Jahren erinnerte. Sechs Jahre! War es wirklich schon so lange her? Manchmal kam es ihr so vor, als sei es erst gestern geschehen, und dann erschien es ihr wieder wie eine Ewigkeit.

Lang verdrängte Erinnerungen kamen zum Vorschein, Erinnerungen an einen sonnigen Tag im Mai, kurz vor ihrem achtzehnten Geburtstag. Obwohl es ihr damals nicht bewusst gewesen war, hatte die ganze Geschichte hier ihren Anfang genommen. Es war der Tag gewesen, an dem er zum ersten Mal ihr Herz hatte höher schlagen lassen.

Oliver hatte ihrem Vater einen Gefallen getan und sie am letzten Schultag vor den Ferien von der Schule abgeholt. Er war kaum vorgefahren, da erweckte er schon das Interesse ihrer Mitschülerinnen, die in dem großen Gemeinschaftsraum versammelt waren.

“Hey! Sieh dir die Räder an!”

“Irre!”

Ein Dutzend gut aussehender Teenager drängelte sich an den Fenstern, um den Neuankömmling zu begutachten. Der Wagen war beeindruckend – ein eleganter Aston Martin, dessen Motor wie ein Löwe unter der Motorhaube röhrte. Als der Wagen schließlich anhielt und der große, dunkelhaarige Mann ausstieg, gab es kein Halten mehr.

“Vergiss die Räder – sieh dir den Typ an!”

“Mm! Der ist ja Zucker!”

“Wer ist das? Und wen holt er ab?”

Ginny sah etwas verwirrt aus dem Fenster. Sie kannte Oliver Marsden von klein auf, aber so hatte sie ihn noch nie wahrgenommen. Immerhin war er fast zehn Jahre älter als sie, und die letzten Jahre hatte sie ihn nicht oft gesehen. Entweder war er in einem Internat, auf der Universität oder, wie in letzter Zeit, in New York gewesen, um für eine langweilige Bank zu arbeiten.

Nie war ihr aufgefallen, wie gut er tatsächlich aussah. Ihre Schulfreundinnen schienen jedenfalls begeistert zu sein. Dass ausgerechnet sie von ihm abgeholt wurde, würde ihr Ansehen steigern. “Oh, das ist nur Oliver! Er ist so etwas wie ein Bruder.”

“Was soll das heißen? Du hast doch gar keinen Bruder!”

“Na ja, sein Vater ist mein Patenonkel, und mein Vater ist sein Patenonkel. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang. Egal, ich muss los.” Sie hängte sich ihre Schultasche um die Schulter. “Er hasst es zu warten.”

Als sie die Treppe fast hinuntergelaufen war, vergewisserte sie sich, dass niemand sie beobachtete. Sie kramte in ihrer Schultasche und holte ihre Bürste hervor. Sie strich sich durch das lange Haar und verfluchte die Schulregel, die jede Art von Make-up verbot. Sie zupfte ihren Rock zurecht und schritt lässig durch die Tür. Oliver unterhielt sich gerade mit der Schulleiterin.

“Ah, Virginia, da bist du ja! Schöne Ferien! Und fahrt vorsichtig!”

“Mache ich”, versicherte Oliver. “Spring rein, Gin!”

Ginny schenkte ihm ein Lächeln, von dem sie hoffte, dass es verführerisch und geheimnisvoll wirkte. Langsam und würdevoll schritt sie zur Beifahrertür, die er für sie geöffnet hatte. Er sah sie amüsiert an und startete den Motor.

Sein Blick fiel auf ihre prall gefüllte Schultasche. “Viele Hausaufgaben bekommen?”

“Ein paar.” Es verwirrte sie, dass er sie als Schulmädchen ansprach, wo sie doch versuchte, erwachsen zu wirken.

“Dann fahre ich dich jetzt schnell nach Hause. Je eher wir in London sind, desto eher kannst du dich in die Sonne legen.”

“Ich nehme kein Sonnenbad. Das ist nicht gut für die Haut.”

Sie gab sich alle Mühe, vornehm zu wirken. Ihr Haar fiel über ihre Schulter, ihre schlanken Beine hatte sie übereinander geschlagen. Sie spürte, wie sie von den großen Schulfenstern aus beobachtet wurden, und genoss die neidischen Blicke.

