Kämpfen, Leben, Lieben - Kris Carr - E-Book

Kämpfen, Leben, Lieben E-Book

Kris Carr

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Beschreibung

Kris Carr widmet sich in ihrem Buch Kämpfen, Leben, Lieben vor allem den Problemen von jungen Menschen, die noch ein ganzes Leben vor sich haben. Ein Leben mit Krebs, das aber genauso glücklich und erfolgreich sein kann. In ihrem Buch sagt sie dem Krebs den Kampf an. Sie und 13 weitere junge Frauen geben ihre persönlichen Erfahrungen weiter und zeigen, wie man mit dem Krebs leben kann, wie man ihn annimmt und wie man sein Leben aktiv und bewusst gestaltet. In einer Mischung aus Tagebuch, Fotoalbum, Fakten, Anekdoten, Tipps und persönlichen Erfahrungen zeigt das Buch einen unkonventionellen Umgang mit der Krankheit - es ist lebensbejahend, aufmunternd, witzig, informativ und ehrlich. Und genau deshalb auch für Angehörige und ältere Betroffene inspirierend. Sheryl Crow, die selbst den Brustkrebs besiegt hat, schreibt in ihrem Vorwort: "Dieses Buch wird so vielen ein Trost sein, die diese Erfahrung auch machen oder überlebt haben."

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Kris Carr

KÄMPFEN, LEBEN, LIEBEN

Wie ich mich gegen den Krebs wehreMit einem Vorwort von Sheryl Crow

Aus dem amerikanischen Englisch von Madeleine Lampe

SCHWARZKOPF & SCHWARZKOPF

Widmung

Für meine Mom, Aura Carr. Sie hat mir lange vor der Krebserkrankung beigebracht, zu kämpfen.

Vorwort

VON SHERYL CROW

»HI, DOUG. WIE GEHT’S DIR? Mir? Nicht so gut. Ich rufe dich doch immer an und bitte dich um Empfehlungen für Freunde, bei denen Krebs diagnostiziert wurde. Also … dieses Mal geht es um mich.«

Den Nachmittag, an dem ich erfuhr, dass ich Krebs habe, werde ich nie vergessen. Ich rief zuerst meine Eltern an, meinen Ex (der zufällig den Krebs besiegt hat und dadurch sehr bekannt wurde) und Doug Ulman, Präsident der Lance Armstrong Foundation und gleichzeitig ein guter Freund.

Die Mammografie bei einer Routineuntersuchung zeigte Mikrokalk, was nicht ungewöhnlich ist für jemanden in meinem Alter. Meine Frauenärztin rief mich an und sagte, dass es nicht sinnvoll sei, sechs Monate mit einer genaueren Untersuchung zu warten, und dass eine Biopsie beider Brüste ratsam wäre. Möglicherweise hat sie mich vor drastischeren Behandlungen bewahrt, weil ich nicht gewartet habe und die Diagnose sehr früh bekam.

Jeder, bei dem schon einmal eine schwere Krankheit festgestellt wurde, wird wohl sagen, dass die Zeit in diesem Moment stillsteht. Eigentlich läuft sie rückwärts, über einen hinweg. Ich kann mich kaum daran erinnern, die Worte »Sie haben Krebs« gehört zu haben, aber die Tränen in den Augen meiner Ärztin haben sich mir für immer ins Gedächtnis gebrannt.

Ich habe meine Eltern auf dem Heimweg angerufen. Meine Eltern sind meine besten Freunde und waren immer für mich da. Sie blieben wie immer ganz ruhig, sagten meinen Geschwistern Bescheid und flogen sofort nach Los Angeles, um bei mir zu sein. Meine Schwestern und mein langjähriger Manager folgten ihnen. Später kamen auch mein Bruder und seine Familie.

Unsere Aufnahme in die »Krebs-Uni« fand in einer Art Sitzungssaal statt. Meine Familie, mein Manager, mein Onkologe und ich saßen an einem sehr langen Tisch und wir sahen uns Bilder von Milchgängen, Zeichnungen von verrückt gewordenen Zellen und jede Menge medizinische Statistiken an. (Ich kann wirklich sagen, dass mein Dad jetzt ein Experte in Sachen Brüste ist, und das nicht freiwillig.) Wir haben in zwei Stunden mehr über Krebs gelernt, als ich in vier Jahren College über irgendetwas anderes gelernt habe. Der Arzt erklärte uns, dass es viele verschiedene Krebsarten gäbe und dass ich relativ glimpflich davonkommen würde, weil mein Lymphsystem nicht betroffen sei. Im Endeffekt verschwindet der Krebs vielleicht, aber das Wissen, dass man Krebs hatte, bleibt. Und die Angst, dass er wiederkommt, auch.

Es war insgesamt eine faszinierende Erfahrung für mich. Ich war von wunderbaren Frauen umgeben, die selbst betroffen waren. Sie hatten den Krebs besiegt oder geliebte Menschen verloren. Frauen, die großzügig ihre persönlichen Erfahrungen mit anderen teilen. Mutige Frauen, die auch unter den widrigsten Umständen noch einen Sinn für Humor haben. Aber was ich, glaube ich, am häufigsten gehört habe, war, dass es einen Zusammenhang zwischen Brustkrebs und Ernährung gibt. Mein ganzes Leben habe ich mich unabhängig gefühlt, wie eine Frau, die ihr Leben selbst in die Hand nimmt. Absolut fit, gesunde Ernährung, jahrelange Meditation, das bin ich. Als bei mir Krebs diagnostiziert wurde, hat mir das die Augen geöffnet und gezeigt, dass es jeden treffen kann, und obwohl wir denken, dass wir die volle Kontrolle über unser Leben haben, ist das nicht so.

Ich musste wie so viele andere Frauen, mit denen ich gesprochen habe, lernen, mich selbst an die erste Stelle zu setzen. Nein zu Dingen zu sagen, die ich nicht tun möchte. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Ich habe immer versucht, es allen recht zu machen. Ich teile die Vorstellung, dass die Brust ein Symbol für Versorgung und Pflege ist, weil ich wie so viele andere Frauen die Bedürfnisse aller anderen über meine eigenen gestellt habe.

Für mich war es eine richtige Herausforderung zuzulassen, dass sich andere Leute um mich kümmern. Es hat sich fremd angefühlt. In der ersten Woche meiner Bestrahlung hat meine Mutter acht verschiedene Bio-Suppen ausprobiert. Mein Dad ist in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, um meine Hunde zu füttern, Kaffee zu kochen und die Zeitung zu holen. Die Mitglieder meiner Familie haben sich abwechselnd wochenweise um mich gekümmert – oder sie waren einfach für mich da. Plötzlich keine Aktivitäten mehr zu planen, keine Mahlzeiten zuzubereiten, sondern ein Nickerchen zu machen oder mich einfach auszuruhen, erforderte große Beherrschung.

