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Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich BWL - Investition und Finanzierung, Hochschule Wismar, Sprache: Deutsch, Abstract: Die globalisierte Finanzwelt befindet sich nach der Weltfinanzkrise und sich anschließenden starken realwirtschaftlichen Effekten wieder in einem starken Aufwärtstrend. Gleichzeitig bewegt sich die Branche, die auf der einen Seite aus den traditionellen Beteiligten auf Banken- und Versicherungsseite und auf der anderen Seite aus einer ganzen Reihe neuerer Akteure besteht, am Scheidepunkt. Die öffentliche Meinung, zumindest in den eher westlich orientierten Staaten, äußert Vorbehalte gegenüber vielen Vorgehensweisen der Finanzindustrie, die dem Bürger oftmals undurchschaubar und damit gefährlich erscheinen. In der Folge bewegt sich die Politik im Zwiespalt zwischen Wettbewerbsbeschränkungen durch eine wirksame Regulierung von Finanzprodukten und -akteuren auf der einen Seite. Auf der anderen Seite dagegen sind freie, deregulierte Märkte ein starker Anziehungspunkt für einige Teile der Finanzindustrie. Diese sind in der Lage ihre geschäftlichen Aktivitäten schnell und unkompliziert in Regionen der Erde zu verlegen, welche diejenigen Regulierungsbedingungen mit dem höchsten Renditeversprechen vorhalten. Im Zweifel handelt es sich also um Märkte, die so gut wie nicht reguliert scheinen. Staatenlenker versprechen sich von solchen Rahmenbedingungen Standortvorteile und damit zumindest mittelbar positive Effekte für die heimische Wirtschaft und das Steueraufkommen. Ferner kann festgehalten werden, dass die zunehmende Komplexität der Wirkmechanismen an den internationalen Märkten dazu führt, dass immer weniger Unbeteiligte überhaupt in die Lage versetzt werden ein Grundverständnis für die wichtigen Zusammenhänge zu erhalten. Hinzu treten neue, wichtige Akteure an den Finanzmärkten aus den sog. Emerging Markets, also den Wachstums- und Schwellenländern, wie das vielzitierte China. Diese Länder verfügen teils über stark von europäisch-amerikanischen Wertevorstellungen abweichende Meinungsbilder die Eckpfeiler der Finanzmarktregulierung betreffend. Ferner ist in der Vergangenheit außerhalb der politischen Sphäre und der Finanzwelt die Rolle des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) zu wenig beachtet worden. In der öffentlichen Diskussion werden Schlagworte wie ‚Basel III‘ zwar verwandt, deren Inhalt aber nicht hinreichend geklärt.
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Veröffentlichungsjahr: 2011
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Kann sich Europa Basel III leisten? Die Lehren aus Basel II und Implikationen für die Zukunft. Darstellung der rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Dimensionen.