Es ist schon ein paar Jahre her, seit wir uns gesehen haben, überlegte sie, während sie ihn von der Seite betrachtete. Er sah nicht wie ein Bankier aus. Jedenfalls hatte sie noch nie einen Bankier gesehen, der so breite und kräftige Schultern hatte und ein schickes weißes Baumwollhemd trug. Auch seine Hände waren nicht weich und kraftlos, sondern stark, aber auch gefühlvoll. Diese Hände, die mühelos den schnellen Wagen steuerten …

Sie merkte, dass ihr ein heißer Schauer über den Rücken lief, und schaute schnell weg. Ihr Herz schlug schneller. Er wandte sich ihr mit einem kaum sichtbaren Lächeln zu. “Ist es dir zu heiß? Ich könnte die Klimaanlage aufdrehen.”

“Oh … nein danke!”

“Musik?”

Als sie nickte, drückte er einen Knopf, und sie hörte den rauchigen Klang eines Jazzsaxofons. Sie hatte solche Musik noch nie zuvor gehört, aber sie drang in ihren Kopf und löste Gefühle aus, die ihr Blut in Wallung brachten.

Doch dies lag nicht nur an der Musik, auch der Mann neben ihr erregte sie, wie sie sich eingestehen musste. Sie war mit vielen Jungen ausgegangen, aber so hatte sie sich nie dabei gefühlt. Nun ja, es waren Jungen gewesen, und Oliver Marsden war ein Mann – erwachsen und erfahren …

Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es sein würde, wenn er sie küsste, und rückte etwas näher an ihn heran. Sie betrachtete sein etwas arrogant wirkendes Gesicht. Sein Mund drückte Entschlossenheit aus. Wenn er wütend war, würde er bestimmt hart wirken. Aber wenn er lächelte, wirkte er auf eine faszinierende Art sinnlich.

Als die Musik geendet hatte, drehte sie sich zu ihm. “Sehr gute Musik!” Sie versuchte, so abgeklärt zu klingen, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes als Charlie Parker gehört.

Er zog überrascht eine Augenbraue hoch. “Es hat dir gefallen? Ich dachte, die meisten Mädchen deines Alters würden langhaarige Neandertaler bevorzugen, die nur eine Note spielen können.”

“Ich bin nicht wie die meisten Mädchen.”

“Wirklich?” Ein ironisches Lächeln umspielte seine Lippen. “Das muss ich mir merken.”

Verdammt – er nahm sie nicht ernst! Wütend wandte sie sich von ihm ab und starrte auf die vorbeihuschende Landschaft. Es entstand ein peinliches Schweigen. Wenn ihr nur eine geistreiche Bemerkung einfallen würde, um Eindruck auf ihn zu machen! Andererseits wusste er sehr genau, wie alt sie war, und es war unwahrscheinlich, dass er sich von einer Siebzehnjährigen beeindrucken lassen würde.

Bald schon verließen sie die Hauptstraße, und Ginny konnte die viktorianischen Schornsteine der Stadt erkennen. Oliver fuhr durch das große Tor und parkte am Vordereingang.

Etwas niedergeschlagen erkannte Ginny, dass sie nun keine Möglichkeit mehr hatte, ihm mit ihrer Intelligenz und Persönlichkeit zu imponieren. Wenn sie es doch wenigstens versucht hätte! Aber sie hatte den Rest der Fahrt über aus verletzter Eitelkeit geschwiegen. Oliver dachte bestimmt, dass sie das langweiligste weibliche Wesen war, das er je getroffen hatte!

Sie wollte nur noch aus dem Wagen. Sie schnappte sich ihre Tasche, verhedderte sich aber beim Aussteigen mit dem Fuß im Sicherheitsgurt und fiel zu Boden. Benommen stand sie nach einem Moment wieder auf. Sollte er doch lachen!

Aber Oliver lachte nicht. Er lächelte sie an. Er sah so unglaublich sinnlich aus, dass es ihr den Atem raubte. “Ich … äh … danke fürs Mitnehmen!”

“Es war mir ein Vergnügen.” Er beugte sich hinüber, um die Beifahrertür zu schließen. Der ironische Ausdruck in seinen Augen verriet ihr, dass er wusste, warum sie wie ein völliger Trottel in der Einfahrt stand. Er startete und fuhr schwungvoll zum Tor hinaus.