Seither habe ich mich jeden Tag daran erinnert, was ich aus dieser Erfahrung gelernt habe. Dinge, die ich niemals vergessen möchte. Ich sehe mir meine Brustkrebs-»Tattoos« an, sie erinnern mich daran, wie das, was ich durchmachen musste, und wer ich geworden bin, mein Leben verändert haben, und ich bin dankbar.

Es gibt keine Bücher darüber, was man als Erstes tun sollte, wenn man die Diagnose bekommt. Niemand kann einem sagen, welche Erfahrungen man machen wird. In meinem Fall wusste ich, dass ich nicht sterben würde, aber ich wusste auch sehr bald, dass mein Leben nie wieder so sein würde wie vorher. Ich erinnere mich, wie mein Radiologe zu mir sagte: »Ihre Aufgabe ist es jetzt, sich jeden Tag zu fragen: ›Tue ich das, was ich tun möchte?‹« Und das frage ich mich jeden Tag. Ich versuche, die Frage mit Ja zu beantworten, auch wenn ich dann öfter Nein sagen und jemanden enttäuschen muss.

Ich habe gelernt loszulassen. Es ging darum, sich mit dem auseinanderzusetzen, was auf der tiefsten emotionalen Ebene passiert, denn dort finden die großen Lebensveränderungen statt. Dort lernt man sich selbst kennen. Dort erinnert man sich daran, wer man ist und sein sollte. Ich denke, man muss keine Krebsdiagnose bekommen, um das zu erfahren, aber manchmal bringt einen eine Katastrophe dazu, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Ich mag das Buch von Kris so sehr, weil es so viele Dinge in mir wachgerufen hat. Vertraute Dinge. Es hat mich zum Lachen und zum Nachdenken gebracht. Und Gott sei Dank gehört Kris zu den Frauen, die den Mut und die Großzügigkeit besitzen, andere an ihren Erfahrungen teilhaben zu lassen. Seien wir ehrlich, das Leben ist eine ständige Herausforderung. Es wimmelt nur so von unerwarteten Umwegen, mit denen niemand anders außer man selbst fertig werden kann. Dieses Buch wird so vielen ein Trost sein, die diese Erfahrung auch machen oder zu Kämpferinnen geworden sind.

Sheryl Crow

KAPITEL EINS

Happy Valentine’s Day! Du hast Krebs.

nadel vom plattenspieler. die party ist vorbei. zurückspulen. stop. play.

FEBRUAR 2003. Nachdem ich beim Sarasota Film Festival in Florida, wo ein Film, in dem ich mitspielte, Premiere hatte, eine Woche lang wie ein Rockstar gefeiert hatte, kehrte ich zurück nach New York. Ich war bereit, einen neuen Entgiftungs- und Gesundheitsplan in Angriff zu nehmen. Einen Monat lang keinen Alkohol trinken – wirklich. Ich hatte mit meiner Gesundheit Raubbau betrieben. Mein Körper schrie nach einer Pause. Ich wollte glücklicher und gesünder leben, ein bisschen abnehmen und mich mal richtig ausschlafen. Im Grunde war ich ausgelaugt und hatte es satt, mich immer darüber zu beschweren. Wie oft war ich schon auf einem Gesundheitstrip gewesen, nur um ihn ein paar Tage später selbst wieder zu sabotieren? Es war viel einfacher, mich um meine Karriere, das Geschäft, die Kunden, meine Freunde, die Familie, um alle anderen zu kümmern … als um mich. Aber dieses Mal sagte etwas in mir: GENUG IST GENUG.

Am nächsten Tag fing ich an, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, und besuchte einen Yogakurs. Aber es war nicht irgendeiner, es war ein Jivamukti-Yoga-Kurs – das trendige, metrospirituelle Training, das dynamische Asanas mit Singen und toller Musik verbindet. Von einem gereinigten und überglücklichen Yoga-Körper träumend, meldete ich mich optimistisch zu einem einmonatigen Kurs an.

Beim Yoga sollte man sein Handy und sein Ego vor der Tür lassen. An jenem Tag tat ich weder noch. Es war Monate her, seit ich anstrengendes Yoga gemacht hatte, aber direkt vor mir war so ein toller Typ … also verhielt ich mich wie ein echter Volldepp. Unsere Blicke trafen sich immer wieder, ich im Unterarmstand, er riskierte einen Blick, während er in der Stellung des Kindes verharrte. Ich prahlte und flirtete die ganze Stunde über – bis mein Telefon klingelte und alle anderen ungläubig nach Luft schnappten. Für diejenigen unter euch, die noch nie den Fehler gemacht haben, das Zen mit ihrem Handy zu erschüttern: Es ist absolut peinlich.

Am nächsten Morgen fühlte ich mich, als hätte mich ein Lkw überfahren. Es war offensichtlich, dass ich mit der Einschätzung meiner Fitness ziemlich falsch gelegen hatte. Ich nahm den Schmerz gelassen hin und ging meinen Geschäften nach.

Ich bestätigte Fototermine und buchte Vorsprechen, dann trug ich wie immer Make-up auf, zwängte mich in eine enge Jeans und einen Push-up-BH und drehte mir ein paar reizende Locken in mein blondes Haar.

Ich war professionelle Fotografin und Schauspielerin. Jeden Tag motzte ich entweder das Produkt vor oder hinter der Kamera auf. Seit meinem Super-Bowl-Triumph kürzlich, bei dem ich nicht nur in einem, sondern gleich in zwei Werbespots für Bud Light aufgetreten war, galt ich (meinem Agenten zufolge) als »die Julia Roberts der Werbung« und war vorübergehend mächtig gefragt. In manchen Kreisen galt ich sogar schon als Ikone. Tausende betrunkene Kerle aus Studentenverbindungen ließen kurz von ihren Peperonipizzas ab, um zu diskutieren, ob sie es mit mir »tun« würden.

Das Vorsprechen des Tages: ein Werbespot für einen berühmten Diätdrink, dessen Namen ich nicht erwähnen werde. Es ist auch egal, denn ich war zu dick für den Spot und habe den Job nicht bekommen. Wie schnell mein Stern doch wieder gesunken war. PS: Denkt noch einmal darüber nach, bevor ihr euch das nächste Mal mit jemandem aus der Glotze oder den Modezeitschriften vergleicht. Wenn ich für jedes Mal, das man meine Bilder in der Werbung retuschiert hat, einen Dollar bekommen hätte, würde ich jetzt in Saus und Braus leben!