Sommersemester 2011
Hochschule Wismar
Master-Studiengang Wirtschaftsrecht
Wismar, den 25. Juli 2011
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AbkürzungsverzeichnisAbs. Absatz BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BCBS Basel Committee on Banking Supervision BIP Bruttoinlandsprodukt bspw. beispielsweise bzgl. bezüglich EBA European Banking Authority EG Europäische Gemeinschaften EK-Quote Eigenkapital-Quote et al. et alii EU Europäische Union evtl. eventuell FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FLF Finanzierung Leasing Factoring (Zeitschrift) G10 Zehnergruppe führender Industrienationen G20 Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer gem. gemäß ggf. gegebenenfalls ggü. gegenüber GroMiKV Groß- und Millionenkreditverordnung Helaba Hessische Landesbank h.M. herrschende Meinung i.S. im Sinne i.S.d. Im Sinne der/des i.S.e. Im Sinne einer/eines IFRS International Financial Reporting Standards IMF International Monetary Fund KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau KMU Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen KWG Kreditwesengesetz LiqV Liquiditätsverordnung lit. Littera (Buchstabe) lt. laut m.w.N. mit weiteren Nachweisen MaRisk (BA) Mindestanforderungen an das Risikomanagement für
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Nord LB Norddeutsche Landesbank o. S. ohne Seitenangabe o.V. ohne Angabe des Verfassers s. siehe s.o. siehe oben sog. sogenannte SolvV Solvabilitätsverordnung u.a. unter anderem u.U. unter Umständen USA Vereinigte Staaten von Amerika US-GAAP United States Generally Accepted Accounting Principles VaR Value at Risk vgl. vergleiche WVK Wiener Vertragsrechtskonvention WW Wirtschaftswoche z.B. zum Beispiel ZfgK Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
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Die globalisierte Finanzwelt befindet sich nach der Weltfinanzkrise und sich anschließenden starken realwirtschaftlichen Effekten wieder in einem starken Aufwärtstrend. Gleichzeitig bewegt sich die Branche, die auf der einen Seite aus den traditionellen Beteiligten auf Banken- und Versicherungsseite und auf der anderen Seite aus einer ganzen Reihe neuerer Akteure1besteht, am Scheidepunkt. Die öffentliche Meinung, zumindest in den eher westlich orientierten Staaten, äußert Vorbehalte gegenüber vielen Vorgehensweisen der Finanzindustrie, die dem Bürger oftmals undurchschaubar und damit gefährlich erscheinen. Dieses latente Gefühl der Furcht vor dem Vorgehen von Banken spiegelt sich auch in dem über zweihundert Jahre alten Zitat von Thomas Jefferson wieder.
In der Folge bewegt sich die Politik im Zwiespalt zwischen Wettbewerbsbeschränkungen durch eine wirksame Regulierung von Finanzprodukten und -akteuren auf der einen Seite. Auf der anderen Seite dagegen sind freie, deregulierte Märkte ein starker Anziehungspunkt für einige Teile der Finanzindustrie. Diese sind in der Lage ihre geschäftlichen Aktivitäten schnell und unkompliziert in Regionen der Erde zu verlegen, welche diejenigen Regulierungsbedingungen mit dem höchsten Renditeversprechen vorhalten. Im Zweifel handelt es sich also um Märkte, die so gut wie nicht reguliert scheinen. Staatenlenker versprechen sich von solchen Rahmenbedingungen Standort-vorteile und damit zumindest mittelbar positive Effekte für die heimische Wirtschaft und das Steueraufkommen. Ferner kann festgehalten werden, dass die zunehmende Komplexität der Wirkmechanismen an den internationalen Märkten dazu führt, dass immer weniger Unbeteiligte überhaupt in die Lage versetzt werden ein Grundverständnis für die wichtigen Zusammenhänge zu erhalten.
Hinzu treten neue, wichtige Akteure an den Finanzmärkten aus den sog. Emerging Markets, also den Wachstums- und Schwellenländern, wie das vielzitierte China. Diese Länder verfügen teils über stark von europäisch-amerikanischen Wertevorstellungen abweichende Meinungsbilder die Eckpfeiler der Finanzmarktregulierung betreffend. Ferner ist in der Vergangenheit außerhalb der politischen Sphäre und der Finanzwelt die Rolle des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) zu wenig beachtet worden. In der öffentlichen Diskussion werden Schlagworte wie ‚Basel III‘ zwar verwandt, deren Inhalt aber nicht hinreichend geklärt. Dieses führt wiederum zur oben ausgeführten Reaktion der Öffentlichkeit: Es bilden sich Vorbehalte gegen eine der breiten Mas-
1Beispielsweise Hedgefonds.
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se nahezu unbekannten Organisation. Diese Arbeit will dahingehend einen wissenschaftlichen Beitrag zur Aufklärung leisten, dass sowohl die Regelwerke Basel II und Basel III und deren Vorgänger in ihren Inhalten kurz dargestellt werden. Ferner ist es von großer Bedeutung in die Geschichte, Arbeitsweise und zu Teilen in die Arbeitsergebnisse des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht einzuführen, auch um die Vorbehalte zu Basel III bspw. in Deutschland nachvollziehen zu können. Dabei wird auch kritisch hinterfragt, wie die Arbeitsweise und -Ergebnisse des Ausschusses durch politische Strömungen zu beeinflussen sind. Auch wird in die Begrifflichkeiten Bankenaufsicht und Bankenregulierung abstrakt eingeführt.
Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Befürchtungen, die im Vorfeld der Einführung von Basel III aus Finanz- und Realwirtschaft zu vernehmen sind, über faktenbasierte Ausgangspunkte verfügen. Dazu ist es erforderlich ähnliche Ängste vor z.B. Verwerfungen auf den Kreditmärkten zu Zeiten der Einführung des Regelwerkes Basel II dahingehend zu untersuchen, ob diese Vorbehalte im Nachhinein betrachtet wirklich Realität wurden. Hieraus wird die Antwort auf die Frage abgeleitet, ob die heute angenommenen Bedrohungsszenarien für Finanz- und Realwirtschaft aus der Einführung von Basel III heraus wirklich realistisch sind oder in der öffentlichen Diskussion eher anderen Zwecken dienen.
Diese Untersuchung soll helfen die Fragestellung zu klären, ob Europa im Wettbewerb der Währungs- und Finanzräume von einer Vorbildfunktion bei der Umsetzung des momentan in der Diskussion befindlichen Regelwerks Basel III profitieren kann, oder vermehrt negative Effekte zu erwarten sind. Es kann sich dabei sowohl um politische Einflussverluste, monetär messbare Einbußen in Finanz- und Realwirtschaft oder aber auch um volkswirtschaftliche Wohlstandsverluste uvm. handeln. Ferner schließt diese Arbeit mit einem Ausblick, um zukünftige Entwicklungen in Zusammenhang mit Finanzmarktregulierung entsprechend zu würdigen.
Um die vielfältigen Fragestellungen im Ablauf dieser Arbeit beantworten zu können, muss zuerst dargestellt werden, warum zumindest ansatzweise der Konsens besteht, dass Banken2reguliert und beaufsichtigt werden sollen. Dabei muss klar sein, dass über die materiellen Voraussetzungen für eine funktionierende Bankenregulierung durchaus Dissonanzen bestehen. Im Nachgang ist fraglich, warum sich Regierungen vermehrt darauf verständigen diese Bankenregulierung bzw. Bankenaufsicht internationaler zu gestalten.
2Im Folgenden werden die Begrifflichkeiten „Bank“, „Kreditinstitut“ bzw. „Institutsgruppe“ synonym verwendet.
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Das Bankensystem kann dabei als „Quelle der Kreditversorgung und gleichzeitig Instrument zur Durchsetzung währungs- und konjunkturpolitischer Zielsetzungen“3betrachtet werden. Aus diesem Grund kommt ihm eine immanente volkswirtschaftliche Bedeutung zu. Durch unregulierte Kreditinstitute verursachte gesamtwirtschaftliche Verwerfungen werden zu einer großen Gefahr. In Deutschland sind die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mit der Bankenaufsicht befasst.4Von ihnen werden die Ziele und Motive einer funktionierenden Bankenaufsicht klar benannt. Hauptziel der staatlichen Regulierung sei dabei ein stabiles Finanzsystem5, außerdem sei eine „effiziente Bankenaufsicht […] gesamtwirtschaftlich notwendig.“6Weitere Hauptziele der Bankenaufsicht hat der Gesetzgeber in § 6 Abs. 2 des Kreditwesengesetzes (KWG7) zumindest für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht normiert: In Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten soll danach solchen Missständen entgegengewirkt werden, die die Sicherheit der den Instituten anvertrauten Vermögenswerte gefährden, eine ordnungsgemäße Durchführung von Bankgeschäften beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft herbeiführen können. Hieraus lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber ebenfalls beabsichtigt das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft sicher zu stellen sowie Bankgläubiger allgemein und allumfassend zu schützen.8Dabei bewegt sich die Aufsicht immer mehr im Spannungsfeld zwischen vermehrten