Ginny hatte über ein Jahr Zeit, sich über die verpasste Gelegenheit zu ärgern. Oliver war wieder in New York. Eigentlich hatte sie nicht so häufig an ihn gedacht … Unbewusst hatte sie aber alle Jungen, die etwas von ihr wollten, mit ihm verglichen. Natürlich zu deren Nachteil.

Sie beendete die Schule mit einem guten Abschluss, aber ihr Vater bestand darauf, dass sie nicht arbeitete, sondern einfach heiratete. Sie selbst war zwar nicht erpicht darauf, aber sie hatte auch keine anderen klaren Vorstellungen von ihrer Zukunft. Außerdem hatten die Ärzte bei ihrem Vater mittlerweile eine Herzkrankheit festgestellt, und sie wollte ihn nicht unnötig aufregen. Aus reiner Langeweile nahm sie an einem Kurs für die feine Küche teil, aber sie hätte nicht im Traum daran gedacht, dass dies zu ihrer Lebensaufgabe werden könnte.

Sie sah Oliver erst am Abend ihres neunzehnten Geburtstages wieder. Sie hatte ihn nicht erwartet und war überrascht, als sie ihn mit seinem Vater und seiner Stiefmutter kommen sah. Sie atmete tief ein, um ihren heftigen Pulsschlag zu beruhigen. “Onkel Howard, Tante Margot! Wie schön, dass ihr kommen konntet!”

Ihr Patenonkel küsste sie auf die Wange. “Alles Gute zum Geburtstag! Du siehst so erwachsen aus. Nicht wahr, Oliver?” Dieser blickte sie anerkennend von oben bis unten an. Sie hatte sich für eine eng anliegende Hose und ein kragenloses Top entschieden. Bei ihrer Größe passte sie einfach nicht in die rüschenbesetzten Kleidchen, die gerade in Mode waren.

“Sehr erwachsen”, pflichtete Oliver seinem Vater bei. “Herzlichen Glückwunsch, Ginny!”

Obwohl sie rot anlief, versuchte sie, abgeklärt zu lächeln. Sollte er doch merken, dass sie kein dummes Schulmädchen mehr war.

“Danke! Komm doch herein! Kann ich dir einen Drink anbieten?”

“Einen Scotch, bitte!”

“Mit Soda oder Eis?”

Er verzog das Gesicht in gespieltem Entsetzen und schüttelte den Kopf. “Einen guten Scotch verwässern, niemals!”

“Oh …!” Sie spürte ihr Herz heftig schlagen und konnte ihm nicht in die Augen sehen. Verwirrt über ihre ungewohnte Schüchternheit, winkte sie einen der angestellten Kellner heran und ließ Oliver stehen. Ihre Gäste schienen sich bestens zu unterhalten, und Ginny war die perfekte Gastgeberin. Sie achtete darauf, jeden Einzelnen anzusprechen, stellte die Gäste einander vor und bezog die Zurückhaltenden in das Gespräch mit ein. Ihre Benimmlehrerin wäre stolz auf sie gewesen. Aber die ganze Zeit achtete sie darauf, Abstand zu Oliver zu halten.

Als sie einige Cocktailhäppchen verteilte, stand er auf einmal neben ihr. “Mein Vater sagte mir, ich solle das unbedingt probieren.” Er nahm sich ein Stück Salzgebäck, das mit Avocado und Tomaten belegt war. “Wenn ich das richtig verstanden habe, hast du das selber gemacht?”

“Ja, obwohl ich etwas geschummelt habe. Das Gebäck kommt aus der Tiefkühltruhe.”

Er lächelte. “Das hättest du mir nicht sagen dürfen. Ich hätte es nie bemerkt. Du willst wohl Küchenchefin werden?”

“Das wäre etwas übertrieben.” Ginny war froh, ein neutrales Gesprächsthema gefunden zu haben. “Aber ich habe dabei einige nützliche Dinge gelernt. Welcher Wein zu welchem Gericht passt oder wie man Spargel schält.”

“Man weiß nie, wofür man es brauchen kann.”

“Das stimmt. Wenn ich mal jemanden davon überzeugen muss, mich nicht aus einem Rettungsboot zu werfen, kann ich immerhin sagen, dass ich Spargel schälen kann. Vielleicht rettet es mir das Leben!”

Oliver musste herzlich lachen, und Ginny spürte eine tiefe innere Befriedigung. Dennoch war es ihr plötzlich peinlich. “Ich fürchte, ich muss mich jetzt um meine Gäste kümmern.”