Spulen wir vor zum Abend. Mein Muskelkater hatte sich noch verschlimmert. Außerdem litt ich unter Atemnot und hatte starke Unterleibsschmerzen. Irgendetwas stimmte nicht. Mist! Wie unangenehm. Ich hatte meinen Plan doch noch kaum in die Tat umgesetzt. Am nächsten Morgen rief ich meinen Arzt an.

Dr. Fabelhaft war ein äußerst beliebter Arzt, man bekam nur einen Termin, wenn man jemanden kannte. Zum Glück war er ein großer Theaterfan und erinnerte sich an meine Darbietung im Evaskostüm in dem Stück Mr. Peters Verbindungen von Arthur Miller, in dem ich zusammen mit Peter Falk aufgetreten war. Ich ging ein oder zweimal im Jahr zu Dr. Fabelhaft und er vergaß nie, mir mit enttäuschter Miene zu sagen, dass ich auf der Bühne ganz anders aussähe. Er hätte mich nicht erkannt, wenn er nicht gewusst hätte, dass ich es war. Im Ernst? Man sieht ganz anders aus, wenn man für die Bühne aufgedonnert den Geist von Marilyn Monroe spielen soll, als wenn man eine rote Nase und trübe Augen hat und Antibiotika braucht?

Dr. F.s Assistentin Danielle, ein richtiges Vollweib – tough, temperamentvoll und liebenswürdig –, kam in den Untersuchungsraum und blaffte: »Warum zur Hölle sind Sie hier?« Ich sagte ihr, dass ich mir wahrscheinlich eine Rippe gebrochen hatte, als ich an meinem ersten Entgiftungstag beim Yoga vor einem tollen Typen angegeben hatte. Sie schnaufte und vergrub ihre Hände in meinem Unterleib. Ich krümmte mich vor Schmerzen. »Ich denke, es ist Ihre Gallenblase«, sagte sie zu mir. »Mal gucken, was der Doc sagt.«

Dr. F. machte seine üblichen Untersuchungen und war auch der Meinung, dass die Schmerzen wahrscheinlich das Resultat einer kranken Gallenblase waren, die behandelt werden musste. Aber nicht von ihm, denn er wollte in den Urlaub fahren. Verdammt! Er gab mir ein Rezept für ein paar leckere Schmerzmittel und ordnete eine Ultraschalluntersuchung an – schnellstens.

Eine halbe Stunde später lag ich auf einer anderen Untersuchungsliege, während eine namenlose Schwester eine Sonde über meinen gegelten Bauch schob. Sie hatte einen geheimnisvollen Blick aufgesetzt – halb besorgt, halb bemüht sorglos. Ich fragte sie immer wieder, was sie sehen würde, aber sie wich mir aus. »Ich bin mir nicht sicher. Es ist schwierig. Sie haben ziemlich viel Gas da drin.« Ich lachte. Sie konnte meine Gallenblase nicht sehen, weil ich viel Gas im Bauch hatte? Sie verließ den Raum, kam mit einem anderen Instrument wieder und untersuchte mich noch einmal. Dieses Mal verriet ihr wirklich besorgter Blick, dass sie etwas sah.

»Was?«, fragte ich sie.

»Sie müssen mit dem Arzt sprechen«, antwortete sie.

Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.

Steckbrief

KRIS CARR

MEIN SYMBOL: Schmetterling

ALTER: beruflich 25; rechtlich in den Dreißigern

HAARFARBE: blond

AUGEN: grün

GRÖSSE: 1,72 Meter

GEWICHT: um die 55 Kilo (okay, über 59)

HEIMAT: Pawling, New York

BERUF: preisgekrönte Schauspielerin, Fotografin und Filmemacherin

LIEBLINGSSPRUCH: »Du möchtest Gott zum Lachen bringen? Erzähl ihr von deinen Plänen!«

BESTER TIPP: Lest dieses Buch! Streicht Dinge an, schreibt an den Rand, kritzelt hinein, schreibt eure Tipps auf und teilt sie mit anderen betroffenen Frauen, die auch lachen, weinen, tanzen und nachdenken müssen.

{ Schweizer Käse }

ZUERST RIEF ICH MEINEN FREUND David an und bat ihn, mit mir auf die Ergebnisse zu warten. Dann rief ich meinen Dad, Ken, an. Er machte sich sofort auf den Weg in die Stadt. Meine Mom blieb zu Hause, weil sie sich um meine 92-jährige kranke Großmutter kümmern musste. Stunden später teilte mir der Arzt ein paar Neuigkeiten mit. Die Oberfläche meiner Leber war von kleinen Tumoren übersät. Eigentlich sah meine Leber auf den Bildern aus wie Schweizer Käse. Mein Herz hörte auf zu schlagen. Was zum Teufel? Dann sagte der Arzt mir, ich solle am nächsten Morgen für weitere Untersuchungen und Bluttests wiederkommen. Und er gab mir einen Termin bei einem Gastroenterologen.

David begleitete mich nach Hause. Ich weinte die ganze Zeit. Als wir an meiner Wohnung ankamen, war mein Dad bereits da und ging in meinem Zimmer auf und ab. Dad war immer derjenige, an den man sich wandte, wenn man in Schwierigkeiten steckte. Er ist viel rationaler und praktischer veranlagt als meine Mom, Aura. Wie damals, als mich Mom beim Klauen erwischt hat. Sie wollte mich zur Polizei bringen, damit ich meine Lektion lerne. Dad nahm mich an der Hand und ging mit mir und der geklauten Haarspange zurück in den Laden. Ich sollte mich bei der Managerin entschuldigen und ihr sagen, dass ich es nie wieder tun würde. Das war total peinlich und heilte mich von meinen langen Fingern. »Ich bin wirklich stolz auf dich. Gehen wir eine heiße Schokolade trinken«, sagte er.

Mein Vater hat mir immer geholfen, Lösungen für meine Probleme zu finden, und mich ermutigt, sie direkt anzugehen. Meine Mom ist dagegen temperamentvoll und aufbrausend (sie ist Kolumbianerin). Wenn ich etwas falsch gemacht hatte, flippte sie aus und versuchte, mich mit ihrem Du-bist-geliefert-Blick kleinzukriegen.

»Was ist los?«, fragte mich Dad. Er packte und schüttelte mich.

Ich brach erneut in Tränen aus. »Meine Leber. Sie sagen, meine Leber ist mit Tumoren übersät.«

Er wurde bleich und drückte mich fest, als wolle er mich vor meinem inneren Feind beschützen, als ob er die unbekannte Krankheit aus mir herausquetschen könnte. »Oh Gott!« Dann: »Es ist okay, Liebes, wir werden das schaffen und ich werde stark für dich sein.« Ein Fels in der Brandung, wie er es immer war.

Mein Vater ging ins Schlafzimmer, um Mom anzurufen, während David mich im Arm hielt. Zehn Minuten später kam er mit roten Augen auf mich zu und gab mir das Telefon.