öffentlichen Eingriffen im Sinne einer Überregulierung und zu geringen Eingriffen im Sinne von bspw. ausufernder Risikobereitschaft privatrechtlich organisierter Institutsgruppen. Dabei ist zu beachten, dass „der ‚optimale‘ Grad an Finanzdienstleistungsregulierung und insbesondere Bankenaufsicht […] unbekannt“9ist und somit eine Abwägung des Für und Wider eines Eingriffes nur auf Grundlage aktuell vorhandenen Datenmaterials und aus Erfahrungen der Vergangenheit durchgeführt werden kann. Vor dem Hintergrund einer in den Jahren 2007/2008 durchlittenen Weltfinanzkrise mit anschließenden globalen realwirtschaftlichen Auswirkungen gewinnt vor allem der Schutz der Gesamtwirtschaft als eines der gesetzlich normierten Hauptziele der Bankenaufsicht auch in der öffentlichen Diskussion vermehrt an Bedeutung. Es kann nicht nur darum gehen den ordnungsgemäßen Ablauf von Bankgeschäften wie einer Kreditgewährung oder einer Überweisung zu gewährleisten - Bankenaufsicht und Bankenregulierung umfassen wesentlich mehr.
3Träm,Neue Entwicklungen der staatlichen Bankenaufsicht, S. 25.
4Vgl. §§ 6, 7 Kreditwesengesetz KWG i.V.m. § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG).
5Vgl.Deutsche Bundesbank,Motive und Ziele der Bankenaufsicht, o.S., Internetquelle.
6Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht,Bankenaufsicht, o.S., Internetquelle.
7Kreditwesengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 1. März 2011 (BGBl. I S. 288) geändert worden ist.
8Vgl.Fischerin:Boos/Fischer et al.,Kreditwesengesetz - Kommentar, Einführung Rn. 61-62.
9Andrae,Konstitution internationaler Finanzsystemregulierung, S. 196.
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Einen weiteren Ansatz bietet vor diesem HintergrundGleeson.Er findet eine überraschend einfache, aber trotzdem treffliche Begründung für die Regulierungsbedürftigkeit des Bankwesens allgemein: „[…] a bank is a mechanism for taking risks. Banks take risks for the same reasons that all commercial entities take risks - to obtain rewards.“10Ein Kreditinstitut geht zur Steigerung des Geschäftserfolges gewisse Risiken ein. Diese Strategie kann dem Großteil der weltweit agierenden Unternehmen unterstellt werden. Allerdings besteht hier der gravierende Unterschied, dass bis auf wenige Ausnahmen das Scheitern eines Unternehmens der Realwirtschaft lediglich die Konsequenz hat, dass dieses Unternehmen aufhört zu existieren. Damit sind sicherlich negative Folgen für Individuen oder sogar das Sozialsystem eines Landes verknüpft, der Markt wird den Ausfall eines Akteures in vielen Fällen aber kompensieren können. Für Banken, zumal Großbanken mit multinationalen Kapitalströmen und Unternehmensverflechtungen, gilt diese Betrachtungsweise nur bedingt.
Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Gewinne von Kreditinstituten den Anteilseigner zufließen, große Verluste in der Praxis allerdings von der öffentlichen Hand ausgeglichen werden müssen.11Diese Asymmetrie kann darin begründet sein, dass das Eingehen größerer Risiken größere Renditen verspricht und Entscheider somit zwar einen Anreiz haben das Scheitern der Unternehmung zu verhindern, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Im Falle des Scheiterns allerdings macht es für das beteiligte Individuum abgesehen von evtl. auftretenden, persönlichen Haftungsansprüchen keinen Unterschied mehr, ob der Schaden nun eher klein oder doch eher groß ausfällt.12Oder in Zahlen gesprochen, ob „nur“ 100 Millionen Euro oder gleich 10 Milliarden Euro verloren gehen.