“Du kümmerst dich die ganze Zeit um deine Gäste.” Er nahm ihr das Tablett aus der Hand und stellte es beiseite. “Du hast heute Geburtstag. Lass uns tanzen!”

Er ergriff ihre Hand, und ihr war auf einmal so schwindelig, dass sie Angst hatte, in Ohnmacht zu fallen. Im Garten war eine Überdachung errichtet worden, und die meisten der jüngeren Gäste tanzten darunter. Sie fühlte sich merkwürdig steif, als er sie auf die Tanzfläche führte und in seine Arme schloss.

Aber ihre Erfahrung in gesellschaftlichem Umgang zahlte sich nun aus, und sie war in der Lage, ihm direkt in die Augen zu sehen. “Ich wusste gar nicht, dass du zu Hause bist. Pops hat mir kein Wort gesagt.”

Oliver schien erheitert. “Pops? Weiß dein Vater, dass du ihn so nennst?” Sie zuckte mit den Schultern. Aber innerlich ärgerte sie sich darüber, dass sie wieder in eine jugendliche Ausdrucksweise verfallen war. “Es … macht ihm nichts aus.”

Oliver lachte ironisch. “Ich bin am Donnerstag gekommen. Eigentlich war es als Geschäftsreise geplant, aber ich bin froh, das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden zu können.”

“Wie ist es eigentlich in New York?”

“Laut, hektisch und voller Menschen. Wenn das einem nichts ausmacht, ist es toll. Irgendwas passiert immer, und du findest Tag und Nacht eine offene Bar oder ein Restaurant. Du kannst mich ja mal besuchen kommen.”

“Oh … ja …! Das wäre schön”, sagte sie mit bewegter Stimme. Sie nahm jedoch an, dass die Einladung nur eine höfliche Floskel gewesen war. Aber als sie so mit ihm tanzte, war ihr, als ob alle ihre kindlichen Träumereien wahr geworden wären. Die Tanzfläche war so voll, dass sie sich aneinanderpressen mussten und sich nur noch im Rhythmus wiegten.

Sie nahm alles in sich auf, seine raue Männlichkeit berauschte ihre Sinne. Er hatte die Jacke und seine Krawatte ausgezogen, und unter seiner Kehle lugten vorwitzig dunkle, gekräuselte Haare hervor. Unter seinem makellosen weißen Hemd nahm sie die harten, durchtrainierten Muskeln wahr und den Geruch seiner Haut. Sie war sich sicher, dass es kein After Shave war, obwohl es ganz leicht nach Moschus roch.

Sie fühlte sich wie betäubt, als sie sich endlos zu der Musik drehten. Sie hielt die Augen geschlossen. Sie hatte jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren und spürte nur noch seine Umarmung.

Das Ende der Musik schreckte sie aus ihren Träumen auf. Sie traute sich nicht, ihn anzusehen, so als ob er ihre Gedanken und Gefühle in ihren Augen lesen könnte. Aber er hob ihr Kinn mit einem Finger an, und sein Lächeln war freundlich und voller Wärme.

Die Tanzfläche leerte sich schnell, und die meisten Gäste begaben sich an die Bar. “Ich fürchte, ich muss jetzt gehen.” Olivers Stimme hatte einen weichen Klang. “Ich habe morgen eine sehr langweilige Sitzung und muss mir heute Abend noch einige genauso langweilige Akten durchlesen.” Er fuhr mit dem Daumen über ihre Lippen und zog sie an sich. “Gute Nacht, süße Virginia! Brich heute Abend nicht zu viele Herzen!”

Ginny hatte nie ernsthaft an eine Reise nach New York gedacht, aber ihr Vater bot sie ihr als Belohnung für ihren bestandenen Schulabschluss an. Das war schon eine Überraschung, da ihr Vater sich nie sonderlich für ihre Bildung interessiert hatte. Während sie über den Atlantik flog, hatte sie das unbestimmte Gefühl, dass ihr Vater und Onkel Howard etwas ausgeheckt hatten. Und sie fragte sich, was Oliver dazu sagen würde, eine Woche lang ihren Gastgeber spielen zu müssen.

Die Anweisung zum Anschnallen ließ ihr keine Zeit für weitere Überlegungen. Die riesige Boeing 747 beschrieb eine weite Kurve und begann ihren Landeanflug auf den John F. Kennedy-Airport. Ginny war auf einmal außer sich vor Freude. New York! Es war ihr plötzlich egal, wie Oliver sich verhalten würde, sie nahm sich fest vor, diese Reise zu genießen.