Mom war am Boden zerstört. Wie konnte das nur passieren? In jener Nacht überließ ich Dad mein Schlafzimmer und schlief auf der Couch. Er hatte noch nie in meiner Wohnung übernachtet und weil ich das Gefühl hatte, möglicherweise unsere Leben zu ruinieren, überließ ich ihm das gemütliche Bett.

Ich war 14, als er mich adoptierte. Ken Carr und meine Mom waren seit fünf Jahren ein Paar und eines sonnigen Tages stellte er mir die Frage, die mein Leben für immer verändern sollte: »Möchtest du mich Dad nennen?« Obwohl ich mich zuerst zierte, betete ich insgeheim, dass er mich als sein richtiges Kind annehmen würde. Meine Mom kaufte mir für den großen Tag sogar ein besonderes Outfit: einen gelben Faltenrock, der mit Golfbällen bedruckt war. Golf ist der Lieblingssport meines Dads und obwohl ich es todlangweilig finde, dachte ich, der Rock würde ihm zeigen, wie dankbar ich ihm war.

Den Rest der Nacht verbrachte ich allein mit meinen Gedanken und starrte an die Decke. Meine Fantasie ging mit mir durch. Bei Sonnenaufgang zog ich mich langsam an. Der Schmerz des Vortages hatte mich völlig betäubt, aber das war mir egal. Meine Gedanken kreisten um die vielen Tests, die vor mir lagen.

{ Ein Häufchen Elend }

DR. HALB-FABELHAFT übernahm meinen Fall, weil Dr. Fabelhaft das machte, was auch immer Ärzte im Urlaub machen. Dr. H. sprach in einem so unverbindlichen Ton mit mir, dass ich mir wie im Endstadium vorkam. Ich suchte in seinem Gesicht nach Hinweisen, fand aber nichts. Er zählte ein paar Möglichkeiten auf: fokale noduläre Hyperplasie, multiple Adenome. »Wir wissen es nicht.« Eine Nadelbiopsie des Brustkorbes würde Gewissheit bringen. Wie sich herausstellte, hatten Dr. H. und mein Dad dasselbe College besucht, die Syracuse University (»Go Orangemen«). Nach dem üblichen Small Talk und Gelaber, das sich stundenlang hinzieht, wenn man das eigentliche Thema vermeiden will, wollte mein Dad mit dem Arzt unter vier Augen sprechen. Oh Gott! Ich entschuldigte mich und suchte die Toilette auf, unterwegs begegnete mir die temperamentvolle Assistentin Danielle. Wir umarmten uns und sie fragte mich, wie es mir ginge. Sie sah mich mit dem gleichen Gesichtsausdruck an wie die Schwester, die den Ultraschall gemacht hatte.

»Was, denken Sie, ist es? Was ist Ihre Vermutung?«, fragte ich, obwohl ich noch nicht bereit war, das zu hören, was ich tief in meinem Inneren befürchtete, und das wusste sie. Also formulierte sie ihre Antwort als Frage: »Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Tumore denken, an viele Tumore?«

»Das K-Wort«, antwortete ich.

»Genau.«

Panik. Der Raum fing an, sich zu drehen. Was ging in meinem Körper vor? »Krebs« ist solch ein beängstigendes Wort. Ich stellte mir vor, wie ich mich glatzköpfig ans Leben klammerte. Wie konnte mir das nur passieren? Andere Leute bekommen Krebs. Leute, über die man liest, nicht Leute, die man kennt und liebt, und ganz sicher nicht ich. Ich war erst 31, jung und dynamisch. Ich war verdammt noch mal ein Bud Girl! Ich fühlte mich, als ob ich in den Lauf einer Pistole gucken und versuchen würde, herauszufinden, wie viele Kugeln drin waren.

In den folgenden Tagen musste ich immer wieder ins Krankenhaus, um diverse Tests über mich ergehen zu lassen, auch die bereits erwähnte Biopsie. Auf keinen Fall konnte ich allein in meiner Wohnung auf die Ergebnisse warten. Ich wäre ausgerastet. Also schnappte ich mir Crystal, meine Katze, und übernachtete bei meinen Eltern in Connecticut. Als wir um 5:45 Uhr aufstanden, tobte ein Schneesturm, aber Dad bestand darauf, dass wir uns trotzdem alle ins Auto setzten. Ich hatte meinen Termin erst um neun, aber Dad zufolge würde in New York »ein verdammtes Chaos« herrschen. Wie immer hatte er recht. Wir stiegen ins Auto und machten uns auf den Weg in die Stadt.

Mein ganzer Körper, sogar mein Gehirn, musste gescannt werden. Toll. Es dauerte nicht lange, bis ich eine Expertin für CTs, MRTs und die Radiologie war. In kurzer Zeit kam ich dahinter, welches Schließfach ich für meine Klamotten benutzen sollte, wie ich meinen Bademantel tragen und wie ich ihn zuknoten musste, um meine Würde zu behalten. An jenem verschneiten Tag brachte mich Schwester Mildred zu dem Gerät. Mildred hasste mich. Ich stand für all die Unzufriedenheit und die Frustration in ihrem Leben. Mildred war gelangweilt und deprimiert und sie versuchte nicht, die Tatsache zu verbergen, dass sie es hasste, in einem Krebskrankenhaus zu arbeiten.

Mildred ging fünf Schritte vor mir. Ich folgte ihr in meinem Bademantel und den schokoladenbraunen Cowboystiefeln. Das gefiel ihr nicht.

»Wollen Sie Krankenhauslatschen?«, fragte sie mit ausdrucksloser Miene.

»Die Stiefel sind okay«, antwortete ich.

Ich trug meine Cowboystiefel jeden Tag und ich würde sie ganz sicher nicht in der Stunde der Not zurücklassen. Sie standen für meinen Traum von einem friedlichen Leben auf dem Land mit einer Schaukel auf der Veranda und einem gutaussehenden und intelligenten Cowboy an meiner Seite. Ich würde es nicht zulassen, dass Mildred mir meine Stiefel oder meinen Traum wegnahm.

{ Der Tunnel }

WENN MAN ZWEI STUNDEN LANG in einem blinkenden und leuchtenden MRT-Sarg eingeschlossen ist, schweifen die Gedanken in der Regel eher in die dunkleren Ecken der Fantasie ab. Ich fing an, über das menschliche Gehirn nachzudenken, und erinnerte mich, in Biologie gelernt zu haben, dass wir nur zehn Prozent seiner Leistungsfähigkeit bewusst nutzen. Wenn das stimmt, wie funktioniert dann der Rest? Gibt es einen Teil des Gehirns, der Botschaften durch den Körper schickt, um ihn zu heilen? Ist es nicht ein Wunder, dass der Körper weiß, wie er einen Knochen wieder zusammenfügen kann, wenn wir ihn uns gebrochen haben? Gibt es vielleicht die Möglichkeit, dort irgendwo eine Nachricht einzuschmuggeln? Ich hatte das Gefühl, irgendetwas auf der Spur zu sein.