Verluste einer solchen Größenordnung aber mögen das gesamte Wirtschaftssystem eines Landes gefährden, da Kreditinstitute in ihrer Funktion als Versorger der Volkswirtschaft mit Geld- und Kreditleistungen von immanenter Bedeutung sind. Ausgehend von einer gewissen Größe und Bedeutung einer Bank im zu betrachtenden Wirtschaftssystem kann also gefolgert werden, dass in speziellen Fällen große Verluste durch Staaten abgefangen werden müssen („too big to fail“13). Inwiefern dabei aber eine Art unbedingte Bestandsgarantie für Institutsgruppen einer bestimmten Größen-ordnung formuliert werden muss, ist zumindest anzweifelbar. Die Diskussion über die
10Gleeson,International Regulation of Banking, S. 3 Rn 1.02.
11Vgl. dazu vor allem aktuelle Diskussionen um die Hypo Real Estate Holding AG oder die Teilverstaatlichung der Commerzbank AG.
12Vgl.Gleeson,International Regulation of Banking, S. 21 Rn 2.34.
13Die Doktrin „too big to fail“ hat ihren Ursprung in der Schuldenkrise der Stadt New York City (1914). Diese hatte sich stark in ausländischer Währung verschuldet und war zur Rückzahlung der Anleihen nicht mehr in der Lage. Aus diesem Grund wurde sie durch eine staatliche Intervention gerettet. Zur weiteren Vertiefung vgl.Silber,When Washington shut down Wall Street, S. 123-130.
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sog. „Systemrelevanz“ wird momentan im Zusammenhang mit dem Regelwerk Basel III geführt.
Es wird davon ausgegangen, dass staatliche Systeme nicht daran interessiert sind die Verluste von Privatunternehmen zu übernehmen. Auch aus diesem Grund greifen sie zu präventiven Maßnahmen. Als solche kann die Bankenregulierung somit vereinfacht ebenfalls aufgefasst werden. Existierende Risikostrategien von Banken werden dahingehend überprüft und eingeschränkt, dass Verluste in systemisch relevanten Größen-ordnungen zumindest unwahrscheinlicher werden. Eine internationale Zusammenarbeit bietet sich in diesem Zusammenhang gerade deshalb an, weil „nicht-harmonisierte Regelwerke […] eine Quelle von Wettbewerbsverzerrungen in einem einheitlichen Markt“14darzustellen vermögen. Banken werden bspw. dazu verleitet ihre Risikostrategien durch einen Länder- und damit zusammenhängenden Wechsel der Aufsichtsbehörde zu verschleiern oder gar entsprechend risikoreicher zu gestalten. Weitere Nachteile einer rein nationalen Betrachtungsweise können sein, dass Aufsichtsbehörden verschiedener Länder um Kompetenzen streiten und vermehrt doppelte Arbeitsschritte anfallen.15Dies alles kann nicht in letzter Konsequenz als ein Plädoyer für eine Art Weltfinanzaufsicht16, aber doch als starker Indikator für eine internationale Zusammenarbeit gewertet werden. Verschiedene nationale Ansätze bringen Best-Practice-Lösungen sowie neue, innovative Regulierungskonzepte hervor. Diese Erkenntnisse können dann im Rahmen internationaler Zusammenarbeit von allen Beteiligten genutzt werden.
Zusammengefasst lässt sich also festhalten, dass vielfältige Ansprüche an eine funktionierende Bankenaufsicht gerichtet werden. In einer heute stark globalisierten Finanzwelt muss damit auch klar werden, dass Einflüsse auf den nationalen Bankensektor nicht nur national begrenzte Schäden anrichten können. Dieses scheint auch die Politik erkannt zu haben und institutionalisierte schon in den 1970er Jahren eine Organisation, deren Arbeitsergebnisse Grundlage der kritischen Fragestellungen dieser Arbeit sind - den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht.
14Andrae,Konstitution internationaler Finanzsystemregulierung, S. 182.
15Vgl.Andrae,Konstitution internationaler Finanzsystemregulierung, S. 190.