Als sie sich durch den Zoll kämpfen musste, stiegen jedoch Zweifel erneut in ihr auf. Ihr Vater hatte ihr versichert, dass Oliver sie abholen würde, aber um sie herum sah sie nur viele fremde Menschen. Schließlich erblickte sie ihn, und ihr Herz begann wie wild zu klopfen.

Er bahnte sich einen Weg durch das Gedränge und nahm lächelnd ihren Koffer, ohne auf dessen Gewicht zu achten. Seit ihrer Geburtstagsparty hatte sie von ihm geträumt, und nun stand er leibhaftig neben ihr in New York!

“Guten Flug gehabt?”

“Oh …! Ja, danke!” Ginny versuchte, einen Anschein von Haltung zu bewahren.

“Schwierigkeiten mit der Zeitverschiebung?”

“Ein bisschen.”

“Dann sollten wir auf der Stelle in mein Apartment fahren. Wir lassen es ruhig angehen und essen heute Abend zu Hause. Morgen haben wir noch genug Zeit, um uns die Stadt anzuschauen.”

Sie zögerte kurz und schenkte ihm einen bezaubernden Augenaufschlag. “Das ist alles sehr reizend von dir, aber du hast bestimmt sehr viel zu tun. Du musst deine Zeit nicht mit mir verschwenden.”

“Aber es wird mir ein Vergnügen sein. Außerdem habe ich meinem Vater versprochen, mich um dich zu kümmern.”

Genau das hatte sie befürchtet. “Na dann, vielen Dank!”

Die Fahrt über die Queensboro Bridge und durch Manhattan, die Autos, der Lärm, der Geruch von Diesel und die unglaubliche Vielfalt an unterschiedlichen Lokalen, alles umgeben von gewaltigen Klippen aus Glas und Beton, die bis in den Himmel zu reichen schienen, war umwerfend. Genauso wie Olivers champagnerfarbener Rolls-Royce.

Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihn durch gelassene Kultiviertheit zu beeindrucken, aber als der Wagen um die Ecke des Central Park bog, schrie sie vor Entzücken auf. Die Bäume standen in voller Blüte und spendeten dem Gras unter ihnen Schatten vor der heißen Nachmittagssonne – ein kleiner Teil des Paradieses zwischen all den riesigen Bürotürmen und Apartmenthäusern.

Der Wagen hielt vor einem Eingang, der von zwei Lorbeerbäumen flankiert wurde. Der uniformierte Portier kam auf sie zu und öffnete ihnen die Wagentür. “Guten Tag, Mr Marsden! Guten Tag, Miss! Starker Verkehr heute?”

“Allerdings. Kümmern Sie sich bitte um Miss Hamiltons Gepäck?”

“Selbstverständlich, Sir!”

Der Boden der Eingangshalle war aus Marmor, und durch das hohe Glasdach fiel die Sonne auf einen kleinen Springbrunnen, der von kleinen Palmen umsäumt war.

“Oh …!”

Oliver sah sie fragend an. “Was hast du?”

“Das hier!” Sie starrte fasziniert auf das Bild, das sich ihr bot. “Es ist hinreißend.”

“Das ist es allerdings.” Oliver drückte auf den Knopf des altmodischen Fahrstuhls. Sie fuhren bis zum letzten Stockwerk. Auf jeder Seite des Flurs waren zwei große Doppeltüren. Olivers Apartment musste die Hälfte der Etage einnehmen. Eine der Türen wurde geöffnet.

“Ah – Ginny, meine Liebe! Du bist angekommen. Komm doch herein!”

Ginny war überrascht. “Alina?”

Sie sah die ältere Frau etwas unsicher an. Es war bestimmt zehn Jahre her, seit sie Olivers Stiefschwester zum letzten Mal getroffen hatte. Sie hatte einen amerikanischen Geschäftsmann geheiratet und war nach Texas gezogen. Daher hatte Ginny angenommen, dass sie mit Oliver allein sein würde.

Sie kam sich klein und unbedeutend vor. Alina sah aus, als sei sie einer Modezeitschrift entstiegen. Ihr gertenschlanker Körper steckte in einem blauen Seidenkleid, und ihr weißblondes Haar war nach hinten gekämmt, ihre roten Lippen leuchteten makellos.