Es musste einen Weg geben, eine Botschaft zu codieren, die ich in das Gefüge meines Gehirns weben konnte. Die Tumore rückgängig machen. Die Tumore rückgängig machen. Die Tumore rückgängig machen. Ich fing an, über diesen Befehl nachzudenken. Ich meditierte. Ich stellte es mir bildlich vor, betete, flehte. Warum hatte ich nicht an einer besseren Beziehung zu Gott, zur Göttin oder wer zum Kuckuck noch mal dort oben war, gearbeitet? War es zu spät? Ich fühlte mich irgendwie schuldig, weil meine anderen Wünsche so oberflächlich gewesen waren: der Schauspieljob – ich würde sterben, wenn ich ihn nicht bekäme – oder die Zerstörung der übergenauen Waage im Fitnessstudio. Jetzt betete ich für mein Leben und die höheren Mächte lachten. Ha ha.

In diesem Moment bewegte sich die Liege, auf der ich lag, in Richtung Licht. Ich hätte nicht gedacht, dass es so enden würde – dass Mildred auf der anderen Seite auf mich warten würde.

Nach der Reise in den Tunnel ging ich zu meiner Mom, meinem Dad und meiner kleinen Schwester Leslie. Sie saßen alle im Wartezimmer. Der Raum war voller Leute, die viel älter waren als ich, Frauen und Männer, mit und ohne Familie, und alle warteten auf die Ankunft von Dr. Guru Spezialist. Jede Tür, die geöffnet wurde, jeder Laborkittel, der vorbeiglitt, nährte die Hoffnung auf den Guru. Ich setzte mich neben Leslie und fing an, meine Stiefel zu bearbeiten, nervös wie eine Katze. Atmete ich? Schlug mein Herz? Ja, ich spürte es pochen, rasen und gegen meinen Brustkorb hämmern. Schließlich teilte sich das Meer und der Guru erschien. Ich versuchte sofort, seinen Gesichtsausdruck zu lesen. War er gut, schlecht, sonstwie? Lächelte er? Wie schnell lief er? Würde er am Stuhl innehalten, bevor er sich setzte? Würde ich sterben? Er hielt inne! Scheiße!

{ Dead Woman Walking }

DER ARZT FING SEINE ERKLÄRUNG mit dem Wort »also« an – ein äußerst gewichtiges Wort. Es wird oft in Situationen wie Trennungen, Entlassungen und bei schlimmen Diagnosen gebraucht. Bitte anschnallen, wenn der Leiter des Transplantationsteams an der medizinischen Fakultät seinen Satz mit dem Wort »also« beginnt. »Also, wir haben keine Tumore in Ihren Knochen oder der Milz gefunden, aber anscheinend gibt es in beiden Lungenflügeln zehn weitere Tumore.« Stille. Übelkeit überkam mich. Mein neuester emotionaler Schlafdrang hatte sich zu einer emotionalen Lähmung entwickelt.

Ich entschuldigte mich und ging in die Toilette. Als ich von meinem Stuhl aufstand, kamen mir drei Worte in den Sinn: Dead Woman Walking. Ich schloss mich ein und starrte im Schockzustand in den Spiegel, kämpfte, kämpfte, kämpfte gegen die Tränen. Wie sollte ich mich nur zusammenreißen und wieder da raus gehen? Kaltes Wasser. Ich ließ das Waschbecken voll kaltes Wasser laufen. Ich machte meine Hände nass, dann mein Gesicht, und als ich ins Wasser tauchte, sagte eine freundliche Stimme tief in meinem Inneren Nein. Der Überlieferung zufolge war mein erstes Wort nicht Mama oder Papa, sondern Nein. Ich holte tief Luft und ging für eine zweite Portion Horror wieder raus.

Mein Clan saß zusammengedrängt um den Guru herum. Und das Urteil lautete: epitheloides Hämangioendotheliom. Übersetzung: Heilige Scheiße! Versucht das mal schnell dreimal hintereinander zu sagen. Klappt nicht, dann lasst es uns kurz als EHE bezeichnen. Es handelt sich dabei um eine äußerst seltene Art von vaskulärem Krebs, der die Blutgefäße meiner Leber und Lunge angriff. Stufe IV. Landesweit gibt es in den USA jährlich circa drei- bis vierhundert Neudiagnosen von EHE. Es tritt typischerweise an mehreren Stellen auf und niemand weiß, wie es dazu kommt. Großartig! Reicht mal den Chardonnay weiter.

Das nächste Thema: eine Lebertransplantation. Ich wurde nicht nur vom Zug überrollt, jetzt raste er auch noch davon und zog mich hinter sich her. Weil es auch an einer anderen Stelle in meinem Körper Tumore gab, stand ich nicht ganz oben auf der Warteliste für Transplantationen – warum sollte man eine Leber an mich verschwenden, wo sich der Krebs doch schon auf beide Lungenflügel ausgebreitet hatte? Auch gut. Ich wollte sowieso all meine Bestandteile behalten, danke schön. Ich möchte alles wieder mitnehmen, was ich bei meiner Ankunft bei mir hatte.

Mein Dad, optimistisch wie eh und je, fragte sofort, ob nicht ein Familienmitglied eine halbe Leber spenden konnte, falls jemand geeignet wäre. Es hatte große Erfolge mit Teiltransplantationen gegeben und meine Familie wollte unbedingt helfen. Nein. In meinem Fall würden die Tumore die neue Hälfte wahrscheinlich befallen und wir stünden wieder am Anfang.

Als Nächstes stellte meine Mutter eine Reihe von Fragen und ich wusste genau, worauf sie hinauswollte.

»Wie alt kann eine Leber sein, die man benutzt?«, fragte sie.

»Es gab gute Ergebnisse mit Lebern von Menschen bis zu 92 Jahren«, antwortete der Guru.

»Oh«, sagte meine Mutter. »Wie lange kann man sie kühlen?« Sie dachte an die Leber meiner Großmutter! Meine Oma: damals noch sehr lebendig und die Nerven meiner Mutter ziemlich beanspruchend.

»Mom! Sie ist noch nicht einmal tot!« Ich stellte mir vor, wie Mom ein Kissen neben Omas Bett schwenkte, eine Kühltasche neben sich, und brach in Gelächter aus. Der Guru fand das gar nicht witzig. Wenn ich er gewesen wäre, hätte ich die Behörden verständigt.