16Nicht nur in jüngster Vergangenheit gab es Autoren, die sich für eine internationalisierte Finanzaufsicht starkgemacht haben. Auch die Asienkrise von 1997 oder die Russlandkrise 1998 lösten ähnliche Meinungen aus. Vgl. u.a.Eichengreen,Toward a New International Financial Architecture, S. 9-17.
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Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, oder in der gängigen englischen Bezeichnung „Basel Committee on Banking Supervision (BCBS)“17, wird 1974 auf Initiative der damaligen Notenbankgouverneure der G1018gegründet. Die Mitglieder des Ausschusses kommen regelmäßig vier Mal im Jahr zusammen, um die neuesten Entwicklungen auf den Finanzmärkten und damit zusammenhängende Regulierungsbedarfe zu besprechen. Die Gründung fußt auf der Erkenntnis, dass die Handlungen nationaler Bankenaufsichtsbehörden durchaus auf Märkte in Drittländern einwirken können. Dieses zeigt sich z.B. durch die sog. „Herstatt-Krise“19. Hier wird das Bankhaus Herstatt Mitte des Jahres 1974 für die Märkte überraschend nach verfehlten Devisenspekulationen durch deutsche Aufsichtsbehörden geschlossen.20Dieser international nicht abgestimmte Eingriff führt bei US-amerikanischen Banken am Tag darauf zu Verlusten, da Devisentransaktionen zeitlich versetzt abgewickelt werden.21Eine engere Kooperation auf internationaler Ebene in Fragen der Bankenaufsicht ist durch diese Vorgänge angezeigt.
Das erste Treffen findet unmittelbar im Anschluss an die Gründungsinitiative im Februar 1975 statt. Seit diesem Tag sind folgende Staaten Mitglied im Ausschuss: Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Schweden, die Schweiz, die USA und das Vereinigte Königreich.22Mithin handelt es sich um den Kern der damaligen „westlichen Welt“23. Seinen Sitz hat der Ausschuss seit dieser Zeit bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), oder im Original Bank for international Settlements (BIS), in Basel. In einem formalen Akt werden die Empfehlungen des Ausschusses zu aktuellen Diskussionen dabei dem Verwaltungsrat der BIZ zur Billigung vorgelegt. Diese Billigung entfaltet dabei keinerlei formale Rechtswirkung im Sinne eines Umsetzungserfordernisses für nationale Regierungen und Parlamente. Dabei ist zu beachten, dass die Vorschläge des Baseler Ausschusses bereits vorher im Konsens der Mitglieder des Baseler Ausschusses erarbeitet werden und somit eine inhaltliche Abstimmung schon vorab stattgefunden hat. Damit kann eine Billigung von vornherein als gesichert gelten, da die heute 19 Mitglieder24des Verwaltungsrates
17Im Folgenden oftmals auch verkürzt: „Der Ausschuss“.
18Informelle Gruppe von Staaten, die sich bereiterklärt haben bei Liquiditätsproblemen des IWF mit Krediten auszuhelfen. Mitglieder damals: USA, Japan, Kanada, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien) Belgien, Niederlande und Schweden.
Vgl.Bundesministerium der Finanzen,Zehnergruppe (G10), o.S., Internetquelle.
19Deutsche Bundesbank,Regulatorischer Rahmen des Aufsichtssystems, o.S., Internetquelle.
20Vgl.Oehlrich/Baltes et al.,Finanzmarktkrise damals und heute, ZRP 2011, 40 (42).
21Vgl.Buchmüller,Basel II - Hinwendung zur prinzipienorientierten Bankaufsicht, S. 19.
22Ebenda,S. 19.
23Der Terminus „westliche Welt“ stellt an dieser Stelle auf die damals vorherrschende Trennung der teilglobalisierten Welt in zwei Blöcke ab, welche sich in Fragen der Wirtschaftspolitik, aber auch Weltanschauung insgesamt feindlich gegenüber stehen.
24Bank für internationalen Zahlungsausgleich,Board of Directors, o.S., Internetquelle.