“Du siehst erschöpft aus, meine Liebe. Ich zeige dir erst einmal dein Zimmer. Ich nehme an, dass du dich vor dem Abendessen etwas frisch machen möchtest.”

“Danke!”

Nach der Hektik der New Yorker Straßen war das Apartment ein Ort der Erholung. Eine kleine Treppe führte in das geräumige Wohnzimmer. Der polierte Holzfußboden war mit chinesischen Teppichen ausgelegt. Durch die großen Fenster blickte man direkt auf den Central Park. Das Zimmer war spärlich, aber erlesen eingerichtet. In der Mitte befanden sich vier große Ledersofas im Viereck um einen Marmortisch angeordnet. Für die Beleuchtung sorgten zwei Art déco-Lampen. Zwei Stufen höher auf einem Podest gab es eine Essecke.

An den Wänden hingen einige große Gemälde. Ihr Vater hätte sie wohl als Schmierereien bezeichnet. Oliver sah ihr zu, wie sie fasziniert die Gemälde betrachtete.

“Gefallen sie dir?”

Sie zögerte ein wenig und legte den Kopf etwas zur Seite, um das eine Bild genauer studieren zu können. “Ich weiß nicht genau. Sie sind etwas … ungewöhnlich.”

Alina lachte hell auf. “Ach Oliver, du kannst doch von dem armen Kind nicht erwarten, dass es über moderne Kunst diskutiert, wo sie gerade erst angekommen ist. Aber wir können ja mit ihr ins Museum für moderne Kunst gehen. Hättest du Lust dazu, Ginny?”

Diese zwang sich zu einem Lächeln. So sehr sie sich auf die Reise gefreut hatte, so wenig konnte sie sich mit der Vorstellung anfreunden, Alina die ganze Zeit um sich zu haben. Alina, die sie die ganze Zeit wie ein unreifes Kind behandelte. Aber sie wollte auch nicht undankbar sein, schließlich versuchte Alina nur, freundlich zu sein.

Die ältere Frau geleitete sie durch das Zimmer auf die andere Seite, wo weitere Räume lagen. “Das ist dein Zimmer. Das Badezimmer ist da drüben. Ist es dir recht, wenn wir in einer Stunde essen?”

“Äh ja! Was immer du sagst.” Der Anblick des Zimmers raubte ihr den Atem. Es hätte für einen Filmstar sein können. Der Raum war bestimmt drei Mal so groß wie ihr Schlafzimmer zu Hause. Die Fenster gaben den Blick auf den Central Park frei und hatten cremefarbene Vorhänge aus Musselin.

Über dem riesigen Bett lag eine Überdecke aus Seide. Ginny traute sich kaum, darauf Platz zu nehmen. Letztlich war es gar nicht so verwunderlich, dass Alina hier war. Immerhin war sie seine Stiefschwester. Trotz ihrer imposanten Erscheinung führte sie kein leichtes Leben. Ihre erste Ehe hatte mit Scheidung geendet, als sie gerade einundzwanzig gewesen war, und nach dem, was sie von Tante Margot gehört hatte, entwickelte sich ihre zweite Ehe in die gleiche Richtung.

Sie hatte eigentlich keinen Grund, eifersüchtig auf sie zu sein. Ganz im Gegenteil, es musste eine sehr traurige Erfahrung gewesen sein, das Scheitern von gleich zwei Ehen zu erleben. Außerdem war es doch schön, dass sie wenigstens ihren Stiefbruder hatte, an den sie sich wenden konnte, wenn es ihr schlecht ging. Besonders da ihre Mutter so weit weg lebte. Warum sollte da noch etwas anderes im Spiel sein?

Ginny gähnte und sah auf ihre Uhr. Sie sollte sich langsam zum Abendessen umziehen. Nur noch ein paar Minuten Ruhe …

Als sie die Augen wieder öffnete, war das Zimmer voller Sonnenschein. Erschrocken fuhr sie hoch und stellte fest, dass sie unter der Decke lag und ihr Nachthemd trug. Ihre Kleider lagen fein säuberlich zusammengefaltet auf einem Stuhl vor dem Fenster. Das musste Alina gewesen sein.

Sie wühlte sich aus dem Bett und bemerkte, dass ihre Koffer bereits ausgepackt waren. Das sah eigentlich nicht nach Alina aus. Allerdings konnte sie sich auch nicht vorstellen, dass Oliver dies getan hatte. Aber ganz sicher hätte Alina auch nicht Mr Honey, ihren alten, abgewetzten Teddybär, so liebevoll auf die Armlehne des einen Sessels gesetzt.