Da ich asymptomatisch war, empfahl der Guru einen Abwarten-und-Tee-trinken-Ansatz: »Lassen wir die Tumore ihre Absichten offenlegen, bevor wir sie angreifen.« Mindestens für die nächsten zwei Monate. Er wollte beurteilen, wie der Krebs sich entwickelte: gleichmäßig, langsam oder schnell. Warum konnte ich keinen weit verbreiteten Krebs haben? Nein, ich musste eine seltene Art bekommen, die nur o,1 Prozent der Bevölkerung befällt. Für mich wird es keine Selbsthilfegruppen geben, keine Benefizmarathons, keine Schleifen, keine Schwesternschaftsscheiße, nichts. Obwohl geforscht wird, gibt es keine Heilung und keine bestimmte Behandlungsmethode für EHE. Was? Warum? Ich schätze, die Antwort liegt auf der Hand. Warum sollte man Zeit und Geld in die Erforschung einer Krankheit investieren, von der nur ein paar Leute betroffen sind? Ich fand meine Einzigartigkeit immer toll, jetzt schien sie ein echter Nachteil für mein Überleben zu sein.

Geduld hatte noch nie zu meinen Stärken gehört. Die Vorstellung, untätig auf einer Zeitbombe zu sitzen, war so verlockend für mich wie ein Zahnarztbesuch. Und doch war ein Teil von mir dankbar, dass meine Krankheit sich möglicherweise langsam entwickelte. Ich meine, das, was sich alle Krebspatienten wünschen, ist Zeit, und für den Moment sah es so aus, als hätte ich sie. Außerdem hatte ich nicht das Verlangen, sofort irgendeine verrückte Behandlung anzufangen. Eine Laborratte zu werden war definitiv nicht mein Ding.

Ich kämpfte gegen die Tränen und fragte, ob ich irgendetwas tun könnte. »Nein, versuchen Sie einfach, ein normales Leben zu führen«, sagte Dr. Guru. Erde an Dr. Guru, bitte melden, Dr. Guru. War er high? Wie zur Hölle sollte ich das machen? Wie konnte ich mit dem Wissen, Krebs zu haben, leben, ohne jeden Tag ans Sterben zu denken? Das war einfach seltsam. Ich sah nicht krank aus, ich fühlte mich nicht krank und doch hatte ich Krebs. »Wenn Sie wollen, können Sie Ihr Immunsystem stärken, indem Sie auf Ihre Ernährung und Ihre Lebensweise achten«, fügte er hinzu.

Ich horchte sofort auf. Er hatte mir einen Krümel Kontrolle hingeworfen. Ich konnte etwas tun! Ich konnte mich beteiligen! Ich konnte mich informieren und meinem Körper helfen! Scheiße, vielleicht konnte ich allein herausfinden, wie ich dieses Ding loswerden konnte (ich hatte schon immer ein sehr gesundes Selbstbewusstsein). Dr. Guru wusste es nicht, aber er hatte in diesem Moment den Grundstein für eine persönliche Revolution gelegt.

Ich schwor mir auf der Stelle, dass ich diesen Krümel nehmen und daraus einen Kuchen machen würde. Ich würde mich nicht zurücklehnen und auf das Unbekannte warten. Ich würde mich hineinstürzen und ein absoluter Heilungsjunkie werden!

Tagebucheintrag

Das Wort mit »K«, ich … wie ist das möglich? Ich bin jung, gesund und aktiv. Ich war ein gutes Mädchen, ich habe mich an die Regeln gehalten, mich vernünftig ernährt, Sport getrieben und wenig getrunken, ich sage Bitte und Danke, gebe Trinkgeld, ich bin aus ethischen Gründen Vegetarier, Herrgott noch mal, ich bin Demokratin! Ich habe alles richtig gemacht.

Warum ich? Wie konnte das nur passieren?

{ Vollwertkost: meine Medizin }

NÄCHSTER HALT: der Bioladen. Wir vier stiegen in Dads Auto und rasten die Seventh Avenue hinunter. Meine Familie stand unter Schock. Obwohl ich mich schon etwas stärker fühlte, war ich immer noch ziemlich benommen. Ich öffnete das Fenster und die Winterluft wehte mir ins Gesicht. Tränen rollten mir über die Wangen wie Wasser aus einer überlaufenden Wanne, ruhig und beständig. Mein Gesichtsausdruck veränderte sich nie.

Meine Mutter rannte wie verrückt durch den Laden und füllte zwei Einkaufswagen mit allen Bio-Produkten, die sie nur finden konnte. Wenn es Blätter hatte und grün war, fand es seinen Weg in unseren Wagen. Ich war so in Gedanken, dass ich nicht einmal protestieren konnte, als ich sah, dass meine Mom verzweifelt einen riesigen Palmkohl in den Händen hielt. Was sollten wir mit diesem furchteinflößenden Gemüse anfangen? Wenn mich der Krebs nicht umbringen würde, würde diese Pflanze es auf jeden Fall tun. Meine Schwester und ich schnappten uns Bücher, Vitamine, Kräutergetränke und Kerzen. (Ich sollte mich schließlich ausruhen. Stress ist schlecht! AUSRUHEN!) Ich gebe zu, ich packte auch ein paar Sachen dazu, die nichts mit Krebs zu tun hatten und mir sonst eigentlich zu teuer waren. Meine Eltern würden endlos Schecks ausschreiben, um mich zu heilen, sie würden also sicher nichts gegen eine 30-Dollar-Gesichtscreme sagen.

Ich verspätete mich zwar an der Krebs-Uni, aber wenigstens war ich eingeschrieben – und entschlossen, in all meinen Prüfungen eine Eins zu bekommen!

In jener Nacht fühlte ich mich einsamer als jemals zuvor in meinem Leben. Am nächsten Morgen stand ich auf und begann, an meinem Überlebensplan zu arbeiten. Nachdem man meinem Krebs einen Namen gegeben hatte, holte ich mir zuerst eine zweite Meinung ein, und eine dritte und eine vierte. Ich lernte einige der besten Krebsärzte des Landes kennen. Obwohl jeder eine andere Theorie und Herangehensweise vertrat, waren sie sich alle einig, dass es in meinem Fall das Beste war, »abzuwarten und Tee zu trinken«. Wenn man nach einer Behandlungsmethode suchte, die einen so richtig frustriert, war diese genau die richtige.

{ Vorspulen zu heute }

SO VIEL HAT SICH VERÄNDERT seit dem 14. Februar 2003. Ich habe mein Leben völlig auf den Kopf gestellt und meine Lebensgewohnheiten von Grund auf verändert. Ich habe immer noch Krebs. Die Ärzte benutzen jetzt das Wort »indolent«, wenn sie meine Tumore beschreiben. Definition: »lethargisch; keine Anzeichen von Entwicklung zeigend« (wie ich mit 15). Ob es mir nun gefällt oder nicht, sie sind ein Teil von mir. Aber ich freue mich (für den Augenblick) sagen zu können, dass der Krebs stabil ist – das heißt, er breitet sich nicht aus. Er ist wie ein Lichtschalter, der ausgeschaltet ist und die Chancen stehen gut, dass das so bleiben wird. Krebs als chronische Krankheit? Herpes und Diabetes sind chronische Krankheiten, nicht das große K. Es war einfach schwer zu begreifen. Wie die meisten Leute (Ärzte inbegriffen) glaubte ich immer noch an die militaristische »Wir müssen den Krieg gewinnen«-Methode.

Aber der Krebs hat sich verändert und ich mich auch. Das Leben geht weiter, normalisiert sich sogar wieder. Ich habe es nicht zugelassen, dass der Krebs meine Party ruiniert. Es gibt einfach zu viele coole Dinge, die man machen und planen kann und für die es sich zu leben lohnt.

Ich hasse es, dieses Wort zu benutzen – ihr wisst schon, Krebs ist ein »Geschenk«. Igitt. Das ist er nicht! Man kann ihn nicht zurückgeben und er ist ganz sicher kein Geschenk, das ich verschenken würde. »Frohes Fest! Oh, genau das habe ich mir gewünscht, Krebs, das wäre doch nicht nötig gewesen.« Krebs ist kein Welpe, kein Pony, keine neue Puppe und kein glänzender Truck. Krebs ist nichts, wofür man sich bedankt, aber er kann ein Katalysator sein. Ich erlaubte mir endlich, Risiken einzugehen, mich an die erste Stelle zu setzen und Ballast abzuwerfen. Ja, der Ballast war vielleicht von Louis Vuitton, musste aber trotzdem gehen! Warum hatte ich mich so lange selbst vernachlässigt? Ich hatte eine innere Stimme, die es besser wusste, warum hatte ich sie ignoriert?

{ Krebs bekommt einen Imagewechsel }

ALLES IST EIN PROZESS. Und Veränderungen brauchen Zeit. Manchmal verstehe ich das Bedürfnis nach Freundlichkeit und Selbstmitleid. An anderen Tagen schwimme ich wie eine Verrückte gegen den Strom oder ich breche einfach zusammen und heule. Wenn Yoga (eine erwachsenere Version, ohne Flirts und Störungen) mir eines beigebracht hat, dann dass man flexibel sein muss. Krebs ist ein starker Wind, der einen komplett entwurzeln kann, wenn man sich nicht mit ihm wiegt.

Krebs hat mich dazu gebracht, zu sagen: »Scheiß drauf, los gehts« (leider ziemlich klischeehaft, aber wahr) – worauf wartete ich eigentlich noch? Weg mit der alten Weltordnung, her mit der neuen. Ich habe einige radikale Veränderungen vorgenommen (von denen ich euch im Laufe des Buches berichten werde). Kurz gesagt, ich habe gekündigt, bin umgezogen, lebe richtig gesund, habe einen tollen Mann kennengelernt, und wisst ihr was? Krebs hin oder her, ich habe geheiratet!

Außerdem wagte ich einen großen künstlerischen Schritt. Als ich meine Diagnose erhielt, gab es keine Bücher oder Filme über die Situation und die Probleme krebskranker junger Frauen. Alles war entweder auf Kinder oder auf Menschen ausgerichtet, die viel älter waren als ich. Und das meiste davon war entweder ziemlich rührselig oder wirklich deprimierend.

Ich hatte noch keine Kinder aufgezogen, Karriere gemacht, das zweite Mal geheiratet oder meine Eltern begraben. Mein Leben fing doch gerade erst an!

Das ist Mist. Ich beschloss, dass Krebs einen Imagewechsel brauchte, und ich war genau die Richtige, um das in die Hand zu nehmen! Um eine Art kreatives Ventil zu haben, fing ich an, über meine Erfahrungen zu schreiben und sie zu filmen. Ich dokumentierte alles und jeden – die Ärzte, Lehrer, Gurus, Alternativmediziner und alternativen Quacksalber. Die Kamera war mein Freund. Ich redete, sie hörte zu, ohne zu urteilen. Vor der Linse konnte ich Dampf ablassen und die gruseligen Dinge sagen, die ich vor niemandem äußern wollte. Manchmal bekam ich dadurch etwas Abstand von meinem Drama, da ich Künstlerin statt Patientin sein konnte.

Nach einer Weile wollte ich unbedingt inspirierende Geschichten von anderen Frauen hören. Das Problem war nur, dass ich Selbsthilfegruppen hasste (für manche sind sie toll, für mich nicht). Ich stellte sie mir wie eine seltsame, weinerliche Version der Anonymen Alkoholiker für Krebspatienten vor. »Hi, mein Name ist Kris und ich habe Krebs.« Worauf alle im Chor antworten: »Hi, Kris!« Nein, danke. In Wirklichkeit war ich für so was zu feige. Ja, ich brauchte Unterstützung, aber zu meinen Bedingungen. Wenn man gesund ist, denkt man, dass Krebs so weit weg ist. Aber wenn man krank ist, merkt man, dass er überall ist; man muss nur die Augen aufmachen. Also rief ich alle an, die in meinem Elvis-Presley-Adressbuch standen (ein Souvenir aus Graceland). »Kennst du irgendwelche jungen Frauen, die Krebs haben?« Ich bekam immer mehr E-Mail-Adressen und Telefonnummern und meine ersten Treffen mit anderen betroffenen jungen Frauen waren geritzt!

{ Freundinnen in gleicher Lage }

DER KREBS VERBAND MICH mit Frauen, die ich sonst niemals kennengelernt hätte: Frauen, die mich in einer Weise verstanden, wie es kein anderer konnte. Einige von ihnen haben es mir sogar erlaubt, ihre Geschichte für meine Dokumentation zu filmen, der ich den Titel Crazy Sexy Cancer gab. Der Name machte einigen Leuten anfangs Sorgen. War ich schnippisch, respektlos, unsachgemäß? Nein. Ich hatte mir nur meinen Sinn für Humor bewahrt, den ich nicht amputieren wollte, nur weil es in meinem Leben plötzlich diese ernste Sache gab. Ich wollte mich nicht selbst verlieren. Ich war immer noch verrückt, (manchmal) sexy, neugierig, albern und mühte mich ab. Mich über den Krebs lustig zu machen, half mir, damit fertig zu werden.