Nachdem sie geduscht hatte, zog sie sich an. Sie hatte sich extra für diese Reise eine rosa Strickjacke aus Jerseywolle, ein anthrazitfarbenes Top und eine leichte Leinenhose gekauft. Schließlich fühlte sie sich in der Lage, den beiden zu begegnen.

Aber Oliver saß allein auf dem Balkon am Frühstückstisch und las die Zeitung. Er trug Freizeitkleidung, und als er sie kommen sah, faltete er die Zeitung zusammen und lächelte sie an. “Guten Morgen, Schlafmütze! Geht es dir besser?”

“Oh, danke! Tut mir leid, dass ich das Abendessen verpasst habe.”

“Mach dir nichts daraus, Süße! Du warst so müde, dass du nicht mal gemerkt hast, dass ich dich ins Bett gebracht habe.” Die Stimme war warm und hatte einen karibischen Einschlag.

Überrascht schaute sich Ginny nach der mütterlichen Frau um, die gerade mit einer großen Kanne Kaffee aus der Küche gekommen war. “Sie … Sie haben mich ins Bett gebracht?”

“Wer denn sonst?” Die Haushälterin kicherte.

“Ginny, darf ich dir Willa vorstellen? Sie hat das Kommando im Haushalt”, sagte Oliver mit einem verschmitzten Lächeln.

“Allerdings! Ich habe noch keinen Mann kennengelernt, der für sich selber sorgen konnte. Börsenkurse zum Frühstück lesen …!” Sie riss ihm die Zeitung aus den Händen. Es war offensichtlich, dass dies ein eingespieltes, morgendliches Ritual zwischen den beiden war. “Wie wollen Sie denn fit für den Tag werden, wenn Sie Ihren Bauch so sträflich vernachlässigen?”

“Wenn du dich noch mehr um deinen Bauch kümmerst, werden wir die Türen vergrößern müssen!”

“Hoho!” Die Haushälterin lachte dermaßen, dass ihr gewaltiges Hinterteil wackelte. “Ich gebe gerne zu, ich bin eine richtige Frau mit richtigen Rundungen! Nun, Schätzchen, was hätten Sie gerne zum Frühstück? Muffins? Toast mit Eiern?”

“Dann hätte ich gerne ein paar Muffins.”

Die Haushälterin strahlte sie an. “Gutes Mädchen! Trinken Sie erst einmal einen Schluck Kaffee, und ich hole Ihnen die Muffins!”

“Danke!” Etwas verwirrt setzte sich Ginny an den Frühstückstisch. Oliver nahm die Kanne und goss beiden eine Tasse Kaffee ein. “Was würdest du heute gerne machen?”

“Musst du nicht zur Arbeit?”

“Heute ist Samstag!”

“Ach … natürlich! Gut, was würdest du vorschlagen?”

“Wir könnten mit dem World Trade Center anfangen, von da aus hat man den besten Überblick über die Stadt. Und ich nehme an, dass du auch die Freiheitsstatue besichtigen willst?”

“O ja! Und ich will einmal die Staten Island-Fähre nehmen.”

Oliver nickte. “Gut! Wir können los, sobald du mit dem Frühstück fertig bist. Das wird ein langer Tag.”

“Kommt … Alina auch mit?” Ginny versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu klingen.

“Alina?” Oliver sah sie überrascht an. “Ganz sicher nicht!”

3. KAPITEL

Die folgenden Tage waren sehr aufregend für sie. Sie schauten sich den Central Park genauer an, besuchten das Guggenheim Museum und streiften durch Chinatown. Und jeden Abend aßen sie in einem Lokal einer anderen Nationalität. Ginny hatte sich in ihrem Leben noch nie wohler gefühlt.

Es machte einfach Spaß, mit Oliver die Riesenstadt zu erkunden. Anfangs hatte sie sich noch etwas zurückgehalten, um nicht unreif zu wirken. Aber sie hatte bald herausgefunden, dass Oliver eine gute Portion trockenen Humors besaß und sie über die gleichen Dinge lachen konnten. Es war schon erstaunlich, dass er seine ganze Zeit mit ihr verbrachte und so bereitwillig mit ihr durch die Läden und Touristenattraktionen wanderte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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