Zumindest fühlte ich mich wieder normal! Normal und erfolgreich: Anscheinend fragte sich der Learning Channel auch, wo sich die Geschichten über junge Frauen mit Krebs versteckten. Im Herbst 2006 (einen Monat, nachdem ich geheiratet hatte) kauften sie meinen Film. 2007 hatte Crazy Sexy Cancer seine Premiere auf dem South by Southwest Film Festival in Austin, Texas. Sie war ein voller Erfolg! Wer hätte gedacht, dass Krebs ein solcher Kassenschlager sein könnte?

Die Idee zu diesem Buch hatte ich kurz danach. Kämpfen, leben, lieben ist mehr als eine bloße Autobiographie; es ist eine Sammlung von Fakten und Tipps, Anleitungen und Ermutigungen für all die großartigen Frauen da draußen, die Krebs haben.

Es gibt grundlegende praktische, alberne, effektive, spaßige, verrückte, sexy Arten, sein Leben zu leben – mit Krebs. Denn man kann es schaffen. Du kannst es schaffen. Kopf hoch, Mädchen, du bist nicht allein.

CRAZY SEXY CANCER – EINE REZENSION

Kris Carr hat eine brillante, sagenhafte und atemberaubende Dokumentation über ihre Erfahrungen mit dem Krebs gedreht. Sie ist entschlossen, zu beweisen, dass ihr Leben nicht vorbei ist, nur weil ihr Krebs "unheilbar" ist, und alles dafür zu tun. Als frischgebackener Heilungsjunkie vertieft sie sich in die Welt von New-Age-Gesundheitsseminaren und alternativen Therapien. Ihr immer noch gesunder Sinn für Humor dreht der Vorstellung, sie könnte nie geheilt werden, eine Nase.

Carr reagiert, indem sie ein Netzwerk von betroffenen Mädels aufbaut, um eine Nicht-mit-mir-Einstellung zu fördern und so mit dieser weithin stigmatisierten Krankheit umzugehen. Sie freundet sich mit den hippen Krebs-Helden Jackie "Fuck Cancer" Farry und den Zammett-Schwestern an, was ihr hilft, mit der Einsamkeit fertig zu werden, die einsetzt, wenn man ein so seltenes Leiden hat. Diese Frauen zeigen dem Krebs, wer der Boss ist, manchmal durch einfache Widerspenstigkeit. Crazy Sexy Cancer ist im Grunde ein Crashkurs mit dem Titel "Willkommen im Krebsland, Einwohner: Du".

Tammy Lynn Bolton

Tipp Nr. 1

GRÜNDE MIT ANDEREN BETROFFENEN EINE CLIQUE

GRÜNDE DEINE EIGENE schicke Selbsthilfegruppe/Krebs-Strickgruppe. Meine Truppe bringt mich zum Brüllen! Unsere Gespräche drehen sich um ganz alltägliche Sachen wie Diäten, Partner, Jobs und Zukunftspläne, aber auch um lustige Krebs-Eskapaden und tiefsinnige »Was wäre wenns«, die nur eine Frau in einer ähnlichen Lage verstehen kann. Meine Clique zeigt mir, dass es okay ist, immer noch normale Probleme und Schwierigkeiten zu haben. Denn trotz allem sind wir immer noch Frauen.

Baue dir so schnell wie möglich eine eigene Clique auf und vergrößere sie mit der Zeit. Es gibt so viel Mist, mit dem du dich beschäftigen musst, und deine Clique kann dir dabei helfen. Außerdem könnt ihr wertvolle Tipps austauschen.

Frag deinen Arzt oder deine Ärztin, ob er oder sie dich mit anderen jungen Frauen in deinem Alter zusammenbringen kann. Vernetze dich mit jedem, der dir einfällt. Wenn du erst einmal angefangen hast zu suchen, wirst du andere Frauen finden, vielleicht auch in deiner Nachbarschaft. Einige der Frauen aus meiner Clique haben viele Geschichten und Tipps zu diesem Buch beigesteuert. Guck dir an, wer sie sind, denn ich werde sie immer wieder loben. Jede von ihnen hat ein Symbol – immer wenn du eines dieser Symbole neben einem Tipp siehst, weißt du, von wem er stammt. Danke, Mädels!

ALLISON BRIGGS

Hat den Brustkrebs besiegt. Gründerin von »The Rack Pack«, einer Organisation, die junge krebskranke Frauen unterstützt

DIEM BROWN

Star aus MTVs Real World/Road Rules Challenge und Gründerin von »Live for the Challenge«

ERIN ZAMMETT RUDDY

Autorin, Kolumnistin und Krebsaktivistin

HEIDI ADAMS

Gründerin von »Planet Cancer«, einer Gemeinschaft junger Erwachsener mit Krebs

JACKIE FARRY

Rock’n’Roll-Tourmanagerin, Organisatorin von »Fuck Cancer«

ONI FAIDA LAMPLEY

Dramatikerin, Schauspielerin

JODI SAX

Gründerin von »LifeLab«, einer New Yorker Hilfsgemeinschaft für junge Menschen in den Zwanzigern und Dreißigern, die den Krebs besiegt haben

SHARON BLYNN

Model, Krebsaktivistin, Gründerin von »Bald Is Beautiful«

LINDSAY BECK

Junge Mutter und Gründerin von »Fertile Hope«, einer Informationsstelle für Frauen mit Krebs

SUZANNE DONALDSON

Bildredakteurin bei der Zeitschrift Glamour, meine wunderschöne Cousine

MARISA ACOCELLA MARCHETTO

Gefeierte Comiczeichnerin und Autorin von Cancer Vixen

TERRI COLE

Psychotherapeutin, TV-Schauspiellehrerin an der New York University, Talkshow-Moderatorin

MELISSA GONZALEZ

Schwester von Erin Zammett Ruddy, junge Mutter, Kämpferin

KAPITEL ZWEI

Heilige Scheiße! Ich habe Krebs.

UND JETZT?

{ Atmen }

OKAY, DIE KACKE IST ALSO AM DAMPFEN. ATME TIEF DURCH, bleib ruhig und sammle dich. Wie Alice im Krebsland fällst du in ein dunkles, unheimliches Kaninchenloch. Die Ärzte überschütten dich mit Informationen, die wahrscheinlich zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus gehen. Warum? Wenn man gerade eine Krebsdiagnose bekommen hat, hört man nur: »Bla, bla, KREBS, bla, bla, DU WIRST STERBEN, bla, bla, KREBS.«

So sieht es aus. Gestern warst du noch eine normale Zivilistin und heute bist du eine Krebspatientin und Kämpferin. Die Diagnose bringt deine ganze Welt aus dem Gleichgewicht. Da gibt es nichts zu beschönigen: Krebs ist ein niederschmetternder Schlag, man braucht Zeit, um ihn zu verarbeiten. Meine Psychiaterin hat mir erklärt, dass

Krebspatienten unter der gleichen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden wie Soldaten oder Vergewaltigungsopfer.